Verbreitung von Weltbildern

Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon xander1 » So 5. Jul 2009, 18:54

Warum wollen oft manche Menschen ihr Weltbild in manchmal großem Maße verbreiten. Das schließt religiöse Weltbilder ein und auch alle Konstrukte, die einem die Sicht der Dinge erklären wollen.

Das betrifft nicht nur Ideologien und Religionen, sondern auch Ideen und Ideale und seltener auch Erkenntnisse und Einsichten. Und die Gedanken über den Naturalismus schließt das auch mit ein.

Das sind doch Kräfte die ständig gegeneinander wirken: Linke Ideologie gegen Rechte, obwohl es doch auch Überschneidungen gibt. Das ist doch anstrengend, muss man sich so etwas sinnlosem wirklich ausliefern?

Ich will mich nicht aufhetzen lassen gegen Religionen und mir Feinde machen, wo es nicht sein muss. Genauso will ich mich nicht aufhetzen lassen von Religionen gegen Atheisten. Man muss nachsichtig mit den Aufgehetzten umgehen.

Nicht nur Religionen breiten sich aus wie ein Virus, sondern Gedanken sind es, virales Marketing.
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon stine » So 5. Jul 2009, 20:22

Ist doch klar, wer von etwas überzeugt ist möchte, dass das andere auch nachvollziehen können und wenn es nur dazu dient die eigene Meinung zu bekräftigen.
Die härteste Arbeit einer Mutter ist das "schauen": "Mama schau mal!"
Was will das Kind damit? Es möchte Lob und die Gewissheit alles gut gemacht zu haben. Ich denke, dass sich dieses Schema bis ins hohe Alter mitschleppt, ausser man ist ein Eigenbrötler geworden, dem die Meinung der anderen egal geworden ist. Das gibt es allerdings sehr selten, auch wenn manche sich das nicht eingestehen wollen und von sich das Gegenteil behaupten.

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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon Kurt » So 5. Jul 2009, 22:18

xander1 hat geschrieben:Warum wollen oft manche Menschen ihr Weltbild in manchmal großem Maße verbreiten. Das schließt religiöse Weltbilder ein und auch alle Konstrukte, die einem die Sicht der Dinge erklären wollen.


Vielleicht wollen manche Menschen auch nur helfen? Was hiflt es, wenn ich zum richtigen Zeitpunkt auf das rettende UFO warte, aber meine ganzen Bekannten sind nicht da? Soviel Nächstenliebe hat doch jeder Mensch. Ich übrigens auch. Ich lache meine Mitmenschen herzlich aus, wenn sie sich wieder was von nem Quacksalber andrehen lassen wollen oder an Stellen Hilfe suchen, wo sie keine finden werden. So vertritt jeder sein Weltbild und hilft seinen Mitmenschen.
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mo 6. Jul 2009, 14:16

Ach, das ist doch ein alter Schinken... Sagen wir, es ist die wirkungsvollste Art des menschlichen Machtwillens. Überleg dir, inwiefern die unbekannten Dicher des Alten Testaments mehr Macht wirkten, als Hitler es je vermochte.
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon xander1 » Mo 6. Jul 2009, 15:46

Das erklärt noch lange nicht, warum die Menschen schließlich verblendet werden und Rechte und Linke sich auf der Straße eine Schlacht liefern, obwohl doch BEIDE das gleiche Ziel einer sozialen Politik haben. Und so gibts weniger soziale Politik, weil die Lager geteilt sind.

Naturalisten und Christen haben sicherlich auch manchmal ähnliche Ziele.

Dass jemand überzeugt ist reicht nicht aus virales Marketing zu erklären. Google hats geschafft mit viralem Marketing, aber viele Firmen scheitern daran, weil es doch nicht so einfach zu erklären ist, wie stine meint. Und @stine: Kinder verbreiten keine Ideologien. Deine Ausführungen kratzen an der Oberfläche.

@kurt: Die Vorstellung, dass man mit einem bestimmten Weltbild helfen kann bzw. eine Verbesserung erreicht halte ich für naiv. Überhaupt, dass Menschen mit einem anderen Weltbild geholfen ist ... wie soll das gehen?

@Jarl Gullkrølla

Auch wenn diese Frage für dich anscheinend banal ist, bin ich der Meinung, dass man dieses Thema ausbauen kann und weitere Fragen rund um das Thema stellen kann. Deine Interpretation der Machtausübung reiht sich übrigens auch nur ein, in die anderen Interpretationen deiner Vorredner. Insofern kann man damit auch nicht die Problematik abtun. Verbreiten einzeln Menschen den christlichen Glauben wegen der Macht? Also die Zeugen Jehovas vor der Tür meinten, dass man etwas Gutes weitergeben möchte, dass das der Grund sei. Ich glaube dass beides in diesem Fall eine untergeordnete Rolle ist.


