Der Kern des Naturalismus

Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon Myron » So 19. Apr 2009, 21:40

El Schwalmo hat geschrieben:Für mich sieht das eher danach aus, dass wir sehr vorsichtig argumentieren müssen, denn auch der Naturalismus könnte sich als Irrtum erweisen.


Ich bitte zu beachten, dass die allermeisten naturalistischen oder materialistischen Philosophen nur behaupten, dass der Naturalismus bzw. der Materialismus in der wirklichen Welt wahr sei, aber nicht, dass er in allen möglichen Welten wahr sei.
Sie behaupten also nicht, dass der Naturalismus bzw. Materialismus eine notwendige Wahrheit sei.
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon El Schwalmo » So 19. Apr 2009, 22:22

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Du hast oben ein Liste aufgeführt. Stell' Dir mal vor, es gäbe Entitäten, für die Du nicht einmal einen Namen, geschweige denn einen Begriff hast, die sich Deinem Denken vollkommen entziehen. Meinst Du, die müsste das irgendwie tangieren?

Natürlich hängt die Existenz realer Objekte nicht davon ab, ob ich daran glaube.

es geht nicht darum, was Du glaubst, sondern ob die Welt so sein muss, wie Du glaubst.

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Selbstverständlich kannst Du in einem rationalen Diskurs einfordern, dass nur das verhandelt wird, was begründet werden kann. Solange Du aus den Diskursregeln keine Ontologie machst, ist das in Ordnung.

Der ontologische Naturalismus heißt nicht zufällig so.
Ich habe die Chuzpe, über den agnostischen Standpunkt hinauszugehen. :^^:

Soll ich Dich nun dafür bewundern, dass Du dasselbe machst wie Gottgläubige?

Oder ist inzwischen Chuzpe ein Argument? Ist es tapfer, seinen Glauben über den Zweifel zu stellen?
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon El Schwalmo » So 19. Apr 2009, 22:26

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Für mich sieht das eher danach aus, dass wir sehr vorsichtig argumentieren müssen, denn auch der Naturalismus könnte sich als Irrtum erweisen.

Ich bitte zu beachten, dass die allermeisten naturalistischen oder materialistischen Philosophen nur behaupten, dass der Naturalismus bzw. der Materialismus in der wirklichen Welt wahr sei, aber nicht, dass er in allen möglichen Welten wahr sei.

wir streiten doch gerade darüber, wie man zeigen könnte, dass er in dieser Welt wahr ist (wobei wir IIRC schon herausgefunden haben, dass wir zwar angeben können, was wir als 'wahr' anerkennen würden, aber nicht, wie wir das im konkreten Fall feststellen können).

Es ist in meinen Augen angesichts dessen, wie erbärmlich wenig wir über unsere Welt wissen, sinnlos, irgend einen Gedanken an andere Welten zu verschwenden, über deren Möglichkeit wir noch weniger wissen.

Myron hat geschrieben:Sie behaupten also nicht, dass der Naturalismus bzw. Materialismus eine notwendige Wahrheit sei.

Solange sie das auch hinsichtlich dieser Welt annehmen, sind wir uns einig.
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon El Schwalmo » So 19. Apr 2009, 22:31

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Was könnten die Theologen wohl damit meinen, wenn sie sagen, dass es einen Gott, den es 'gibt', nicht gibt?

Das wissen sie wohl selber nicht, denn das ist purer Nonsens.

kann man so sehen. Aber in Verbindung mit dem, was Du geschrieben hast, macht das durchaus Sinn: die jämmerliche Kreatur versucht mit ihrem begrenzten Horizont Gott zu denken. Da war doch mal was mit dem Hund von Newton?

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Von meiner Warte aus 'glaubst' Du genauso wie die Theisten.


Die folgende Aussage eines Philosophen, der sich selbst zu den Materialisten rechnet, dürfte Dir sehr gefallen:

"Belief in the truth of materialism is a matter of faith and needs to be tempered by agnosticism."

(Strawson, Galen. Mental Reality. Cambridge, MA: MIT Press, 1994. p. 43)

'Tempered' scheint mir in diesem Kontext ein Euphemismus zu sein. Klingt irgendwie nach 'halbschwanger'.
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon smalonius » Mo 20. Apr 2009, 19:14

El Schwalmo hat geschrieben:klar. Aber man kann das noch 'aufbohren': 'gibt' es diese Regeln, oder konstruieren wir diese?
Die Regeln gibt es, würde ich sagen. Schließlich kreist die Erde schon seit Jahrmilliarden um die Sonne - und folgt dabei diesen Regeln.

Ohne verlässliche Regeln, vulgo Naturgesetze, wäre alles längst aus den Fugen geraten und wir säßen heute nicht hier und könnten uns über die Regeln wundern.

Ob wir die Regeln kennen, steht auf einem anderen Blatt. Planetenbahnen als Kegelschnitte, das leuchtet noch intuitiv ein, als 1:1 Beziehung zwischen dem Naturgesetz Schwerkraft und unserer physikalischen Formulierung. Schwierig wirds, wenn man sich die Schrödingergleichung ansieht: Elektronen als stehende Wellen um Atomkerne. Deckt sich dieses Bild mit der Wirklichkeit? Die Antwort darauf werde ich schuldig bleiben. :/

smalonius hat geschrieben:Was bedeutet 'sie sind gültig'? Doch nur, dass wir im Mesokosmos damit rechnen können und passende Ergebnisse erhalten. Was folgt daraus für das Sein? Können wir aus dem Bereich, der unserem Erkenntnisapparat zugänglich ist, auf das gesamte Sein schließen?
Ich will mich mal etwas weit aus dem Fenster lehnen:

Irgendeine Form von Erhaltungssatz ist nötig in jeder "Raumzeit", damit etwas real sein kann. Ohne Energieerhaltung könnte die Erdbahn beliebig schwanken. Wiederum säßen wir nicht hier und könnten darüber reden.

