Naturalismus – methodologisch vs. ontologisch

Re: Naturalismus – methodologisch vs. ontologisch

Beitragvon fritz-ferdinand » Fr 11. Sep 2009, 19:13

selachoideus hat geschrieben:Vielleicht sind die Naturgesetze in Wirklichkeit die Manifestation von Verhaltensgewohnheiten eines natürlichen Wesens.
In der uns ontologisch übergeordneten Welt gibt es einen Computer mit einem für unsere Verhältnisse riesigen Speicher. Auf dem läuft ein Weltsimulationsprogramm. Das ist ähnlich wie Civilization oder Die Stämme bei uns, nur viel viel komplexer. Das Programm besteht aus einigen physikalischen Grundkonstanten, aus denen sich alles andere entwickelt: Quarks setzen sich zu Atomteilchen zusammen, diese bilden Moleküle, Sterne, das Weltall. Schließlich ergibt sich die natürliche Evolution und auch die Entwicklung bewußter Menschen, die forschen. Eine komplette Erforschung der Welt wäre die Aufklärung der Startvariablen des Simulationsprogramms.


Dazu will ich jetzt auch mal was schreiben:

(Wie schon von jemand anders erwähnt, kommt diese Idee im 'Simulacron 3' und 'Welt am Draht' vor, prinzipiell auch in Filmen wie 'Matrix' oder dem '13, Stockwerk')

Ich habe mich auch eine lange Zeit für mich damit beschäftigt, aber von einem anderen Weg her. Wenn einem der Glaube zusammenbricht und alle bisherigen Wahrheiten neu durchdacht werden müssen, kommt wirklich der Punkt, wo man sich fragt: Was ist denn wirklich SICHER?.

Und da gibt es den Gassenhauer cogito, ergo sum (Ich denke, also bin ich) von Descartes. Es gibt da einige Feinheiten, es ist nämlich nicht ein allgemeingültiger Beweis, sondern gilt nur für mich. Also: "Ich, Ferdinand, denke, also existiere ich". Bei allen anderen kann ich ja gar nicht beobachten, dass sie denken. Der oft als allgemeingültig verschrieene Beweis ist es somit gar nicht, sondern es gibt soviele Descartes'sche Beweise, wie es denkende Wesen gibt. Vielleicht nur eines, nämlich mich? Jedenfalls ist meine momentane Existenz (also X, das beobachtet, und Y, das von X beobachtet werden kann. Wahrscheinlich ist x sogar = Y) das sicherste, was ich kriegen kann. Übrigens nur die momentane Existenz etwa in der Zeitspanne, in der ein Gedanke stattfindet.

Ich kann denken, ich kann mich beim Denken beobachten, ich kann Gefühle empfinden, ich kann eine Logik nachvollziehen ('also'), ich kann einen Zeitablauf zwischen dem Anfang und dem Ende des Gedankens feststellen, alles was weiter in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegt, ist eigentlich schon "außer mir", ebenso wie mein Körper, ebenso wie Raum, den ich nicht direkt 'spüren' kann, wie etwa meine Existenz oder einen Gedanken oder ein Zeitvergehen. Hinzu kommen noch Sinne und die durch sie vermittelten Abbilder eines "Außer-Mir", aus denen und nur aus denen ich schließen kann, dass es so etwas wie ein "Außer-Mir" überhaupt gibt . Das ungefähr ist das Areal des 'Ich', welches ich direkt 'spüre', und welches ich als einzigstes völlig SICHERES feststellen kann. Ich habe lange gebraucht, um so etwas zu akzeptieren.

Von den Sinnen, also Sehen, Hören, Tasten, Riechen, aber auch der Sinn, der aus dem möglicherweise existierenden "Erinnerungsarchiv", das zum "Außer-Mir" gehört, manchmal Erinnerungseindrücke in mein "Ich-Areal" projiziert, weiß ich sicher eigentlich nur, dass es sie als Gesamtheit gibt, und dass aufgrund von ihnen Sinneseindrücke in meinem "Ich-Areal" erzeugt werden. Ich kann mir nicht sicher sein, was ein Sinn ist, oder wie er funktioniert, aber ich kann mir vorstellen, in ihn wird von außen etwas eingespeist, aufgrund dessen irgendetwas in mich hineintransportiert wird, das dann in mir austritt und einen Sinneseindruck erzeugt. Ob das, was eingespeist wird, mit dem, was transportiert wird, und mit dem, was in mir austritt, irgendwie übereinstimmt, kann ich nicht feststellen.