Im Ganzen kann man zumindest sagen, dass die Motive der Einzelnen nicht alle gleich sind, sondern auch unterschiedlich sein können. So, 3 oder 4 Motive haben wir bisher zusammengetragen, kommt noch mehr?
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon stine » Mo 6. Jul 2009, 16:20

xander1 hat geschrieben:@stine: Kinder verbreiten keine Ideologien. Deine Ausführungen kratzen an der Oberfläche.
Nein, das tun Kinder nicht, jedenfalls selten.
Ich wollte damit nur andeuten, dass die Verbreitung eines Weltbildes damit zu tun, sich bestätigt zu wissen. Wer von etwas überzeugt ist, ist es noch mehr, wenn andere mitziehen. Ansonsten müsste er an seiner eigenen Ideologie zweifeln.

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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon xander1 » Mo 6. Jul 2009, 17:27

Naja mag sein, aber ich denke nicht, dass man Ideologien verbreitet damit man nicht falsch liegt, jedenfalls kaum ausschließlich.

Im Deutsch-Unterricht zur Abiturzeit lernte ich, dass es einen so genannten Autoritätsbeweis gibt, aber nicht eine Beweisform die von der Masse ausgeht. Insofern müssten Menschen mit Abitur nicht aus diesem Grund Ideologien verbreiten.
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mo 6. Jul 2009, 19:54

Von Motiven zu sprechen ist immer so eine Sache...
Es ist ein verdammt alter Glaube, dass der Wille die Ursache einer Handlung sei. Aber von diesem Glauben abzukommen, ist die Leistung der franz. Moralisten, inspiriert von Montaigne (seine Essays sind mehr als empfehlenswert!).

Deswegen, so finde ich, müssen wir uns jetzt absprechen: wollen wir von den geglaubten Motiven sprechen, oder von den wahren? Also soll es psychologisch richtig sein, oder eine Aufzählung von Mitteln, um sein Handeln aufzuputzen?

Die Handlungen nach Zwecken, sind jene, die am schwierisgten zu verstehen sind; schon deswegen, weil wir es gewohnt sind, daran zu glauben, dass es für jede Handlung einen erkennbaren Grund gibt.
Ja,aus welchem Grund predigt der Zeuge Jehovas? Glaubt ihr ihren Gründen? Wenn ihr Gott erlogen ist, weswegen sollte man dann ihren Gründen glauben? Welcher Trieb, welcher Instinkt steckt hinter ihrem Tun?
Alles, was wir von uns selber schon auf den ersten Blick von uns sagen - ist zuallererst meist eine Lüge. Der Geist ist flach und oberflächlich und zu sagen, dass Zeugen ihre Bibel vertreiben um jemanden etwas gutes zu tun: das sit vielleicht sehr verständlich und scheint auch vernünftig - das Problem ist nur, dass Handeln nichts vernünftiges ist, nicht bei Leuten, die noch nie auf die Moral hinter ihrer Moral geblickt haben und meinen, das Buch Gottes sei "die Wahrheit"; schon eineWahrheit anzunehmen ist unvernünftig!
Wenn man glaubt, Menschen handelten nach den Motiven, die sie angeben- ist man stets belogen. Die meisten Gründe werden meist nur hinzugelogen. Es erübrigt sich meistens, jemanden nach seinen gründen zu fragen.
"Weswegen demonstrierst du hier?" - "Ich will mehr soz. Gerechtigkeit!" - "Weswegen willst du mehr soz. Gerechtigkeit?" - "Weil es den Menschen besser gehen soll!" - "Wie geht es denn den Menschen besser?" - "Indem die Löhne angeglichen werden und die soz. Leistungen erhöht!" - "Weswegen geht es ihnen dadurch besser?" - "Weil sie dann mehr Geld haben um sich menschwürdig am Leben erhalten zu können!" - "Weswegen geht es Menschen dadurch besser?" - "Weil sie weniger leiden müssen!" - "Weswegen müssen sie deswegen weniger leiden?" - ... Ich hätte es eher auf den Punkt bringen sollen: hab jetzt keine Lust mehr.
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon xander1 » Mi 8. Jul 2009, 03:59

@Jarl Gullkrølla:

Es geht mir natürlich um die wahren Hintergründe, denen man sich vielleicht nicht mal bewusst ist, warum man Weltbilder verbreitet und missioniert.


Verbreitet sich der Gedanke des Naturalismuses etwa auch, weil man unbewusst Macht auf andere ausüben will? Warum wollen Menschen, dass andere auch Naturalisten werden?
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon El Schwalmo » Mi 8. Jul 2009, 06:16

xander1 hat geschrieben:Warum wollen Menschen, dass andere auch Naturalisten werden?

weil das die Weltanschauung ist, die dazu führen könnte, dass sich rationales Denken durchsetzt. Naturalismus bedeutet, dass man die Gründe für sein Tun offen legen muss, und zwar diskursiv. Schiedsrichter ist dabei nur die Vernunft.

