smalonius hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Du verstehst meinen Punkt nicht. Es geht um die Frage, ob wir Regelmäßigkeiten der Natur beschreiben, also 'Gesetze' konstruieren, oder ob es die Gesetze 'gibt', und wir diese finden können.
Die Regelmäßigkeit ist stark genug, um auf dem Mars zu landen (falls die Jungs nicht gerade cm und inches verwechseln.)
Wir können Gesetze finden, aber nur mit eingeschränktem Gültigkeitsbereich.
die Frage war konstruieren oder finden. Mit meinem Beispiel wollte ich das klar machen.
smalonius hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Ich scheine mich nicht klar ausgedrückt zu haben. Ich meinte, dass es sozusagen ein Gitternetz in der Natur 'gibt', relativ zu dem man dann die Position des Apfels bestimmen kann. Im Gegensatz zu den Koordinatensystemen, die wir konstruiert haben, wäre dieses gegeben. Das ist ein vollkommen anderer ontologischer Status.
Meine Aussage war ziemlich einsilbig, sorry.
Schick einen Radarstrahl zum Apfel, dann kennst du seine Position. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist in keiner Weise konstruiert. Deshalb kann man mit Licht hervorragend Längen messen. Willst du die Zeit messen, zähle Schwingungen eines Cäsium-Atoms. Nichts daran ist konstruiert, alles ist wiederholbar erfahrbar, und trotzdem kannst du ein Koordinatensystem damit aufspannen.
Noch ein Beispiel: Du fragst mich, wo der Berg ist. Ich zeige auf den Berg, und Du beschreibst meinen Finger.
Mein Punkt in dem Beispiel war, dass es ein in der Natur integriertes Koordinatensystem geben
könnte, das wir noch gar nicht entdeckt haben. Die Position des Apfels relativ zu diesem System wäre ein
gefundenes Naturgesetz. Selbstverständlich können wir die Position anders bestimmen. Aber das ist dann relativ zu einem
Konstrukt. Das ist ein gewaltiger ontischer Unterschied, selbst wenn man den in der Praxis gar nicht bemerken würde. Ist in etwa der Unterschied zwischen 'stimmen' und 'passen'.
smalonius hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Mathematik ist ein gutes Beispiel. Die ist nur konstruiert. Die spannende Frage ist die Interpretation der Kalküle. Dabei triffst Du exakt auf das Problem, das ich gerade mit den Naturgesetzen angesprochen habe.
Daß Mathematik konstruiert sei, hört man oft. Es ist die alte Frage, ob man Mathematik erfindet oder sie entdeckt. Du kannst dir inzwischen wohl denken, daß ich zu denen gehöre, die sagen, Mathematik wird entdeckt.
Mathematik ist ein Konstrukt. Oder 'gibt' es Mathematik, wenn es keine Menschen mehr gibt?
smalonius hat geschrieben:Man kann Mathematik nicht so konstruieren, wie man sie gerne hätte.
Man legt sich durch die Axiome fest. Aber das ist nicht der Punkt. 'Da draußen' 'gibt' es keine Dreiecke. Die Frage ist, wie die Mathematik, die wir konstruieren, die Natur 'da draußen' repräsentiert. Wenn das eine Isomorphie wäre, könnten wir synthetische Urteile a priori aus der Mathematik ableiten. Das hat meines Wissens noch niemand geschafft.
smalonius hat geschrieben:Die Pythagoraer dachten, man könne alles als Verhältnis ganzer Zahlen darstellen. Sie hätten viel dafür gegeben, die Geometrie so zu konstruieren, daß eben dies herauskommt, aber es ging nicht. Das war ein ziemlicher Schock für sie. Der Legende nach wurde Hipasus, der Überbringer der schlechten Botschaft, auf Hoher See über Bord geworfen.
Europäer, Araber, Inder - alle kamen zu den gleichen mathematischen Schlussfolgerungen. Sogar Aliens würden zu den gleichen "Konstrukten" gelangen wie wir, oder? Ist das noch ein Konstrukt, oder ist es legitimes Abbild der Wirklichkeit?
