Was eine immaterielle/spirituelle Substanz ist

Re: Was eine immaterielle/spirituelle Substanz ist

Beitragvon Myron » Fr 9. Jan 2009, 20:43

ostfriese hat geschrieben:Myron, damit Du nicht denkst, dass ich das alles für selbstverständlich halte, möchte ich Dir endlich mal wieder herzlich danken für Deine unermüdliche philosophische Fleißarbeit. Du bist der beste Philosophielehrer, den man sich vorstellen kann, denn Dein Unterricht ist sozusagen "vollständig interaktiv", maßgeschneidert, hoch informativ, abwechslungsreich, intellektuell herausfordernd und dann auch noch kostenlos. Besser geht's einfach nicht -- fast zu schön, um wahr zu sein!!!


Vielen Dank für die Blumen! :blush2:

ostfriese hat geschrieben:Zu Einstein: Da hab ich wohl einen weiteren prominenten Gewährsmann. :^^:


Ein weiteres Zitat vom alten Meister, das den Supers nicht schmecken dürfte.

ostfriese hat geschrieben:Aber um die innere Widersprüchlichkeit eines (synthetischen!) Begriffs zu beweisen, muss man sich über seine Bedeutung (bzw. die der zur Explikation bemühten Prädikate) doch zunächst im Klaren sein (was ja gerade nicht der Fall ist).


Meines Erachtens sind die obigen Punkte (i)-(iv) für sich betrachtet nicht sinnlos. Der Unsinn ergibt sich erst aus der Kombination dieser vier Punkte, insbesondere durch die Hinzufügung von Punkt (iv).
Denn es ist in der Tat nicht vorstellbar, wie ein null- bzw. adimensionales Etwas, das sich nicht einmal im Raum befindet, der Träger einer komplexen Psyche sein und in das physische Universum hineinwirken könnte.

ostfriese hat geschrieben:Und deshalb müssen wir die Hoffnung auf apriorische Wahrheit des Naturalismus wohl begraben!


Na ja, kommt darauf an, wie mutig man als Naturalist ist.
Allerdings müssten die Thesen des (minimalen) Naturalismus zunächst klar definiert sein.
Und dazu zählt neben der Verneinung des Substanzdualismus, d.h. der Bejahung des materialistischen Substanzmonismus, vor allem die These, dass alles, was existiert, Teil des Raumzeitsystems (des vierdimensionalen physischen Kontinuums) sei.
Diese These als eine rein konzeptuell notwendige und damit als eine analytisch-apriorische Wahrheit zu verteidigen, dürfte wohl kaum möglich sein. (Denn auch ich definiere "x existiert" nicht als "x ist Teil des Raumzeitsystems".)

ostfriese hat geschrieben:Da hab ich ein Verständnisproblem. Wenn Substanzen per definitionem konkret sind, kann es doch gar keine abstrakten Substanzen geben (von denen im zweiten Satz die Rede ist), und alle abstrakten Objekte müssten als Nichtsubstanzen gelten (wie Du im ersten Satz ja selbst schreibst). Welche der Prämissen aus dem ersten Satz wirfst Du mit "Wäre dem nicht so" über Bord, und woraus leitest Du dann den erwähnten Unterschied ab?


Gemeint ist: Wenn der Begriff <Substanz> nicht das Merkmal <Konkretheit> beinhaltete, dann könnte man auch von abstrakten Substanzen sprechen, die wiederum infolge der Definiton von <Abstraktheit> grundsätzlich immateriell wären. Und abstrakte immaterielle Substanzen würden sich von konkreten immateriellen, d.i. spirituellen, Substanzen dahin gehend unterscheiden, dass letztere im Gegensatz zu ersteren psychische Eigenschaften besäßen und wirkungsfähig (kausal potent) sowie (möglicherweise) wirkungsempfänglich wären. (Auf ein als real angenommenes Abstraktum wie die Zahl 4 kann man weder einwirken noch bewirkt sie selbst irgendetwas.)