Dann gibt es diese Sorte von Naturgesetzen - ich will sie mal systemisch oder kybernetisch nennen, mangels besserem Wort. Damit meine ich den zweiten Haupsatz der Wärmelehre und die Evolutionstheorie. Der zweite Hauptsatz ist eine statistische Aussage über Zustande von Systemen. Er funktioniert mit Murmeln ebenso wie mit Gaspartikeln oder wie mit XYZ aus dem hypotetischen Paralleluniversum. Ebenso ist es mit der Evolutionstheorie. Genaugenommen ist das keine biologische Theorie sondern eine kybernetische. Evolution kann man auf jedes System mit sich reproduzierenden "Agenten" anwenden. Tatsächlich werden Genetische Algorithmen inzwischen erfolgreich in Forschung und Industrie verwendet. Ich kann mir keine Welt vorstellen, in der das nicht ginge.

Eben. Und der ist ankeranntermaßen eine Heuristik. Auch das taugt nicht für eine Ontik.
Stimmt.

Eben. Die Frage ist nur, wie es aussehen würde, falls mit so einer nicht entscheidbaren Frage Konsequenzen verbunden wären.
Halt! Wenn mit einer Frage Konsequenzen verbunden sind, dann ist sie entscheidbar.


EDIT: ach ja, was war eigentlich mit dem Hund von Newton? Er konnte der Gravitationstheorie seines Herren nichts abgewinnen und hat weiterhin den Mond angebellt? ;)
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon El Schwalmo » Mo 20. Apr 2009, 23:00

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:klar. Aber man kann das noch 'aufbohren': 'gibt' es diese Regeln, oder konstruieren wir diese?
Die Regeln gibt es, würde ich sagen. Schließlich kreist die Erde schon seit Jahrmilliarden um die Sonne - und folgt dabei diesen Regeln.

ich denke, die Frage ist komplexer. Ich versuche das mal anhand eines Beispiels. Du sitzt auf der Terrasse und siehst am Baum einen Apfel hängen. Nun suchst Du nach einer Möglichkeit, exakt anzugeben, wo der Apfel sich befindet. Du kannst nun beispielsweise ein kartesisches System definieren, oder auch Polarkoordinaten. Das wären zwei alternative Möglichkeiten, die konstruierten Naturgesetzen entsprechen würden.

Es könnte aber auch sein, dass man mit Messgeräten, die man noch nicht entwickelt hat, feststellen könnte, dass das Universum von einem Gitternetz durchzogen ist, relativ zu dem man die Position aller Gegenstände angeben kann. Das wäre dann ein Naturgesetz, das man gefunden hat. Diesem würde ein Sonderstatus gegenüber den konstruierten Gesetzen zukommen. Sollte es Abweichungen zwischen den Werten auf der Basis verschiedener Systeme geben, würde man wohl die Messung anhand des gefundenen Systems als Standard nehmen.

Es ist ein Thread, ob sich die Natur 'da draußen' gesetzmäßig verhält, ein vollkommen anderer, ob es Naturgesetze 'gibt'.

smalonius hat geschrieben:Ohne verlässliche Regeln, vulgo Naturgesetze, wäre alles längst aus den Fugen geraten und wir säßen heute nicht hier und könnten uns über die Regeln wundern.

Wir wundern uns über die Möglichkeit der Beschreibung durch Regeln, nicht über die Regeln.

smalonius hat geschrieben:Ob wir die Regeln kennen, steht auf einem anderen Blatt. Planetenbahnen als Kegelschnitte, das leuchtet noch intuitiv ein, als 1:1 Beziehung zwischen dem Naturgesetz Schwerkraft und unserer physikalischen Formulierung. Schwierig wirds, wenn man sich die Schrödingergleichung ansieht: Elektronen als stehende Wellen um Atomkerne. Deckt sich dieses Bild mit der Wirklichkeit? Die Antwort darauf werde ich schuldig bleiben. :/

Eben, und das widerspricht dem, was Du oben geschrieben hast.
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon El Schwalmo » Mo 20. Apr 2009, 23:08

Ups, nicht gemerkt, dass der Rest auch an mich gerichtet war, sorry.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Was bedeutet 'sie sind gültig'? Doch nur, dass wir im Mesokosmos damit rechnen können und passende Ergebnisse erhalten. Was folgt daraus für das Sein? Können wir aus dem Bereich, der unserem Erkenntnisapparat zugänglich ist, auf das gesamte Sein schließen?

Ich will mich mal etwas weit aus dem Fenster lehnen:

Irgendeine Form von Erhaltungssatz ist nötig in jeder "Raumzeit", damit etwas real sein kann. Ohne Energieerhaltung könnte die Erdbahn beliebig schwanken. Wiederum säßen wir nicht hier und könnten darüber reden.

Sie könnte auch morgen derartig schwanken, weil sich die Natur eben nicht mehr regelhaft verhält.

smalonius hat geschrieben:Dann gibt es diese Sorte von Naturgesetzen - ich will sie mal systemisch oder kybernetisch nennen, mangels besserem Wort. Damit meine ich den zweiten Haupsatz der Wärmelehre und die Evolutionstheorie. Der zweite Hauptsatz ist eine statistische Aussage über Zustande von Systemen. Er funktioniert mit Murmeln ebenso wie mit Gaspartikeln oder wie mit XYZ aus dem hypotetischen Paralleluniversum. Ebenso ist es mit der Evolutionstheorie. Genaugenommen ist das keine biologische Theorie sondern eine kybernetische. Evolution kann man auf jedes System mit sich reproduzierenden "Agenten" anwenden. Tatsächlich werden Genetische Algorithmen inzwischen erfolgreich in Forschung und Industrie verwendet. Ich kann mir keine Welt vorstellen, in der das nicht ginge.

In meinem Weltbild sind das passende Konstrukte.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Eben. Die Frage ist nur, wie es aussehen würde, falls mit so einer nicht entscheidbaren Frage Konsequenzen verbunden wären.

Halt! Wenn mit einer Frage Konsequenzen verbunden sind, dann ist sie entscheidbar.