Welche 'Wirklichkeit' bilden Zahlen ab?
smalonius hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Sagt Dir 'Evolutionäre Erkenntnistheorie' etwas?
Nicht wirklich. Lass mich raten; das ist was mir dazu einfällt:
Der Mensch hat keinen Sinn für radioaktive Strahlung, weil es nicht überlebensnotwendig war. Gottseidank haben wir den Van-Allengürtel. 'Evolutionäre Erkenntnistheorie' würde dann behaupten, auf einem Planeten ohne Magnetfeld/Van-Allengürtel müßte sich Leben auf aquatische Regionen beschränken oder dieses Leben hätte einen Sinn für oder einen Schutz vor hochfrequenter Strahlung entwickelt.
'Evolutionäre Erkenntnistheorie' könnte auch heißen, wenn sich ein Olm in die Grotte verirrt, wird er ein Grottenolm und er verliert seinen Augensinn.
Kommt das hin?
Nicht wirklich. Zu sehr 'auf lustig gemacht', um in den Krümeln zu wühlen.
smalonius hat geschrieben:Falls ich richtig liegen sollte, würde ich einwenden: als intelligentes Wesen ist man nicht mehr auf seine Sinne beschränkt. Wir haben keinen Sinn für Radioaktivität, aber wir haben Geigerzähler.
Egal wie beschränkt unsere Wahrnehmung ist, wir sind fähig jeden wirksamen Aspekt der Welt aufzuspüren. (Auf die Ausnahmen komme ich vielleicht noch mal zu sprechen. Post ist eh schon lang genug.)
Das ist eine spannende Frag. Wenn Du mit Deiner Auffassung von Mathematik Recht hättest, müsste es uns auch gelingen, die nicht wirksamen Aspekte aufzuspüren.
smalonius hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Beispielsweise der Begriff 'Teilchen'. Was entspricht dem, was Du unter 'Atom', 'Molekül' etc. verstehst, in der Wirklichkeit? Bist Du sicher, dass das trivial ist?
"Atom" ist erstmal eine Art Platzhalter für etwas, das man beobachten kann. Ich muß nicht wissen, was ein Atom 'in Wirklichkeit' ist, um Aussagen über das Verhalten von Atomen zu treffen, zum Beispiel daß sie sich durchmischen, wenn es die Situation "gebietet". (gleichschwere Flüssigkeiten, gleichschwere Gase, keine Abstoßung wie bei Öl und Wasser.)
Ist Dir eigentlich klar, dass Du gerade in eigenen Worten das Problem formuliert hast, das ich Dir mit meinem Beispiel offenbar nicht vermitteln konnte?
El Schwalmo hat geschrieben:smalonius hat geschrieben:Schon die Tatsache, dass Du die Artbezeichner groß schreibst, scheint mir ein Indiz dafür zu sein, dass Du Dich mit dieser Thematik noch nicht intensiver befasst hast.
Wenn du meinst.
Ist eine Erfahrungstatsache. Ich kann Dir, wenn es Dir etwas bringt, ein paar Dutzend Artbegriffe benennen, die alle in der Primärliteratur verwendet werden. Wenn man sich ein wenig mit dieser Frage befasst, kriegt man auch mit, wie man Artnamen schreibt. Falls nicht, eher nicht.
smalonius hat geschrieben:Ums mit stine zu sagen: Ich erkenne einen Affen, wenn ich ihn sehe.
Hast Du schon mal überlegt, was ein 'diachroner Artbegriff' ist? Bist Du sicher, dass Du im Tier-Mensch-Übergangsfeld das, was Du gerade geschrieben hast, vertreten möchtest?
smalonius hat geschrieben:Wollte man es genauer wissen, müßte man sich die Gene ansehen. Oder den Körperbau. Oder die geistigen Fähigkeiten.
Und dann bist Du wieder bei der Frage: 'gibt' es Affen, oder konstruiere ich ein Konzept, mit dem ich die Wesen, die um mich herumlaufen, kategorisieren kann?
smalonius hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Es wäre interessant, ob Du der Erste wärst, dem das gelungen ist. Du würdest sehr berühmt werden. Aber, ganz unter uns, ich rechne fest damit, dass auch Du scheitern würdest.
