Leben für irgendwelche höheren Ziele

Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon xander1 » Sa 21. Feb 2009, 00:26

Gibt es Menschen hier, die für höhere Ziele leben, für die es sich zu leben lohnt? Ich denke da an ein Gedankengut oder an Prinzipien oder Werte.

Soll der Mitmensch deiner Ansicht nach lieber nach höheren Zielen streben oder ist es eher Recht wenn der Mitmensch sich nur um seinen Kram schert?

Es gibt oder gab vermutlich Frauen, die für die Emanzipation gelebt haben, was deren Leben vielleicht mehr Sinn verleiht hat. Martin Luther King hat auch für einen Traum gelebt. Gibt es auch hier Menschen, die für etwas einstehen, das gleiche Ziel haben für das ihr Leben einen höheren Sinn macht?
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon russellsteapot » Sa 21. Feb 2009, 01:49

Hmmm es kommt darauf an wie du "höher" definierst. Ich bin weder mit der Intelligenz, dem Können oder dem Wissen ausgestattet ein Heilmittel für Krebs zu finden noch als musenungeküsster Un-Künstler fähig mit meinen Werken Menschen zu inspirieren. Das Gute dabei ist: ich habe auch keine Ambitionen Pinky&Brainlike die Weltherrschaft an mich zu reissen oder alle Ungläubigen vom Erdball zu fegen... So gesehen sollte einem every day normal guy wie mir eine "so rational wie halt geht" Einstellung mit Grundwerten wie Altruismus und Gleichberechtigung besser zu Gesicht stehen als ein krampfhaftes Streben nach "Höherem" (das meistens mit übersteigertem Ego und Hybris gepaart daherkommt)
"Höhere Ziele" fixieren zu sehr auf einen Punkt, fördern die Entstehung von Dogmen und taugen ähnlich wie Religionen zur Manipulation und Lenkung :gott:
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Jarl Gullkrølla » So 22. Feb 2009, 14:28

russellsteapot hat geschrieben: ein krampfhaftes Streben nach "Höherem" (das meistens mit übersteigertem Ego und Hybris gepaart daherkommt)


Wie bei mir!
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Pia Hut » So 22. Feb 2009, 16:17

xander
xander1 hat geschrieben:Soll der Mitmensch deiner Ansicht nach lieber nach höheren Zielen streben oder ist es eher Recht wenn der Mitmensch sich nur um seinen Kram schert?

Diese Frage scheint mir eine falsche Alternative aufzumachen. Es kommt wirklich darauf an, was man unter "höher" versteht. Wenn wir uns mal von Überlegungen zur Religion trennen, dann sind es v. a. die Ideale, die als ein höherwertiger Standpunkt gelten. Und wer sich Idealen verschreibt, der gilt meist als „Gutmensch“, als besonders edel und läuft deshalb oft mit „übersteigertem Ego und Hybris“ herum. Es scheint mir ein verbreitetes Urteil zu sein, dass man nicht ohne Ideale bzw. Ethik durchs Leben gehen könnte, will man nicht zum Monster mutieren. Ich denke das rationelles Nachdenken ziemlich ausreicht - eine logische Befassung mit den eigenen Interessen und den Interessen anderer Menschen, dass man sich diesen gegenüber nicht als Monster verhalten will. Viele Ideale sind mir gruselig. Ob man ganz ohne auskommt, da bin ich mir auch nicht sicher. So als eine Art oberste Leitlinie des eigenen Handelns steckt vielleicht immer ein Ideal im Hinterkopf. Das einzige dem ich ziemlich zugeneigt wäre, ist die möglichst „allseitige Entwicklung menschlicher Individuen“ in meinem wie in ihrem Interesse.

warum ich es für eine falsche Alternative halte, ist damit noch nicht erklärt, da muss ich noch etwas genauer grübeln.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Mark » Mo 23. Feb 2009, 04:03

Man kann für "höhere Ziele" leben weil man glaubt, dadurch in den Augen der Mitmenschen an Status zu gewinnen, oder aber man kann das tun, weil man diese höheren Ziele für seinen eigenen Kram hält, von dem man auch wirklich überzeugt ist. Letzteres ist mir sympatischer. Die höheren Ziele anderer zu verfolgen ist aber durchaus ok für Menschen die nicht idL sind sich diese Werte selber zu erarbeiten. Also sollten diejenigen die zur Wertebildung in der Lage sind sich um ihren Kram kümmern, und die anderen um den Kram derjenigen die fähig waren Werte auszubilden die über die egoistischen Belange in den Augen des Unbedarften hinausgehen.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon ganimed » Mo 23. Feb 2009, 19:47

Mir ist die Definition von "höheren Zielen" auch nicht so ganz klar. Habe per Google gesucht und erstmal nur Stellen gefunden, wo es um besonderen Ehrgeiz von Fußballtrainern oder Business-Managern ging.

Ich hätte das "höher" in "höhere Ziele" ja eher so verstanden, dass man nicht sein eigenes Interesse, sondern nach Gutmensch-Art allgemeinere Interessen im Auge hat. Aber welche Interessen man auch verfolgt, es sind dadurch letztlich die eigenen Interessen. (Will wiedermal sagen: Selbstlosigkeit gibt es nicht wirklich).

Insofern wäre die Frage: "soll man höhere Ziele verfolgen oder nur seinen eigenen Kram?" auch übersetzbar in: "soll man altruistisch sein oder nicht?"
Ich fürchte, man kann sich das gar nicht aussuchen. Wie altruistisch man ist, hängt sicher von den Genen und irgendwelcher frühen Prägung ab (wie wohl alles Grundsätzliche im Charakter). Die Frage wäre demnach also eher hypothetisch.