Wenn ich beispielsweise frage: 'Soll ich Schweinefleisch essen?' wäre eine vernünftige Auffassung 'Warum nicht?'. Dann könnte man sich darauf einigen, dass man nichts essen sollte, das schädlich ist. Dann muss geklärt werden, ob Schweinefleisch irgendwelche negativen Eigenschaften hat. Falls nicht, kann man es bedenkenlos essen, auch wenn man sich noch Gedanken darüber machen kann, ob es überhaupt gerechtfertigt sein kann, Tiere für den menschlichen Genuss zu töten.

Sollte sich herausstellen, dass Schweinefleisch schädlich ist, sollte man es nicht essen.

Man kann dann natürlich noch fragen, warum man das nicht tun sollte, und sich darauf einigen, dass jeder selbst zu entscheiden hat, ob er sich schädigt. Man kann eventuell noch einen Schritt weiter gehen und fragen, ob es praktikabel ist, Menschen, die sich selber schädigen, beispielsweise von der Krankenversicherung auszunehmen. Dann kann man natürlich einwenden, dass jemand, der sich so schädigt, dass er nach kurzer schwerer Krankheit mit 50 stirbt, wesentlich weniger kostet als jemand, der mit 90 sanft entschläft, aber die letzten 30 Jahre seines Lebens wesentlich mehr für Medikamente aufwenden muss, als er jemals an Krankenkassenbeiträgen bezahlt hat. Das waren jetzt nur ein paar grobe Linien, um zu zeigen, wie man als Naturalist über solche Fragen diskutiert.

Wenn aber jemand sagt 'Der Genuss von Schweinefleisch ist durch Gott verboten' hört jede Diskussion gleich auf. Und genau das ist das Problem nicht-naturalistischer Auffassungen. Man tut so, als hätte man Begründungen, obwohl man gar keine hat. Welchen Sinn macht es, ein Tun oder Lassen auf einen Gott zu gründen, für dessen Existenz man keine Gründe angeben kann?
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon xander1 » Mi 8. Jul 2009, 06:37

Gut Gut, dann stellt sich natürlich auch die Frage, warum jemand Naturalist werden möchte. Ich meine es hat nicht unbedingt Vorteile, sein Handeln offen zu legen. Schließlich gibt es die Religionen, in denen es die Motivation gibt genau das nicht zu tun. Damit kann man wohl kaum Menschen locken Naturalist zu werden.
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon stine » Mi 8. Jul 2009, 06:41

El Schwalmo hat geschrieben:Man kann dann natürlich noch fragen, warum man das nicht tun sollte, und sich darauf einigen, dass jeder selbst zu entscheiden hat, ob er sich schädigt. Man kann eventuell noch einen Schritt weiter gehen und fragen, ob es praktikabel ist, Menschen, die sich selber schädigen, beispielsweise von der Krankenversicherung auszunehmen. Dann kann man natürlich einwenden...

Wenn aber jemand sagt 'Der Genuss von Schweinefleisch ist durch Gott verboten' hört jede Diskussion gleich auf.

Du hast völlig recht, El Schwalmo. Du vergisst dabei nur, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft und Möglichkeiten nicht alle gleich gebildet und diskussionsfähig waren und zum Teil auch heute noch sind. In der Menschenheit der frühen Jahre als Kindheit betrachtet, waren strikte Vorgaben gebildeter Leute durchaus berechtigt.
Aus diesem Grund sind wahrscheinlich auch die Bibel, der Koran uä Schriftwerke entstanden: Es waren Verhaltensvorgaben der Schriftgelehrten.

Dass es heutzutage viele duskussionsfreudige Zweifler gibt hat seine Berechtigung, aber man darf dabei nicht übersehen, dass die Überlebensstrategien unserer Vorväter letztlich doch funktioniert haben, oder nicht?
Die Verbreitung von Weltbildern als Überlebensstrategie, sozusagen.

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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon xander1 » Mi 8. Jul 2009, 06:46

stine hat geschrieben:Die Verbreitung von Weltbildern als Überlebensstrategie, sozusagen.

Was zu beweisen wäre. Ich kann mir das nicht vorstellen.
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mi 8. Jul 2009, 19:20

Den Worten Stines zustimmend kann man Nietzsches gesamtes Werk der Morgenröte anführen. Ich gebe nur einmal EIN Beispiel - obowhlm, es gibt in der Fröhlichen wissenschaft noch ein viel besseres: Das noch vorab gesagt: brightes Denken, wie es meistens der fall ist, ist keineswegs Ausnahmedenken. Es geht hie mehr um die Aussage Atines, als um die ach-wie-kluge naturalistische Weltsicht (entschuldigt die herablassende Gehässigkeit), die eine Allerweltssicht ist und ein riesiges, auf metaphysik sich unbewusst gründendes Vorurteil über den Menschen.

