Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Sentient6 » Mi 25. Mär 2009, 16:00

Hallo zusammen,

Ich bin in einem anderen Forum gerade auf folgende Aussage gestoßen:

"Zitat:
--------------------------------------------------------------------------------
Original erstellt von: XXX

Wenn du nicht herausfinden kannst, ob eine Vermutung zutrifft oder nicht, kannst zu halt keine Aussage über sie treffen und nichts über ihren Gegenstand herausfinden. Es wäre halt so, also ob er nur in deiner Phantasie existierte (was er dann meist auch tut, z.B. Gott).

--------------------------------------------------------------------------------



XXX ... Dein Nihilismus ist ja grausam steril ..Dein Konzept führt doch zur völligen Entleerung des Lebens - Immoralismus. Jetzt erst verstehe ich, wo Du herkommst...

Immoralisten lehnen alle Vorstellungen von Sünde, Schuld, Scham, Ehre, Wert, Pflicht, Reue, Buße, geistiger Reinheit, Gewissen, Karma, Solidarität, Verbindlichkeit und Verantwortung ab, die mit Sollens-Vorstellungen einhergehen und nicht bloße Fakten von Gefühlen oder Kommunikationsstrukturen beschreiben. Immoralisten sind Zyniker und sehen in sozialer Kompetenz, Höflichkeit, Umgangsformen, Rücksichtnahme und Einhaltung gesellschaftlicher Konventionen keine Form, Menschen als Selbstzweck zu behandeln, sondern nur ein wichtiges Mittel zur Erreichung anderer Zwecke, das jederzeit gemäß zweckrationalen Maßstäben aufgegeben werden kann.

Was führst Du für ein Leben - welche Hüllle füllst Du nicht? Und - was hat Dich zum Bass verschlagen."

(keine der beiden Aussagen kommt von mir, Nicknames habe ich unkenntlich gemacht)

Dabei fällt auf, dass man sehr häufig auf solche Vorurteile trifft. Einerseits wird diese "Sterilität" unterstellt, oft kombiniert mit Nihilismus, Immoralismus, dem Ausdruck des gefühlskalten Bioautomaten etc.
Zusätzlich kommt es oft zu Reibereien (in diesem Fall passiert), wenn der Rationalist bemüht ist, seine Aussagen sehr genau zu prüfen und zu belegen, während die Gegenseite das nicht tut. Irgendwann wird dadurch sämtliche Diskussion abgewürgt, weil der eine Diskussionspartner nach Belegen verlangt und der andere genervt ist, ständig auf seine mangelnde Diskussionskultur hingewiesen zu werden. Daraus folgt, dass die Diskussion vom eigentlichen Thema weggeht und auf die Metaebene verlagert wird. Man diskutiert über die Art zu diskutieren und redet zusätzlich aneinander vorbei.

Was sind eure Erfahrungen damit? Wie geht ihr mit sowas um? Klinkt ihr euch aus? Versucht ihr weiter zu überzeugen?

Bin auf eure Meinungen gespannt!
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon LinuxBug » Mi 25. Mär 2009, 20:07

Sentient6 hat geschrieben:Was sind eure Erfahrungen damit? Wie geht ihr mit sowas um? Klinkt ihr euch aus? Versucht ihr weiter zu überzeugen?

Solche Erfahrungen habe ich noch kaum gemacht, weiß nicht warum. Ich würd die Angriffe ignorieren und sachlich darauf antworten, Missverständnisse aus der Welt schaffen und mich über die Dummheit der Menschen ärgern (oder so :^^: ).

Falls es dich wirklich stört, würde ich Steven Pinkers "Das Unbeschriebene Blatt - Die moderne Leugnung der menschlichen Natur" empfehlen. Der erklärt sehr gut, wie man Moralvorstellungen aus naturalistischer Sicht erklären, nachvollziehen und auch in gewisser Weise übernehmen kann, bzw. warum es oftmals klüger ist, sie nicht auf einer falschen Sicht zu bauen...