Ich habe mal gehört, dass für eine Gesellschaft insgesamt ein bestimmtes Verhältnis von Altruisten und Egomanen optimal ist. Wenn keiner an sich denkt, funktioniert es nicht. Wenn jeder an sich denkt, funktioniert es auch nicht. Wenn viele an sich denken und ein paar gutmütige Altruisten dazwischen sind, klappt es mit dem menschlichen Zusammenleben angeblich am besten.

Mit Idealen, denke ich mir, haben die höheren Ziele nicht unbedingt zu tun. Steinreich auf Kosten anderer zu werden ist ebenso ein Ideal wie als zweiter Albert Schweizer in die Entwicklungshilfe nach Afrika zu gehen. Es gibt also sowohl egoistische als auch altruistische Ideale. Höhere und tiefere, sozusagen.

Ich selbst bin bekennender Misantrop (Menschenhasser), Pessimist (Misantrop) und Menschenhasser (Realist). Oder ich bin inzwischen einfach zu alt und zu desillusioniert. Jedenfalls überwiegt bei mir eher der Fatalismus und idealistische Menschen sind mir nicht so ganz geheuer. Zum Beispiel Biofanatiker in meinem Umfeld - die als Ideal teilweise gesunde Erhährung, natürliche Lebensweise und die Rettung der Menschheit und des Universums, so wie wir es kennen, anführen - denen kann ich nur äußerst bedingt zustimmen. Auf die Ausgangsfrage müsste ich also antworten: ich habe eher wenig Ideale und kümmere mich tendenziell eher um meinen eigenen Kram.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mo 23. Feb 2009, 20:02

@Mark:
Auch wenn es - hoffentlich?- nicht so gemeint war; trotzdem widerspreche ich: es gibt nicht nur zwei Motive seinem Leben einen Sinn zu geben (denn nichts anderes heißt es, auf ein Ziel hin zu leben - und man kann nur auf ein Ziel hin leben, es gibt keinen "Willen zum Leben", d.i. kein "intrinsisches Motiv zum Überleben").
Übrigens fände ich es nett, wenn du deine Aussagen durch genauere Interpunktion übersichtlicher gliedern könntest - aber ich will dich zu nichts zwingen; es ist immerhin dein Stil.

Allgemein:
Der Name Reiss wurde bishe nicht nur einmal erwähnt. Auf empirischer Basis hat er die These Nietzsches unterstützt, dass immer nur eines Zieles wegen auch gelebt wird. (Wenngleich Riess' Modell im Einzelnen Schwachsinn ist.)
Die "Höhe" eines Zieles zu bestimmen ist, wie hinlänglich aus dem Vergleich verschiedener Moralen bekannt, ein schwieriges Unterfangen und ist an das Wertmaß einer Moral, auch wenn es die eigene ist, gebunden.
Beispiel: Es ist für König Magnus(12.Jh.), im Kontext der damaligen, norwegischen Sitte bei Sogne, ein hohes Ziel, König Sverre, den Zweitgeborenen nach Kong Magnus, vom Thron zu stürzen und dergestalt sich zu rächen; im Kontext buddhistischer Moral wäre gleiches Ziel kein hohes.
Ein weiteres Beispiel hat Ganimed inzwischen geliefert, indem er im Zuge vorrangig christlicher (d.i. moderner, westlicher, ach-wie-vernünftiger) Moral die Begriffe "altruistisch" und "egotisch" stellvertretend für "hoch" und "tief" ansetzte.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon russellsteapot » Mo 23. Feb 2009, 21:33

Ich denke nicht dass man die "Höhe" von Idealen oder Zielen in altruistisch und egoistisch einteilen kann. Wenn ich meiner eigenen Argumentation folge komm ich zum Schluss, dass auch altruistisch motivierte Ideale eine gehörige Portion Egozentrik benötigen . Followers never changed the world.

Xander1 stellt auch die Frage nach Gedankengut, Prinzipien und Werten für die es sich zu leben lohnt. Nun, ich für meinen Fall frage mich nie "FÜR" was ich lebe - In meiner Weltsicht ist kein Platz für ein meist fremdbestimmtes/aufoktruiertes "FÜR"
Gib einem Menschen oft genug zu hören wie schön es ist für Gott zu sterben, mische dass mit der passenden sozialen Situation und in kürzester Zeit haben wir das hohe Idealbild Selbstmordattentäter.

Ersetzen wir einfach mal das "FÜR" mit einem "MIT" - das "MIT" gibt mir die Möglichkeit selbst zu bestimmen mit was (nona) ich lebe. In meinem Fall eine gute Portion kategorischer Imperativ in Punkto Gedankengut und eine Prise Altruismus (ohne in einen Helferkomplex zu verfallen) um die Wertesuppe gut abgeschmeckt im Leben zu verdauen :mg:
Also liebe Mit-Brights, fragt euch mal "FÜR" was ihr lebt und dann fragt euch "MIT" was es sich zu leben wirklich lohnt - den Rest kann man sicher in die Tonne treten (überzogene Ideale, unrealistische Wunschbilder, verselbstständigte Denkmuster...)
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon xander1 » Di 24. Feb 2009, 02:08

Ich frage diese Frage in dem Kontext von Weltanschauungen, weil Religionen eine Weltanschauung bietet und weil z.B. der Kommunismus eine Weltanschauung bietet. Es gibt Menschen, die für Weltanschauungen leben, bzw. für die Ziele die sich dahinter verbürgen. Es gibt Menschen, die für Gerechtigkeit leben, welche die für Gleichheit leben.

Vielleicht gibt es Menschen, die für den Naturalismus leben. Das ist ja auch eine Weltanschauung. Und so wie ich es sehe leben hier auch einige für die religionsfeindliche Einstellung. Es werden hier Tonnen an Material produziert, was sich gegen Religionen richtet. Die Menschen die das schreiben in diesem großen Maß, so könnte man meinen, leben dafür das alles zu schreiben. Wer hier in großem Maße außerdem den Naturalismus propagiert lebt auch zu einem Teil für den Naturalismus.

