Hedonismus

Re: Hedonismus

Beitragvon Dissidenkt » Mo 2. Aug 2010, 14:08

ujmp hat geschrieben:Wir werden wohl nicht darum herumkommen, dem Leben etwas zuzuschreiben, was man nicht so einfach mit Begriffen der Physik beschreiben kann: Willen. Die Neigung aktiv die eigene Situation zu verändern.


Der "Wille" ist Schopenhauers philosophische Interpretation des Phänomens Leben. Seine philosophischen Betrachtungen entstanden interessanterweise vor Darwins biologisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Entstehung der Arten und weit vor den heutigen Erkenntnissen der Hirnforschung. Dennoch muss man an Schopenhauers schönem Weltbild keine Abstriche machen. Ich finde ihn immer wieder grandios bestätigt - auch physikalisch! Denn den "Willen" kann ich auch physikalisch beschreiben!
Und zwar schlicht und einfach mit dem Prinzip von Anziehung und Abstoßung, das wir bis auf die Ebene der Elementarteilchen zurückführen können.

Philosophisch interpretieren könnte ich die Anziehungs- und Abstoßungskräfte mit der Neigung oder Abneigung eine Verbindung einzugehen - was ich wiederum als den "Willen" eines Teilchens bezeichnen kann.

Dieser "Wille" durchzieht und prägt die atomare, molekulare, biologische und letztendlich auch soziologische Welt. Unser ganzes Leben entwickelt sich in jedem Augenblick durch den Ausgleich von Anziehung und Abstoßung, Zuneigung und Abneigung, Liebe und Hass.


Nanna hat geschrieben:Dieses Prinzip bzw. diese Haltung (für die ich große Sympathien hege) ist jetzt aber von dir zugeschrieben. Die Evolution strebt nicht nach höherem Bewusstsein, selbst dann nicht, wenn die Vermutung zutreffen sollte, dass evolutionäre Systeme mit der Zeit grundsätzlich komplexer werden. Die Evolution ist ein Mechanismus, der es Organismen erlaubt, sich an eine verändernde Umwelt anzupassen, nicht mehr; es gibt kein Ziel. Wir können nicht aus der Tatsache, dass die Evolution bislang immer komplexere Systeme hervorgebracht hat, schließen, dass dies ein Zweck der Evolution sei oder auf irgendeinen zielhaften Endzustand gerichtet wäre. Vielleicht geht die Entwicklung irgendwann mal wieder in die andere Richtung, das ist der Evolution doch egal, und vielleicht werden die intelligenten Lebewesen dieser Zeit dann bescheidenes Schrumpfen als Lebensziel entdecken.

Der Punkt ist ganz einfach: Es gibt keine objektive Antwort auf den Lebenssinn, die muss jeder für sich entscheiden, flankiert von den gesellschaftlichen und philosophischen Konzepten, die dazu angeboten werden.


Das Ziel musst du dir nicht als Endpunkt mit einem Ergebnis vorstellen. Schon gar nicht, als Ziel, das an einem Anfang so festgelegt oder definiert wurde. Dennoch ist die Evolution ganz offensichtlich auf immer komplexere Lebensformen ausgerichtet, an deren "Zwischenziel" aktuell der Homo Sapiens steht. Der wichtigste Unterschied des Homo Sapiens zu den anderen Lebensformen ist seine intellektuelle Leistungsfähigkeit. Sein Vermögen, die Welt in symbolischen Informationen zu verstehen, zu beherrschen und nachzubauen (oder komplett zu zerstören, wenn er möchte).

Objektiv betrachtet erkennt sich die Evolution jetzt selbst - im Geist des Menschen. Das wichtigste Projekt, an dem Menschen zur Zeit arbeiten und in das die meiste Energie und Zeit investiert wird, ist die intellektuelle Vernetzung der Menschheit über das Internet. Es ist nur eine Frage weniger Jahre, bis 90% der Weltbevölkerung tatsächlichen oder potentiellen Zugang zu diesem Netz haben und ein paar Jahre mehr, bis es Schnittstellen zwischen Gehirn und Maschine geben wird, die eine Echtzeitverbindung zur Gesamtheit aller verfügbaren Informationen herstellen können.

Ich erkenne hier durchaus eine sinnvolle Entwicklung, nämlich buchstäblich die Entwicklung von Sinn.
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Re: Hedonismus

Beitragvon ujmp » Di 3. Aug 2010, 18:42

Dissidenkt hat geschrieben:Denn den "Willen" kann ich auch physikalisch beschreiben!
Und zwar schlicht und einfach mit dem Prinzip von Anziehung und Abstoßung, das wir bis auf die Ebene der Elementarteilchen zurückführen können.

Philosophisch interpretieren könnte ich die Anziehungs- und Abstoßungskräfte mit der Neigung oder Abneigung eine Verbindung einzugehen - was ich wiederum als den "Willen" eines Teilchens bezeichnen kann.

