Humanismus

Humanismus

Beitragvon xander1 » So 17. Jan 2010, 16:26

In der Wertediskussion hatten wir als neue Alternative zur religiösen Moral eine humanistische Wertesicht aufgefunden. Wobei Humanismus nicht total entgegengesetzt zu den Religionen steht, sondern sich auch religiöse Humanisten nennen können, obwohl ich mich frage wie das gehen soll, da es mir zumindest scheint, dass beides nicht vollkommen vereinbar ist.

Eine zentrale Frage, die ich mir dabei stelle ist, wie man sich als Humanist in der Welt und in seinem Umfeld anders verhält als der Durchschnittsmensch und der Religiöse. Es sind unterschiedliche Arten des Vernunftsdenken. Was macht einen Humansten aus?

Ist der Humanist besser angepasst an das moderne Leben, als der Christ, der sich an ein Buch hält aus einer Zeit in hauptsächlich Feldwirtschaft und Hirtenwesen stattfanden. Eigentlich müsste man das bejahen, jedoch frage ich mich wie das im Detail dann aussieht. Kann man sich Beispiele ausmalen? Mal rein hypothetisch gesponnen?

Es gibt schon eine Wertevakuum, wenn ein Religiöser seinen Glauben aufgibt, insbesondere als Zeuge-Jehova. Gibt es noch andere Alternativen zum Humanismus, die dieses Wertevakuum auffüllen könnten?

Ich finde, dass der Humanismus bisher in diesem Forum zu kurz gekommen ist. Es wurde oft geklärt was eigentlich Naturalismus ist und in Wikipedia finden sich nur wenige Hinweise darüber, was ein Naturalist für Werte hat und an Aussagen anderer kam in diversen Themen heraus, dass wir alle unterschiedliche anerzogene Werte haben. Doch mit so etwas wie dem Humanismus müsste es doch wieder eine Vereinheitlichung geben, insbesondere durch die universellen Menschenrechte.

Zumindest würde ein humanistischer Gläubiger viel weniger Nährboden für einen Fundamentalismus auffinden.

Ich denke, dass man als Naturalist kein Humanist automatisch ist, obwohl das schon behauptet wurde. Naturalisten bilden eigentlich eher eine Lobby für die Freiheit des persönlichen Gedankengutes, mit fast keinen Einschränkungen, außer denen dass einschränkende Systeme geblockt werden (Supras). Das könnte man im Entferntesten damit vergleichen, dass in unserer Demokratie demokratiefeindliche Tendenzen bekämpft werden. Ich denke, dass aber so etwas wie der Humanismus etwas einschränkendes ist, jedoch vernunftsbasierte Einschränkung. So ist das mit den Werten.
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Re: Humanismus

Beitragvon Myron » So 17. Jan 2010, 18:57

xander1 hat geschrieben:Ich finde, dass der Humanismus bisher in diesem Forum zu kurz gekommen ist.


Ein älterer Thread: viewtopic.php?f=29&t=2934
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Re: Humanismus

Beitragvon xander1 » Mo 18. Jan 2010, 12:55

Ich werde diesen Thread nochmal überlesen, aber ich habe diesen Text geschrieben mit diesem Thread im Hinterkopf. Ich denke trotzdem, dass der Humanismus eigentlich nicht zum Glauben gehört, wenn dann zu einem weniger fundamentalistischeren Glauben.
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Re: Humanismus

Beitragvon xander1 » Di 19. Jan 2010, 02:12

Also wenn die Brights ernsthaft daran interessiert sind einen Gegenpol zum Christentum zu bilden oder wenn sie größer werden wollen, dann kommen sie nicht am Humanismus vorbei.

Prediger sind deshalb so erfolgreich, weil sie die Werte predigen, die die Menschen hören wollen bzw. die Menschen wollen dass ihre Mitmenschen, die mit zur Predigt kommen das gesagt bekommen.

Deshalb werden Prediger unterstützt und deshalb sind monotheistische Lehren so populär.

Bisher stelle ich nur fest, dass Naturalismus nur ein Vakuum schafft als Gegenbewegung. Sicher gibt es Menschen, die da kein Vakuum besitzen, weil sie eigene Vorstellungen haben, aber die Brights verzichten auch auf Anziehungskräfte, wenn sie keine Werte vertreten.