Wer auf linke oder rechte Demos geht lebt auch in gewissem Maße für dieses Gedankengut.
So vollständig altruistisch ist das nicht. Diese Menschen versprechen sich etwas von der Verbreitung ihres Gedankenguts.
Und wer in solchen Gemeinschaften lebt, möchte dass seine Mitmenschen die gleichen höheren Ziele anstreben. Ggf. werden die als Feinde angesehen, die nicht dem gleichen Gedankengut folgen.

Ist es nicht interessant, dass mit höheren Zielen nach denen so unscheinbar gestrebt wird auch eine Weltanschauung verbunden ist? Man könnte meinen die Ersteller dieser Weltanschauungen alla Karl Marx und CO lenken auf diese Weise das Denken der Menschen. Aber wer würde hier schon zugeben, dass er durch den Naturalismus gelenkt wird. Kaum einer würde das hier wahr haben wollen.

Nach höheren Zielen zu streben kann nicht bedeuten als eine Art Gutmensch das allgemeine Interesse zu verfolgen. Weltanschauungen bedienen sich oft den Interessen von gewissen Gruppen, aber wohl kaum um die Interessen wirklich aller. Außerdem wie soll man es allen Recht machen? Ein höheres Ziel wie der Verfolgung von Umweltschutz dient allerdings dem wohle aller. Aber das ist eine Ausnahme im Vergleich zu den meisten höheren Zielen. Meist geht es um bestimmte Gruppierungen.

Ideale eines Menschenbildes dienen zwar nicht selten allen Menschen, oft haben Ideale aber etwas damit zu tun gewissen Gruppierungen dienlich zu sein. So sind auch die Weltbilder aufgebaut. Jedes Weltbild hat seine eigene Moral innewohnend. Nietzsche hat z.B. in Herren- und Sklavenmoral unterschieden.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Pia Hut » Di 24. Feb 2009, 15:44

Und wer würde hier zugeben, dass er durch den Naturalismus gelenkt wird. Na ja warum auch, das hiese echt mit der Selbstkritik zu übertreiben, da rennt man ja nur noch mit lauter Selbstzweifeln herum. Naturalismus ist ja auch nur eine Art Oberbegriff, der begrifflich versucht den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden (mehr Inhalt passt eben nicht in ein einziges Wort), dies nimmt es uns dennoch nicht ab die Dinge im Einzelnen zu durchdenken, die große Abkürzung, die uns die Mühe des Denkens erspart, die gibt es eben nicht.

Das Problem der Moral und speziell die Frage der Werte wird häufig als einer der Hauptantriebe Nietzsches ausgemacht, daher ist es wohl kein Wunder dass er auch hier wieder Thema wird. Ich habe leider die Erfahrung gemacht (hier bisher noch nicht), dass wenn man sich mit Nietzsche befasst, man häufig auf seine „Verehrer“ trifft und man wegen jeder Kritik, die man an ihm äußert sich derbe Vorwürfe einhandelt, was den Fortgang der Debatte dann entscheidend behindert. Ich finde Nietzsche ausgesprochen lesenswert und halte es auch für sehr sinnvoll sich mit seinem recht ungemütlichen Übergang (Stichwort: Herren- und Sklavenmoral) zu befassen. Was ich hiermit als Vorschlag zum gezielten Fortgang der Debatte einbringen möchte. Damit da aber wirklich mal was vorangeht, möchte ich noch folgende Überlegungen anführen, um zu wissen ob wir uns darin halbwegs einig werden können.

Ein Peter Möller mit einer umfassenden Internetseite zu Nietzsche hat geschrieben: „Der Nietzsche der späten Schaffensperiode entwickelte sich zu einem geistigen Wegbereiter des Faschismus und der Menschenvernichtung. [Aus vielen Diskussionen und Emails weiß ich, dass viele seiner faschistoiden Äußerungen vielen seiner Anhänger überhaupt nicht bekannt sind. Bei den hunderten von Nietzsche-Seiten im Internet handelt es sich zu einem großen Teil leider um unkritische quasireligiöse Hochglanzseiten von Nietzsche-Enthusiasten, die mehr durch bunte Bilder glänzen als durch Inhalte. Alles faschistische, reaktionäre, kriegsbejahende, aristokratische etc. wird weggelassen. Dargestellt wird eigentlich nicht Nietzsche, sondern ein konstruiertes Götzenbild.“

Und bei Hendrik Wallat, der sich neben Nietzsche auch mit Ries auseinandersetzte, habe ich folgendes gefunden: „Nietzsche hat bis heute selten die Leser bekommen, die er verdient hätte. Das Letzte, was er wollte, waren „’Gläubige’“ (KSA 6, 365). Wie der andere große Unverstandene hatte sich der philosophische Maskenspieler „Leser, die etwas Neues lernen, also auch selbst denken wollen“ (MEW 23, 12), gewünscht.“

Weder Nietzsche noch Marx interessiert dass heute noch, ob man ihnen huldigt oder sie verteufelt, und mir scheint sie hatten beide einen so scharfen Intellekt, dass es sie schon zu ihren Lebzeiten wenig interessierte. Epikur: „Wenn wir da sind, ist der Tod nicht da, aber wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr. Er geht also weder die Lebenden noch die Gestorbenen etwas an, für die einen ist er ja nicht vorhanden, die anderen sind aber für ihn nicht vorhanden.“ Epikurs Konsequenz: „Der Weise … weicht weder dem Leben aus, noch fürchtet er das Nichtleben… Wie er bei der Speise nicht die größere Menge, sondern das Wohlschmeckendste vorzieht, so will er sich nicht eines möglichst langen, sondern eines möglichst angenehmen Lebens erfreuen.“