Dieser "Wille" durchzieht und prägt die atomare, molekulare, biologische und letztendlich auch soziologische Welt. Unser ganzes Leben entwickelt sich in jedem Augenblick durch den Ausgleich von Anziehung und Abstoßung, Zuneigung und Abneigung, Liebe und Hass.


Das sehe ich auch so. Schopenhauer hat auch betont, dass er das Wort "Wille" nur gewählt hat, weil er kein besseres gefunden hat. Etwas weniger psychisch anmutend könnte man es "Neigung" nennen. Die Dinge haben eine Neigung, sich so oder so zu verhalten.

In dieser interessanten Dikussion heißt es so sinngemäß, dass die Zeit für die Evolution zu kurz gewesen wäre, wenn die Organismen sich nicht aktiv Nischen geschaffen hätten, es müsse von Anfang an so etwas wie ein Wille dabei gewesen sein.
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Re: Hedonismus

Beitragvon ganimed » Di 3. Aug 2010, 21:08

Dissidenkt hat geschrieben:Dennoch ist die Evolution ganz offensichtlich auf immer komplexere Lebensformen ausgerichtet, an deren "Zwischenziel" aktuell der Homo Sapiens steht. Der wichtigste Unterschied des Homo Sapiens zu den anderen Lebensformen ist seine intellektuelle Leistungsfähigkeit.

Genau so hat damals auch der Brontosaurus geredet. Von sich ausgehend, sah er, dass die Evolution ganz offensichtlich auf immer größere Lebensformen ausgerichtet ist, mit ihm als einstweiliges Ziel. Analog könnte absolut jede andere Art argumentieren. Das nennt man wohl einfach nur Art-Chauvinismus (an die Überlegenheit, an die Ausgewähltheit der eigenen Art glauben). Passt man mit der Ich-Perspektive nicht auf, sieht man sich als Krone der Schöpfung und seinen Aufenthaltsort als Zentrum der Welt. Denk da lieber nochmal drüber nach.

Ich halte es mit Nanna. Es gibt keinen Sinn. Das Leben ist nicht der Sinn und hat keinen Sinn. Die Evolution hat kein Ziel und keinen Sinn. So, und nun, weil ich eben so gebaut bin, hätte ich Mensch aber doch gerne einen Sinn. Muss ich mir einen aussuchen, ist eigentlich egal welcher. Als einziges Entscheidungskriterium, welchen Sinn ich mir selber geben soll, sehe ich: nimm den, mit dem es dir am besten geht. Und genau das macht der Hedonismus. Finde ich sehr vernünftig.
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Re: Hedonismus

Beitragvon Mark » Mi 4. Aug 2010, 12:56

So verunmöglicht finde ich eine objektive Betrachtung aber garnicht..
objektiv ist das "System Spaß" primitiveren Ursprungs, vergleichbar mit Endorphinausschüttung bei einem Hund der eine Wurst bekommt.
Es ist einer der Hauptmotivatoren im menschlichen Denken neben seinem Pondent der Schmerzvermeidung. Auf diesen beiden Säulen steht der ganze menschliche Vorstellungs-Apparat.
Eine komplexere Auffassung davon was für einen Menschen Freude erzeugt oder seelische Schmerzen bewirkt bedeutet ergo das diese mit diesem Apparat entwickelt wurden, weil sie nicht so einfach zu adaptieren sind wie "einfache Freuden".
Wenn wir unser Spaß- und unseren Schmerzempfinden entwickeln, entwickeln wir uns selber.
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Re: Hedonismus

Beitragvon Macks » Mi 4. Aug 2010, 15:15

Einen persönlichen Sinn kann sich jede Person selbst aussuchen.
Aber einen allgemeinen oder objektiven?
Wie seht ihr das mit der Energieverteilung als Sinn von Leben im Allgemeinen?
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Re: Hedonismus

Beitragvon Mark » Mi 4. Aug 2010, 16:03

Wenn man sich einen persönlichen Sinn aussuchen kann, dann schliesst das jeden anderen verbindlichen Sinn schon mal definitorisch aus..
Von welchem Standpunkt sollte auch ein objektiver Sinn wirklich einen Sinn ergeben können, wenn es überhaupt kein Standpunkt sein kann von dem aus man etwas betrachtet ?
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Re: Hedonismus

Beitragvon Dissidenkt » Mi 4. Aug 2010, 18:30

ganimed hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Dennoch ist die Evolution ganz offensichtlich auf immer komplexere Lebensformen ausgerichtet, an deren "Zwischenziel" aktuell der Homo Sapiens steht. Der wichtigste Unterschied des Homo Sapiens zu den anderen Lebensformen ist seine intellektuelle Leistungsfähigkeit.


Genau so hat damals auch der Brontosaurus geredet. Von sich ausgehend, sah er, dass die Evolution ganz offensichtlich auf immer größere Lebensformen ausgerichtet ist, mit ihm als einstweiliges Ziel. Analog könnte absolut jede andere Art argumentieren. Das nennt man wohl einfach nur Art-Chauvinismus (an die Überlegenheit, an die Ausgewähltheit der eigenen Art glauben). Passt man mit der Ich-Perspektive nicht auf, sieht man sich als Krone der Schöpfung und seinen Aufenthaltsort als Zentrum der Welt. Denk da lieber nochmal drüber nach.