Insofern könnte ich alles mögliche Sein. Ein Mensch, wie üblich, ein Hirn in einem Apparat, der mir die Sinneseindrücke entsprechend einspielt, und mit vielen ähnlichen Hirnen vernetzt ist, eine Computersimulation, die gar nicht so aufwendig sein muss, da sie nur ein beschränktes Individuum mit konsistenten Informationen versorgen muss, ein Traum eines unglaublichen Wesens. Oder irgendetwas, das ich mir nicht vorstellen kann.

Wie komme ich da jetzt raus, und kopple mich an die Außenwelt wieder an? Im Prinzip muss ich es GLAUBEN. Ich kann die Welt so annehmen wie sie mir erscheint, ganz einfach, weil sie nach allem, was mir zugänglich ist, am wahrscheinlichsten ist. Die beste Strategie dabei ist wohl, sie bis zum Beweis des Gegenteils so zu akzeptieren.

Das heißt aber auch: Wunder, i.S. von Ereignissen, die gegen die Naturgesetze verstoßen, sind nicht völlig ausgeschlossen. Wenn ich auf ein solches stoßen werde, werde ich neu anfangen müssen zu überlegen, denn dann ist die Welt nicht so real, wie ich sie mir vorstelle. Aber bis dahin gehe ich von der Hypothese aus, dass die Welt so ist, wie sie mir erscheint.

Aber ich habe auch weiter Hinweise: Wenn ich zum Beispiel mit einem Stein eine Scheibe einwerfe, dann spüre ich den schweren Stein in der Hand, sehe ihn gleichzeitig, rieche ihn vielleicht, spüre mich, wie ich ihn werfe und sehe seinen Flug, sehe, wie er die Scheibe trifft, sie zerspringt und höre gleichzeitig das Zerschmettern. Also in der direkt von den Sinnen erfaßten Umwelt sind die Ereignisse, soweit mir bewußt, KONSISTENT. Was eine Empfehlung sein könnte, ganz viele Dinge zu machen, die ich direkt sinnlich erfahren kann, um damit die Wahrscheinlichkeit der Welt zu untermauern.

Je indirekter aber alles wird, also z.B. Obama, den ich nur aus den Medien kenne, könnte auch innerhalb der Welt eine künstlich erzeugte Fiktion sein. Aber immerhin KÖNNTE ich versuchen, solche Mediengestalten in realiter zu treffen, und auch die Berichte von verschiedensten Seiten über sie sind meistens konsistent.

Viel indirekter ist ein Gott, ein Himmel, Engel, Teufel usw., die nur über Berichte anderer Menschen über ihre inneren Erlebnisse zugänglich sind, und die ich mit meinen eigenen Sinnen nichts erfahren kann. Gott und die allmächtige Teekanne auf der Jupiter-Umlaufbahn sind also die am weitesten von der direkten Erfahrbarkeit entfernten Erscheinungen, sozusagen die rein TRANSZENDENTEN. Obama ist eine Mischform.

Es gibt also ein sicheres Areal der EXISTENZ, eine sehr wahrscheinliche Umgebung der KONSISTENZ, die stufenlos in die immer indirekteren Gebiete der TRANSZENDENZ übergeht. So in etwa ist mein Weltbild. Es ist auf einer hauptsächlichen Methode aufgebaut: dem Beobachten!

Ich sehe dies als naturalistisch an, und insofern als naturwissenschaftlich, als ich mir über die mir zugänglichen primären Instrumente (Denken und Sinneseindrücke) Informationen verschaffe und sie zu Hypothesen forme, die ich auf ihre innere Konsistenz und ihre Wahrscheinlichkeit möglichst gut zu überprüfen versuche.

Mag sein, dass das alles nicht so ganz "richtige Philosophie" ist, und auch alles schon mal dagewesen, aber ich kann mir nicht den Vorwurf machen, nicht mein Möglichstes versucht zu haben. Immerhin bin ich mehr am Selberdenken, als am Nachlesen ;-)
fritz-ferdinand
 
Beiträge: 62
Registriert: Mo 17. Aug 2009, 13:34
Wohnort: Pfalz

Re: Naturalismus – methodologisch vs. ontologisch

Beitragvon Mark » So 13. Sep 2009, 04:41

Ich weiss solche Sachen ziemlich sicher wie zB, daß man sich Gedanken machen kann die prinzipiell nicht zielführend sein können weil sie sich um Fragen bzw Theorien drehen die unwissenschaftlich sind und nicht widerlegt werden können.
Benutzeravatar
Mark
 
Beiträge: 1683
Registriert: Do 30. Nov 2006, 18:19
Wohnort: München

Re: Vollmer und Albert sind gar keine Brights

Beitragvon darwin upheaval » Mo 14. Sep 2009, 11:29

El Schwalmo hat geschrieben:
darwin upheaval hat geschrieben:Oder schlimmer noch: wenn gemäß El Schwalmos These die ontologische Annahme, dass die Datengewinnung durch keinerlei supranaturalistische Einflüsse beeinträchtigt würde, nicht zur Grundvoraussetzung wissenschaftlichen Arbeitens und Interpretierens gehören würde.

das ist bestenfalls eine methodologische Auffassung ('wie forsche ich sinnvoll'), aber die Ontologie, die Du daraus folgerst, ist nicht zwingend. Die Natur muss sich nicht nach Deinen Bedürfnissen richten...