Ist das nicht etwas komisch, gegen die Werte der Kirche zu sein und dann zu sagen, dass man auf seine eigenen Werte hören soll, anstelle verbindliche Vorstellungen anzubieten.

Was nützt es uns wenn jeder sich selbst seine Werte strickt. Dann braucht man keine oder es gibt nur einen Minimalkonsens, mit dem kaum jemanden geholfen ist.

Gegen das predigen von Werten bin ich, weil es zu einfach ist zu glauben, dass es besser ist. Aber Werte dienen auch der Identifikation. Ich finde, dass es als Bright wenig zur Identifikation gibt, außer dem Abgrenzen von religiösen Menschen.

Und wenn es nur das Abgrenzen gibt, dann ist man ständig darauf angewiesen zu polarisieren. Das sind eigentlich Methoden die Islamisten ganauso anwenden, ein Feindbild schaffen um Macht zu sichern oder um die Gruppe zusammenzuhalten.

Aber auf Dauer geht das auch nicht gut, denn es muss etwas geben, damit man sich zu den Brights zählt und nicht nur eine Abgrenzung.

Und eine Kanditat dafür ist der Humanismus. Keine Ahnung ob es noch andere Möglichkeiten gibt.

Man kann doch die Ideen des Humanismus modifiezieren für den Naturalismus.

Myron hat geschrieben:Sind die Brights etwa im Grunde nur ein Ableger der (amerikanischen) Humanisten?
Die Ähnlichkeiten zwischen den programmatischen Grundlegungen sind jedenfalls auffällig.
(Dass ich das nicht schon früher bemerkt habe ...)

Ich halte das für sehr sehr wahrscheinlich.
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Re: Humanismus

Beitragvon xander1 » Do 21. Jan 2010, 14:30

Also es muss einen Grund geben, warum niemand das Thema Humanismus diskutieren will. Ich denke ja dass es irgendwann dazu kommen wird und dass die Brights humanistisch werden und wenn sie es nicht werden, dann dient ihre Existenz wahrscheinlich indirekt dem Humanismus, was naheliegend ist, weil Gründer der Brights Humanisten sind und Chef-Atheisten sind es auch nicht selten.

Also bei der Frage wo das alles hinführen soll, stellt sich mir die Frage was das überhaupt genau ist, Humanismus. Dabei will ich nicht einfach von einer Webseite ablesen sondern ich möchte mir überlegen, wie es konkret aussehen würde in unserer Gesellschaft.

Ich habe kein negatives Bild vom Humanismus, aber möchte mal aus kritizistischer Sicht ein negatives Bild vom Humanismus erzeugen, als Zweck und Mittel ihn zu hinterfragen.