„So überzeugend Epikur auch argumentierte …, er fand über viele Jahrhunderte weit mehr Feinde als Nachahmer. Die meisten Gelehrten wollten sich nicht damit abfinden, dass der Sinn des Lebens im Leben selbst liege. Sie strebten nach Höherem, nach einem alles umfassenden Sinn, der über die (lächerlichen?) paar Erdenjahre hinausgehen und den Tod eliminieren sollte. Sie fanden diesen „Übersinn“ in den verschiedenen Religionen, die angaben, einen über den Sinnen liegenden, also übersinnlichen Sinn stiften zu können. Allerdings: Diese Sinnstiftung verlangte ihren Preis – und zwar einen aus weltlicher Perspektive unangemessen hohen Preis, denn die Fixierung auf das Jenseits führte zu einer Vernachlässigung des Diesseits, die Orientierung am Übersinnlichen zur Ächtung des bloß Sinnlichen.“ gefunden bei Michael Schmidt-Salomon, Die frohe Botschaft des Hedonismus, hier bei den Brights

Aber nicht nur Religionen bieten diesen „Übersinn“, ich meine ihn auch in vielen „Idealen“ zu erkennen. Auch bei Schmidt-Salomon finden sich sehr interessante Ausführungen zu Moral bzw. Idealen, z. B. Liebesideal, auch daran liese sich die Debatte aufziehen. Ich hätte nur das Interesse an einem möglichst konkreten Punkt (sprich Text) zu bleiben, damit es nicht so uferlos wird.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon ganimed » Di 24. Feb 2009, 22:14

Pia Hut hat geschrieben:"Die meisten Gelehrten wollten sich nicht damit abfinden, dass der Sinn des Lebens im Leben selbst liege. Sie strebten nach Höherem, nach einem alles umfassenden Sinn, der über die (lächerlichen?) paar Erdenjahre hinausgehen und den Tod eliminieren sollte." ... gefunden bei Michael Schmidt-Salomon


Interessante Ausweitung des Begriffs "Höheres". Über die eigene Lebenszeit hinaus. Vielleicht müsste man also "höhere Ziele" allgemeiner formulieren, als ich das bisher tat. Nicht nur Altruismus, sondern auch Nachhaltigkeit? Über die eigenen, unmittelbaren Interessen hinaus für eine größere Gruppe von Menschen und/oder über den eigenen Tod hinaus?

So mancher amerikanische Präsident mag sich manchmal auch ein wenig dem Ziel verpflichtet gefühlt haben, in die Geschichte eingehen zu wollen. Dem Ronald Reagan hat man das, glaube ich, mal nachgesagt. Ruhm und Ansehen über den eigenen Tod hinaus. Erscheint mir irgendwie unvernünftig aber verständlich.

Mir fällt nur noch die biologische Komponente ein. Manchmal, wenn ich als Elternteil so meine Kinder anschaue, glaube ich fast, dem Tod alleine dadurch ein kleines Schnippchen geschlagen zu haben. Muss wohl irgendwie das egoistische Gen in mir sein, das an Kontinuität und Erhalt über das Individuum hinaus interessiert ist. Und wenn es nicht die eigenen Kinder sind, so will doch vermutlich fast jeder Mensch irgendwo in sich drin, dass die Menschheit nicht so schnell ausstirbt. Da dieser biologische Sinn des Lebens mehr oder weniger in jedem von uns tickt, erscheint es mir allerdings fraglich, ob man etwas so verbreitetes, profanes und automatisches wirklich als etwas "Höheres" bezeichnen sollte.

Und wieso will mir das Lesen von Nietzsche, was ich wie hier angeregt schon fast plane, als "höhere" Tätigkeit vorkommen als alternativ einfach noch ein paar Runden im Autorennen auf dem Computer zu drehen. Was bringt mehr? Persönliche Bestzeiten auf Track 17 oder neue philosophische Einsichten? Eine schwere Entscheidung.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mi 25. Feb 2009, 10:58

Ich hätte nur das Interesse an einem möglichst konkreten Punkt (sprich Text) zu bleiben, damit es nicht so uferlos wird.


Wollen wir da je einen Text für die verschiedenen Zielsetzungen der bisherigen Menschheit anbringen? Das ist kein menschen-unmögliches Unterfangen. Und wenn wir alle ganz lieb und konzentriert miteinander "arbeiten", könnten wir uns ja sogar eine Strategie überlegen (was deinem Wunsch wohl nahe kommen würde), doch ich bin gestern "Abend" über ein kleines Gedicht gestoßen, welches mir diese Möglichkeit ein wenig verleidet:

"Wie komm ich am besten den Berg hinan?" -
"Steig nur hinauf und denk nicht daran!"


Ich schlage vor, die Moral außenvor zu lassen und die Ziele nicht vom Standpunkt modernen Zeitgeistes aus zu betrachten, sondern vielmehr von einem Standpunkt außerhalb der Gesellschaft (dem eigenen).
Grund dafür ist, dass es sonst ein Streit über den besseren Geschmack wird (Moral ist Geschmackssache). Wie hier z.B. :

ganimed hat geschrieben:Über die eigenen, unmittelbaren Interessen hinaus für eine größere Gruppe von Menschen und/oder über den eigenen Tod hinaus?


Utilitarismus - ganz klar gegen meinen Geschmack aber trotzdem kein Grund sich über die Höhe dieser Moralansicht zu streiten, denn ich kenne, mit Ausnahme des subjektiven, keinen Maßstab, an dem man die Moralen vergleichen könnte. (Und ein moralischer Maßstab zum Verlgeich der Moralen ist offensichtlicher Unsinn - causa sui...)

Ist also jemand damit einverstanden moralische Standpunkte,deren Begrifflichkeiten und entsprechende moral-implizite Wertungen von der Diskussion über die Höhe von Zielen abzuziehen?
Lieber den Maßstab sich von den Naturwissenschaften holen.(Egal wie wenig sie auf eigenen Füßen stehen.)