Vielleicht solltest du noch einmal drüber nachdenken, ob du so denkst und redest wie ein Brontosaurus, oder ob es von ihm zu dir eine Entwicklung gegeben hat, die man als Entwicklung zu höherem Bewusstsein bezeichnen könnte. Für mich nehme ich das mal ganz chauvinistisch in Anspruch.
Evolution hat kein festgelegtes Skript, sie hat kein definiertes Ziel das sie verfolgt, deshalb gibt es "Irrwege" und Sackgassen. Arten kommen und gehen, aber die Entwicklung zu höheren Lebewesen kann niemand ernsthaft leugnen.

ganimed hat geschrieben:Ich halte es mit Nanna. Es gibt keinen Sinn. Das Leben ist nicht der Sinn und hat keinen Sinn. Die Evolution hat kein Ziel und keinen Sinn. So, und nun, weil ich eben so gebaut bin, hätte ich Mensch aber doch gerne einen Sinn. Muss ich mir einen aussuchen, ist eigentlich egal welcher. Als einziges Entscheidungskriterium, welchen Sinn ich mir selber geben soll, sehe ich: nimm den, mit dem es dir am besten geht. Und genau das macht der Hedonismus. Finde ich sehr vernünftig.


"Vernünftig" war auch der Holocaust - aus der Sicht Eichmanns und Konsorten.
Natürlich kann sich jeder einbilden, er suche sich den Sinn seines Lebens selbst aus. Das denkt der Taliban genauso wie der Rabbi oder der eine oder andere Hirnforscher. Nur wird ein Bauernkind vom Hindukusch niemals auf die Idee kommen Rabbi oder Hirnforscher zu werden. Der Israeli wird nicht Taliban und ein Sohn christlicher Akademiker wird nicht Rabbi. Sie nehmen alle für ihr Leben einen Sinn an, der ihnen von der Gesellschaft geboten wird. Genau das gilt für uns alle.

Mark hat geschrieben:Von welchem Standpunkt sollte auch ein objektiver Sinn wirklich einen Sinn ergeben können, wenn es überhaupt kein Standpunkt sein kann von dem aus man etwas betrachtet ?


Ein Standpunkt ausserhalb der Gesellschaft, ausserhalb des Planeten. ich muss mich nur auf den Mond beamen und die letzten 5 Milliarden Jahre vor meinem Auge vorbei ziehen lassen :mg:
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Re: Hedonismus

Beitragvon ganimed » Mi 4. Aug 2010, 18:52

Dissidenkt hat geschrieben:Vielleicht solltest du noch einmal drüber nachdenken, ob du so denkst und redest wie ein Brontosaurus, oder ob es von ihm zu dir eine Entwicklung gegeben hat, die man als Entwicklung zu höherem Bewusstsein bezeichnen könnte.

Ich stamme nicht vom Brontosaurus ab, falls du das meinst. Der Brontosaurus war, soweit ich weiß, eine inzwischen ausgestorbene Sackgasse. Aber alle heute lebenden Arten können eine lückenloses Abstammungslinie zur ersten Urzelle vorweisen. Jede heute lebende Art könnte mit deinem Argument kommen und da eine "logische" Entwicklung vom Anfang zu sich selber sehen. Die Fledermäuse würden ohne Zweifel argumentieren, dass es der Evolution offensichtlich um die Entwicklung von Ultraschall ging. Und ja, ich denke jetzt darüber nach, ob ich so denke wie eine Fledermaus.

Dissidenkt hat geschrieben:Arten kommen und gehen, aber die Entwicklung zu höheren Lebewesen kann niemand ernsthaft leugnen.

Mit "höherem" Lebewesen meinst du vermutlich ein Lebewesen mit komplexerem Gehirn? Aber woher weißt du, dass dies das 'richtige' Kriterium ist? Wie kannst du andere Kriterien ausschließen? Und wie zerstreust du den Verdacht, dass du das Komplexitätskriterium einzig und allein nur deshalb gewählt hast, weil du selbst als Mensch dann das vorläufige Ziel dastehst, während du bei vielen anderen Kriterien nur einer der von dir genannten Irrwege wärst.

Und was sind die letzten 1000 Arten, die auf diesem Planeten entstanden sind? Ich möchte wetten, das waren fast alles Bakterien. Wie also sollte man auf die Idee kommen, dass es der Evolution um komplexe Nervensysteme geht? Bakterien haben doch gar keine Nerven.

Wenn ich auf dem Mond stünde und die unvorstellbare Zeit von 5 Milliarden Jahren vor mir vorbeizöge, würde ich die Menschen wohl kaum wahrnehmen. Die sind ja erst seit einem Flupp da. Und sie werden angesichts wahnwitzigen Wachstums- und Expansionsdranges wohl auch nur noch einen Flupp lang überleben. Heftig und alles überwuchernd, zugegeben, aber im gesamten Überblick doch nur eine ultrakurze Flupp-Flupp-Episode. Beim Kriterium der Nachhaltigkeit und Langlebigkeit schneiden deine "höheren" Lebewesen merkwürdig schlecht ab.