Hmmmm, wenn manche Christen Recht haben, führen bestimmte Handlungen zu ewiger Verdammnis. Das betrachte ich als Konsequenzen einer Frage, ohne dass ich daraus folgern würde, dass sie nun entscheidbar ist.

smalonius hat geschrieben:ach ja, was war eigentlich mit dem Hund von Newton? Er konnte der Gravitationstheorie seines Herren nichts abgewinnen und hat weiterhin den Mond angebellt? ;)

Warum sollte er den Mond nicht mehr anbellen, wenn dessen regelhaftes Verhalten mit der konstruierten Gravitationstheorie hinreichend genau beschrieben werden kann? Er könnte auch den Schöpfer des Universums verehren, der das All so schuf, dass wir es mit unseren Konstrukten beschrieben können.
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon smalonius » Di 21. Apr 2009, 19:51

El Schwalmo hat geschrieben:Ich versuche das mal anhand eines Beispiels. Du sitzt auf der Terrasse und siehst am Baum einen Apfel hängen. Nun suchst Du nach einer Möglichkeit, exakt anzugeben, wo der Apfel sich befindet. Du kannst nun beispielsweise ein kartesisches System definieren, oder auch Polarkoordinaten. Das wären zwei alternative Möglichkeiten, die konstruierten Naturgesetzen entsprechen würden.
Eigentlich nicht. Zwischen Polar- und kartesischen Koordinaten zu wechseln, verändert die Naturgesetze nicht. Man verwendet praktischerweise das System, in dem sich das Problem am leichtesten beschreiben läßt.

El Schwalmo hat geschrieben:Es könnte aber auch sein, dass man mit Messgeräten, die man noch nicht entwickelt hat, feststellen könnte, dass das Universum von einem Gitternetz durchzogen ist, relativ zu dem man die Position aller Gegenstände angeben kann. Das wäre dann ein Naturgesetz, das man gefunden hat. Diesem würde ein Sonderstatus gegenüber den konstruierten Gesetzen zukommen.
Ahhm. Lichtstrahlen sind eigentlich ziemlich gut, um das Universum auszumessen.

El Schwalmo hat geschrieben:Es ist ein Thread, ob sich die Natur 'da draußen' gesetzmäßig verhält, ein vollkommen anderer, ob es Naturgesetze 'gibt'.
OK, blenden wir das aus. :ops: Bei den Konstrukten würde ich aber gerne noch mal nachfragen. Ich verspreche auch MUH (Mathematical Universe Hypothesis) nicht zu erwähnen. :mg:

El Schwalmo hat geschrieben:In meinem Weltbild sind das passende Konstrukte.
Ich kann mit dem Wort Konstrukt in diesem Zusammenhang nicht viel anfangen.

Wenn sich zwei Gase vermischen, was ist daran konstruiert? Wenn Affen zu Menschen werden, was ist daran konstruiert? Allenfalls die Gattungsnamen, "Pan Troglodytes" und "Homo Sapiens", sind ein Konstrukt, um biologische Arten mit unscharfen Rändern voneinander abzugrenzen.

El Schwalmo hat geschrieben:Sie könnte auch morgen derartig schwanken, weil sich die Natur eben nicht mehr regelhaft verhält.
Ich denke das ist der Punkt, an dem unsere Ansichten auseinandergehen. Sollte Regelhaftigkeit eine Illusion sein, ist sie auf alle Fälle äußerst hartnäckig. :mg:

David Hume kennst du bestimmt. Hume war der Ansicht, daß A + (A ==> B) ==> B nicht bewiesen sei. Hätte Hume recht, könnte sich unser Planet mir nichts, dir nichts aus dem Staube machen. Mir ist das zu philosophisch. Man kann über vieles spekulieren. Aber soll ich ernsthaft versuchen, zum Beispiel Solipsismus zu widerlegen?

Sprechen wir von meinen Socken: wenn mal wieder einer verschwunden ist, wo ist er dann? In eine andere Umlaufbahn getunnelt? Oder habe ich ihn nur verschusselt?

Sprechen wir von meinem Daumen: wenn ich mit dem Hammer draufschlage, dann wird es fürchterlich weh tun, außer ich bin Fakir, betäubt, etc.

Laß uns einen Test machen: ich frage alle Anwesenden, ob ich ihnen mit einem Hammer auf ihre Finger klopfen darf, weil die Natur doch so fürchterlich unbeständig sein könnte. Will jemand? :^^:
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon platon » Di 21. Apr 2009, 20:09

El Schwalmo hat geschrieben: Du sitzt auf der Terrasse und siehst am Baum einen Apfel hängen. Nun suchst Du nach einer Möglichkeit, exakt anzugeben, wo der Apfel sich befindet. Du kannst nun beispielsweise ein kartesisches System definieren, oder auch Polarkoordinaten. Das wären zwei alternative Möglichkeiten, die konstruierten Naturgesetzen entsprechen würden.

Das sind keine Naturgesetze. Die Lokalisation eines Objektes ist vielleicht in der Philosophie ein Naturgesetz, in der Wissenschaft ist das eine Ortsangabe, relativ zu einem Bezugspunkt. Ein Naturgesetz beschreibt die Zustände und Zustandsänderungen eines beliebigen Systems und die Kräfte und Energien, die daran beteiligt sind.
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 23. Apr 2009, 16:10

platon hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben: Du sitzt auf der Terrasse und siehst am Baum einen Apfel hängen. Nun suchst Du nach einer Möglichkeit, exakt anzugeben, wo der Apfel sich befindet. Du kannst nun beispielsweise ein kartesisches System definieren, oder auch Polarkoordinaten. Das wären zwei alternative Möglichkeiten, die konstruierten Naturgesetzen entsprechen würden.

Das sind keine Naturgesetze. Die Lokalisation eines Objektes ist vielleicht in der Philosophie ein Naturgesetz,

ich habe eine Analogie konstruiert.

platon hat geschrieben:in der Wissenschaft ist das eine Ortsangabe, relativ zu einem Bezugspunkt. Ein Naturgesetz beschreibt die Zustände und Zustandsänderungen eines beliebigen Systems und die Kräfte und Energien, die daran beteiligt sind.

Bevor ich antworte, eine ernst gemeinte Frage: meinst Du, das, was Du gerade geschrieben hast, ist sinnvoll im Kontext, über den wir hier diskutieren?
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 23. Apr 2009, 16:25

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Ich versuche das mal anhand eines Beispiels. Du sitzt auf der Terrasse und siehst am Baum einen Apfel hängen. Nun suchst Du nach einer Möglichkeit, exakt anzugeben, wo der Apfel sich befindet. Du kannst nun beispielsweise ein kartesisches System definieren, oder auch Polarkoordinaten. Das wären zwei alternative Möglichkeiten, die konstruierten Naturgesetzen entsprechen würden.