Die grösste Gefahr. - Hätte es nicht allezeit eine Ueberzahl von Menschen gegeben, welche die Zucht ihres Kopfes - ihre "Vernünftigkeit" - als ihren Stolz, ihre Verpflichtung, ihre Tugend fühlten, welche durch alles Phantasiren und Ausschweifen des Denkens beleidigt oder beschämt wurden, als die Freunde "des gesunden Menschenverstandes": so wäre die Menschheit längst zu Grunde gegangen! Ueber ihr schwebte und schwebt fortwährend als ihre grösste Gefahr der ausbrechende Irrsinn - das heisst eben das Ausbrechen des Beliebens im Empfinden, Sehen und Hören, der Genuss in der Zuchtlosigkeit des Kopfes, die Freude am Menschen-Unverstande. Nicht die Wahrheit und Gewissheit ist der Gegensatz der Welt des Irrsinnigen, sondern die Allgemeinheit und Allverbindlichkeit eines Glaubens, kurz das Nicht-Beliebige im Urtheilen. Und die grösste Arbeit der Menschen bisher war die, über sehr viele Dinge mit einander übereinzustimmen und sich ein Gesetz der Uebereinstimmung aufzulegen - gleichgültig, ob diese Dinge wahr oder falsch sind. Diess ist die Zucht des Kopfes, welche die Menschheit erhalten hat; - aber die Gegentriebe sind immer noch so mächtig, dass man im Grunde von der Zukunft der Menschheit mit wenig Vertrauen reden darf. Fortwährend schiebt und verschiebt sich noch das Bild der Dinge, und vielleicht von jetzt ab mehr und schneller als je; fortwährend sträuben sich gerade die ausgesuchtesten Geister gegen jene Allverbindlichkeit - die Erforscher der Wahrheit voran! Fortwährend erzeugt jener Glaube als Allerweltsglaube einen Ekel und eine neue Lüsternheit bei feineren Köpfen: und schon das langsame Tempo, welches er für alle geistigen Processe verlangt, jene Nachahmung der Schildkröte, welche hier als die Norm anerkannt wird, macht Künstler und Dichter zu Ueberläufern: - diese ungeduldigen Geister sind es, in denen eine förmliche Lust am Irrsinn ausbricht, weil der Irrsinn ein so fröhliches Tempo hat! Es bedarf also der tugendhaften Intellecte, - ach! ich will das unzweideutigste Wort gebrauchen - es bedarf der tugendhaften Dummheit, es bedarf unerschütterlicher Tactschläger des langsamen Geistes, damit die Gläubigen des grossen Gesammtglaubens bei einander bleiben und ihren Tanz weitertanzen: es ist eine Nothdurft ersten Ranges, welche hier gebietet und fordert. Wir Andern sind die Ausnahme und die Gefahr,- wir bedürfen ewig der Vertheidigung! - Nun, es lässt sich wirklich etwas zu Gunsten der Ausnahme sagen, vorausgesetzt, dass sie nie Regel werden will.
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon xander1 » Mi 8. Jul 2009, 20:31

Damit macht sich Nietzsche ja fast selber schlecht. Außerdem erscheint mir der Text nicht vollständig schlüssig, auch wenn er von Nietzsche stammt. Ich muss gestehen, dass mich das Ganze verwirrt.

Also das was die Menschheit am Leben erhalten hat, ist dass es einen Grundkonsens gab, ob er wahr oder falsch ist, über die Sitten etc. OK, das ist schlüssig. Benötigen wir heutzutage nicht auch so einen Grundkonsens? Gibt es so etwas nicht schon längst? Naja weiterhin pflanzen sich Monotheisten auch mehr fort als Atheisten. Insofern kann das schon stimmen. Um ehrlich zu sein, kann ich mich zu keinem Weltbild zuordnen, weil mir im Grunde genommen viel zu viel egal ist, als dass ich sagen könnte: Das ist es.

Also ist es insofern nachteilhaft kein Monotheist zu sein? Ich streube mich total dagegen zu behaupten an diesen ganzen Theistischen Kram zu glauben. Ich könnte das nicht und jetzt stellt sich heraus, dass das eine Schwäche ist.