Mir fällt nur noch die biologische Komponente ein. [und folgendes]


Mit der Zeugung von Nachkommen können ganz unterschiedliche Ziele verfolgt werden und manch einer hat ein Kind gar nicht als Ziel vor Augen gehabt und es war eine zusätzliche Folge zu den augenblicklichen Folgen eines anderen angestrebten Zieles.
Naturalistisch betrachtet gibt es ja auch gar keine nicht-biologischen Komponenten im menschlichen Dasein oder dem Leben im allgemeinen; aber das wäre jetzt bloße Wortspielerei damit herumzuprobieren...

Aber es bringt mich auf den Punkt, dass die Motivation in hohem Maße entscheidend für die Höhe eines Zieles ist.
In der Biologie ist die Komplexität der Kognition entscheidender Maßstab für die Höherentwicklung eines Lebewesens; demnach sind jene Lebewesen die höheren, welche "unsäglich mehr hören und sehen und denkend hören und sehen" (F.W.N. - Wahn der Kontemplativen, in La gaya scienza)
Je mehr Reize, d.i. Arten von Lust und Unlust, ein Mensch also in seinem Ziel versammelt, desto höher wäre ein solches anzusetzen, wenn man diesen biologischen Maßstab gebraucht.

Allerdings ist es wiederum ein moralisches Unterfangen, die Naturwissenschaften als gut zu betrachten und ihren Maßstab als hinreichend.. Bei Satan! d e n Fuß bekommt wohl nicht so leicht aus der Schlinge, wenn nicht gar der Kopf dran hängt...

Ich empfehle folgenden Text:

http://gutenberg.spiegel.de/index.php?id=5&xid=1961&kapitel=26&cHash=90a556f8dcals3015#gb_found
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Mark » Mi 25. Feb 2009, 13:56

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:@Mark:
Auch wenn es - hoffentlich?- nicht so gemeint war; trotzdem widerspreche ich: es gibt nicht nur zwei Motive seinem Leben einen Sinn zu geben (denn nichts anderes heißt es, auf ein Ziel hin zu leben - und man kann nur auf ein Ziel hin leben, es gibt keinen "Willen zum Leben", d.i. kein "intrinsisches Motiv zum Überleben").


Es gibt kein intrinsisches Motiv zum Überleben ? Und was ist mit den Trieben ?
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Pia Hut » Mi 25. Feb 2009, 16:58

Warum denn ausgerechnet Zarathustra? Da ist Nietzsche ja nicht gerade daran gelegen verstanden zu werden, hier berauscht sich ein Verstand an sich selbst und blickt verächtlich auf all die Niedrigen herab, von denen er meint, dass sie ihm nicht folgen könnten. Die Möglichkeit, dass sie das gar nicht wollen, weil sie dafür gute Gründe kennen, sieht er vermutlich nicht.

In seiner Selbstbiographie " Ecce Homo ", nach den Kapiteln "Warum ich so weise bin" und "Warum ich so klug bin" schreibt Nietzsche im Kapitel "Warum ich so gute Bücher schreibe" im 5. Abschnitt u. a.: "... Das Weib ist unsäglich viel böser als der Mann, auch klüger; Güte am Weibe ist schon eine Form der Entartung ... Der Kampf um gleiche Rechte ist sogar ein Symptom von Krankheit: jeder Arzt weiss das. - Das Weib, je mehr Weib es ist, wehrt sich ja mit Händen und Füssen gegen Rechte ... Liebe - in ihren Mitteln der Krieg, in ihrem Grunde der Todhass der Geschlechter. - Hat man meine Antwort auf die Frage gehört, wie man ein Weib kurirt - "erlöst"? Man macht ihm ein Kind ... "Emancipation des Weibes" - das ist der Instinkthass des missrathenen, das heisst gebäruntüchtigen Weibes gegen das wohlgerathene ..."

Nietzsche wird auch als Dichter geschätzt.
"Selten, daß ein Weib zu denken
Wagt, denn alte Weisheit spricht:
Folgen soll das Weib, nicht lenken;
Denkt sie, nun, dann folgt sie nicht.
Wie ein Floh, so springt's, so sticht's!
Was sie noch sagt, glaubt' ich nimmer;
Selten denkt das Frauenzimmer,
Denkt es aber, taugt es nichts"

aus http://www.philolex.de/nietzsch.htm#kri

Nietzsche nicht kritisch zu lesen, scheint mir wie ihm in den Wahnsinn folgen, dem er am Ende auch erlegen ist.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mi 25. Feb 2009, 19:50

Pia Hut hat geschrieben:Nietzsche nicht kritisch zu lesen, scheint mir wie ihm in den Wahnsinn folgen, dem er am Ende auch erlegen ist.


Sehr recht! Und jeder Einwand gegen Nietzsche ist berechtigt; aber die deswegen den neuen Gedanken nicht einmal zulassen, das finde ich langweilig; und viele halten ihm seine Biographie vor und die Stellen an denen er unsäglich falsch liegt nur um sich vor der Veränderung zu schützen, um die Kritik nicht wahrhaben zu müssen die er am Einzelnen und vor allem am Vernünftigen und Gebildeten übt und in allem ist viel Feigheit darin oder zumindest wenig Mut, das Fremde in seinen Schriften nicht einmal zu zu lassen, es auszuprobieren, es zu prüfen anstatt mit tausend Vorurteilen der Sitte sich gegen ihn zu verbunkern - aber ich selber bin auch mehr Künstler (Musiker) als Denker, besser gesagt, gar kein Denker, sondern Taugenichts, und wage gern und setze frohen Mutes meinen Verstand dabei aufs Spiel. Wahnsinn ist als Massenerscheinung villeicht weniger zuträglich, aber solange er den Einzelnen nur heimsucht, ist er keine Gefahr für die Gemeinschaft derer mit "gesundem Menschenverstand".
(Für mich ist die Liebe tatsächlich nicht der "Grundhass der Geschlechter", nein, hab' ne ganz eigene Liebestheorie die ganz unvernünftig ist - aber doch so glücklich! ach, wie verliebt ich doch bin...)
Schon wie Peter Möller da einleitet ist typisch für gebildete Großkotze:
"Ich finde bei der Beschäftigung mit Nietzsche häufig einzelne Sätze oder sogar mal ganze Kapitel bzw. Aphorismen, mit denen ich weitgehend übereinstimme."
Er liest also Bücher, nicht, um neues zu erfahren, sondern um das, was er schon weiss und für sich gut heißt, wiederzufinden? Sehr weltoffener Kerl, sollte vielleicht den Beitritt in ein Kloster erwägen.