  • Es geht also um die Werte und Würde des einzelnen. Klingt erstmal nett. Bedeutet das also, dass das Ego eines Menschen einen höheren Wert erfährt und die Gesellschaft einen geringeren. Es folgt also ein Egozentrismus, eine Ich-Bezogenheit der Menschen.
  • Die Gewaltfreiheit dient den besitzenden und arbeitenden und erfolgreichen Menschen.
  • Toleranz dient der Ausbreitung der Kultur als Aufgeschlossenheit und der Ausdehnung von Unternehmen im internationalen Markt.
  • Glück und Wohlergehen aller und des einzelnen sind Ziele, was nichts anderes bedeutet, als dass es keine Unterdrückung durch zu heftige Hierarchien existieren sollen. Dabei wird übersehen, dass es Feinseligkeiten und Konkurrenzkämpfe gibt. Insofern finde ich diese Idealvorstellung nicht ganz realistisch. Will der Humanismus also blind machen wie Religion?
  • Respekt der Würde bedeutet doch in der Realität dass Menschen unterschiedliche Würde genießen. Im Ganzen führt so eine Idealvorstellung nur dazu, dass Menschen hoher Würde nur noch mehr Würde genießen werden. Insofern ist dieses Ideal eine Aufwertung derer, die den Humanismus offen nach außen vertreten.
  • Dann zum Ideal der Bildung und freien Entfaltung: Klingt auch erstmal sehr schön. Aber was haben wir in unserer Gesellschaft für eine Situation? Man muss besser gebildet sein, als das es nötig ist um einen Job zu bekommen. Und zur Zeit als der Humanismus aufkam hatten auch nur wenige Menschen die Chance sich zu bilden. In einer Gesellschaft, in der jeder sich sehr bildet kann eher eine Bildungselite regieren. Und diese wird die Spielregeln der Gesellschaft eher so gestalten, dass intelligentere Menschen es leichter haben. Dann fragt es sich, ob man als nicht so intelligenter Mensch für den Humanismus sein soll.
  • Schöpferische Kraft soll sich also entfalten. Das bedeutet indirekt dass destruktive Kräfte zurückgehalten werden. Ich denke dass dies zu einem Ungleichgewicht führt. Das ist schon fast ein kleiner Pazifismus der dahinterzustecken scheint. Letztendlich bedeutet das nur eine Beweihräucherung aller schöpferischen Menschen und zu einer Abwertung der Abwehrkräfte, welcher auch immer. Ob das wirklich so gut ist?
  • Dann die Idealisierung der Freiheit des Menschen: Das bedeutet in der Praxis, dass der stärkere sich durchsetzt und der stärkere nur aus Mitleid dem schwächeren gibt. In sozialen Systemen gibt es dagegen einen Zwang Steuern zu zahlen, damit andere Alg2 bekommen. Und im Kommunismus wird die Freiheit sogar so weit eingeschränkt, dass der Schwache gleicher gestellt ist zu anderen Menschen als es heute der Fall ist.
  • Ich komme zu dem Punkt dass Humanismus besonders für eine größere elitäre Gruppe von Vorteil ist.

Naturalismus bedeutet schon indirekt die Anbetung von Wissenschaft und Bildung usw. und der Humanismus setzt das nur fort bzw. gab es den Humanismus ja schon vorher.

Insgesamt bedeutet Humanismus nur eine Machtverschiebung und man sollte sich fragen, wie man danach selbst aussieht.
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Re: Humanismus

Beitragvon Mark » Do 21. Jan 2010, 15:31

Das sind doch alles ausgeblichene Argumente.. es will niemand über Humanismus diskutieren, weil schon längst alles darüber gesagt wurde was nötig ist um jeden Vorwurf zu entkräften.
Der Humanismus leugnet nicht die Möglichkeit evtl mal bei irgendetwas falsch zu liegen und sich zu korrigieren. Und das unterscheidet ihn von allen anderen Systemen, fertisch.
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Re: Humanismus

Beitragvon stine » Do 21. Jan 2010, 17:54

Mark hat geschrieben:Der Humanismus leugnet nicht die Möglichkeit evtl mal bei irgendetwas falsch zu liegen und sich zu korrigieren.
Der Humanismus stellt genauso den Mensch in den Mittelpunkt, wie alle Religionen, die keine Naturreligionen sind, das tun. Und genau wie bei Religiösen sind auch auch Humanisten nicht bereit sich darin zu korrigieren.

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Re: Humanismus

Beitragvon xander1 » Do 21. Jan 2010, 23:29

Mark hat geschrieben:Das sind doch alles ausgeblichene Argumente.. es will niemand über Humanismus diskutieren, weil schon längst alles darüber gesagt wurde was nötig ist um jeden Vorwurf zu entkräften.... fertisch.

Wie oft wurden hier Themen wiederholt, dauernd! Evolution, was Naturalismus und ständig ermüdende Fragen über Gott und wie man ihn falsifizieren kann.

Über den Humanismus könnte man noch vieles sagen. Und das weißt du. Es muss schon einen Grund geben, warum das nicht diskutiert wird.

Es wurde immer nur etwas außerhalb über das Thema Naturalismus gesagt. Es wurde aber nie ausführlich darüber diskutiert was Humanismus beinhaltet.

Die giordano bruno stiftung möchte zumindest hin zu einem humanistischen Naturalismus.
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Re: Humanismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 21. Jan 2010, 23:54

Na gut, dann sage ich mal was dazu.

xander1 hat geschrieben:[*]Es geht also um die Werte und Würde des einzelnen. Klingt erstmal nett. Bedeutet das also, dass das Ego eines Menschen einen höheren Wert erfährt und die Gesellschaft einen geringeren. Es folgt also ein Egozentrismus, eine Ich-Bezogenheit der Menschen.