Die Rationalen sind also für das nicht Zugrunde gehen da und die Irrationalen für die Zucht und Erhaltung der Art. Beide richten sich gegenseitig zu Grunde und Helfen sich indirekt oder so. Wird man vom Nietzsche lesen, wenn man das andauernd macht, nicht bescheuert?
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mi 8. Jul 2009, 22:26

Ne, der treibt einem die Flausen aus dem Kopf; ich kenne wenige bessere Erzieher! Mit sartre treibt man sich vielleicht leichter neue FLause in den Kopf... Hartmann, ja, der ist auch gut zum Flausenentfernen. Aber sonst Nietzsche. er ist nicht widersprüchlich, sondern er macht eben dass, was Philosophen eben tun sollten: nicht nur von einer Ecker aus in die Welt schauen! Das sit verlorengegangen im letzten Jahrhundert: die Phänomenologen, dieser vollkommen befangene Haabermaß... und dann diese peudo-denker, die die ganz zeit ihr maul so groß aufreißen! die Politiker und politischen Denker, die Soziologen! die mit ihren kleinen Reförmchen, wie dieser Mersch! Das ist keine Denkerei - das ist... Scharlatanerie! Aber darum soll es ja nicht gehen...

Also: mit den Göttern im engen Sinne hat es hier wenig zu tun. Denk dir doch einfach mal, welche Sachen du gut findest: unegoistische Handlungen vielleicht, oder dieser und jede Kleinkram, den man im Alltag machen kann; Menschenrechte vielleicht, ein wenig Individualität und ein wenig Freiheit; soviel Freiheit um sich frei zu nennen, aber nicht soviel ,dass man sich fürchten müsste... keine ahnung, was das sein kann.
Um die Schätzungen geht es. Um diese Befangenheit geht es - die moralische! Und die Dimension des Moralischen ist riesig beim Menschen!
Gott ja, gott nicht - das lass beiseite, die wissenschaft steht längst nicht genug auf eigenem boden um so dekretieren zu dürfen und sich so gegen den gottesbegriff wehren zu können; auch wenn es ein merkwürdiger metaphysische glaube ist, auf dem die Wissenschaft beruht.

Obwir den Grundkonsens b e n ö t i g e n ... das ist eine moralische Frage. Wozu? Damit die Gesellschaft funktioniert. Wozu soll die Gesellschaft funktionieren? damit es dem einzelen besser geht. Aber wie solll es dem einzelnen besser gehen, wenn er sich dem Konsens unterordnet? Der pöbel ist ängstlich. - Aber ich bin es nicht! Ich will woanders hin mit der Menschheit! ich sehe ein anderes Ziel für sie!... natürlich man kann bequem leben wollen, wenig leiden wollen. Trotzdem wird das wozu vernachlässigt. gottverdammt, wozu?! Möglichst lange erhaltung der menshclichen Spezies. Wozu? damit... ja, eigentlich kann nach mir auch die Sintflu kommen. "om hundrede aar vi alt bli glemt" die sonne explodiert, jede spur ist venrichtet - weswegen ncihauf kosten der folgenden generationen leben? weswegen nicht opfern, um eine einziges, besseres menschenleben zu erschaffen? das wäre ein anderes Ziel. was spricht dafür, was dagegen? Geschmack, der Geschmack...

So, das war ein kleiner Exkurs in nietzscheanisch beeinflusstes Denken. Kann man ja mal versuchen - in seinem Denken kein Ziel verfolgen, sondern schließen, wieder zurückkerhen, neu schließen und die schlüsse vergleichen, antreten lassen, Krieg, Schlachten, Irrsinn, Erkenntnis, Freiheit...
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon Nanna » Mi 8. Jul 2009, 23:31

xander1 hat geschrieben:Gut Gut, dann stellt sich natürlich auch die Frage, warum jemand Naturalist werden möchte. Ich meine es hat nicht unbedingt Vorteile, sein Handeln offen zu legen. Schließlich gibt es die Religionen, in denen es die Motivation gibt genau das nicht zu tun. Damit kann man wohl kaum Menschen locken Naturalist zu werden.


Ist das nicht das alte Problem des Konflikts zwischen kollektivem Nutzen und individuellem Nutzen?
Das Offenlegen des Handelns der Individuen hat natürlich für das Kollektiv und damit auch wieder für alle Individuen (eine Art "Fahrstuhleffekt") Vorteile, da es Vertrauen schafft und dadurch die Kooperation erleichtert. Und selbst Konkurrenzsysteme profitieren davon, zumindest behauptet das z.B. die Schule des Realismus in den Internationalen Beziehungen (sie geht davon aus, dass sich die Staaten dann außenpolitisch am rationalsten verhalten, wenn alle ihre Ziele offenlegen und egoistisch verfolgen, da dann alle gegenseitig die höchste Berechenbarkeit haben, woraus Stabilität für das System als Ganzes folgt; die Theorie ist in dieser sehr einfachen Form allerdings überholt, nur um das gleich dazu zu sagen).
Wir kennen natürlich aus vielen Situationen, auch und gerade aus dem Alltag, dass man als Individuum auf Kosten des Kollektivs Vorteile erreichen kann, allerdings nur solange, wie sich möglichst viele andere an die Regeln halten; Stichwort Gefangenendilemma. Beispiele wären Vordrängeln im Straßenverkehr oder in einem ganz anderen Zusammenhang die gegenseitige Blockade beim globalen CO2-Einsparen, weil jeder Staat darauf spekuliert, dass alle anderen das schon machen und er sich mit durchmogeln kann.
Am Ende stellt sich wohl meist ein Gleichgewicht ein, weil auf der einen Seite genug Besonnene (oder Deppen, je nach Sichtweise) die Regeln einhalten und Fehlverhalten sanktionieren oder auch einfach zu faul sind sich immer vorzudrängeln und auf der anderen Seite ungefähr so viele Leute gegen die Regeln verstoßen, dass es sich gerade noch rentiert. Die Argumentation von Nietsche scheint ja auch in diese Richtung abzuzielen, was das Gleichgewicht von "Irrsinnigen" und "Deckeldraufhaltern" angeht, wenn ich es jetzt mal so plakativ runterbrechen darf.