... ist aber gleichwohl Gegenstand der Hypothesenbildung. Nur dass beispielsweise die bei W+W andere Hypothesen darüber bilden, als die Naturwissenschaft im Allgemeinen. Die Folgen dieser "Heuristik" bleiben nicht aus.
Benutzeravatar
darwin upheaval
 
Beiträge: 159
Registriert: Fr 16. Mai 2008, 14:11

Re: Vollmer und Albert sind gar keine Brights

Beitragvon darwin upheaval » Mo 14. Sep 2009, 11:35

El Schwalmo hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Die Natur muss sich nicht nach Deinen Bedürfnissen richten.

Ach, die Natur, sie macht einfach, was sie will, und hört nicht auf uns ... :(

eben. Und wenn die Psyche eines Forschers verlangt, dass das Seiende gefälligst seiend zu sein habe, und dass es keine eingreifende Übernatur gibt, dann hat der Forscher halt Pech gehabt.


Was in konkreten Fall zu beweisen wäre. Einstweilen bleibt der Naturwissenschaftler bei der Nullhypothese.

Überleg' Dir einfach mal, warum ein Chemiker, Physiker oder Biologe, wenn ein Experiment schief geht, und er keine Erklärung dafür hat, nicht den Weihnachtsmann als Erklärung bemüht. Dann weißt Du, was ich damit meine, wenn ich sage, dass ein ontologischer Naturalismus zu den Grundvoraussetzungen der Naturwissenschaften gehört.


El Schwalmo hat geschrieben:Wie Du dann was wie formulierst, ist auch nur ein Glaubensbekenntnis.


Ist Dir nicht inzwischen klarer geworden, was eine Nullhypothese ist? Es ist doch lächerlich zu sagen: "Ich kann die Existenz des Weihnachtsmanns zwar nicht empirisch begründen, aber Deine Annahme, es gäbe keinen Weihnachtsmann, ist genauso ein Glaubensbekenntnis wie der Glaube an selbigen."


El Schwalmo hat geschrieben:In etwa auch meins, aber ich vertrete das als reflektiertes Glaubensbekenntnis, nicht als psychische Erfordernis, um Forschung vor meinem Gewissen rechtfertigen zu können, wie das Darwin Upheaval wohl Forschern unterstellt.


Das unterstellt Darwin upheaval nicht den Forschern, sondern die Forscher gehen einfach davon aus und kümmern sich nicht darum, dass El Schwalmo ihnen einreden will, dass sie beim nächsten gescheiterten Experiment gefälligst den Weihnachtsmann als Alternativ-Erklärung in Betracht ziehen sollten. Entgegen Deiner Auffassung bedarf es halt immer guter Gründe, um etwas für wahr zu halten - nicht derjenige, die sparsamere Ontologie vertritt, muss beweisen, dass die aufwändigere Ontologie falsch ist.
Benutzeravatar
darwin upheaval
 
Beiträge: 159
Registriert: Fr 16. Mai 2008, 14:11

Re: Naturalismus – methodologisch vs. ontologisch

Beitragvon darwin upheaval » Mo 14. Sep 2009, 11:49

El Schwalmo hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Ich halte es hier mit Bunge: erst mal diese Welt erforschen, bevor man sich über andere Gedanken macht.


Es gibt den Wirklichkeitssinn und den Möglichkeitssinn.
Die Wissenschaftler kümmern sich darum, was der Fall ist, während sich die Logiker und Metaphysiker darum kümmern, was der Fall sein kann oder könnte. :^^:

und wir hatten das schon mehrfach: nach welchen Kriterien maßt sich ein Menschlein, dessen Verbreitung in Raum und Zeit infinitesimal gering ist, an, derartige Fragen zu beantworten?

Letztendlich sind das Forderungen nach rationalen Diskursen. Daraus eine gültige Ontologie abzuleiten ist die fallacia de velle ad esse.