Und ja, bei so extremen Typen würde ich mich auch schon mal ausklinken. Auf dem Niveau bin ich nicht zu haben.
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Julia » Mi 25. Mär 2009, 23:32

So extreme Unterstellungen kenne ich nicht, was wohl damit zusammenhängt, dass meine Gesprächspartner in der Regel wissen, dass ich nicht amoralisch bin und solche Behauptungen ins Leere laufen würden. Allerdings kenne ich den Vorwurf der 'Unterkühltheit', der Gefühlskälte.
Eventuell ist diese tatsächlich vorhanden, falls dem so ist gleicht das Gegenüber das jedoch meist durch ein Übermaß an Irrationalität und Emotionalität aus. ;)
Ich denke, dass hinter solchen Anschuldigungen möglicherweise taktische Beweggründe stehen, wenn es also um die Diffamierung von Andersdenkenden geht, ich denke aber auch, dass manche Leute es einfach so empfinden. Das sind dann oft Realitätsflüchtlinge, die es ganz grausam und kalt finden, wenn man sie dazu zwingt sich ein paar Tatsachen zu stellen. Ich denke, dass es gerade im Umgang mit diesen Menschen wichtig ist Alternativen zu bieten und ihnen nicht einfach die Schmusedecke wegzunehmen. Ihnen zu zeigen, dass die Welt auch so noch wunderbar, wenn nicht wunderbarer ist.

lg Julia
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon HF******* » Do 26. Mär 2009, 16:00

Ob das richtig ist, was der andere schreibt, hängt wohl davon ab, was Du vorher geschrieben hast. Die Aussage kann also sowohl begründeter Einwand, als auch plumpe Beleidigung sein, je nachdem.

Ob das eine Diskriminierung ist, kann man so schwer erkennen. Worauf will die andere Person hinaus? Dass man sich irrational verhalten muss, um kein Nihilist zu sein? :lachtot:
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Do 26. Mär 2009, 18:50

Naturalistisch betrachtet ist ja Rationalität auch nicht überall anzusetzen. Moral ist oft zu vernünftig, dass stimmt schon; und wenn man vernünfitg ist, muss man einsehen, dass eine gehörige Portion Unvernunft in so gut wie jedem Menschen-Ding steckt und somit alle Belange des Menschen unfassbar unvernünftig sind, dass Vernunft uunvernünftig ist - ach, die bloße Rationalität hat sich doch selber längst ihr Ende gesetzt, so wie das kirchliche Dogma, verbindliche Moral in der westlichen Gesellschaft oder andere tolle Erfindungen...
Vernunft hat wirklich nur einem eng umrissenen Kreis eine Bedeutung.
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Twilight » Fr 27. Mär 2009, 08:23

Um eine irrationale Ansicht zu verteidigen, kann man keine rationalen Argumente auffahren, es sei denn es gibt einen rationalen Grund, an der irrationalen Ansicht festzuhalten, wobei man dann aber zugeben muss, dass die Ansicht irrational ist, was kaum einer möchte.

Also werden andere Wege gesucht: Der Hintergrund von Emotionen und Moral ist abstrakt genug um den 08/15-Zweifler zum schweigen zu bringen.

Sentient6 hat geschrieben:Was sind eure Erfahrungen damit? Wie geht ihr mit sowas um? Klinkt ihr euch aus? Versucht ihr weiter zu überzeugen?

Kommt drauf an.
Wenn ich eiskalt überrascht werde, wenn sich in der S-Bahn eine Frau zu mir rüberbeugt mit einem "Entschuldigung..." Wobei ich, noch halb in meiner Reiselektüre versunken gedanklich auf alle möglichen Fragen über Uhrzeit bis mögliche Umsteigebahnhöfe denke aber nicht an ein "Haben Sie schon mal über Gott nachgedacht?", versuche ich eher freundlich abweisend zu sein. ("Tschulligun'binmüdehartertag")
In Internetforen ist das anders. Da kann ich mir Zeit nehmen, nachzudenken und mitzureden.
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon russellsteapot » Fr 27. Mär 2009, 09:02