Für die Menschheit folgt daraus vermutlich, dass es soetwas wie die totale Herrschaft eines Denkweise nie geben wird, solange die perfekte Überwachung technisch nicht machbar ist. Deshalb wird auch Religion wohl nicht verschwinden, weil immer genügend Leute darin eine Systemalternative sehen werden und zwar auch, wenn es sogar nur darum geht, sich durch Dagegensein irgendwie vom Mainstream abzuheben, was schon für sich die Basis eines evolutionären Vorteils ist. Meines beschränkten Wissens nach - jeder darf mich gerne korrigieren/kritisieren - ist in der Spieltheorie die psychologisch praktikabelste Möglichkeit, das Gefangenendilemma aufzulösen, ein langsames Aufeinanderzubewegen mit immer größeren gegenseitigen Zugeständnissen in jeder neuen "Spielrunde", so dass Vertrauen aufgebaut wird und jeder spüren kann, dass er von der Kooperation tatsächlich langfristig stärker profitiert als vom Egoismus - oder eben nicht, dann geht das ganze rückwärts.

Insofern ist bei der Verbreitung des naturalistischen Weltbildes wohl Geduld und Hartnäckigkeit vonnöten, sofern man auch humanistisch denkt und keine Diktatur errichten will. Im Wahlkampf z.B. ist eine Botschaft erst dann beim Volk wirklich angekommen, wenn sie bei den Journalisten schon lange Brechreiz auslöst. Steter Tropfen höhlt halt den Stein. Im Zweifel ist es wohl auch die Form der Vermittlung bzw. die tatsächliche oder erfolgreich vorgetäuschte Verbindung zu einem für die Menschen relevanten Thema, die ausschlaggebend ist, siehe das Zauberwort "change" im letzten US-Wahlkampf.
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon xander1 » Do 9. Jul 2009, 11:17

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Ne, der treibt einem die Flausen aus dem Kopf; ich kenne wenige bessere Erzieher!

Ich meinte dass man blöde wird durch den Stil von Nietzsche, die ganzen Verschachtelungen, und woher man immer wieder den Kontext nehmen muss, damit alles einen Sinn ergibt. Er wertet andauernd in seinem Denken und das beeindruckt mich nicht. Er will sich ständig beim Leser profilieren und ist herablassend, was unnötig ist. Und du, hinterfragst du nicht Nietzsche und denkst dass alles richtig ist was er schreibt und denkt?

Du bist herablassend gegenüber Mersch und begründest das nicht einmal. Wenn jemand schon herablassend ist, dann muss er das auch sehr gut begründen können, und verstehbar, ansonsten steht man im Verdacht sich einfach wieder mal nur profilieren zu müssen, wozu es nötig erscheint andere schlecht zu machen. Diese Art der Moral eckt bei mir an. Das ist unschön. Deine Gesprächstaktik ist ähnlich wie die von Nietzsche, so wie ich bemerke.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Der pöbel ist ängstlich. - Aber ich bin es nicht!

Wieder so eine Behauptung, und herablassend noch dazu, wie Nietzsche. Wir haben heutzutage mehr Gleichheit als zu Nietzsches Zeiten und auch ein anderes Moralverständnis von Gleichheit. Was hast du davon Menschen den Status zu beschmutzen, die sowieso schon einen niedrigen haben? Ist das überhaupt emotional intelligent so zu handeln bzw. zu schreiben?

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Ich will woanders hin mit der Menschheit! ich sehe ein anderes Ziel für sie!...

Ich das nicht größenwahnsinnig, wenn man mit der Menschheit woanders hin will? Sollte man sich nicht aufs Brötchen verdienen, Familie und Kind konzentrieren, anstelle mit großen Worten durch die Gegend zu rennen und die Menschheit ändern zu wollen? Kommt mir irgendwie krank vor.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Möglichst lange erhaltung der menshclichen Spezies.

Also du willst jetzt an dem großen Generationenraumschiff bauen? Oder was sucht dieser Satz herausgelöst aus jedem Zusammenhang hier? Ergeben diese anmaßenden Gedanken irgendeinen Sinn?

