Gibt es ein höheres Prinzip in dem Universum

Re: Gibt es ein höheres Prinzip in dem Universum

Beitragvon Myron » Mi 4. Feb 2009, 22:03

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Im Gegenteil, die vier Grundkräfte der Physik, sind einfach grundlegende Naturgesetze, aber die "sind" ganz einfach, haben kein Ziel und kein "Prinzip".


(Kräfte sind etwas anderes als Naturgesetze.)

Es ist zu unterscheiden zwischen metaphysischen/ontologischen und theoretischen/praktischen/ethischen Prinzipien, d.h. zwischen Grundursachen und Grundsätzen:

"Prinzip (principium, archê): Anfang, Ausgangspunkt, Ursprung, Grund, Voraussetzung. Prinzip ist alles, woraus daß Dasein eines Etwas ursprünglich ableitbar, begreiflich ist, woraus etwas hervorgegangen ist, sich entwickelt hat Realprinzipien sind die Grundlagen, die »Urgründe« der Dinge (metaphysische Prinzipien, s. Prinzipien), Idealprinzipien die Grundvoraussetzungen, Grundsetzungen des Denkens (der Denkinhalte), Erkennens, Handelns (theoretische und praktische Prinzipien formaler und materialer Art)."
(http://www.textlog.de/4901.html)

"Prinzipien, metaphysische, (archai): Anfänge, Seinsgrundlagen, Urgründe der Dinge, aus welchen sie hervorgehen. Die metaphysische Prinzipienlehre löst das mythologische (s. d.) Denken ab. Ale Prinzip der Dinge gilt bald ein bestimmter Stoff, bald ein Stoff schlechthin, bald ein Formales, Geistiges."
(http://www.textlog.de/4898.html)

Die Frage "Gibt es ein höheres Prinzip?" ist somit im metaphysischen Sinne zu lesen als:
"Gibt es eine das physische Universum transzendierende Grundursache des Nämlichen?"

Was könnte da infrage kommen?
Doch wohl nur ein (persönlicher) göttlicher Geist (theos) oder ein unpersönliches Naturgesetz (logos).
Ersteres wird von uns Naturalisten verneint. Interessant ist hingegen letztere Möglichkeit:

"[Option 1: The Universe is a subset of the laws of Nature.]
The first option takes the laws of Nature to be something that transcends the physical Universe. The Universe is one of its particular manifestations. There may be others either in possibility or in actuality. It is important to notice that the recent direction of research in cosmology which has sought to provide a mathematical account of the creation of the Universe out of 'nothing' implicitly assumes the situation (1). It must assume that there pre-exist laws of Nature and other primitive notions like logic prior to the creation of the material Universe. (...) [I]t is interesting to consider that if the Universe as a whole is described by a law of Nature like that enshrined in Einstein's general theory of relativity then there must exist a logical structure larger than the physical Universe."


"[Option 1: Das Universum ist eine Teilmenge der Naturgesetze.]
Der ersten Option nach sind die Naturgesetze etwas, das das physische Universum transzendiert. Das Universum ist eine von ihren besonderen Manifestationen. Möglicher- oder wirklicherweise gibt es noch andere. Es ist wichtig zu beachten, dass die jüngste Richtung der kosmologischen Forschung, die danach strebt, eine mathematische Erklärung der Erschaffung des Universums aus 'nichts' zu liefern, implizit von der Situation (1) ausgeht. Sie muss die Präexistenz von Naturgesetzen und anderer elementarer Ideen wie Logik annehmen, welche der Erschaffung des materiellen Universums vorausgehen. (...) Es ist interessant zu bedenken, dass wenn das Universum als Ganzes von einem Naturgesetz wie dem in Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie aufbewahrten beschrieben wird, es eine logische Struktur geben muss, die größer ist als das physische Universum."

[© meine Übers.]

(Barrow, John D. New Theories of Everything. Oxford: Oxford University Press, 2007. p. 36-7)

Allerdings stellt sich hier die Frage, inwieweit ein abstraktes Naturgesetz (oder eine Menge von Naturgesetzen) ursächlich wirksam sein kann, wo doch üblicherweise angenommen wird, dass von abstrakten Objekten keinerlei Wirkungen ausgehen.
(Es ist jedoch anzumerken, dass Platon seine idealen "Formen" durchaus als Ursachen betrachtete.)
Wenn man als Naturalist verneint, dass abstrakte Naturgesetze die Grundursache der konkreten Raumzeitwelt sein können, dann bleibt eigentlich nur noch die folgende Alternative:
Es gibt überhaupt keine transzendente Grundursache der Raumzeitwelt, weil diese ewig, d.i. unerschaffen ist.