Ratio allein nützt nichts - unser Hirn verwurstet bisherige Erfahrungen, die psychologische Tagesverfassung (wütend, glücklich, traurig...), die Menge der Botenstoffe etc. zu einem erstmal undurchschaubaren "Infobrei" - aus dem Infobrei kann manchmal eine rationelle Entscheidung kommen (Ich sag dem Zeugen Jehovas ganz höflich dass ich einen Termin habe) oder eine irrationale Gefühlsentscheidung (Ich hau dem Jehova eine aufs Maul weil er mich nervt und zufällig an einen Typen aus der Schule erinnert, der mich damals verprügelt hat, und Jehovas dürfen sich ja nicht wehren *g*) Der Mensch ist ja keine rein auf Logik und Ratio basierende Computerimitation sondern auf Grund der Art wie das Gehirn arbeitet ja auch gefühlsbetont - wenn man so argumentiert kann man fast nicht verlieren und zur Not kann man ja immer noch dem Gegenüber eine überziehen

:lachtot: :boxen: :aufsmaul: :ironie:
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon HF******* » Fr 27. Mär 2009, 13:19

ich verstehe nicht, was Ihr schreibt…
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon russellsteapot » Fr 27. Mär 2009, 14:51

Sei froh dass du nur andere nicht verstehst- ich versteh manchmal nicht mal das was ich selber schreibe :lachtot:
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Sa 28. Mär 2009, 14:15

Sehr vernünftige Antwort!
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Julia » Sa 28. Mär 2009, 15:46

Ich verstehe es auch nicht, aber das ging mir bisher zumindest mit den Beiträgen von Jarl Gullkrølla immer so.
Ich bräuchte dann mal die Version für Dummies. :student:
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Jarl Gullkrølla » So 29. Mär 2009, 15:36

Die Version für Dummies wäre mit mehr Schreibaufwand meinerseits und mehr für dich zu lesenden Text deinserseits verbunden; deswegen lasse ich zumeist die Begründungen oder überhaupt die Gründe zu meiner Meinung entfallen, weil sie mir zumindest recht gleichgültig sind - Logik zwingt zum Glauben und so fies bin ich nicht ständig zu missionieren. Ob man das glaubt was ich schreibe und es dann Wissen heißt, hängt ja vom Geschmack ab - i m m e r nur davon! und wenn einem meine Meinung missfällt nützt oft auch die Logik nichts; reine Willkür in der Waghl dessen was Wahrheit für den einzelnen ist.
Und wenn dann irgendein ein eitler Schwächling seinen Stolz, das Vorrangs-Gefühl, befreidigen will indem eine ach wie weite Weltsicht einem so "kalten, leeren" und vor allem naturalistischen Blick entgegenstellt und vielleicht noch seinen Vorrang sich in Belangen der Moral verschaffen will, mit großmäuligen Worten und dreckiger Verlogenheit - Ekel! bei Satan, Onanie ist keine Sache die man vor anderen Leuten macht! aber die Heuchler machen den Tag nichts anderes als sich auf diese Art und Weise selbst zu befriedigen... Pfui!

Vernunft ist allzu oft Eytelkeit (z.B. jemanden aus einem Grund nicht mögen, einen Grund zu Handlungen haben etc.) und selten nur redlich zur Erkenntnis gebraucht. Ich will nicht leugnen dass es Gründe gibt - was mich zum größten Toren machen würde -, nur, dass vor allem in Belangen des Menschlichen, die Gründe oft hinzugelogen sind, so wie es russelsteapot geschildert hat: am ende weiss man nicht, was der Grund für diese oder jene Entscheidung war, weil ein riesiger "Infobrei" ausgewertet wird und das o h n e Beteiligung des Bewußtseins; wenn, dann vielleicht ein Mü, damit es interessant ist.
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Twilight » So 29. Mär 2009, 18:02

Twilight hat geschrieben:Um eine irrationale Ansicht zu verteidigen, kann man keine rationalen Argumente auffahren, es sei denn es gibt einen rationalen Grund, an der irrationalen Ansicht festzuhalten, wobei man dann aber zugeben muss, dass die Ansicht irrational ist, was kaum einer möchte.