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:So, das war ein kleiner Exkurs in nietzscheanisch beeinflusstes Denken.

Zum Glück habe ich mich dann doch entschieden Nietzsche Texte nicht mehr zu lesen und kein Fan mehr von ihm zu sein, wenn so etwas dabei heraus kommt.
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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon stine » Do 9. Jul 2009, 14:19

Ich finde nicht, dass man Denkansätze, egal aus welcher Richtung sie kommen verurteilen soll.
Ob nun jackle oder Jarl sich auf Mersch oder Nietzsche beziehen - es ist das eine so wie das andere nur ein Anreiz zum Weiterdenken.
xander1 hat geschrieben:
Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Der pöbel ist ängstlich. - Aber ich bin es nicht!
Wieder so eine Behauptung, und herablassend noch dazu, wie Nietzsche. Wir haben heutzutage mehr Gleichheit als zu Nietzsches Zeiten und auch ein anderes Moralverständnis von Gleichheit. Was hast du davon Menschen den Status zu beschmutzen, die sowieso schon einen niedrigen haben? Ist das überhaupt emotional intelligent so zu handeln bzw. zu schreiben?
Dass sich mittelständische oder besserbetuchte Intelligenzler nicht mehr der Vermehrung entziehen und dafür an sie hohe Prämien bezahlt werden sollten, die der Pöbel nicht braucht, weil er sich ja bereits ungefragt vermehrt, das ist übrigens eine Aussage von jackle/Mersch. Wo läge in der Herblassung der Unterschied zu Nietzsche?
Also das fand ich genauso daneben.

Nanna hat geschrieben:Insofern ist bei der Verbreitung des naturalistischen Weltbildes wohl Geduld und Hartnäckigkeit vonnöten, sofern man auch humanistisch denkt und keine Diktatur errichten will.
Nanna hat geschrieben:Für die Menschheit folgt daraus vermutlich, dass es soetwas wie die totale Herrschaft eines Denkweise nie geben wird, solange die perfekte Überwachung technisch nicht machbar ist. Deshalb wird auch Religion wohl nicht verschwinden, weil immer genügend Leute darin eine Systemalternative sehen werden und zwar auch, wenn es sogar nur darum geht, sich durch Dagegensein irgendwie vom Mainstream abzuheben, was schon für sich die Basis eines evolutionären Vorteils ist.
Genau an diesen beiden Punkten reibt sich doch die gesamte Gesellschaft: Warum muss jeder gleich denken?
Naturalisten glauben, das gelbe vom Ei gefunden zu haben, weil sie von Gläubigen keinen Gottesbeweis bekommen können.
Gläubige Ihrerseits erkennen, was mental auf sie durch den Glauben wirkt. Weshalb es ihnen nehmen und sie vom naturalistischen Sein überzeugen wollen?
Wenn wir es schaffen, Religionen in friedliche Bahnen zu lenken und ihre Auslegung in humanistischer Weise betreiben, ist gegen sie nichts einzuwenden.

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Re: Verbreitung von Weltbildern