Gerade den Zarathustra habe ich gewählt, weil er nicht nur e i n e n Gedanken mit logischer Basis anführt oder gar eine Begründung seiner Meinungen, sondern das viele Fremde wie ein Brett einem vor den Nischel haut. Hier wird man herausgefordert! hier kann man ja seine Widerlegungen anbringen, soll auch versuchen sie halten zu können - aber Allerweltsgelaber und feste Parolen werden schlicht und ergreifend von dem vielen Bösen in seiner Lehre zersetzt, "slowly corroding your fortified norm/ with rigid cramp and silent fear/ I crumble what you do hold dear" (Rust, by Darkthrone)
Hier kann man schließlich nur sagen: "Ich g l a u b e ,dass es anders um die Dinge und den Menschen steht! Ich g l a u b e an die Richtigkeit meines Standpunktes!" Und dann soll man dessen auch - bei Satan! - überzeugt sein und nicht halb-und-halb sich durch die Welt schlängeln und als Mantel im Wind sich von den Moden umhertragen lassen! Es ist nu wirklich nichts schlimmes an das zu glauben, an das schon die Eltern glaubten - solange man es ehrlich tut! solange man die Redlichkeit auf seiner Seite hat! Überall diese dreckige, moralinische Schauspielerei! Ach ,was reg ich mich überhaupt auf, als wäre ich selber besser...
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon BglBttr » Mi 25. Feb 2009, 23:16

Ich weiss nur, ich fühle mich nicht wohl bei dem 'Philosophen unter Blitz und Donner'. Ach, und vielleicht hätte jemand dem Herrn Nietzsche mal sagen sollen, dass man die besten Ambosse aus alten Hämmern schmiedet.

Erst Marcus Aurelius, dann Nietzsche, verdaut sich besser.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Do 26. Feb 2009, 12:00

Es geht nicht um Nietzsches Philosophie und erst recht nicht um Nietzsche als Person, an ihm liegt nichts.
Ich verstehe nicht recht, weswegen stoische Vorbildung das Lesen Nietzsches weniger trübe machen soll; aber ich bin noch nie einfach nur düster und ernst geworden davon seine Bücher gelesen zu haben; aber ich bin auch eine neckische Frohnatur (mit erheblichen Stimmungsschwankungen); Aber an mir liegt auch nichts - zurück also zum Thema.

mark hat geschrieben:Es gibt kein intrinsisches Motiv zum Überleben ? Und was ist mit den Trieben ?


Ich versteh nicht recht: wenn ich Reiss hier zitiere, ist es falsch, doch wenn man es bei Reiss im Buch liest, ist es richtig? Warte... ja genau, aschau doch mal beim Thread mit dem Titel "Gibt es ein höheres Prinzip in dem Universum" vorbei und lies, was xander1 da so schreibt. (Somit kann ich mich dann klammheimlich aus der Affäre ziehen und mich vorm Nachdenken bewahren - die vita contemplativa ist dem Wahnsinn nämlich verdammt ähnlich, und man soll ja normiert und vernünftig und verständig sein und durch das Denken am besten nie zu einem vom üblichen verschiedenen Urteil gelangen, wie schon Copernicus und seine Kränkerfreunde nur der Konformität wegen dachten.)


Was also soll "höher" bedeuten, welches ist das dazugehörige "hoch" und gibt es schließlich ein "am höchsten"?
Indem man von h ö h e r e n Zielen spricht, nimmt man eine vertikale Rangordnung der Ziele an. Der Rang ist nicht absolut sondern relativ bestimmbar, wodurch es zur allgemeinen Bezeichnung "h ö h e r e s Ziel" kommt, was meint "in der Rangordnung höher als die herkömmlichen".
Gegen solcherlei Rangordnungen herrscht in der heutigen, westlichen Gesellschaft großes Mißtrauen und doch spricht man, wie seit Alters her nicht in Gleichheit gedacht wurde, noch davon, dass es " h ö h e r e Ziele" seien, welche die Ausnahme vom Herkömmlichen darstellen, wobei die üblichen Ziele (Wohlstand, Gesundheit, Bequemlichkeit als Beispiele für das moderne Übliche), indem man von der Ausnahme als "höher" spricht, die "niederen" werden. Man wird selten einen echten Ausnahmemensch finden, der von seinem Ziel als dem seiner Gesellschaft gegenüber höherem sprechen wird - es ist das seine höchste, so wie jeder, der sich selbst lieben lernte - und ich spreche hier nicht vom kleinkindlichen Narzißmus und den damit verbundenen Allmachtsträumen - einsehen muss, dass er oder sie nicht all das gut finden kann, was ihm oder ihr vom Herkommen her als gut mitgegeben wurde. Wird von einem solchen dann gesagt, er oder sie blicke auf das Herkömmliche h e r a b , so ist der oder die SprecherIn der- oder diejenige, der oder die sich als von oben betrachtet fühlt und somit selber der oder die UrheberIn der Rangordnung zwischen den Menschen wird.
So steht es auch mit den Zielen: generell sind sie, als Ideen (Menschen haben ja allemal noch ein asugeprägtes Rangordnungsverhältnis, welches besonders bei Beobachtungen miteinander spielender Kinder mehr als offenbar wird) gleichgestellt und haben kein vertikales Rangordnungsverhältnis zueinander. Nach der Existenzphilosophie Sartres, haben "Pläne", wie er sie nennt, [tut mir leid, ich habe ihn nur auf norwegisch gelesen; mögliche Abweichungen von der gewohnten Übersetzungsweise können vorkommen] eine objektive, universelle Seite, welche von jedem verstanden werden kann; aber eben auch eine subjektive, individuelle Seite, die irrationalen Urteilen entspringen, welche nicht a priori fassbar sind. Je größer die indiviuelle Seite eines Plans ist, desto mehr weicht sie vom vernunftmäßig verständlichem ab und wird dementsprechend mehr als "abweichend", "verklärt" oder eben "höher" von anderen Menschen betrachtet. (Aus Eksistentialisme er Humanisme, Sartre, Gyldendals upopulære)
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon xander1 » Do 26. Feb 2009, 16:32