Kein Mensch außer dem Menschen käme daher auf die Idee, den Menschen mit seiner Komplexität und seiner Selbsterkenntnisfähigkeit als das Ziel der Evolution anzusehen.
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Re: Hedonismus

Beitragvon Dissidenkt » Mi 4. Aug 2010, 19:18

ganimed hat geschrieben:Ich stamme nicht vom Brontosaurus ab, falls du das meinst. Der Brontosaurus war, soweit ich weiß, eine inzwischen ausgestorbene Sackgasse.


Das meine ich natürlich nicht :mg: Dennoch tragen wir auch Brontosaurusgene (weil wir gemeinsame Vorfahren haben) in uns - was immer das bedeutet...die Verwandtschaft sucht man sich halt auch nicht aus...

ganimed hat geschrieben: Aber alle heute lebenden Arten können eine lückenloses Abstammungslinie zur ersten Urzelle vorweisen. Jede heute lebende Art könnte mit deinem Argument kommen und da eine "logische" Entwicklung vom Anfang zu sich selber sehen. Die Fledermäuse würden ohne Zweifel argumentieren, dass es der Evolution offensichtlich um die Entwicklung von Ultraschall ging. Und ja, ich denke jetzt darüber nach, ob ich so denke wie eine Fledermaus.


Der entscheidende Unterschied ist, die Fledermäuse können eben nicht so denken! Auch wenn ich nicht wissen kann, was sie denken, kann ich wissen, was sie nicht denken. Und sie denken ganz sicher nicht über die Evolution nach, so viel können wir als gesichert annehmen.

ganimed hat geschrieben:Mit "höherem" Lebewesen meinst du vermutlich ein Lebewesen mit komplexerem Gehirn? Aber woher weißt du, dass dies das 'richtige' Kriterium ist? Wie kannst du andere Kriterien ausschließen? Und wie zerstreust du den Verdacht, dass du das Komplexitätskriterium einzig und allein nur deshalb gewählt hast, weil du selbst als Mensch dann das vorläufige Ziel dastehst, während du bei vielen anderen Kriterien nur einer der von dir genannten Irrwege wärst.


Ich meine damit jedes Lebewesen, das potentiell über Evolution nachdenken kann - unabhängig davon, ob es das tatsächlich tut oder gesundheitlich daran gehindert ist.

ganimed hat geschrieben:Und was sind die letzten 1000 Arten, die auf diesem Planeten entstanden sind? Ich möchte wetten, das waren fast alles Bakterien. Wie also sollte man auf die Idee kommen, dass es der Evolution um komplexe Nervensysteme geht? Bakterien haben doch gar keine Nerven.


Natürlich gibt es auch Lebewesen, die sich seit Jahrmillionen nicht weiterentwickelt haben. Das ist aber kein Widerspruch zur Genese immer höheren Lebens. Wenn du ein Lebewesen kennst, das schon im Hadaikum (ausgehend von einer Bakterie) ein ZNS oder Augen entwickelt hat, wäre meine These allerdings widerlegt.

ganimed hat geschrieben:Wenn ich auf dem Mond stünde und die unvorstellbare Zeit von 5 Milliarden Jahren vor mir vorbeizöge, würde ich die Menschen wohl kaum wahrnehmen. Die sind ja erst seit einem Flupp da. Und sie werden angesichts wahnwitzigen Wachstums- und Expansionsdranges wohl auch nur noch einen Flupp lang überleben. Heftig und alles überwuchernd, zugegeben, aber im gesamten Überblick doch nur eine ultrakurze Flupp-Flupp-Episode. Beim Kriterium der Nachhaltigkeit und Langlebigkeit schneiden deine "höheren" Lebewesen merkwürdig schlecht ab.


Alles ist relativ, aber gerade der kurze Zeitraum, in dem wir uns die Erde "Untertan" gemacht haben, bestätigt doch die aufsteigende Genese und zeigt unsere ausserordentlich hohe Entwicklung. Wir haben dem Mann im Mond bereits einen Besuch abgestattet (wenn das wirklich stimmen sollte :mg:) und sind in der Lage über uns symbolisch zu reflektieren. Höheres Bewusstsein kann ich mir kaum vorstellen, was nicht heisst, dass es nicht möglich ist...

ganimed hat geschrieben:Kein Mensch außer dem Menschen käme daher auf die Idee, den Menschen mit seiner Komplexität und seiner Selbsterkenntnisfähigkeit als das Ziel der Evolution anzusehen.


Das denken in "Zielen" schränkt das Philosophieren unnötig ein. Niemand weiss, ob Evolution ein Ziel hat. Unser Ziel muss es sein zu überleben und das geht nur wenn wir uns weiter entwickeln.
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Re: Hedonismus

Beitragvon ganimed » Mi 4. Aug 2010, 19:42

Dissidenkt, du scheinst dich der menschlichen Sichtweise nicht so recht entziehen zu können.