Nö, das folgt überhaupt nicht. Es folgt nur die schlichte Erkenntnis, dass niemand besser als der andere ist und dass eine Gesellschaft nur Sinn ergibt, wenn sie vom Einzelnen (möglichst vielen) akzeptiert wird. Eine Gesellschaft besteht nun mal aus einzelnen Menschen, nicht aus einem Einzelnen.

xander1 hat geschrieben:[*]Die Gewaltfreiheit dient den besitzenden und arbeitenden und erfolgreichen Menschen.

Dann geh' mal nach Somalia und frage den Mann auf der Straße, ob er das auch so sieht. Frage auch die Mächtigen dort, denen ist es sicher recht und nützlich, dass sie beliebig Gewalt ausüben können, ohne dass jemand, der weniger Macht hat, etwas dagegen tun kann.

xander1 hat geschrieben:[*]Toleranz dient der Ausbreitung der Kultur als Aufgeschlossenheit und der Ausdehnung von Unternehmen im internationalen Markt.

Und, ist jetzt böse oder wie oder was? Unternehmen phöse, nix Ausdehnung Unternehmen gutt?

xander1 hat geschrieben:[*] Glück und Wohlergehen aller und des einzelnen sind Ziele, was nichts anderes bedeutet, als dass es keine Unterdrückung durch zu heftige Hierarchien existieren sollen. Dabei wird übersehen, dass es Feinseligkeiten und Konkurrenzkämpfe gibt. Insofern finde ich diese Idealvorstellung nicht ganz realistisch. Will der Humanismus also blind machen wie Religion?

?

xander1 hat geschrieben:[*]Respekt der Würde bedeutet doch in der Realität dass Menschen unterschiedliche Würde genießen. Im Ganzen führt so eine Idealvorstellung nur dazu, dass Menschen hoher Würde nur noch mehr Würde genießen werden. Insofern ist dieses Ideal eine Aufwertung derer, die den Humanismus offen nach außen vertreten.

?

xander1 hat geschrieben:[*]Dann zum Ideal der Bildung und freien Entfaltung: Klingt auch erstmal sehr schön. Aber was haben wir in unserer Gesellschaft für eine Situation? Man muss besser gebildet sein, als das es nötig ist um einen Job zu bekommen. Und zur Zeit als der Humanismus aufkam hatten auch nur wenige Menschen die Chance sich zu bilden. In einer Gesellschaft, in der jeder sich sehr bildet kann eher eine Bildungselite regieren. Und diese wird die Spielregeln der Gesellschaft eher so gestalten, dass intelligentere Menschen es leichter haben. Dann fragt es sich, ob man als nicht so intelligenter Mensch für den Humanismus sein soll.

Wofür sollte der Deiner Meinung nach sein sollen?

xander1 hat geschrieben:[*]Schöpferische Kraft soll sich also entfalten. Das bedeutet indirekt dass destruktive Kräfte zurückgehalten werden. Ich denke dass dies zu einem Ungleichgewicht führt. Das ist schon fast ein kleiner Pazifismus der dahinterzustecken scheint. Letztendlich bedeutet das nur eine Beweihräucherung aller schöpferischen Menschen und zu einer Abwertung der Abwehrkräfte, welcher auch immer. Ob das wirklich so gut ist?

Was ist besser?

xander1 hat geschrieben:[*]Dann die Idealisierung der Freiheit des Menschen: Das bedeutet in der Praxis, dass der stärkere sich durchsetzt und der stärkere nur aus Mitleid dem schwächeren gibt. In sozialen Systemen gibt es dagegen einen Zwang Steuern zu zahlen, damit andere Alg2 bekommen. Und im Kommunismus wird die Freiheit sogar so weit eingeschränkt, dass der Schwache gleicher gestellt ist zu anderen Menschen als es heute der Fall ist.

Die grundlegende Frage ist immer die: wenn man kein System will, das alle und deren Willen einbezieht, wie erstellt man dann die geltenden Normen, auf welcher Grundlage? Ist man selber derjenige, der alles besser weiß als die anderen, der allen anderen vorschreiben kann, was sie zu tun haben? Auf welcher Grundlage aber entscheidet man das? Wieso, weshalb und warum kommt man zu dieser Ansicht?

xander1 hat geschrieben:[*] Ich komme zu dem Punkt dass Humanismus besonders für eine größere elitäre Gruppe von Vorteil ist.