Eigentlich nicht. Zwischen Polar- und kartesischen Koordinaten zu wechseln, verändert die Naturgesetze nicht. Man verwendet praktischerweise das System, in dem sich das Problem am leichtesten beschreiben läßt.

Du verstehst meinen Punkt nicht. Es geht um die Frage, ob wir Regelmäßigkeiten der Natur beschreiben, also 'Gesetze' konstruieren, oder ob es die Gesetze 'gibt', und wir diese finden können.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Es könnte aber auch sein, dass man mit Messgeräten, die man noch nicht entwickelt hat, feststellen könnte, dass das Universum von einem Gitternetz durchzogen ist, relativ zu dem man die Position aller Gegenstände angeben kann. Das wäre dann ein Naturgesetz, das man gefunden hat. Diesem würde ein Sonderstatus gegenüber den konstruierten Gesetzen zukommen.

Ahhm. Lichtstrahlen sind eigentlich ziemlich gut, um das Universum auszumessen.

Ich scheine mich nicht klar ausgedrückt zu haben. Ich meinte, dass es sozusagen ein Gitternetz in der Natur 'gibt', relativ zu dem man dann die Position des Apfels bestimmen kann. Im Gegensatz zu den Koordinatensystemen, die wir konstruiert haben, wäre dieses gegeben. Das ist ein vollkommen anderer ontologischer Status.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Es ist ein Thread, ob sich die Natur 'da draußen' gesetzmäßig verhält, ein vollkommen anderer, ob es Naturgesetze 'gibt'.

OK, blenden wir das aus. :ops:

Nein, denn das ist die Frage, um die es mir geht.

El Schwalmo hat geschrieben:Bei den Konstrukten würde ich aber gerne noch mal nachfragen. Ich verspreche auch MUH (Mathematical Universe Hypothesis) nicht zu erwähnen. :mg:

Mathematik ist ein gutes Beispiel. Die ist nur konstruiert. Die spannende Frage ist die Interpretation der Kalküle. Dabei triffst Du exakt auf das Problem, das ich gerade mit den Naturgesetzen angesprochen habe.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:In meinem Weltbild sind das passende Konstrukte.

Ich kann mit dem Wort Konstrukt in diesem Zusammenhang nicht viel anfangen.

Sagt Dir 'Evolutionäre Erkenntnistheorie' etwas?

smalonius hat geschrieben:Wenn sich zwei Gase vermischen, was ist daran konstruiert?

Beispielsweise der Begriff 'Teilchen'. Was entspricht dem, was Du unter 'Atom', 'Molekül' etc. verstehst, in der Wirklichkeit? Bist Du sicher, dass das trivial ist?

smalonius hat geschrieben:Wenn Affen zu Menschen werden, was ist daran konstruiert?

Eigentlich alles. Geht schon los, was Du unter 'Affe' und was Du unter 'Mensch' verstehen möchtest.

smalonius hat geschrieben:Allenfalls die Gattungsnamen, "Pan Troglodytes" und "Homo Sapiens", sind ein Konstrukt, um biologische Arten mit unscharfen Rändern voneinander abzugrenzen.

Schon die Tatsache, dass Du die Artbezeichner groß schreibst, scheint mir ein Indiz dafür zu sein, dass Du Dich mit dieser Thematik noch nicht intensiver befasst hast.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Sie könnte auch morgen derartig schwanken, weil sich die Natur eben nicht mehr regelhaft verhält.

Ich denke das ist der Punkt, an dem unsere Ansichten auseinandergehen. Sollte Regelhaftigkeit eine Illusion sein, ist sie auf alle Fälle äußerst hartnäckig. :mg:

Tja, anbetrachts eines Erdalters im Jahrmilliardenbereich scheint das, was ein Mensch im Laufe seines Lebens erlebt, sehr relevant zu sein. Ein Schaf hat auch die äußerst hartnäckige Illusion, dass sein Hirte es vor allen Gefahren beschützt und ernährt.

smalonius hat geschrieben:David Hume kennst du bestimmt. Hume war der Ansicht, daß A + (A ==> B) ==> B nicht bewiesen sei. Hätte Hume recht, könnte sich unser Planet mir nichts, dir nichts aus dem Staube machen. Mir ist das zu philosophisch. Man kann über vieles spekulieren. Aber soll ich ernsthaft versuchen, zum Beispiel Solipsismus zu widerlegen?

Es wäre interessant, ob Du der Erste wärst, dem das gelungen ist. Du würdest sehr berühmt werden. Aber, ganz unter uns, ich rechne fest damit, dass auch Du scheitern würdest.

smalonius hat geschrieben:Sprechen wir von meinen Socken: wenn mal wieder einer verschwunden ist, wo ist er dann? In eine andere Umlaufbahn getunnelt? Oder habe ich ihn nur verschusselt?

Sprechen wir von meinem Daumen: wenn ich mit dem Hammer draufschlage, dann wird es fürchterlich weh tun, außer ich bin Fakir, betäubt, etc.

Laß uns einen Test machen: ich frage alle Anwesenden, ob ich ihnen mit einem Hammer auf ihre Finger klopfen darf, weil die Natur doch so fürchterlich unbeständig sein könnte. Will jemand? :^^:

Ich hoffe, dass Du nun nicht meinst, irgendwie originell zu sein. Mit diesem Argument wollte man schon im alten Griechenland Solipsisten widerlegen. Hat nicht geklappt.
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon platon » Do 23. Apr 2009, 19:25

El Schwalmo hat geschrieben: ich habe eine Analogie konstruiert.

Wie wäre es, wenn bei Deinen Konstrukten mal was Zielführendes dabei wäre? Deinen Entgegnungen zu smalonius' Beiträgen hören sich an wie philosophisch gedrechseltes Geschwurbel. Auf jeden Fall SIND SIE NICHT HILFREICH!!!
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 23. Apr 2009, 19:31

platon hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben: ich habe eine Analogie konstruiert.

Wie wäre es, wenn bei Deinen Konstrukten mal was Zielführendes dabei wäre? Deinen Entgegnungen zu smalonius' Beiträgen hören sich an wie philosophisch gedrechseltes Geschwurbel. Auf jeden Fall SIND SIE NICHT HILFREICH!!!

was verstehst Du in diesem Kontext unter 'hilfreich'?
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon platon » Do 23. Apr 2009, 19:41

El Schwalmo hat geschrieben:was verstehst Du in diesem Kontext unter 'hilfreich'?