HFRudolph hat geschrieben:ich verstehe nicht, was Ihr schreibt…


Ich versuche einfach mal, mir meine Gedanken nochmal klar zu machen...
Jemand der ein supernaturalistische Weltbild hat und dieses sein Leben bestimmen lässt, hat oft Schwierigkeiten, normale Entscheidungen normal zu begründen.

Ein Beispiel: Vor ein paar Tagen habe ich mit einem Mädchen geschattet, die sagte mal plötzlich, dass sie keinen Cybersex mehr möchte. Das betraf mich zwar nicht direkt, aber ich trotzdem mal nach dem Warum gefragt. Die (gekürzte) Antwort: Das sechste Gebot!
Ich hab ein wenig gebraucht, um zwischen unter den diversen sechsten Geboten eines zu finden das in diesem Zusammenhang Sinn ergibt (das mit dem Ehebrechen). Meine überraschte Frage, ob sie denn verheiratet sei wurde verneint und mit anderen Biblestellen gewürzt bis mir der Kopf qualmte.
Irgendwann meinte ich dann "Also du WILLST schon, glaubst aber, dass du nicht darfst?"
Und dann erst kam raus, dass sie diese Entscheidung erst aus einem Gefühl heraus getroffen (nicht rational) und dann versucht hat, anhand der Zitate eines jahrhunderte alten Buches diese Entscheidung zu "entschuldigen" (noch weniger rational), anstatt gleich zu sagen sie fühle sich nicht gut dabei aber wisse nicht, warum.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Vernunft ist allzu oft Eytelkeit (z.B. jemanden aus einem Grund nicht mögen, einen Grund zu Handlungen haben etc.) und selten nur redlich zur Erkenntnis gebraucht.

Das sagt irgendwie das selbe aus, glaube ich. :/
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Sentient6 » Mo 30. Mär 2009, 10:56

Da ich eine Weile nicht online kommen konnte, gehe ich jetzt mal kurz und bündig auf die Antworten ein..

@LinuxBug: Danke für den Tipp! Für gut Literatur bin ich immer offen.. Kommt mal auf meine Leseliste, hab im Moment noch so viele offene Bücher. Gibt eindeutig zu wenig Zeit und zu viele lesenswerte Bücher.. Wie sich im Verlauf der Diskussion gezeigt hat, fiel es am Ende beiden Parteien schwer, sachlich zu bleiben, weil sich beide angegriffen gefühlt haben. (Abartige Kommentare wie "Fühlt sich da jemand angegriffen? Ach, der Bioautomat hat doch Emotionen, auch wenn die doch garnicht bewiesen sind.." etc. haben ihren Teil dazu beigetragen..)

@Julia: Die Schmusedecke wegziehen finde ich ein schönes Bild, trifft die Situation eigentlich recht gut. Ich habe halt leider die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen sich garkeine Alternativen zeigen lassen wollen, da gewisse vorgefertigte Bilder schon so fest eingebrannt sind. Ich habe mich in die Diskussion nur punktuell eingemischt, an einer Stelle Dawkins "Unweaving the Rainbow" empfohlen.. Ob sich den Tipp jemand zu Herzen genommen hat?