Quark.

xander1 hat geschrieben:Insgesamt bedeutet Humanismus nur eine Machtverschiebung und man sollte sich fragen, wie man danach selbst aussieht.

Ja, die Frage nach der Macht ist die Entscheidende: wer sollte die haben und mit welcher Begründung? Und was, wenn die anderen die Begründung nicht einsehen? Was dann?
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Re: Humanismus

Beitragvon Nanna » Fr 22. Jan 2010, 00:17

AgentProvocateur hat geschrieben:
xander1 hat geschrieben:Insgesamt bedeutet Humanismus nur eine Machtverschiebung und man sollte sich fragen, wie man danach selbst aussieht.

Ja, die Frage nach der Macht ist die Entscheidende: wer sollte die haben und mit welcher Begründung? Und was, wenn die anderen die Begründung nicht einsehen? Was dann?

Nur so als Anregung, ich habe leider heute keine Zeit mehr mehr zu schreiben: Zu dem Thema würde ich "A Theory of Justice" von John Rawls empfehlen. Darin kommen zwei Grundsätze einer "Gerechtigkeit als Fairness" vor:

1. „Jede Person hat den gleichen unabdingbaren Anspruch auf ein völlig adäquates System gleicher Grundfreiheiten, das mit demselben System von Freiheiten für alle vereinbar ist.“
2. „Soziale und ökonomische Ungleichheiten müssen zwei Bedingungen erfüllen: erstens müssen sie mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die unter Bedingungen fairer Chancengleichheit allen offenstehen; und zweitens müssen sie den am wenigsten begünstigten Angehörigen der Gesellschaft den größten Vorteil bringen (Differenzprinzip).“

Die Begründung für diese beiden Sätze ist natürlich etwas länger, aber meiner Meinung nach ziemlich gut.
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Re: Humanismus

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 22. Jan 2010, 00:27

Ja, Rawls kenne ich und finde ich auch ziemlich gut und einleuchtend. Aber da kommt "Freiheit" vor und die findet xander1 ja weniger gut:

"Dann die Idealisierung der Freiheit des Menschen: Das bedeutet in der Praxis, dass der stärkere sich durchsetzt und der stärkere nur aus Mitleid dem schwächeren gibt."

Naja, ich bin wirklich sehr gespannt auf seine Alternative, die er ja ganz sicher in petto hat. Auf das, was er idealisiert.
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Re: Humanismus

Beitragvon ujmp » Fr 22. Jan 2010, 07:09

xander1 hat geschrieben:Also wenn die Brights ernsthaft ... Ich halte das für sehr sehr wahrscheinlich.

xander1, du bist ein Religiöser, der sich nicht vorstellen kann, dass jemand keine Religion hat. Deshalb unterstellst du erst, dass der Humanismus auch so etwas wie eine Religion sein müsse, und beklagst dich dann, dass der Humanismus gar nicht die Anforderungen einer Religion erfüllt.

Der Humanismus hat im Gegensatz zu den Religionen nicht einen Gott als Maßstab, sondern den Menschen selbst. Die christlichen Maßstäbe (ich meine jetzt nicht die heutzutage von Christen vereinnahmten Plagiate) sind zutiefts unmenschlich, weil sie an den Menschen einen Maßstab legen, den er nie erfüllen kann. Der Humanismus sagt nicht, wie ein Mensch sein muss, sondern beobachtet, wie er ist und versucht ihm zu seiner Entfaltung zu verhelfen. Insofern ist der Humanismus eher so etwas wie ein Forschungsprogramm.

Wenn du deine religiösen Maßstäbe an den Humanismus anlegst, wirst du nie mit ihm zufrieden sein.
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Re: Humanismus

Beitragvon xander1 » Fr 22. Jan 2010, 07:45

@ujmp:

Ich bin gegen Religion. Wenn du meinst, ich sei religiös, dann muss mich das nicht interessieren.

ujmp hat geschrieben:Deshalb unterstellst du erst, dass der Humanismus auch so etwas wie eine Religion sein müsse,

Der Humanismus ist keine Religion.

ujmp hat geschrieben:Insofern ist der Humanismus eher so etwas wie ein Forschungsprogramm.