Höher meint hier eigentlich z.B Ideelle Werte oder alles was nicht grundlegend ist, alles was noch zusätzlich gemacht werden kann und es geht auch darum die Umgebung verändern zu wollen. Ich denke, das was Christen und Kommunisten gemeinsam haben, ist dass sie die Menschen ihrer Umgebung ändern wollen und das sind höhere Ziele. Kommunisten und Christen wollen, dass andere konvertieren. Das liegt daran, dass es monotheistische oder ideologische Strömungen sind. Naturalismus ist doch auch eine Ideologie. Es müsste doch auch höhere Naturalistische Ziele geben, oder um es besser auszudrücken: Naturalisten haben doch sicher gemeinsame Ziele, die vielleicht ungerne höhere Ziele genannt werden sollen. Aber so etwas meine ich dann auch mit höheren Zielen.

Z.B. sehen Naturalisten gemeinsam nicht gerne die Verbreitung des Kreationismusses und sie dürften auch gegen Indoktrination sein.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Pia Hut » Do 26. Feb 2009, 18:21

Wenn ich Nietzsche lese, komme ich mitunter nicht umhin mich an seinem Verstand zu berauschen, um so jammerschader finde ich es, dass er, wie so viele intelligente Menschen zwar von der eigenen Intelligenz überzeugt war, aber nicht in der Lage sie an anderen zu erkennen.

Ein Mensch, der nicht mehr verstanden werden will, hat die Welt verlassen, dem da zu folgen, mag zwar für die Kreativität eines Künstlers nützlich sein, um sich die Welt zu erklären dient das nicht, sondern stürzt nur andere in Verwirrung. An MSS schätze ich es z. B. sehr, dass er sich in einfachen Worten auszudrücken versucht. Das handelt ihm zwar regelmäßig den Vorwurf ein, zu pauschalisieren, es sich all zu einfach zu machen. Ich meine das Gegenteil wäre der Fall. Nietzsche würde ihm vermutlich sagen "Der Ursprung unsres Begriffs "Erkenntniss". - Ich nehme diese Erklärung von der Gasse; ich hörte jemanden aus dem Volke sagen "er hat mich erkannt" -: dabei fragte ich mich: was versteht eigentlich das Volk unter Erkenntniss? was will es, wenn es "Erkenntniss" will? Nichts weiter als dies: etwas Fremdes soll auf etwas Bekanntes zurückgeführt werden.

Nun hat nun mal nicht jeder das Privileg und des Zufalls Glück genossen mit jeder Menge Bildung aufzuwachsen. Und wenn man ein wenig von Physik versteht, dann müsste man sich auch darüber klar sein, dass der Tag nur 24 Stunden hat und die eigene Lebenszeit zu beschränkt ist, um sich alle intelligenten Gedanken von anderen Menschen vollständig reinzuziehen. Man wird also immer Wissenslücken haben, und Spezialist für nur einzelne Themen sein, daher sehe ich mich auch auf das Denken anderer angewiesen. Ich war es nie allein, die Reibung an anderen hat mein Denken wachsen lassen. Und ich habe ziemlich großes Vertrauen in den Verstand, dass ich zu unterscheiden weiß, ob sich jemand erklärend zur Welt stellt oder ob mich beispielsweise ein Arzt, um seiner eigenen Bequemlichkeit willen, mit Simplifizierungen abspeist. Ich schätze Menschen sehr, die kein Problem damit haben zuzugeben, wo sie was nicht wissen. Und ich sehe, dass auch angeblich völlig dumme Menschen dazu in der Lage sind zu erkennen, wenn sie nicht ernst genommen werden.

Und Peter Möller als einen typischen gebildeten Großkotz abzutun, halte ich für vorschnelles Urteilen. Er war mir bisher auch noch nicht bekannt, daher habe ich ein wenig in ihn reingelesen. Ihn eint mit MSS offenbar das Bedürfnis durch Einfachheit in der Sprache verstanden zu werden. Aber sein Mut zur schonungslosen Offenheit auch gegen sich selbst (in seinen Memoiren), ist für viele sicher schwer zu verdauen und wird ihm vermutlich als Exhibitionismus ausgelegt. Ein evtl. notwendiges Missverständnis: Sich so vor anderen zu entkleiden, erscheint mir auch als etwas zweifelhaftes Unterfangen.
http://www.philolex.de/memoiren.htm#memovorf