ostfriese hat geschrieben:Dimensionalität ist ein Prädikat, das man bestimmten mathematischen Strukturen (Räumen) zuordnen kann. Räume sind Mengen, und ihre Teilmengen sind das, was sich in den Räumen befindet. Dimensionslose Objekte sind keine Teilmengen von Räumen, nulldimensionale Objekte dagegen schon (in einem affinen Raum wären das, wie Du bereits erklärt hast, extensionslose Punkte). Da es in der Welt da draußen keine unräumlichen Strukturen gibt, mit denen wir "dimensionslose Objekte" vergleichen und als isomorph identifizieren könnten, kennen wir sie zwar als abstrakte mathematische Konzepte, können davon aber keine konkrete Vorstellung haben.


Du hast recht, der Begriff der Dimensionalität ist auf einen metrischen Raum und dessen mathematische Struktur bezogen, worin es Dimensionalitäten vom Grade 0 bis zum Grade oo (Hilbert-Räume) geben kann. Diese werden raumimmanenten Objekten (Punkten, Linien, Oberflächen etc.) zugeordnet. Ein raumtranszendentes Objekt ist somit strenggenommen nicht einmal 0-dimensional, sondern schlichtweg adimensional.
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Re: Was eine immaterielle/spirituelle Substanz ist

Beitragvon ostfriese » Fr 9. Jan 2009, 21:11

Myron hat geschrieben:Gemeint ist: Wenn der Begriff <Substanz> nicht das Merkmal <Konkretheit> beinhaltete, dann könnte man auch von abstrakten Substanzen sprechen, die wiederum infolge der Definiton von <Abstraktheit> grundsätzlich immateriell wären. Und abstrakte immaterielle Substanzen würden sich von konkreten immateriellen, d.i. spirituellen, Substanzen dahin gehend unterscheiden, dass letztere im Gegensatz zu ersteren psychische Eigenschaften besäßen und wirkungsfähig (kausal potent) sowie (möglicherweise) wirkungsempfänglich wären. (Auf ein als real angenommenes Abstraktum wie die Zahl 4 kann man weder einwirken noch bewirkt sie selbst irgendetwas.)

O.k., danke für die Erläuterung, jetzt kann ich's nachvollziehen! ;-)
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Re: Was eine immaterielle/spirituelle Substanz ist

Beitragvon ganimed » Fr 9. Jan 2009, 23:02

stine hat geschrieben:Das Wesen eines Menschen ist Seele. Immateriell aber substantiell.
Das Wesentliche ist unsichtbar, aber spürbar.

Ich glaube, dafür könnte man auch viel einfacher "Psyche" oder "Charakter" sagen. Dann bräuchte man nicht ein Hokus-Pokus-Konstrukt wie "Seele".
Allerdings ist die Psyche, das habe ich hier inzwischen gelernt, emergent. Also wird erzeugt vom Hirn und ist insofern irgendwie nicht immateriell. Der Rest trifft aber wohl ungefähr zu. Unsichtbar, aber spürbar und substantiell.
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Re: Was eine immaterielle/spirituelle Substanz ist

Beitragvon gerhard » Sa 10. Jan 2009, 06:44

ganimed hat geschrieben:Ich glaube, dafür könnte man auch viel einfacher "Psyche" oder "Charakter" sagen. Dann bräuchte man nicht ein Hokus-Pokus-Konstrukt wie "Seele".


Qganimed: Damit machst Du deutlich, dass sich geistbegabte Affen allein auf die Determinantion ihrer Gene nicht verlassen können, somit deren ganz "natürlichr bleibender -geistig und materieller- Sinn" mehr ist, als das, was Evoltuionsbiologen der alten Garde aller Welt weiter beibringen. Wir brauchen keinen Hokus-Pokus, in dem spirtituell Substanzen den Ton angeben. Aber wir brauchen ein gemeinsames geistiges Konzept, das unserer Psyche entspricht, um unserer natürlichen Bestimmung im evolutonären Optimierungsgeschehen gerecht zu werden, statt nur egoistisch das Gegenteil zu bewirken, uns dabei auf Genmaximierung zu berufen.

