xander1 hat geschrieben:Wenn man den Naturalismus für Wahr befindet, erkenne ich aber bisher keinen Grund sich einer naturalistischen Bewegung anzuschließen und den Naturalismus zu befördern? Fördert man nicht etwa den Naturalismus weil mein eine Verbesserung damit erwartet? [...] Allein damit die Wahrheit verkündet wird dem Naturalismus beitreten ergibt zu wenig Sinn.
Es gibt genausowenig Grund, sich einer katholischen Lehre anzuschließen, nur weil man die Lehre Jesu von Nazareth für klug und richtungsweisend hält. Dass sich die Christen die historisch belegten Vorfälle zu Nutze machten, um (s.o.) ihre Machtgeilheit zu befriedigen, und sich daraus dann ein weltumspannender (Aber-)Glaube entwickelt hat, der ein körperliches Leben im Jenseits verspricht, ebenso wenig - und da spreche ich ganz sicher für jede gegenwärtige oder frühere Sekte.
Der Naturalismus ist keine Bewegung - die Brights dagegen sind es. Dass du dich in einem Forum der Brights bewegst, zeigt mir, dass dir die zu Grunde liegende Weltsicht nicht komplett wiederstrebt. Du gehts ja auch nicht auf ne Tekkno-Party und erzählst den Leuten dort, wie Scheiße Tekkno ist - das machst du nur, wenn du in missionarischem Sinne unterwegs bist, und dann hat jeder Sympathisant der Tekkno-Szene das Recht, dir entschieden zu widersprechen. Insofern find ichs klasse, dass du deine Zweifel hier hinterlässt, denn mir bringen die Zweifel der Anderen stets neue Einsichten, indem ich mich mit dieser Kritik auseinandersetzen kann. Also, vorerst mal Danke. Ich freu mich auf deinen nächsten Beitrag...
stine hat geschrieben:So bin ich jetzt sozusagen im Naturalismus auf der Suche nach etwas wie "Gott".
Ich versuche nochmal, dir meinen Versuch der Antwort auf die Frage nach Gott zu erläutern:
Stell dir vor, du lernst eine nette Frau namens Jone kennen, im Laufe der Zeit entwickelt sich eine Freundschaft zwischen Euch. Wenn du sie siehst oder über sie nachdenkst d. h. immer, wenn du dich mit ihr auseinandersetzt, ist das immer mit einem bestimmten Gefühl verbunden. Eines Tages kommst du von einer Party aus Berlin mit dem Zug in dein kleines Heimatdorf gefahren und dir gegenüber sitzt eine Frau, die du noch nie gesehen hast, die dich aber sofort an Jone erinnert. Ihre Bewegungen, ihre Frisur, ihre Wortwahl erinnern dich an sie - nicht aber ihre Stimme, ihr Kleidungsstil und das Muttermal auf der Wange. Trotzdem sagst du zu ihr: "Du bist genau wie meine Freundin Jone." - nämlich deshalb, weil du eine emotionale Repräsentanz von Jone mit dir herumträgst, die sogar dann wachgerufen wird, wenn Jone gar nicht da ist. Das, was du mit Jone verbindest, ist nicht Jone selbst, sondern ein Gefühl, das sich aus vielen anderen durch den Umgang mit Jone entwickelten Gefühlen zusammengesetzt hat. Diese Gefühle entstehen im Gehirn und stehen für dein Bild von Jone.
Mit Gott ist es ähnlich - mit dem Unterschied, dass es ihn in der physikalischen Welt nie gegeben hat. Irgendwann ist jedoch die Idee von Gott entstanden (der Sage nach durch einen Mann Namens Abraham) und hat sich derart weiterentwickelt, dass heute jeder Mensch der westlichen und orientalischen Welt zwangsläufig mit ihm konfrontiert wird und ein Verhältnis zu Gott aufbaut. Dieses Verhältnis entsteht dabei wie mit deiner Freundin Jone auf rein emotionaler Basis. Jeder Mensch verbindet etwas Anderes mit Gott und hat deshalb andere Gefühle, wenn er an ihn denkt. Der Eine setzt sich mehr mit ihm auseinander, der Andere weniger, wieder ein Anderer gar nicht.
Mir stellt sich letztlich die Frage, welchen Sinn eine solche Vorstellung macht. Denn zumindest aus evolutionsbiologischer Sicht müsste sie doch einen Sinn haben. Warum entwickelte sich die Idee von Gott? Warum ist sie noch immer so mächtig? Und wie kann man sich ihrer zu Grunde liegenden Wahrheit rational nähern?
Letztlich habe ich noch keine befriedigenden Antworten gefunden. Ich gehe aber schwer davon aus, dass man Gottes Existenz verstehen muss, um seiner habhaft zu werden. Deshalb: Liebe deinen Feind - damit ihm (und seinen Anhängern) die Argumente ausgehen.
In diesem Sinne: Zeig dich, alter Mann!