Ein eher „harmloser“ Ausschnitt aus diesen Memoiren:
„Anstatt sich zu ihrem Egoismus zu bekennen, suchen die meisten Menschen nach allerlei Ausflüchten, um sich über ihn hinwegzutäuschen. Eine besonders beliebte Methode ist, anderen, besonders reicheren, Egoismus vorzuwerfen. ("Zuerst sollen die doch mal!") Aber verdrängte Wahrheiten sind immer der schlechteste Ausgangspunkt zur Verbesserung einer Situation.
Viele Menschen werden nämlich mit Vehemenz bestreiten, dass diese Beschreibung menschlichen Verhaltens auch für sie zutrifft, obwohl sie bei kritischer Prüfung feststellen könnten, dass sie es genauso machen. Aber die meisten Menschen nehmen es nur dann wahr oder halten es nur dann für ein Unrecht, wenn sie selbst verschmäht oder minderbewertet werden. Dass sie selbst verschmähen und abwerten, merken sie entweder gar nicht, oder sie halten es für völlig legitim.
Die Schaffung mehrwertiger und minderwertiger Menschen würde erst dann ein Ende haben, wenn die Menschen aufhören würden, sich untereinander zu bewerten. Aber dies wird wohl nie eintreten.“

Zu diesem Ende gelangt er, weil auch er letztlich nicht umhin kommt, sich für eine absolute Ausnahme zu halten. Sein Grund dafür ist v. a. die Statistik, denn es ist ja wirklich eher selten, dass jemand aus dem Arbeitermilieu zum Philosophen wird.

Brauchbare Antworten sind durchaus in der Welt zu finden. In der Montessoriepädagogik z. B. finden sich reichlich gute Ansätze, wie man Menschen groß werden lässt, ohne sich ständig untereinander zu bewerten und voneinander abzugrenzen. Und ja, nicht alle Montessorieschulen sind gut, da gibt es auch viele Pädagogen denen der Unterschied zum „laissez-faire“ nicht klar ist, dass - um mal wieder reichlich platt zu werden – nicht der lautstarke Redner sondern der aufmerksame Beobachter für alle gewinnbringender ist. Dass diese Pädagogik, wenn auch weltweit verbreitet, sich dennoch nicht hat durchsetzen können, liegt m. E. daran, dass sie ja gerade Abstand davon nimmt „Sieger“ für die Konkurrenzgesellschaft zu züchten. Nur Eltern, die es sich finanziell leisten können und denen es wichtiger ist, dass ihre Kinder mit Freude lernen, schicken sie dort hin. Allerdings „Ellenbogen“ bekommen die Kinder da nicht beigebracht und ohne diese lässt sich nicht so gut „Karriere machen“. Daher muss sich diese Pädagogik auch von den ach so vernünftigen Realisten regelmäßig vorwerfen lassen, dass sie weltfremd sei. Heißt Vernunft denn, sich an jeden Mist anzupassen?
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Do 26. Feb 2009, 18:51

Ideelle Werte oder alles was nicht grundlegend ist, alles was noch zusätzlich gemacht werden kann und es geht auch darum die Umgebung verändern zu wollen


Vorurteil 1: Die Prämisse eines undefinierten, allgemeingültigen Grundlegendem.

Die Erwartungshaltung der Gesellschaft in der ich lebe gegenüber dem Individuum nach, fordert sie ein - historistisch betrachtet - Minimum an Moral. Diese grundlegende Sitte zu erfüllen ist herkömmlich/üblich und was, am Maßstab dieser modernen, schwer beschreibbaren Moral gemessen, m e h r ist, wird üblicherweise als "gut" angesehen, was w e n i g e r, als "schlecht".
"Ideelle Werte" brechen mit der Gesellschaft wie Jesus es einst tat ("Jesus stands for revolution!" - hab ich mal auf einem Button gelesen) und können nach dem Muster des üblichen Wert- und Moralurteils, des herkömmlichen Gewissens also, n i c h t eingeschätzt werden, da sie einen nicht der Moral des Herkommens entsprechenden moralischen Maßstab implizeren.
Am Rande, für alle die sich leicht angegriffen und erniedrigt fühlen: Das "Herkommen" und "herkömmlich" schließen kein Werturteil ein; wird "herkömmlich" mit "schlecht" gleichgesetzt, sollte die Blutslinie bis ins Barockzeitalter erforscht werden, in welchem vom Adel aus der Begriff "schlecht" aus "schlicht" geschaffen wurde.

Vorurteil 2: Die Prämisse eines Menschen, der seinem Wesen nach seine Umgebung nicht verändern will.

Dies ist wiederum eine eigentlich ganz andere Diskussion, die verdammt viel mit der Willensfreiheit zu tun hat.
Ich gehe nicht von einem Wesen des Menschen aus. Wenn wir Diskursphilosophie betreiben wollen, sollten wir versuchen uns Prämissen für dieses Thema zu schaffen.


Zum Problem der naturlistischen Zielsetzung:
Wenn wir von Christen und Kommunisten sprechen, so sprechen wir von Archetypen mit verbindlichen Eigenschaften, so wie man dem Begriff "Stuhl" als Archetypus verbindliche Eigenschaften zuschreiben kann. (Eine immer wieder beliebte Aufgabe bei Informatikern, solche Eigenschaften zusammenzutragen.) Durch die Reichhaltigkeit an Eigenschaften, die ein Christ oder Kommunist innehaben m u s s um als solcher auch zu gelten, fällt es leicht, Urteile über ihre Ziele zu fällen, weil diese den Archetypus "Christ" und "Kommunist" grundelegend beschreiben, also hier wären das einerseits z.B. "Selig werden" und andererseits z.B. "Grundsicherung des Lebens für alle Menschen".
Es ist der Luxus der Neuzeit, einer Gruppierung angehören zu können und trotzdem ein individuelle Ziele zu haben, die nicht vom Archetypus der Gruppe vorgeschrieben werden; ein Naturalist kann sich genausogut politisch engagieren wie auch in den Kreig ziehen oder sich als Einsiedler nach Sils-Maria zu verziehen. Das ist richtig cool!
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