Dissidenkt hat geschrieben:Der entscheidende Unterschied ist, die Fledermäuse können eben nicht so denken!

Wieso ist das der entscheidende Unterschied? Wieso ist Denken und höheres Bewusstsein das Kriterium der Evolution? Wenn du diese Frage mit einem anderen Argument als "weil ich ein Mensch bin und wir zufällig genau das können" beantworten kannst, dann Hut ab und ich denke nochmal drüber nach.


Dissidenkt hat geschrieben:Unser Ziel muss es sein zu überleben und das geht nur wenn wir uns weiter entwickeln.

Das klingt wie die Abschrift aus einem schlechten amerikanischen Groschenroman.
Erläutere mal bitte: wieso muss unser Ziel sein zu überleben? Wäre eine Erde ohne Menschen denn in irgendeiner Weise schlimm?
Wenn wir uns weiter entwickeln (als Art), stirbt dann die Menschheit nicht dadurch, weil durch die Weiterentwicklung, zumindest der biologischen, wir doch langsam eine andere Art werden? Meinst du mit "überleben" am Ende, den Menschen als Art hinter sich lassen?
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Re: Hedonismus

Beitragvon Dissidenkt » Mi 4. Aug 2010, 23:13

ganimed hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Der entscheidende Unterschied ist, die Fledermäuse können eben nicht so denken!

Wieso ist das der entscheidende Unterschied? Wieso ist Denken und höheres Bewusstsein das Kriterium der Evolution? Wenn du diese Frage mit einem anderen Argument als "weil ich ein Mensch bin und wir zufällig genau das können" beantworten kannst, dann Hut ab und ich denke nochmal drüber nach.


Ich habe nirgends geschrieben, dass Bewusstsein ein "Kriterium" der Evolution sei. Ich spreche von dem Unterschied in der Entwicklungsstufe. Von der Fähigkeit zu abstrakter symbolischer Kommunikation, Selbstreflektion, der zielgerichteten Benutzung und Herstellung komplexer Werkzeuge, etc... All das hebt uns qualitativ von allen anderen Lebewesen ab. Das macht uns nicht zum "Ziel" aber zur aktuell höchst entwickelten Stufe der Evolution. Gut möglich, dass der Mensch eines Tages ausstirbt und die Evolution ohne ihn weiter geht. Es werden sicher andere Lebewesen entstehen, die aber nur dann ebenso oder höher entwickelt sein werden wie wir, wenn sie ein ähnlich leistungsfähiges Gehirn entwickeln.

ganimed hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Unser Ziel muss es sein zu überleben und das geht nur wenn wir uns weiter entwickeln.

Das klingt wie die Abschrift aus einem schlechten amerikanischen Groschenroman.


Aus welchem? Und was macht die Wahrheit weniger wahr, wenn du sie mit deinen Projektionen überlagerst?

ganimed hat geschrieben:Erläutere mal bitte: wieso muss unser Ziel sein zu überleben?


Das ist ein Grundprinzip der Evolution: Wer ausstirbt hat verloren.

ganimed hat geschrieben:Wäre eine Erde ohne Menschen denn in irgendeiner Weise schlimm?


"Schlimm" ist keine evolutionäre Kategorie. Es wäre aber zweifellos ein evolutionärer Rückschritt und es wären wieder einige Millionen Jahre nötig diesen aufzuholen.

ganimed hat geschrieben:Wenn wir uns weiter entwickeln (als Art), stirbt dann die Menschheit nicht dadurch, weil durch die Weiterentwicklung, zumindest der biologischen, wir doch langsam eine andere Art werden? Meinst du mit "überleben" am Ende, den Menschen als Art hinter sich lassen?


Es sind bereits einige Unterarten des homo sapiens ausgestorben, weil sie zu unangepasst waren. Gut möglich, dass das irgendwann wieder geschieht.Wahrscheinlich ist das aber nicht.
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Re: Hedonismus

Beitragvon Klaus » Do 5. Aug 2010, 09:57

Dissidenkt hat geschrieben:Gut möglich, dass der Mensch eines Tages ausstirbt und die Evolution ohne ihn weiter geht


Die Evolution hängt doch nicht vom Menschen ab. Sie geht weiter, auch ohne ihn. So wie sie es vorher getan hat. Das Auftreten des modernen Menschen in der Timeline der Evolution deckt gerade mal einen Fliegenschiß ab, von der Spanne her.
Andererseits hat der Mensch begonnen evolutionäre Faktoren zu beeinflussen und damit für sich Bedingungen wie Selektion usw. ausser Kraft zu setzen. Wenn der Mensch sich selbst beeinflussen und steuern kann, hinsichtlich seiner Entwicklung, wird er eines Tages sein natürliches Habitat verlassen.
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Re: Hedonismus

Beitragvon ganimed » Do 5. Aug 2010, 10:59

Dissidenkt hat geschrieben:Ich habe nirgends geschrieben, dass Bewusstsein ein "Kriterium" der Evolution sei. Ich spreche von dem Unterschied in der Entwicklungsstufe. ... Es werden sicher andere Lebewesen entstehen, die aber nur dann ebenso oder höher entwickelt sein werden wie wir, wenn sie ein ähnlich leistungsfähiges Gehirn entwickeln.