Hilfreich zu erkennen, was Du eigentlich sagen willst. Du sonderst unentwegt Sprechblasen ab, ohne zu erkennen zu geben, was Du uns mitteilen willst.
Kannst Du Dich nicht verständlich ausdrücken? In gutem präzisem Deutsch?
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 23. Apr 2009, 20:01

platon hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:was verstehst Du in diesem Kontext unter 'hilfreich'?

Hilfreich zu erkennen, was Du eigentlich sagen willst. Du sonderst unentwegt Sprechblasen ab, ohne zu erkennen zu geben, was Du uns mitteilen willst.
Kannst Du Dich nicht verständlich ausdrücken? In gutem präzisem Deutsch?

meine Frage war: gibt es Naturgesetze, die wir erkennen können, oder konstruieren wir Beschreibungssysteme.

Das habe ich mit einem Beispiel zu verdeutlichen versucht. Wenn ich etwas unklar formuliert habe, frag einfach nach.
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon ujmp » Do 23. Apr 2009, 20:25

El Schwalmo hat geschrieben:meine Frage war: gibt es Naturgesetze, die wir erkennen können, oder konstruieren wir Beschreibungssysteme.


Nach Kant ist das dasselbe. "Kausalität" ist eine harwarebedingte Wahrnehmung (in Kants Terminologie apriori = gegeben bevor die Erfahrung losgeht). Deshalb hat er gesagt "Der Mensch zwingt der Natur seine Gesetze auf". Einstein hat auch so sinngemäß gesagt, ein Wissenschaftler erfindet die Gesetze. Oben wurde Irgendwo gesagt, das Kant von einem absoluten Raum überzeugt gewesen sei. Das ist nicht ganz richtig, er war nur davon überzeugt, dass die Vorstellungen von Raum, Zeit und Kausalität der Erfahrung vorausgehen müssen (viel verständlicher hat das Schopenhauer besprochen). Bevor man also fragt, ob es Naturgesetze gibt oder ob die Natur sich nicht relgellos verhält, also was Objekte machen, muss man erstmal über das "Subjekt", den Chip im Kopf nachdenken.

Was verbinden wir denn mit der Erwartung einer Gesetzmäßigkeit? Was würde es denn nützen, zu wissen, dass sich die Welt regellos verhält? Dass z.B. Die Gravitation nur ein unwahrscheinlich wahrscheinlicher Zufall ist? Und was ist "wahrscheinlich"?
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon smalonius » Fr 24. Apr 2009, 17:59

El Schwalmo hat geschrieben:Du verstehst meinen Punkt nicht. Es geht um die Frage, ob wir Regelmäßigkeiten der Natur beschreiben, also 'Gesetze' konstruieren, oder ob es die Gesetze 'gibt', und wir diese finden können.
Die Regelmäßigkeit ist stark genug, um auf dem Mars zu landen (falls die Jungs nicht gerade cm und inches verwechseln.)

Wir können Gesetze finden, aber nur mit eingeschränktem Gültigkeitsbereich.

El Schwalmo hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Ahhm. Lichtstrahlen sind eigentlich ziemlich gut, um das Universum auszumessen.

Ich scheine mich nicht klar ausgedrückt zu haben. Ich meinte, dass es sozusagen ein Gitternetz in der Natur 'gibt', relativ zu dem man dann die Position des Apfels bestimmen kann. Im Gegensatz zu den Koordinatensystemen, die wir konstruiert haben, wäre dieses gegeben. Das ist ein vollkommen anderer ontologischer Status.
Meine Aussage war ziemlich einsilbig, sorry.

Schick einen Radarstrahl zum Apfel, dann kennst du seine Position. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist in keiner Weise konstruiert. Deshalb kann man mit Licht hervorragend Längen messen. Willst du die Zeit messen, zähle Schwingungen eines Cäsium-Atoms. Nichts daran ist konstruiert, alles ist wiederholbar erfahrbar, und trotzdem kannst du ein Koordinatensystem damit aufspannen.


El Schwalmo hat geschrieben:Mathematik ist ein gutes Beispiel. Die ist nur konstruiert. Die spannende Frage ist die Interpretation der Kalküle. Dabei triffst Du exakt auf das Problem, das ich gerade mit den Naturgesetzen angesprochen habe.
Daß Mathematik konstruiert sei, hört man oft. Es ist die alte Frage, ob man Mathematik erfindet oder sie entdeckt. Du kannst dir inzwischen wohl denken, daß ich zu denen gehöre, die sagen, Mathematik wird entdeckt.

Man kann Mathematik nicht so konstruieren, wie man sie gerne hätte. Die Pythagoraer dachten, man könne alles als Verhältnis ganzer Zahlen darstellen. Sie hätten viel dafür gegeben, die Geometrie so zu konstruieren, daß eben dies herauskommt, aber es ging nicht. Das war ein ziemlicher Schock für sie. Der Legende nach wurde Hipasus, der Überbringer der schlechten Botschaft, auf Hoher See über Bord geworfen.

Europäer, Araber, Inder - alle kamen zu den gleichen mathematischen Schlussfolgerungen. Sogar Aliens würden zu den gleichen "Konstrukten" gelangen wie wir, oder? Ist das noch ein Konstrukt, oder ist es legitimes Abbild der Wirklichkeit?



El Schwalmo hat geschrieben:Sagt Dir 'Evolutionäre Erkenntnistheorie' etwas?
Nicht wirklich. Lass mich raten; das ist was mir dazu einfällt:

Der Mensch hat keinen Sinn für radioaktive Strahlung, weil es nicht überlebensnotwendig war. Gottseidank haben wir den Van-Allengürtel. 'Evolutionäre Erkenntnistheorie' würde dann behaupten, auf einem Planeten ohne Magnetfeld/Van-Allengürtel müßte sich Leben auf aquatische Regionen beschränken oder dieses Leben hätte einen Sinn für oder einen Schutz vor hochfrequenter Strahlung entwickelt.

'Evolutionäre Erkenntnistheorie' könnte auch heißen, wenn sich ein Olm in die Grotte verirrt, wird er ein Grottenolm und er verliert seinen Augensinn.

Kommt das hin?