Beitragvon Nanna » Do 9. Jul 2009, 15:37

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Insofern ist bei der Verbreitung des naturalistischen Weltbildes wohl Geduld und Hartnäckigkeit vonnöten, sofern man auch humanistisch denkt und keine Diktatur errichten will.
Nanna hat geschrieben:Für die Menschheit folgt daraus vermutlich, dass es soetwas wie die totale Herrschaft eines Denkweise nie geben wird, solange die perfekte Überwachung technisch nicht machbar ist. Deshalb wird auch Religion wohl nicht verschwinden, weil immer genügend Leute darin eine Systemalternative sehen werden und zwar auch, wenn es sogar nur darum geht, sich durch Dagegensein irgendwie vom Mainstream abzuheben, was schon für sich die Basis eines evolutionären Vorteils ist.
Genau an diesen beiden Punkten reibt sich doch die gesamte Gesellschaft: Warum muss jeder gleich denken?
Naturalisten glauben, das gelbe vom Ei gefunden zu haben, weil sie von Gläubigen keinen Gottesbeweis bekommen können.
Gläubige Ihrerseits erkennen, was mental auf sie durch den Glauben wirkt. Weshalb es ihnen nehmen und sie vom naturalistischen Sein überzeugen wollen?
Wenn wir es schaffen, Religionen in friedliche Bahnen zu lenken und ihre Auslegung in humanistischer Weise betreiben, ist gegen sie nichts einzuwenden.
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Wenn ich dich richtig verstehe, plädierst du aber eigentlich dann doch zumindest für eine gelenkte oder eingehegte Ausbildung und Verbreitung von Weltbildern. Da bin ich durchaus einverstanden
Allerdings darf man nicht verschweigen, dass eine liberale Gesellschaft immer ein grundlegendes Problem hat:
Liberale Gesellschaften funktionieren nur so lange (gut), wie sich der staats- bzw. gesellschaftstragende Bevölkerungsanteil an bestimmte liberale Tugenden hält (ähnlich im Kapitalismus, Stichwort Unternehmerehre). Was aber, wenn dogmatische Strömungen zwar die sich daraus ergebende Freiheit für sich in Anspruch nehmen wollen, aber nicht die Freiheit des anderen auf sein eigenes Weltbild akzeptieren wollen? Wenn diese Gruppen stark genug sind, bestimmen sie, welche Weltbilder weiterverbreitet werden dürfen.
Problematisch ist daran, dass man deshalb erst überhaupt gezwungen wird, diese dogmatischen Strömungen zu bekämpfen, was man ursprünglich gar nicht im Sinne hatte ("Keine Toleranz der Intoleranz") und dass es generell überhaupt jemanden geben muss, der entscheidet, welche Strömungen der humanistischen Leitkultur ausreichend folgen. Wie also sichert man gleichzeitig die freie Weiterverbreitung von Weltbildern, siebt aber (etwas widersprüchlicherweise) die zu absurden dabei aus, ohne, dass eine zensorische Diktatur entsteht?
Und, besonders wichtig: Wie soll mit Kindern umgegangen werden? Denn da sind wir wieder bei unserem Anfangsthema: Kinder sind bei der Weitervererbung von Weltbildern am anfälligsten. Es ist ja auch unser menschlicher Vorteil, dass wir so unfertig auf die Welt kommen und uns eine für unsere jeweilige Lebenssituation, in die wir hineingeboren werden, passende Software zurechtschneidern. Allerdings muss, wenn man sich gegen den Zwang zum "gleich denken" ausspricht, jedes Kind in erster Linie als Individuum und nicht als Eigentum seiner Eltern gesehen werden, daher kann diesen kein theoretisches Recht eingeräumt werden, auf ihre Kinder einen dogmatischen weltanschaulichen Einfluss auszuüben, praktisch ist es jedoch kaum zu unterbinden. Ganz besonders gilt das für religiöse Eltern, deren Glaube u.U. auch die religiöse Erziehung der Kinder verlangt.

Vielleicht kann man das Problem lösen, indem man überlegt, was "gleich denken" eigentlich bedeutet. Heißt "gleich", dass wir dieselben Inhalte denken oder dass wir auf dieselbe Weise denken? Kritisches Denken ist nämlich eher eine Denkweise und kein Denkinhalt. Ich würde dafür plädieren zu sagen, dass jeder Mensch nach Möglichkeit kritisch denken soll (sapere aude), dass es aber jedem frei steht, dabei zu seinem eigenen Ergebnis zu kommen und das auch argumentativ zu vertreten. Von der methodischen Art und Weise sollen die Menschen meiner Meinung nach also schon gleich oder zumindest ähnlich denken. Ist es aber generell möglich, dogmatische Weltbilder mit kritischem Denken zu verbinden? Ich erinnere an Dawkins Vorwurf: Wer an eine Absurdität glaubt, glaubt auch viel leichter an eine andere. Kann Religion überhaupt ohne Dogmatik und Kindesindoktrination überleben? Und wenn die Antwort nein sein sollte, bleibt dann zum heftigsten Werben für Naturalismus und aufklärerisches Denken überhaupt eine Alternative?

Zwei andere Fragen in dem Zusammenhang wären außerdem: Ist es realistisch, dass sich alle Religionen in humanistischer Weise auslegen lassen? Wie wird mit Fundamentalisten umgegangen und wie können diese effektiv von den Mainstreamreligiösen getrennt werden und für diese eben nicht als besonders religiöse Vorbilder gelten?


edit: Ach ja, ganz vergessen: Warum soll man Gläubigen das nehmen, das der Glaube mental mit ihnen (Gutes) macht?
Meine Antwort: Soll man gar nicht. Aber es wäre, vielleicht im Rahmen eines anderen Threads, zu überlegen, ob Religiosität und Spiritualität dasselbe sind und ob viele der Gefühle, die die Menschen mit ihrem Glauben verbinden, wie Geborgenheit, Trost, Erfüllung u.ä. wirklich von Religion abhängig sind. Vielleicht muss sich erst eine diesseitige spirituelle Bewegung etablieren, um das Alleinstellungsmerkmal der Religion auf diesem Gebiet weit genug geschwächt zu haben, dass auch sehr emotionale Menschen sich dem Naturalismus zuwenden können. Weltbilder verbreiten sich eben nicht unbedingt primär über die Ratio, weshalb ich es auch unsinnig finde, dass der Naturalismus immer nur mit hochrationalen Methoden beworben wird. Das ist einfach eine Verfehlung der Zielgruppe.
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