Wieso sprichst du denn ausschließlich vom leistungsfähigen Gehirn? Wieso nicht von der Fähigkeit, Ultraschalllaute zu erzeugen? Offenbar ist das Bewusstsein für dich eben doch DAS Kriterium der Evolution, oder?

Dissidenkt hat geschrieben:Das ist ein Grundprinzip der Evolution: Wer ausstirbt hat verloren.

Aber meine Warum-Fragerei geht weiter. Du sagst, wir müssen überleben. Nun implizierst du, dass wir überleben müssen um bei der Evolution nicht zu verlieren. Wieso, frage ich also nun weiter, müssen wir bei der Evolution denn gewinnen? Gibt es da wertvolle Sachpreise zu gewinnen? Oder anders gefragt, was verlieren wir wenn wir verlieren?

Dissidenkt hat geschrieben:Es sind bereits einige Unterarten des homo sapiens ausgestorben

Soweit ich weiß, sind keine Unterarten sondern Nebenarten ausgestorben, also HOMO-Unterarten. Wir sind momentan die einzige HOMO Art. Und wenn wir uns biologisch weiterentwickeln, möglicherweise sogar aufspalten in mehrere neue Arten, müsste man aus Sicht der Biologen die dann lebenden Menschen eben Homo irgendwas nennen. Dann wäre der Homo Sapiens Geschichte. Deshalb wäre schon zu differenzieren, ob du mit Überleben die Erhaltung des Homo Sapiens meinst oder die Erhaltung der Entwicklungslinie mit dem Verschwinden des Homo Sapiens.
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Re: Hedonismus

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 5. Aug 2010, 11:34

ganimed hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Es sind bereits einige Unterarten des homo sapiens ausgestorben

Soweit ich weiß, sind keine Unterarten sondern Nebenarten ausgestorben, also HOMO-Unterarten.

Früher war das was heute als homo sapiens bezeichnet wird der homo sapiens sapiens und der homo neanderthalensis hieß homo sapiens neanderthalensis
Auch gibt es frühe Homo-Arten die (umstritten) als Homo-Sapiens-Subspezies bezeichnet werden
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Re: Hedonismus

Beitragvon Dissidenkt » Do 5. Aug 2010, 17:56

Klaus hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Gut möglich, dass der Mensch eines Tages ausstirbt und die Evolution ohne ihn weiter geht


Die Evolution hängt doch nicht vom Menschen ab. Sie geht weiter, auch ohne ihn.


Zweifellos. Hast du meine Darstellung anders verstanden? :mg:

Klaus hat geschrieben:Andererseits hat der Mensch begonnen evolutionäre Faktoren zu beeinflussen und damit für sich Bedingungen wie Selektion usw. ausser Kraft zu setzen. Wenn der Mensch sich selbst beeinflussen und steuern kann, hinsichtlich seiner Entwicklung, wird er eines Tages sein natürliches Habitat verlassen.


Anders ausgedrückt:
Dieser Planet hat ein Bewusstsein entwickelt, das neugierig auf andere Planeten ist. :up:


ganimed hat geschrieben:Wieso sprichst du denn ausschließlich vom leistungsfähigen Gehirn? Wieso nicht von der Fähigkeit, Ultraschalllaute zu erzeugen? Offenbar ist das Bewusstsein für dich eben doch DAS Kriterium der Evolution, oder?


Reflektierendes Bewusstsein ist ein Kriterium für höheres Leben - nicht für Evolution an sich.

ganimed hat geschrieben:Du sagst, wir müssen überleben. Nun implizierst du, dass wir überleben müssen um bei der Evolution nicht zu verlieren. Wieso, frage ich also nun weiter, müssen wir bei der Evolution denn gewinnen? Gibt es da wertvolle Sachpreise zu gewinnen? Oder anders gefragt, was verlieren wir wenn wir verlieren?


Der Preis ist die Zukunft und die Antwort auf deine (und unser aller) Fragen.
Ich möchte schon sehr gerne wissen, warum Leben und Bewusstsein entstanden sind. Die Frage nach dem Warum, Woher und Wohin treibt doch die Menschheit seit sie denken kann. Diese Frage brachte Religionen hervor und grandiose Bauwerke wie den LHC. Der Mensch ist recht weit gekommen, was sein Bewusstsein und das Wissen über seinen Planeten anbetrifft. Wäre doch schade, wenn dieser Weg zur Erkenntnis eines Tages abrupt enden würde.
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Re: Hedonismus

Beitragvon ganimed » Do 5. Aug 2010, 18:25

Dissidenkt hat geschrieben:Ich möchte schon sehr gerne wissen, warum Leben und Bewusstsein entstanden sind.