Irrtum, es handelt sich um einen circulus virtuosus. Aus meiner Sicht ist es naiv zu glauben, Wissenschaft ließe sich philosophisch voraussetzungsfrei betreiben. Ob Du es wahrhaben willst oder nicht, auch Du hast ein ontologisches "Weltbild" in Deinem Kopf, in dem Dir keine Geister irgendwelche Streiche spielen, wenn etwas nicht so läuft, wie Du es Dir vorstellst. Das würde sich eventuell ändern, wenn Dir jemand überzeugende Gründe nennt. Aber einstweilen bleibst selbst Du bei der sparsameren Annahme, dass, wenn Dir beim Wandern das Nächste Mal der Fuß umknickt und Du Dir einen Bänderriss zuziehst, Du einfach "Pech" gehabt hast.
Benutzeravatar
darwin upheaval
 
Beiträge: 159
Registriert: Fr 16. Mai 2008, 14:11

Re: Vollmer und Albert sind gar keine Brights

Beitragvon El Schwalmo » Mo 14. Sep 2009, 15:28

darwin upheaval hat geschrieben:Das unterstellt Darwin upheaval nicht den Forschern,

wir hatten das schon oft genug. Wenn Du den Blick vom Boden wendest, wirst Du die Galerie entdecken.
Benutzeravatar
El Schwalmo
 
Beiträge: 1938
Registriert: Do 12. Jul 2007, 16:33

Re: Vollmer und Albert sind gar keine Brights

Beitragvon darwin upheaval » Mo 14. Sep 2009, 17:55

El Schwalmo hat geschrieben:
darwin upheaval hat geschrieben:Das unterstellt Darwin upheaval nicht den Forschern,

wir hatten das schon oft genug. Wenn Du den Blick vom Boden wendest, wirst Du die Galerie entdecken.


Ja, die Galerie der Weihnachtsmänner.

Dass Du zum letzten Posting geschwiegen hast, zeigt mir nur, dass ich Recht habe. Ansonsten hast Du offenbar keine Argumente mehr. Immerhin haben sich auch schon professionelle Philosophen die Zähne an Dir ausgebissen.
Benutzeravatar
darwin upheaval
 
Beiträge: 159
Registriert: Fr 16. Mai 2008, 14:11

Re: Vollmer und Albert sind gar keine Brights

Beitragvon El Schwalmo » Mo 14. Sep 2009, 18:12

darwin upheaval hat geschrieben:Immerhin haben sich auch schon professionelle Philosophen die Zähne an Dir ausgebissen.

das ehrt Dich und zeigt, wie mutig Du bist.
Benutzeravatar
El Schwalmo
 
Beiträge: 1938
Registriert: Do 12. Jul 2007, 16:33

Re: Naturalismus – methodologisch vs. ontologisch

Beitragvon fritz-ferdinand » Sa 19. Sep 2009, 07:18

Mark hat geschrieben:Ich weiss solche Sachen ziemlich sicher wie zB, daß man sich Gedanken machen kann die prinzipiell nicht zielführend sein können weil sie sich um Fragen bzw Theorien drehen die unwissenschaftlich sind und nicht widerlegt werden können.


Nun, die Frage, welche Erkenntnisse sicher, fast sicher, oder unwahrscheinlich sind, oder nur falsch sein können, ist m.E. fast die grundlegendste wissenschaftliche Fragestellung, und somit ausgesprochen zielführend (Relativierung: es kommt natürlich auf das Ziel an :/ ).

Und es ist sehr wissenschaftlich, sich zu fragen, welche Ergebnisse in welcher Relevanz mit den vorhandenen Untersuchungsmöglichkeiten überhaupt zu erzielen sind. Selbst wenn man dadurch seine Betrachtungs- gewohnheiten mal durchdringend hinterfragen muss, oder?

Die Augen vor dem zumachen, was in das persönliche Betrachtungssystem nicht hineinpasst, das kennen wir doch von woanders her :mg:
fritz-ferdinand
 
Beiträge: 62
Registriert: Mo 17. Aug 2009, 13:34
Wohnort: Pfalz

Re: Naturalismus – methodologisch vs. ontologisch

Beitragvon Mark » Di 22. Sep 2009, 14:23

Man sollte halt keine Zeit und Energie verschwenden durch den endlosen Versuch Dinge zu analysieren von denen man nicht genug weiss oder die sich aufgrund der Fragenstellung einer Analyse/Beantwortung entziehen wie zB "könnte es sein, daß die Realität für uns völlig unerfahrbare Eigenschaften besitzt ?"
Benutzeravatar
Mark
 
Beiträge: 1683
Registriert: Do 30. Nov 2006, 18:19
Wohnort: München

Vorherige

Zurück zu Philosophie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 20 Gäste