"Seele" ist möglicherweis nur ein Ausdruck für alle seit Freud & Co. logisch erklärten Bauteil, die uns im Prozess des kreativen Kosmos geistbegabt mitwirken lassen: Geist und Körper zu Werk-zeugen machen. Denn im Gegensatz zu unseren Vorfahren kommen wir dabei mit der Chemie unserer Gene und dem Ruf der Körpersäfte (was diese selbst für lustig halten), nicht mehr aus. Darum denke ich, ist aufgeklärter Verstand einer umfassenen gemeinsame Be"stimmung" von Materie und/mit Geist gefragt, keine Vergeisterung, die spirituelle Substanzen und Materie gegeneinander stellt.
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Re: Was eine immaterielle/spirituelle Substanz ist

Beitragvon ganimed » Sa 10. Jan 2009, 14:06

@gerhard: Evolutionsbiologen haben Psyche und Charakter niemals geleugnet, würde ich sagen. Höchstens mal recht hoch geschätzt, wie stark der Charakter von den Genen abhängt. Vor Jahren las ich mal Zahlen wie 50%. Heute würde das, so mein Kenntnisstand, wohl niedriger angesetzt.

gerhard hat geschrieben:Aber wir brauchen ein gemeinsames geistiges Konzept, das unserer Psyche entspricht, um unserer natürlichen Bestimmung im evolutonären Optimierungsgeschehen gerecht zu werden

Wenn du doch nur endlich konkret definieren könntest, was "unsere natürliche Bestimmung im evolutionären Optimierungsgeschehen" ist?

Ich selber denke ja, Hirn und Psyche wurden hauptsächlich deshalb entwickelt, um ein komplexes, soziales Zusammenleben zu ermöglichen, mit dem der Mensch und seine Gene dann besser überleben. Angesichts der Überbevölkerung kann man wohl auch von einem vollen Erfolg sprechen. Von evolutionärem Optimierungsgeschehen jenseits dieser Genmaximierung weiß ich nichts.
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Re: Was eine immaterielle/spirituelle Substanz ist

Beitragvon gerhard » Sa 10. Jan 2009, 16:34

ganimed hat geschrieben:Ich selber denke ja, Hirn und Psyche wurden hauptsächlich deshalb entwickelt, um ein komplexes, soziales Zusammenleben zu ermöglichen, mit dem der Mensch und seine Gene dann besser überleben. Angesichts der Überbevölkerung kann man wohl auch von einem vollen Erfolg sprechen. Von evolutionärem Optimierungsgeschehen jenseits dieser Genmaximierung weiß ich nichts.


Nichts gegen die in der Natur zu beobachtende Genmaximierung.
Aber ist das in einer evolutonsären Entwicklung, die vom Kosmos insgesamt, bis zur menschlichen Kultur reicht, schon alles?
Lässt sich der Optimierungserfolg der menschlichen Evolution wirklich allein an Bevölkerungszahlen ablesen?
Kann es im Rahmen der Evolution nur um die willkürliche Vermehrung unserer Gene gehen?
Was macht die menschliche Natur aufgekärter frei denkender Wesen aus?
Gehört dazu nicht auch die Psyche, das gesamte Denkvermögen, das gesellschaftliche Zusammenleben in menschlicher Kultur, letztlich alles, was in evolutionärer Entwicklung ganz logisch erklärt wird?

Nein, wir brauchen uns nicht auf geheimnisvolle Substanzen, biblische Botschaften oder weitere Altautoritäten zu berufen, sondern können aufgeklärt eine umfassende kreativen evolutionäre Be"stimmung" beachten, uns an einer menschlichen Natur in evolutionärer Entwickung ausrichten, die nicht dort aufhört, wo bisher aus Genmaximierung ein nur dem Selbstzweck dienender kurzsichtiger Egoismus abgeleitet wurde?