Du bist in spätestens 100 Jahren tot. Was wir bis dahin wissen kriegst du vielleicht noch mit. Was hast du davon, wenn es die Art Mensch auch noch in 200 Jahren geben sollte?

Dissidenkt hat geschrieben:Wäre doch schade, wenn dieser Weg zur Erkenntnis eines Tages abrupt enden würde.

Ja, schade wäre das schon irgendwie. Schade wäre auch, wenn ich morgen früh aufstehen müsste. Also irgendwie passt dein "wäre doch schade" nicht so recht mit deinem vorherigen "die Menschheit muss überleben". Ich stimme dir bei der viel schwächeren Formulierung aber zu: es wäre schade, wenn die Menschheit demnächst ausstürbe. Aber viel schlimmer wäre es, wenn auch in 100 Jahren noch so viel Krieg, Not, Elend und Hunger herrschen würde wie heute. Wenn ich da abwägen müsste (was ich Gott sei Dank nicht muss) dann würde ich das Aussterben innerhalb der nächsten paar Generationen als viel kleineres Übel wählen.
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Re: Hedonismus

Beitragvon Dissidenkt » Do 5. Aug 2010, 21:05

ganimed hat geschrieben:Du bist in spätestens 100 Jahren tot. Was wir bis dahin wissen kriegst du vielleicht noch mit. Was hast du davon, wenn es die Art Mensch auch noch in 200 Jahren geben sollte?


Meine Wertvorstellungen und meine Philosophie orientieren sich nicht daran, ob ich davon irgendwie profitiere. Mir geht es nur um Erkenntnis.


ganimed hat geschrieben:Ja, schade wäre das schon irgendwie. Schade wäre auch, wenn ich morgen früh aufstehen müsste. Also irgendwie passt dein "wäre doch schade" nicht so recht mit deinem vorherigen "die Menschheit muss überleben". Ich stimme dir bei der viel schwächeren Formulierung aber zu: es wäre schade, wenn die Menschheit demnächst ausstürbe. Aber viel schlimmer wäre es, wenn auch in 100 Jahren noch so viel Krieg, Not, Elend und Hunger herrschen würde wie heute. Wenn ich da abwägen müsste (was ich Gott sei Dank nicht muss) dann würde ich das Aussterben innerhalb der nächsten paar Generationen als viel kleineres Übel wählen.


Das "schade" war natürlich reiner Sarkasmus.
Leben ist Leiden, sagen sinngemäß der Buddha und jeder andere ernstzunehmende Philosoph. Ohne dieses Leiden gäbe es aber gar keine Entwicklung. Deshalb hat das Leiden durchaus Sinn, denn das Leben entwickelt sich weiter, aus dem Drang Leid zu vermeiden. Ob das ein endloses Rad ist, wer weiss das schon? Zumindest nicht für das Individuum. Deshalb ist es ausgesprochen egoistisch und dumm, anderen Lebewesen das Aussterben zu empfehlen.
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Re: Hedonismus

Beitragvon ganimed » Sa 7. Aug 2010, 00:38

Dissidenkt hat geschrieben:Meine Wertvorstellungen und meine Philosophie orientieren sich nicht daran, ob ich davon irgendwie profitiere. Mir geht es nur um Erkenntnis.

Wieso geht es dir um Erkenntnis? Wenn du nicht davon profitierst, wieso willst du sie dann?

Ansonsten sagst du in etwa: Leben ist Leiden, aber das ist gut so, weil nur mit Leiden kann man sich weiterentwickeln. Und wenn man ausstürbe könnte man sich nicht weiterentwickeln, und das wäre doch ausgesprochen dumm. Habe ich das richtig verstanden?

Ich finde das unlogisch. Denn wenn man sich nur mit Leiden weiterentwickeln kann, ja wieso um Himmels willen will man sich dann weiterentwickeln? Es tut doch offenbar weh! Es ist doch wegen des Leidens nur logisch, das Weiterentwickeln zu stoppen und aussterben zu wollen. Oder anders gesagt: du verschweigst hier scheinbar noch ein ganz tolles Belohnungselement, welches es wert macht, das ganze Leiden in Kauf zu nehmen, nur um sich weiterzuentwickeln. Also raus damit: woraus besteht diese tolle Belohnung?
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Re: Hedonismus

Beitragvon Dissidenkt » Sa 7. Aug 2010, 10:05

ganimed hat geschrieben:Wieso geht es dir um Erkenntnis? Wenn du nicht davon profitierst, wieso willst du sie dann?


Meine Grundbedürfnisse sind befriedigt. Sex, Drugs und RocknRoll verlieren früher oder später ihren Reiz. Luxus, Macht oder Eitelkeiten haben mich nie interessiert, also bleibt die Frage nach dem Sinn des Lebens. Wenn ich mit den Augen eines Biologen oder Soziologen von aussen auf die Welt schaue, sehe ich überall das grundlegende Prinzip der Entwicklung. Irgendwann leuchtet einem dann ein, dass genau das der Sinn von Leben ist.

ganimed hat geschrieben:Ansonsten sagst du in etwa: Leben ist Leiden, aber das ist gut so, weil nur mit Leiden kann man sich weiterentwickeln. Und wenn man ausstürbe könnte man sich nicht weiterentwickeln, und das wäre doch ausgesprochen dumm. Habe ich das richtig verstanden?