@HFRudolph: Wie gesagt, ich hab das ganze eigentlich nur beobachtet. ;) Aber macht ja keinen Unterschied.. Prinzipiell war das eine der üblichen Diskussionen zum Thema "Kreationismus an Schulen". Irgendwann kam das berühmte Totschlagargument "Ihr Wissenschaftler wisst auch nicht alles, könnt nicht alles mit Sicherheit sagen!" Dann gings um paranormale Phänomene. Die Argumente bestanden dabei aus persönlichen Erfahrungen und Dingen wie "Es gibt überwältigende Beweise und Sammlungen von Erfahrungen, du hast dich nur die dafür interessiert.". Danach kam dann abstrakte Metaphysik... Letzten Endes ist deine Schlussfolgerung genau der Punkt. Es gäbe kein gesichertes Wissen, wir könnten eh nichts definitives sagen, Wissenschaft sei auch nur Glauben und alle die Irrationales ("Dinge, die mit der wissenschaftlichen Methode nicht erfahrbar/erfassbar sind.") ausschließen oder zumindest stark anzweifeln seien unterkühlt, selbstherrlich, arrogant, anmaßend und dergleichen..

@Jarl Gullkrølla: Klar, wer behauptet ach so vernünftig zu handeln und jegliche Entscheidung vollkommen frei von Emotionen zu treffen ist ein selbstherrlicher Heuchler, bestreitet keiner.. Andererseits: Warum daraus folgt, dass Vernunft unvernünftig ist, kann ich nicht nachvollziehen.. Vernunft ist ein ideal, was sicher nie zu 100% erreicht wird. Trotzdem gibt es gerade in der Wissenschaft ja einige Methoden zur Steigerung der Objektivität von Veröffentlichungen, Theorien, Entscheidungen etc. Ich will damit nicht sagen, das alle Entscheidungen rational getroffen werden sollten, aber gerade wenn von einer Entscheidung sehr viel abhängt, wär mir es doch lieber, wenn irrationale, dogmatische Einstellungen ein bisschen weniger Gewicht hätten..

@Twilight: "Der Hintergrund von Emotionen und Moral ist abstrakt genug um den 08/15-Zweifler zum schweigen zu bringen." Das ist genau der Punkt! Wenn man in einer Diskussion darauf bedacht ist, alles genau zu begründen, während die Gegenseite das nicht tut, gerät man bei schwierigen Themen schnell ins hintertreffen. Andererseits hat der hier beteiligte Naturalist überraschend gut argumentiert, darauf wurde nur einfach nicht eingegangen.. Und Argumente die auf Psychologie und selektiver Wahrnehmung basierten wurden oft eher verlacht..

@russellsteapot: Stimm ich dir 100% zu. Niemand behauptet, dass ein Mensch nur ein Computer ist. Aber Emotionen als natürliche Phänomene zu betrachten heißt ja noch lange nicht, sie zu verleugnen bzw. als nicht-existent zu betrachten.. Diese Unterstellung sind ziemlich offensichtliche und platte Strohmänner..

@Twilight #2: Interessantes Beispiel.. Das ist wohl ein Vorgehen was bei jedem Schlag Menschen verbreitet ist. Ich hab mich auch schon dabei ertappt, absolut "logische" Argumente zu finden, warum ich etwas nicht tun/tun sollte, nachdem ich eigentlich schon eine Entscheidung getroffen hatte.. Ist wohl typisch menschlich..

Soo, ist doch etwas länger geworden, ich kanns nicht lassen.. :irre:
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon HF******* » Mo 30. Mär 2009, 11:48

…und alle die Irrationales ("Dinge, die mit der wissenschaftlichen Methode nicht erfahrbar/erfassbar sind.") ausschließen oder zumindest stark anzweifeln seien unterkühlt, selbstherrlich, arrogant, anmaßend und dergleichen..

Soetwas ist doch reine Beschimpfung. Auf der Ebene kann man nicht rational argumentieren, wenn jemand Rationalität ablehnt, also nur noch Meinung gelten lässt. Ja, wie vertritt man sojemandem gegenüber eine Meinung? Eine Zivilistionsstufe runterschalten, vielleicht einfach mal anbrüllen oder ein Glas gegen die Wand schmeißen oder so … ok, nicht mein Stil. Vielleicht dem anderen eine Barby oder Ken mitbringen, mit denen die Person dann „diskutieren“ kann? Das geht ja auch virtuell im Internet.