Falls ich richtig liegen sollte, würde ich einwenden: als intelligentes Wesen ist man nicht mehr auf seine Sinne beschränkt. Wir haben keinen Sinn für Radioaktivität, aber wir haben Geigerzähler.

Egal wie beschränkt unsere Wahrnehmung ist, wir sind fähig jeden wirksamen Aspekt der Welt aufzuspüren. (Auf die Ausnahmen komme ich vielleicht noch mal zu sprechen. Post ist eh schon lang genug.)


El Schwalmo hat geschrieben:Beispielsweise der Begriff 'Teilchen'. Was entspricht dem, was Du unter 'Atom', 'Molekül' etc. verstehst, in der Wirklichkeit? Bist Du sicher, dass das trivial ist?
"Atom" ist erstmal eine Art Platzhalter für etwas, das man beobachten kann. Ich muß nicht wissen, was ein Atom 'in Wirklichkeit' ist, um Aussagen über das Verhalten von Atomen zu treffen, zum Beispiel daß sie sich durchmischen, wenn es die Situation "gebietet". (gleichschwere Flüssigkeiten, gleichschwere Gase, keine Abstoßung wie bei Öl und Wasser.)


El Schwalmo hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Allenfalls die Gattungsnamen, "Pan Troglodytes" und "Homo Sapiens", sind ein Konstrukt, um biologische Arten mit unscharfen Rändern voneinander abzugrenzen.

Schon die Tatsache, dass Du die Artbezeichner groß schreibst, scheint mir ein Indiz dafür zu sein, dass Du Dich mit dieser Thematik noch nicht intensiver befasst hast.
Wenn du meinst.

Ums mit stine zu sagen: Ich erkenne einen Affen, wenn ich ihn sehe. :mg:
Wollte man es genauer wissen, müßte man sich die Gene ansehen. Oder den Körperbau. Oder die geistigen Fähigkeiten.

El Schwalmo hat geschrieben:Es wäre interessant, ob Du der Erste wärst, dem das gelungen ist. Du würdest sehr berühmt werden. Aber, ganz unter uns, ich rechne fest damit, dass auch Du scheitern würdest.
In dem Punkt sind wir uns einig.


Es gibt gewisse Vorstellungen, die kann man nicht widerlegen. Die Welt könnte gerade eben vor 3 Sekunden entstanden sein, im gegenwärtigen Zustand, mit vergrabenen Dinos; wir mitten darin, mit allen unseren Erinnerungen. Völlig unwiderlegbar, weil es keinen Unterschied macht, den man bemerken könnte. Ist auch völlig unwichtig. Wichtig ist das die Welt eine erkennbare, regelmäßige Struktur zeigt. Egal ob solipsistisch halluzioniert oder "tatsächlich" erfahren.

Gödel hat was ähnliches für mathematische Sätze bewiesen, da erzähle ich dir wahrscheinlich nichts neues. Ich finde Gödels Theorem nicht besonders stark. Gödel baut einen Satz der sagt: "Dieser Satz kann nicht bewiesen werden." Dann beweist er, daß man den Satz nicht beweisen kann.

"Dieser Satz kann nicht bewiesen werden." - das ist eine sehr schwache Aussage.
"Parallelen schneiden sich, oder auch nicht." - das wäre eine starke Aussage, darauf kann man 2 verschiedene Geometrien aufbauen, je nach dem, ob man ihn als wahr oder falsch auslegt.

Kleiner Exkurs am Rande: eine der größten Eseleien in der Wissenschaftsgeschichte war fast 2000 Jahre zu brauchen um zu erkennen, daß die euklidische Geometrie nicht einzige ist - obwohl man auf einem Kugelplaneten um die Weltmeere segelte. Schnellmerker!



El Schwalmo hat geschrieben:Ich hoffe, dass Du nun nicht meinst, irgendwie originell zu sein. Mit diesem Argument wollte man schon im alten Griechenland Solipsisten widerlegen. Hat nicht geklappt.
Eigentlich meinte ich das schon. Mist. Ich dachte tatsächlich, mein Hammerbeispiel wäre meine ureigenste Idee.

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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon smalonius » Fr 24. Apr 2009, 18:16

platon hat geschrieben:Deinen Entgegnungen zu smalonius' Beiträgen hören sich an wie philosophisch gedrechseltes Geschwurbel.
Naja, in manchen Punkten, gebe ich El Schwalmo völlig recht, in anderen gebe ich ihm auch recht, aber bewerte die Dinge ganz anders und in manchen Dingen liegt er ziemlich falsch.

In jedem Fall kann ich seinen Beiträgen einen gewissen Gehalt nicht absprechen. Wie erfreulich, in diesen Tagen.
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon ujmp » Fr 24. Apr 2009, 19:28

smalonius hat geschrieben:Schick einen Radarstrahl zum Apfel, dann kennst du seine Position. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist in keiner Weise konstruiert. Deshalb kann man mit Licht hervorragend Längen messen. Willst du die Zeit messen, zähle Schwingungen eines Cäsium-Atoms. Nichts daran ist konstruiert, alles ist wiederholbar erfahrbar, und trotzdem kannst du ein Koordinatensystem damit aufspannen.?
...
Man kann Mathematik nicht so konstruieren, wie man sie gerne hätte. Die Pythagoraer dachten, man könne alles als Verhältnis ganzer Zahlen darstellen. Sie hätten viel dafür gegeben, die Geometrie so zu konstruieren, daß eben dies herauskommt, aber es ging nicht. Das war ein ziemlicher Schock für sie. Der Legende nach wurde Hipasus, der Überbringer der schlechten Botschaft, auf Hoher See über Bord geworfen.


Dass die Welt als Konstruktion zu betrachten ist, hat Schobenhauer m.E. mit unschlagbarer Klarheit in Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde dargelegt.