Die Bestimmung ergibt sich m. E. aus all dem, was wir uns im Fluss des evolutioären Werdens begeistert beobachten können, letztlich die menschliche Kultur in Vereinbarkeit mit der Natur ausmacht. Was uns unterscheidet ist, dass ich von Glaubensaufklärung ausgehend nicht in alter Gewohnheit eine göttliche Sinngebung suche, die z.B. von einer immatierellen/spirituellen Substanz gegeben wird und die gegen meine Natur kämpfen muss. Doch da ich als Kultwesen von natürlich-kreativer als "schöpfericher" Bestimmung ausgehe, denke ich, dass es nicht reicht, nur dem Selbstzweck zu dienen. Nachdem ich das ganz natürliche evolutionäre Werden als kreatives=schöpferisches Wort verstehen will (Bestimmung), sehe ich meinen Sinn darin, dies menschlich umzusetzen.

Letztlich kommt dabei auch all heraus, was der ökologischen Ordnung gerecht wird, das menschliche Zusammenleben nicht nur ermöglicht, sondern die gemeinsame Lebensform optimiert. Dazu gehört nicht nur die goldene Regel, sondern all das, was für die Opitmierung eines gemeinsamen Lebens geistgebabter Wesen tauglich wäre. Nur ist es mehr als eine säkulare subjektive kommunikative Vernunft, auf die sich z.B. Habermaß beruft, die zwischenmenschlich als nützlich vereinbart wird, sondern wird als "kreative=schöpferische Bestimmung" verstanden. Somit nicht nur in einen umfassenderen kulturgerechten Bezug gesetzt, sondern auch befolgt. Zumindest mehr als das, was wir uns nur gegenseitig vorbeten und dann doch nur dem kurzsichtigen Selbstzweck folgen. Was dann auch noch biologisch begründen wird.
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Re: Was eine immaterielle/spirituelle Substanz ist

Beitragvon ganimed » So 11. Jan 2009, 01:18

gerhard hat geschrieben:Nichts gegen die in der Natur zu beobachtende Genmaximierung.
Aber ist das in einer evolutonsären Entwicklung, die vom Kosmos insgesamt, bis zur menschlichen Kultur reicht, schon alles?

Ja.

gerhard hat geschrieben:Lässt sich der Optimierungserfolg der menschlichen Evolution wirklich allein an Bevölkerungszahlen ablesen?

Einen eindeutiges Kriterium für den Erfolg sehe ich auch nicht, zugegeben. Vielleicht ist es die Länge der Zeitspanne, die eine Art ohne große genetische Änderungen überlebt. Nach diesem Kriterium wären, habe ich mal gelesen, die Krokodile und Schaben ziemlich weit vorne (und die Menschen als Newcomer auf einem der letzten Plätze). Wenn es auf Bevölkerungszahlen ankäme, wären vermutlich die Ameisen unter den Top-Ten (und die Menschen immer noch recht abgeschlagen irgendwo im Mittelfeld).
Vermutlich kann man aus der Evolution einfach nicht den einen Sinn herauslesen, nicht das eine Ziel folgern. Unsere Gene wollen sich reproduzieren, darauf sind sie nunmal ausgelegt. Aber was bedeutet das jetzt für einen komplexen Organismus als Individuum? Meine Folgerung wäre ja die vorsichtige Annahme, dass es einfach keinen einheitlichen Sinn gibt. Jeder hat seinen eigenen (je nach Facon, Lebensauffassung, Erziehung und Prägung). Meiner wäre: optimiere die Menge an Spaß und Zufriedenheit im Leben. Eine Ameise denkt da sicher anders.

gerhard hat geschrieben:Letztlich kommt dabei auch all heraus, was der ökologischen Ordnung gerecht wird, das menschliche Zusammenleben nicht nur ermöglicht, sondern die gemeinsame Lebensform optimiert.

Was verstehst du hier unter "ökologischer Ordnung"? Wie kann es in einem evolutionären Prozess des ständigen Wandels eine Ordnung geben?
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