P.S.: Leider sind sich die Philosophen—wie fast immer—nicht darüber einig, was ein Naturgesetz überhaupt genau für eine Sache ist. Eine unsprachliche Tatsache besonderer Art oder eine sprachliche Aussage? Wenn Barrow oben von einem beschreibenden Naturgesetz spricht, dann kann damit nur eine Naturgesetzaussage gemeint sein.
Siehe:
http://plato.stanford.edu/entries/laws-of-nature
http://www.iep.utm.edu/l/lawofnat.htm
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Re: Gibt es ein höheres Prinzip in dem Universum

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 5. Feb 2009, 15:55

Myron hat geschrieben:Die Frage "Gibt es ein höheres Prinzip?" ist somit im metaphysischen Sinne zu lesen als:
"Gibt es eine das physische Universum transzendierende Grundursache des Nämlichen?"
Es ist so zu lesen?
Woher weißt du welche Intention der TO tatsächlich hier hatte? (Gedankenlesen?) :mg:
Genau deshalb habe ich ja ein paar mal um eine Definition ersucht. Wenn der TO mit dieser Definition einverstanden ist, kann man sich ja auf dieser weiter darüber unterhalten.
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Re: Gibt es ein höheres Prinzip in dem Universum

Beitragvon Mark » Fr 6. Feb 2009, 14:01

Diskutiert ihr hier darüber ob es Ursachen ohne Ursachen gibt ?
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Re: Gibt es ein höheres Prinzip in dem Universum

Beitragvon Twilight » Fr 6. Feb 2009, 16:15

Wenn ich Myrons Definitionsfund richtig verstehe, kann man also Prinzip mit Motivation gleichsetzen, bzw. ist Motivation eine Untersortierung von Prinzip.
Was also Motivation angeht, habe ich gestern etwas interessantes gelesen. In einem Science-Fiction-Roman von Sergej Lukianenko heißt es in etwa, die einzige echte Motivation für Lebewesen wäre die Existenz. Alles andere, Besitz, Konkurenzkampf, Macht, Nahrung, Sicherheit und das alles, dient nur dem Erhalt dieser Existenz.
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Re: Gibt es ein höheres Prinzip in dem Universum

Beitragvon xander1 » Sa 7. Feb 2009, 14:38

Das Reiss Modell ist jedenfalls aktueller Forschungsstand und das ist auch alles aus dem Englischen übersetzt worden, weshalb Mißverständnisse entstehen können. Freiheit und Teamgeist ist meiner Meinung nach auch grundverschieden. In seinem Buch erscheint das ganze Modell jedenfalls ziemlich schlüssig. Er musste sich sogar arg verteidigen, warum er kein Motiv nach der Suche nach einem Gott dabei hatte. Ja so ist das in den USA.

Mit diesen Motiven erklärt er auch, dass der Mensch nicht nach Glück strebt, denn der Mensch strebt diese Motive an, die dann vielleicht wieder glücklich machen können.

Aber wenn man diese Motive kennt, dann müsste man doch ausmachen können, wohin die Reise geht? Man müsste doch mit diesem Wissen herausfinden können, wenn man mal weiter abstrahiert, zu welchen geschichtlichen Ereignissen diese Motive führen, und führen werden. Eigentlich müsste doch die Geschichte lehren was höhere Prinzipien sind, indem man schaut, wer wie wo gewonnen hat.

Ist die Historie nicht etwa Aufdecker höherer Prinzipien? Kann jemand den Gedankengang fortsetzen? Ich komme dann auf Macht und Krieg. Das kanns auch nicht sein. In der Historie wird auch das Blutbad des Christentums aufgezeigt. Das kann doch kein höheres Ziel sein. Trotzdem muss doch etwas erkennbar sein in unserem vergangenen Streben, was höhere Ziele sind.

Twilight hat geschrieben:Alles andere, Besitz, Konkurenzkampf, Macht, Nahrung, Sicherheit und das alles, dient nur dem Erhalt dieser Existenz.

Dem wiederspricht der Forscher Herr Reiss. Er sagt es gibt kein Motiv zum Überleben, sondern nur zum sinnvollen Leben. Er nennt beispiele von Menschen, die keinen Sinn mehr im Leben sahen, durch Krankheit und Unbeweglichkeit und Ziellosigkeit und sterben wollten. Erst die 16 Motive von Herrn Reiss bilden die Grundlage für ein sinnvolles Leben.

Er bezieht sich auch auf verschiedenste Philosophen und Psychologen von der Antike bis jetzt und argumentiert sehr überzeugend, besser als ich es hier könnte. Deshalb empfehle ich sein Buch "Who am I" von Steven Reiss. Es ist wirklich wert gelesen zu werden, aber man sollte des Englischen mächtig sein.

1von6,5Milliarden hat geschrieben:
xander1 hat geschrieben:@1von6,5Milliarden:
Wer sagt, dass niedere Triebe nicht doch einem höheren Ziel dienen können, vielleicht dieses sogar direkt anstreben.
Nun, daran kann man glauben, aber rational gibt es dafür keine Anzeichen, also halte ich es für unsinnig danach zu suchen.

Niedere Triebe stecken in den Motiven von Herrn Reiss indirekt drin. Das anstreben der Triebe ohne Sinn ist sicher kein höheres Ziel, aber das was die Triebe verfolgen, Konkurrenz, Fortpflanzung: Das sind intrinsiche Motive und so müssen die niederen Triebe ja für etwas gut sein, wenn sie sinnvoll durch den Verstand geleitet werden. Nur weil man kein Anzeichen entdeckt, heißt es nicht dass es kein Anzeichen gibt. Die Beurteilung, dass es deshalb unsinnig ist tiefer zu suchen ist voreilig. Nur weil es kein Anzeichen gibt nach Öl bohren zu sollen, .... den Rest kannst du dir ausmalen.
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