Es ist sicher zweckmäßig, die Welt materialistisch als das zu betrachten, was man "sieht", die Wissenschaft tut meist nichts anderes. Die Relativitätstheorie oder die Atomphysik zeigen aber, dass man offen bleiben muss für die Erkenntnis, dass man sich schwer irren kann. Für jedes Phänomen gibt es unzählige Erklärungen, es ist höchst wahrscheinlich, dass es stets eine bessere gibt. Die Konstrukte (Vorstellungen) haben sicher eine gewisse Zweckmäßigkeit - bis neue Fragen auftauchen. Zum Mars fliegen ist eine Sache, interessanter sind doch aber die Dinge, bei denen wir zur Zeit noch keine oder zuwenig Struktur erkennen können (z.B. Klima).
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Re: Der Kern des Naturalismus

Beitragvon El Schwalmo » Fr 24. Apr 2009, 21:38

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Du verstehst meinen Punkt nicht. Es geht um die Frage, ob wir Regelmäßigkeiten der Natur beschreiben, also 'Gesetze' konstruieren, oder ob es die Gesetze 'gibt', und wir diese finden können.

Die Regelmäßigkeit ist stark genug, um auf dem Mars zu landen (falls die Jungs nicht gerade cm und inches verwechseln.)

Wir können Gesetze finden, aber nur mit eingeschränktem Gültigkeitsbereich.

die Frage war konstruieren oder finden. Mit meinem Beispiel wollte ich das klar machen.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Ich scheine mich nicht klar ausgedrückt zu haben. Ich meinte, dass es sozusagen ein Gitternetz in der Natur 'gibt', relativ zu dem man dann die Position des Apfels bestimmen kann. Im Gegensatz zu den Koordinatensystemen, die wir konstruiert haben, wäre dieses gegeben. Das ist ein vollkommen anderer ontologischer Status.

Meine Aussage war ziemlich einsilbig, sorry.

Schick einen Radarstrahl zum Apfel, dann kennst du seine Position. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist in keiner Weise konstruiert. Deshalb kann man mit Licht hervorragend Längen messen. Willst du die Zeit messen, zähle Schwingungen eines Cäsium-Atoms. Nichts daran ist konstruiert, alles ist wiederholbar erfahrbar, und trotzdem kannst du ein Koordinatensystem damit aufspannen.

Noch ein Beispiel: Du fragst mich, wo der Berg ist. Ich zeige auf den Berg, und Du beschreibst meinen Finger.

Mein Punkt in dem Beispiel war, dass es ein in der Natur integriertes Koordinatensystem geben könnte, das wir noch gar nicht entdeckt haben. Die Position des Apfels relativ zu diesem System wäre ein gefundenes Naturgesetz. Selbstverständlich können wir die Position anders bestimmen. Aber das ist dann relativ zu einem Konstrukt. Das ist ein gewaltiger ontischer Unterschied, selbst wenn man den in der Praxis gar nicht bemerken würde. Ist in etwa der Unterschied zwischen 'stimmen' und 'passen'.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Mathematik ist ein gutes Beispiel. Die ist nur konstruiert. Die spannende Frage ist die Interpretation der Kalküle. Dabei triffst Du exakt auf das Problem, das ich gerade mit den Naturgesetzen angesprochen habe.

Daß Mathematik konstruiert sei, hört man oft. Es ist die alte Frage, ob man Mathematik erfindet oder sie entdeckt. Du kannst dir inzwischen wohl denken, daß ich zu denen gehöre, die sagen, Mathematik wird entdeckt.

Mathematik ist ein Konstrukt. Oder 'gibt' es Mathematik, wenn es keine Menschen mehr gibt?

smalonius hat geschrieben:Man kann Mathematik nicht so konstruieren, wie man sie gerne hätte.

Man legt sich durch die Axiome fest. Aber das ist nicht der Punkt. 'Da draußen' 'gibt' es keine Dreiecke. Die Frage ist, wie die Mathematik, die wir konstruieren, die Natur 'da draußen' repräsentiert. Wenn das eine Isomorphie wäre, könnten wir synthetische Urteile a priori aus der Mathematik ableiten. Das hat meines Wissens noch niemand geschafft.

smalonius hat geschrieben:Die Pythagoraer dachten, man könne alles als Verhältnis ganzer Zahlen darstellen. Sie hätten viel dafür gegeben, die Geometrie so zu konstruieren, daß eben dies herauskommt, aber es ging nicht. Das war ein ziemlicher Schock für sie. Der Legende nach wurde Hipasus, der Überbringer der schlechten Botschaft, auf Hoher See über Bord geworfen.

Europäer, Araber, Inder - alle kamen zu den gleichen mathematischen Schlussfolgerungen. Sogar Aliens würden zu den gleichen "Konstrukten" gelangen wie wir, oder? Ist das noch ein Konstrukt, oder ist es legitimes Abbild der Wirklichkeit?

Welche 'Wirklichkeit' bilden Zahlen ab?

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Sagt Dir 'Evolutionäre Erkenntnistheorie' etwas?

Nicht wirklich. Lass mich raten; das ist was mir dazu einfällt:

Der Mensch hat keinen Sinn für radioaktive Strahlung, weil es nicht überlebensnotwendig war. Gottseidank haben wir den Van-Allengürtel. 'Evolutionäre Erkenntnistheorie' würde dann behaupten, auf einem Planeten ohne Magnetfeld/Van-Allengürtel müßte sich Leben auf aquatische Regionen beschränken oder dieses Leben hätte einen Sinn für oder einen Schutz vor hochfrequenter Strahlung entwickelt.

'Evolutionäre Erkenntnistheorie' könnte auch heißen, wenn sich ein Olm in die Grotte verirrt, wird er ein Grottenolm und er verliert seinen Augensinn.

Kommt das hin?

Nicht wirklich. Zu sehr 'auf lustig gemacht', um in den Krümeln zu wühlen.

smalonius hat geschrieben:Falls ich richtig liegen sollte, würde ich einwenden: als intelligentes Wesen ist man nicht mehr auf seine Sinne beschränkt. Wir haben keinen Sinn für Radioaktivität, aber wir haben Geigerzähler.

Egal wie beschränkt unsere Wahrnehmung ist, wir sind fähig jeden wirksamen Aspekt der Welt aufzuspüren. (Auf die Ausnahmen komme ich vielleicht noch mal zu sprechen. Post ist eh schon lang genug.)

Das ist eine spannende Frag. Wenn Du mit Deiner Auffassung von Mathematik Recht hättest, müsste es uns auch gelingen, die nicht wirksamen Aspekte aufzuspüren.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Beispielsweise der Begriff 'Teilchen'. Was entspricht dem, was Du unter 'Atom', 'Molekül' etc. verstehst, in der Wirklichkeit? Bist Du sicher, dass das trivial ist?

