Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon Peter Janotta » Fr 20. Feb 2009, 12:35

Pia Hut hat geschrieben:zu Peter Janotta: Ja das Experiment ist auch ein wichtiges Instrument der Naturwissenschaft um Theorien, die sie aus Naturanschauungen entwickelt hat zu überprüfen und gegebenenfalls zu verwerfen. Aber die Mathematik z.B., die mitunter als eine Art „Königswissenschaft“ betrachtet wird und der mancher die größte Objektivität zuschreibt, bedarf dieses Instrumentes kaum.

Ich bin theoretischer Physiker. Daher kann ich dir da natürlich nur zustimmen. Die Objektivität der Wissenschaft besteht in der grundsätzlichen Nachvollziehbarkeit egal auf welchen Weg. Sei das jetzt anhand von Experimenten, Rechnungen oder der Logik. Jeder sollte zu gleichen Ergebnissen kommen. Wenn Unplausiblitäten auftreten werden diese diskutiert und versucht eine neue Theorie zu erarbeiten, die diese Schwierigkeiten umschifft, oder wenn möglich die alte Theorie zu modifizieren.

Das gilt übrigens nicht nur für die Naturwissenschaften, sonder zum Beispiel auch für die Geisteswissenschaften. Eine vernünftige wissenschaftliche Theorie enthält Annahmen und Folgerungen. Zwar kommt es oft vor, dass es zu einem Sachverhalt verschiedene Theorien gibt, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben, trotzdem muss es auch bei diesen möglich sein sowohl Annahmen als auch Folgerungen nachvollziehen zu können. Ziel der Wissenschaft ist es eine Theorie zu finden, die unter realistischen Annahmen zu in der Realität vorzufindenden Folgerungen kommt. Um diesem Ziel näher zu kommen werden sowohl Annahmen und Folgerungen auf Plausibilität geprüft und versucht durch neue Annahmen (evtl. Zusatzannahmen) neue Theorien zu finden, die die Realität besser beschreiben.

Was deine Kritik an manchen Experimenten angeht, so kann ich dir nur recht geben, dass dort Kritik teilweise durchaus angebracht ist. Als Negativbeispiel für einen blinden "Fortschrittsglauben" mit allen Mitteln, habe ich gestern in einem Bericht die Futuristen kennen gelernt, die Anfang des 20. Jahrhunderts lebten und damals sogar eine Kunstrichtung hervorbrachten. Neben der Verherrlichung von Technik glorifizierte diese Gruppe auch den Krieg und ein bekannter Vertreter wurde sogar Kulturminister unter Mussolini:
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/tips/131272/index.html

Deine Kritik an den Experimenten der Hirnforscher kann ich so pauschal aber nicht verstehen. Schließlich nehmen die Versuchspersonen doch freiwillig teil und müssen sich daher bewusst sein, dass die Studie ein Thema hat oder zu Ergebnissen führen kann, die ihnen nicht gefallen. Niemand wird meines Wissens gezwungen an so einem Experiment teilzunehmen. Das Vorenthalten von Informationen zum Versuch ist teilweise nötig, um nur durch dieses Wissen verursachte Effekte im Experiment auszuschließen und so zu wissenschaftlich sinnvoll auswertbaren Daten zu kommen. Wenn es in einem Experiment tatsächlich klar ist, dass die Information über die Details des Experiments zu keiner Verfälschung der Daten führt, gebe ich dir recht, dass die Versuchspersonen in einem solchen Fall über den Zweck des Versuchs informieren sollte.
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Re: Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon

Beitragvon Pia Hut » So 22. Feb 2009, 14:12

Meine Kritik an den Experimenten der Hirnforscher kannst du so pauschal nicht verstehen.
Ich muss gestehen, dass ich mir da theoretisch selbst noch nicht ganz im Klaren bin. Das Experiment, das den Menschen als Versuchsobjekt hernimmt und ihm dabei Wissen vorenthält, bewirkt bei mir erst mal ein „ungutes“ Gefühl. Ich versuch es mal zu erläutern.
Ich hatte das Placebobeispiel erwähnt. Vermutlich kann man davon ausgehen, dass ein Phänomen existiert, das man grob als „der Glaube versetzt Berge“ beschreiben könnte. Placebos wirken und wahrscheinlich am Besten bei Menschen, die von der generellen Wirksamkeit von Medikamenten überzeugt sind. INun weiß ich zwar, dass man bei Medikamenten von einer statistischen Wirksamkeit bei einer großen Zahl von Menschen ausgehen kann. Aber mir ist auch bekannt, dass Medikamente bei einzelnen Individuen sogar zu gegenteiligen Effekten führen können und habe das selbst schon erlebt. Daher setzte ich auch nur ein sehr bedingtes Vertrauen in Medikamente.

Der menschliche Körper verfügt über ein eigenes schmerzhemmendes System, das die Schmerzempfindung dämpft um eine lähmende Schmerzreaktion zunächst zu unterdrücken, um in Krisensituationen die Handlungsfähigkeit zu erhalten. Die unterschiedliche Aktivität dieser natürlichen Schmerzstillung soll ein wesentlicher Grund für die individuell sehr verschiedene Schmerzempfindlichkeit sein. Hatte vor kurzem eine Studie gesehen, bei der herauskam, dass Patienten einen naturwissenschaftlich messbaren sehr unterschiedlichen Bedarf an Schmerzmitteln haben. Wenn der Patient aber als wissenschaftliches Objekt betrachtet wird und nicht auch in seiner Subjektivität ernst genommen (er ist die Autorität in eigener Sache), dann führt das praktisch dazu, weil man ihn als eine Art statistische Größe betrachtet, dass man ihm sagt, er solle sich nicht so anstellen, das Mittel wirke doch immer.

Beim Experiment käme es mir sehr darauf an, welches Erkenntnisziel es hat. Die Fragestellung scheint mir da entscheidend. Wenn man beweisen will, dass der Wille eine Illusion ist, dann geht das am besten, wenn ich die Versuchsanordnung so ausrichte, dass der Wille, weil unwissend möglichst keinen Einfluss nehmen kann. Denn wenn mein Versuchskaninchen weiß, dass ich in ihm ein neuronengesteuertes Objekt sehe, dann wird es mir mit seinem Willen vermutlich den ganzen Versuch ruinieren.

So viel fürs erste - habe noch einige Experimente im Hinterkopf, die mir reichlich fragwürdig erscheinen, aber auch Experimente der Hirnforschung, deren rationeller Zweck mir völlig einleuchtet.
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