In dem Punkt sind wir uns einig.
Schön.
smalonius hat geschrieben:Es gibt gewisse Vorstellungen, die kann man nicht widerlegen. Die Welt könnte gerade eben vor 3 Sekunden entstanden sein, im gegenwärtigen Zustand, mit vergrabenen Dinos; wir mitten darin, mit allen unseren Erinnerungen. Völlig unwiderlegbar, weil es keinen Unterschied macht, den man bemerken könnte. Ist auch völlig unwichtig. Wichtig ist das die Welt eine erkennbare, regelmäßige Struktur zeigt. Egal ob solipsistisch halluzioniert oder "tatsächlich" erfahren.
Eben. Aber so langsam sollte Dir klar werden, auf welcher Ebene wir welche Fragen diskutieren.
smalonius hat geschrieben:Gödel hat was ähnliches für mathematische Sätze bewiesen, da erzähle ich dir wahrscheinlich nichts neues.
Nicht wirklich. Man hat mich Informatik studieren lassen.
smalonius hat geschrieben:Ich finde Gödels Theorem nicht besonders stark. Gödel baut einen Satz der sagt: "Dieser Satz kann nicht bewiesen werden." Dann beweist er, daß man den Satz nicht beweisen kann.
"Dieser Satz kann nicht bewiesen werden." - das ist eine sehr schwache Aussage.
"Parallelen schneiden sich, oder auch nicht." - das wäre eine starke Aussage, darauf kann man 2 verschiedene Geometrien aufbauen, je nach dem, ob man ihn als wahr oder falsch auslegt.
Und nun der zweite Anlauf: wie war das mit der Mathematik und 'der Welt' (AKA 'interpretierte Kalküle')?
smalonius hat geschrieben:Kleiner Exkurs am Rande: eine der größten Eseleien in der Wissenschaftsgeschichte war fast 2000 Jahre zu brauchen um zu erkennen, daß die euklidische Geometrie nicht einzige ist - obwohl man auf einem Kugelplaneten um die Weltmeere segelte. Schnellmerker!
Tja, so viel zum Thema: Welt und Mathematik.
smalonius hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Ich hoffe, dass Du nun nicht meinst, irgendwie originell zu sein. Mit diesem Argument wollte man schon im alten Griechenland Solipsisten widerlegen. Hat nicht geklappt.
Eigentlich meinte ich das schon. Mist. Ich dachte tatsächlich, mein Hammerbeispiel wäre meine ureigenste Idee.
Linky?
Sorry, nur irgendwo gelesen (vor gut 30 Jahren, in einem Buch von Fuchs, IIRC 'Eltern entdecken die neue Philosophie', war ein hübsches Bild eines Philosphen, der sich als Solipsist bezeichnete, und dem man auf den Kopf haute, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen, selbstverständlich wird der gute Mann nun behaupten, dass in seinem Geiste ein Typ aufgetaucht ist, der ihm auf den Kopf haute ...). Kann sein, dass man damit auf Gorgias anspielte.
Nur damit kein falscher Zungenschlag ins Spiel kommt: ich bin selbstverständlich hypothetischer Realist, Naturalist und was Menschen, die von der Denke her Naturwissenschaftler sind, üblicherweise vertreten. Aber ich kenne, weil ich mich seit gut 30 Jahren mit Evolutionsgegnern kabble, eben auch die Grenzen meines Weltbilds.
Diese Menschen haben einer erbärmliche 'positive Apologetik' (also Argumente für den eigenen Standpunkt). Aber die 'negative Apologetik' hat es in sich. Man lernt aus Büchern gegen Evolution viel mehr über Evolution als wenn man noch ein gutes Buch über Evolution liest. Beispielsweise, was wirklich gesichert ist und was nicht. So manche 'Ikone' verlor ihren Glanz, wenn man mal etwas genauer hinschaut. Und Menschen, die Gewissheit suchen, werden dann enttäuscht. Ich denke, dass es gar keine so schlechte Prophylaxe ist, Menschen darauf hinzuweisen, wie wenig wir Menschen eigentlich wissen können, und warum das gar nicht so schlimm ist. Die Religiösen haben noch weniger zu bieten.