Das ist das Grundprinzip der Evolution. Ohne den Druck der Selektion, der durch begrenzte Ressourcen, Fressfeinde, arteigene Konkurrenten, Krankheiten, etc. ausgeübt wird, würde sich nichts entwickeln. Die Zeit würde stehen bleiben. Der Begriff der Zeit wäre sogar überflüssig. Jeder Gedanke wäre überflüssig. Eine solche Welt wäre sinnlos, sie wäre gar nicht erst entstanden.
Leid ist im Grunde nichts anderes, als unsere Wahrnehmung von Lebensumständen die wir so nicht hinnehmen wollen. Das treibt uns an diese Lebensumstände zu ändern, das führt zu Entwicklung. Denk dich zurück an irgendeinen Punkt der Vergangenheit und stell dir vor, die Menschen würden in ihrer Situation kein Leid empfinden. Was wäre passiert? Wir hätten uns nicht weiterentwickelt. Die Zeit wäre stehen geblieben. Wir würden wie Tiere in Höhlen leben, in Sklaverei, Verblödung, religiösem Wahn oder blutrünstigen Stammesfehden.

ganimed hat geschrieben:Ich finde das unlogisch. Denn wenn man sich nur mit Leiden weiterentwickeln kann, ja wieso um Himmels willen will man sich dann weiterentwickeln?


Um Leiden zu überwinden und weil die Natur uns auf Überleben konditioniert hat. Lebewesen, die für diesen Kampf gegen das Leid zu schwach sind, sterben schlicht und einfach aus.
Alle Religionen basieren übrigens auch auf dem Trost über das Leiden, oder weil sie Erlösung vom Leid versprechen. Die Menschen haben also eigene physische Belohnungssysteme und zusätzlich spirituelle Hoffnung darauf, dass das Leid überwunden wird.

ganimed hat geschrieben:Es tut doch offenbar weh! Es ist doch wegen des Leidens nur logisch, das Weiterentwickeln zu stoppen und aussterben zu wollen.


Das klingt wie ein schlechter Witz der Geschichte. Milliarden Menschen durchleiden über unzählige Generationen ihr Leben, damit eines Tages eine Generation kommt, die sich selbst ausrottet?
Das spottet der Natur, dem menschlichen Verstand und der Menschheit im ganzen.

ganimed hat geschrieben:Oder anders gesagt: du verschweigst hier scheinbar noch ein ganz tolles Belohnungselement, welches es wert macht, das ganze Leiden in Kauf zu nehmen, nur um sich weiterzuentwickeln. Also raus damit: woraus besteht diese tolle Belohnung?


Was Menschen als Belohnung empfinden ist so subjektiv wie das, was sie als Leid empfinden. Eltern werden mit dem Lachen ihrer Kinder belohnt, Materialisten mit Luxus, Hedonisten mit Dopamin, Altruisten mit Dank, etc...
Ich hoffe einfach, ich hab am Ende meines Lebens ein bisschen was verstanden. Von allen verlange ich deshalb wohl am meisten.
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Re: Hedonismus

Beitragvon ujmp » Sa 7. Aug 2010, 10:06

Klaus hat geschrieben:Andererseits hat der Mensch begonnen evolutionäre Faktoren zu beeinflussen und damit für sich Bedingungen wie Selektion usw. ausser Kraft zu setzen. Wenn der Mensch sich selbst beeinflussen und steuern kann, hinsichtlich seiner Entwicklung, wird er eines Tages sein natürliches Habitat verlassen.

Das ist m.E. eine falsche oder aus naturalistischer sicht zumindest inkonsequente Sichtweise der Evolution. Denn was Organsimen tun und lassen, wie sie sich Entwickeln, überleben und aussterben ist alles Teil der Evolution - also inklusive Gentechnik. Es gibt die Meinung, dass durch den Intellekt des Menschen die biologische Selektion weitestgehend ausgeschaltet wäre. Das stimmt aber nicht, weil der menschliche Intellekt auch ein Teil der Überlebensstrategie des menschlichen Organismus ist. Wenn der menschliche Intellekt die Reproduktion seines Organismus ausschaltet, ist dies etwas in der Evolution völlig Alltägliches: Sein Organsimus ist nicht fit.

Ich sehe keinen qualitativen Unterschied zwischen einer Gazelle, die so schnell springen kann, weil ihre Vorfahren von sehr schnellen Raubtieren gejagt wurden und einer Milchkuh, die soviel Milch gibt, weil Ihre Vorfahren von Menschen als Milchkühe selektiert wurden. Ebensowenig sehe ich einen qualitativen Unterschied zwischen einer Schwalbe, die sich ein Nest baut, und dem Menschen, der sich einen Computer baut. Von Außen betrachtet sind es beides Absonderungen von Organismen, die so gut zu leben versuchen, wie sie es können.
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