"Atom" ist erstmal eine Art Platzhalter für etwas, das man beobachten kann. Ich muß nicht wissen, was ein Atom 'in Wirklichkeit' ist, um Aussagen über das Verhalten von Atomen zu treffen, zum Beispiel daß sie sich durchmischen, wenn es die Situation "gebietet". (gleichschwere Flüssigkeiten, gleichschwere Gase, keine Abstoßung wie bei Öl und Wasser.)

Ist Dir eigentlich klar, dass Du gerade in eigenen Worten das Problem formuliert hast, das ich Dir mit meinem Beispiel offenbar nicht vermitteln konnte?

El Schwalmo hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Schon die Tatsache, dass Du die Artbezeichner groß schreibst, scheint mir ein Indiz dafür zu sein, dass Du Dich mit dieser Thematik noch nicht intensiver befasst hast.

Wenn du meinst.

Ist eine Erfahrungstatsache. Ich kann Dir, wenn es Dir etwas bringt, ein paar Dutzend Artbegriffe benennen, die alle in der Primärliteratur verwendet werden. Wenn man sich ein wenig mit dieser Frage befasst, kriegt man auch mit, wie man Artnamen schreibt. Falls nicht, eher nicht.

smalonius hat geschrieben:Ums mit stine zu sagen: Ich erkenne einen Affen, wenn ich ihn sehe.

Hast Du schon mal überlegt, was ein 'diachroner Artbegriff' ist? Bist Du sicher, dass Du im Tier-Mensch-Übergangsfeld das, was Du gerade geschrieben hast, vertreten möchtest?

smalonius hat geschrieben:Wollte man es genauer wissen, müßte man sich die Gene ansehen. Oder den Körperbau. Oder die geistigen Fähigkeiten.

Und dann bist Du wieder bei der Frage: 'gibt' es Affen, oder konstruiere ich ein Konzept, mit dem ich die Wesen, die um mich herumlaufen, kategorisieren kann?

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Es wäre interessant, ob Du der Erste wärst, dem das gelungen ist. Du würdest sehr berühmt werden. Aber, ganz unter uns, ich rechne fest damit, dass auch Du scheitern würdest.

In dem Punkt sind wir uns einig.

Schön.

smalonius hat geschrieben:Es gibt gewisse Vorstellungen, die kann man nicht widerlegen. Die Welt könnte gerade eben vor 3 Sekunden entstanden sein, im gegenwärtigen Zustand, mit vergrabenen Dinos; wir mitten darin, mit allen unseren Erinnerungen. Völlig unwiderlegbar, weil es keinen Unterschied macht, den man bemerken könnte. Ist auch völlig unwichtig. Wichtig ist das die Welt eine erkennbare, regelmäßige Struktur zeigt. Egal ob solipsistisch halluzioniert oder "tatsächlich" erfahren.

Eben. Aber so langsam sollte Dir klar werden, auf welcher Ebene wir welche Fragen diskutieren.

smalonius hat geschrieben:Gödel hat was ähnliches für mathematische Sätze bewiesen, da erzähle ich dir wahrscheinlich nichts neues.

Nicht wirklich. Man hat mich Informatik studieren lassen.

smalonius hat geschrieben:Ich finde Gödels Theorem nicht besonders stark. Gödel baut einen Satz der sagt: "Dieser Satz kann nicht bewiesen werden." Dann beweist er, daß man den Satz nicht beweisen kann.

"Dieser Satz kann nicht bewiesen werden." - das ist eine sehr schwache Aussage.
"Parallelen schneiden sich, oder auch nicht." - das wäre eine starke Aussage, darauf kann man 2 verschiedene Geometrien aufbauen, je nach dem, ob man ihn als wahr oder falsch auslegt.

Und nun der zweite Anlauf: wie war das mit der Mathematik und 'der Welt' (AKA 'interpretierte Kalküle')?

smalonius hat geschrieben:Kleiner Exkurs am Rande: eine der größten Eseleien in der Wissenschaftsgeschichte war fast 2000 Jahre zu brauchen um zu erkennen, daß die euklidische Geometrie nicht einzige ist - obwohl man auf einem Kugelplaneten um die Weltmeere segelte. Schnellmerker!

Tja, so viel zum Thema: Welt und Mathematik.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Ich hoffe, dass Du nun nicht meinst, irgendwie originell zu sein. Mit diesem Argument wollte man schon im alten Griechenland Solipsisten widerlegen. Hat nicht geklappt.

Eigentlich meinte ich das schon. Mist. Ich dachte tatsächlich, mein Hammerbeispiel wäre meine ureigenste Idee.
Linky?

Sorry, nur irgendwo gelesen (vor gut 30 Jahren, in einem Buch von Fuchs, IIRC 'Eltern entdecken die neue Philosophie', war ein hübsches Bild eines Philosphen, der sich als Solipsist bezeichnete, und dem man auf den Kopf haute, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen, selbstverständlich wird der gute Mann nun behaupten, dass in seinem Geiste ein Typ aufgetaucht ist, der ihm auf den Kopf haute ...). Kann sein, dass man damit auf Gorgias anspielte.

Nur damit kein falscher Zungenschlag ins Spiel kommt: ich bin selbstverständlich hypothetischer Realist, Naturalist und was Menschen, die von der Denke her Naturwissenschaftler sind, üblicherweise vertreten. Aber ich kenne, weil ich mich seit gut 30 Jahren mit Evolutionsgegnern kabble, eben auch die Grenzen meines Weltbilds.

Diese Menschen haben einer erbärmliche 'positive Apologetik' (also Argumente für den eigenen Standpunkt). Aber die 'negative Apologetik' hat es in sich. Man lernt aus Büchern gegen Evolution viel mehr über Evolution als wenn man noch ein gutes Buch über Evolution liest. Beispielsweise, was wirklich gesichert ist und was nicht. So manche 'Ikone' verlor ihren Glanz, wenn man mal etwas genauer hinschaut. Und Menschen, die Gewissheit suchen, werden dann enttäuscht. Ich denke, dass es gar keine so schlechte Prophylaxe ist, Menschen darauf hinzuweisen, wie wenig wir Menschen eigentlich wissen können, und warum das gar nicht so schlimm ist. Die Religiösen haben noch weniger zu bieten.
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