Es führt zu nichts, über „etwas“ zu sprechen, wovon weder der eine noch der andere etwas weiß.
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mo 30. Mär 2009, 15:06

HFRudolph hat geschrieben:Es führt zu nichts, über „etwas“ zu sprechen, wovon weder der eine noch der andere etwas weiß.


Jaja... kennt jemand die Herculesfilme mit Kevin Sorbo in der Hautprolle? In einer Jugenderinnerinnerung unseres Helden bekommt er von seinem Lehrer beigebracht: "Vergesst nie: berühmt werdet ihr durch eure Feinde, also schafft euch gute Feinde!" - sonst kann man sich seine Kräfte auch getrost sparen. Lustigerweise ist diese doch tatsächlich der griechischen Antike entlehnte Filmphilosophie ein Teil von Nietzsches Feindeslehre, hier die zu übedenkende nicht-Dummie-Version aus dem Zarathustra:
"Ihr dürft nur Feinde haben, die zu hassen sind, aber nicht Feinde zum Verachten. Ihr müsst stolz auf euern Feind sein: dann sind die Erfolge eures Feindes auch eure Erfolge."

Nun weiss ich eben schlecht, inwiefern der oder die Einzelne von euch geneigt sein sollte sich mit Menschen herumzustreiten die keines ihrer Urteile je auch nur oberflächlich geprüft haben, wie es eben bei Großmäulern der Art "aber die Moral! und der Nihilismus!" der Fall ist, die ihre Meinung wohl in der Werbung einkauften.
"Lachen tötet!" - damit geht auch Schmidt-Salomon auf die flatterherzigen, frommgläubigen Lämmer zu. Den Stolz verletzen, den Keim des Zweifels pflanzen (und nicht den Zweifel selbst anführen, das Kind muss der oder die Schwangere schon selber gebären)... aber am besten wohl in den allermeisten Fällen: vorübergehen! und auf bessere Feinde hoffen.
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon HF******* » Mo 30. Mär 2009, 18:54

Ist das nicht ein alter Indianerspruch: Viel Feind, viel Ehr?

Zum Thema Nihilismus empfielt sich ja tatsächlich Nietsche, Genealogie der Moral:
(*.pdf, 600 kB) http://www.brights-hamburg.de/Material/Genealogie%20der%20Moral.pdf
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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Julia » Mo 30. Mär 2009, 21:31

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Die Version für Dummies wäre mit mehr Schreibaufwand meinerseits und mehr für dich zu lesenden Text deinserseits verbunden;

Aber so ist es mit mehr Denkarbeit für mich verbunden.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Logik zwingt zum Glauben...

Ich bin durchaus geneigt mich von Logik zwingen zu lassen und du nimmst dir damit auch die Chance widerlegt zu werden.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:nur, dass vor allem in Belangen des Menschlichen, die Gründe oft hinzugelogen sind, so wie es russelsteapot geschildert hat: am ende weiss man nicht, was der Grund für diese oder jene Entscheidung war, weil ein riesiger "Infobrei" ausgewertet wird und das o h n e Beteiligung des Bewußtseins; wenn, dann vielleicht ein Mü, damit es interessant ist.

Würde es dann nicht ausreichen diesen Mechanismus des Selbstbetrugs aufzudecken oder auf alternative Begründungsmöglichkeiten hinzuweisen? Nicht dass ich behaupte, dass das einfach ist.

Sentient6 hat geschrieben:Ich habe halt leider die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen sich garkeine Alternativen zeigen lassen wollen, da gewisse vorgefertigte Bilder schon so fest eingebrannt sind. Ich habe mich in die Diskussion nur punktuell eingemischt, an einer Stelle Dawkins "Unweaving the Rainbow" empfohlen.. Ob sich den Tipp jemand zu Herzen genommen hat?

Ja, man muss da etwas hinterhältiger vorgehen, den Leuten die Sache schmackhaft machen ohne dass sie merken, dass man sie gerade mit naturalistischem Gedankengut verseucht. Ich habe festgestellt, dass meine Mutter (die auch alles mögliche glaubt) sich viel eher auf etwas einlassen kann, wenn ich nicht gleich erwähne, dass das einem ihrer Glaubensinhalte widerspricht und wenn sie es dann erst mal geschluckt hat stört sie das nicht mehr. Ich glaube das man Menschen sehr gut mit Neugier ködern kann, mich zumindest.
Man muss es natürlich auch gut verkaufen können. Ich persönlich finde die Evolution viel bestaunenswerter als es eine Schöpfung jemals sein könnte, sollte sich herausstellen, dass es einen Gott gibt, wäre ich etwas enttäuscht, wenn man das vermitteln kann, kann man vielleicht auch Kreationisten 'verhindern'.

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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon stine » Di 31. Mär 2009, 07:38

Julia hat geschrieben:Ja, man muss da etwas hinterhältiger vorgehen, den Leuten die Sache schmackhaft machen ohne dass sie merken, dass man sie gerade mit naturalistischem Gedankengut verseucht. Ich habe festgestellt, dass meine Mutter (die auch alles mögliche glaubt) sich viel eher auf etwas einlassen kann, wenn ich nicht gleich erwähne, dass das einem ihrer Glaubensinhalte widerspricht und wenn sie es dann erst mal geschluckt hat stört sie das nicht mehr. Ich glaube das man Menschen sehr gut mit Neugier ködern kann, mich zumindest.
Man muss es natürlich auch gut verkaufen können. Ich persönlich finde die Evolution viel bestaunenswerter als es eine Schöpfung jemals sein könnte,...

Älteren Menschen (Uuups, vielleicht ist deine Mutter noch jung? :mg: ) würde ich ungern die lebenslange Vision auf einen Gott und ein überirdisches Leben nehmen wollen. Die rationale Sichtweise ist in der älteren Generation vielleicht auch nicht jedermanns Sache.

Vielleicht hat Evolution in den letzten Jahrzehnten schon wieder zugeschlagen und es vermehren sich mehr und mehr nur noch intelligente und bildungswillige Physikinteressierte, die genetisch bedingt, aufgrund eines verkümmerten Vorderhirnlappens (oder was immer dafür verantwortlich war), den Glauben gar nicht mehr aufbringen können?

Julia hat geschrieben:sollte sich herausstellen, dass es einen Gott gibt, wäre ich etwas enttäuscht, ...

Ich wäre nicht enttäuscht, aber ich wäre sehr neugierig auf seine Erklärung! :wink:

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Re: Reaktionen auf rationalistische Sichtweisen

Beitragvon Julia » Di 31. Mär 2009, 11:13

stine hat geschrieben:Älteren Menschen (Uuups, vielleicht ist deine Mutter noch jung? :mg: ) würde ich ungern die lebenslange Vision auf einen Gott und ein überirdisches Leben nehmen wollen. Die rationale Sichtweise ist in der älteren Generation vielleicht auch nicht jedermanns Sache.

Also Alter ist wohl relativ, für mich ist ja schon alles was nicht mehr mit einer 2 anfängt alt.
Ansonsten ist die Gottesvorstellung meiner Mutter so unkonkret, dass man sie gar nicht widerlegen kann, es geht dann mehr um Details - um modernen Aberglauben.

Wobei, ich gebe es zu, ganz unmenschlich bin selbst ich nicht. Als meine uralte Uroma mir etwas von ihrem Gott erzählt hat, habe ich auch einfach die Klappe gehalten.

stine hat geschrieben:Vielleicht hat Evolution in den letzten Jahrzehnten schon wieder zugeschlagen und es vermehren sich mehr und mehr nur noch intelligente und bildungswillige Physikinteressierte, die genetisch bedingt, aufgrund eines verkümmerten Vorderhirnlappens (oder was immer dafür verantwortlich war), den Glauben gar nicht mehr aufbringen können?

Also in meiner Generation habe ich das noch nicht beobachtet, leider. Außerdem bin ich ja ein dogmatischer Wissenschaftsgläubiger, so sagt man zumindest. :(

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