Nein er ist nur indirekt sowas. In erster Linie ist er eine unstarre Weltsicht, die in der Praxis wie jede Weltsicht Starrheit erfährt, solange sich nicht offiziell etwas ändern in der Forschung.

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber da kommt "Freiheit" vor und die findet xander1 ja weniger gut:
"Dann die Idealisierung der Freiheit des Menschen: Das bedeutet in der Praxis, dass der stärkere sich durchsetzt und der stärkere nur aus Mitleid dem schwächeren gibt."

Aber Nanna hat ja geschrieben:
Nanna hat geschrieben:und zweitens müssen sie den am wenigsten begünstigten Angehörigen der Gesellschaft den größten Vorteil bringen (Differenzprinzip).“

Damit wäre es eigentlich wieder gut. Ansonsten wäre meine Alternative, ein Ausgleich, wie der der sozialen Marktwirtschaft. Soziale Gedanken finde ich im Humanismus weniger, sondern eher zielstrebige.

Ich habe ja am Anfang geschrieben, dass ich kein negatives Bild vom Humanismus habe. Ich wollte ihn nur hinterfragen und habe deshalb so viel negatives wie möglich an ihm gesucht und habe mich mit absicht da hineingesteigert.

AgentProvocateur:
Würde sollte eigentlich schon ein Grundwert sein. Sehe ich eigentlich auch so.
Gewaltfreiheit finde ich auch gut, aber es gibt auch Gewalt durch Worte, Intrige usw. und dazu ist da nix gesagt worden.
"Und, ist jetzt böse oder wie oder was? Unternehmen phöse, nix Ausdehnung Unternehmen gutt?"
Verstehe dein Deutsch nicht.
Deine Fragezeichen kannst du auch durch Fragen ersetzen.
AgentProvocateur hat geschrieben:Wofür sollte der Deiner Meinung nach sein sollen?

Man kann ein System ähnlich wie dem Humanismus entwickeln, das vornehmlich den Durchschnittsmenschen unterstützt und das weniger Politk für Intellektuelle macht, im Vergleich zum Humanismus.
AgentProvocateur hat geschrieben:Was ist besser?

Natürlich bin ich dafür dass sich die schöpferische Kraft entfaltet. Aber heutzutage hindert dich sowieso niemand daran. Dieses Gebot wurde z.B. durch Kunstunterricht noch weiter hervorgehoben.

Es geht also in vielen Geboten des Humanismusses nicht nur darum es einzuhalten, sondern es in noch größerem Umfang auszuweiten. Und da frage ich mich schon wohin das hinführt. Die humanistischen Gebote sind mit Absicht so verhalten formuliert.
AgentProvocateur hat geschrieben:wenn man kein System will, das alle und deren Willen einbezieht

So weit habe ich da gar nicht gedacht. Eigentlich will ich gar nicht die Freiheit einschränken. Ich habe sie nur hinterfragt.
AgentProvocateur hat geschrieben:Quark.

Ich korrigiere mich: Für Intellektuelle, Dissidenten, Künstler, auch teilweise für den Durchschnittsmenschen, für Demokraten, für gebildete Menschen. Ich wollte mit "Eliten" es nur versuchen es in irgendeine negative Richtung zu steuern.
AgentProvocateur hat geschrieben:Und was, wenn die anderen die Begründung nicht einsehen? Was dann?

Sage ich mal so: Wenn ich mal davon absehe, dass wir sowieso eine Form der Demokratie haben, wäre ich dafür dass der Durchschnittsmensch die Macht hat, der so durchschnittlich wie möglich ist. in der Praxis ist das aber nicht realisierbar.
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Re: Humanismus

Beitragvon ujmp » Fr 22. Jan 2010, 09:21

xander1 hat geschrieben:@ujmp:

Ich bin gegen Religion. Wenn du meinst, ich sei religiös, dann muss mich das nicht interessieren.

ujmp hat geschrieben:Deshalb unterstellst du erst, dass der Humanismus auch so etwas wie eine Religion sein müsse,

Der Humanismus ist keine Religion.

ujmp hat geschrieben:Insofern ist der Humanismus eher so etwas wie ein Forschungsprogramm.

Nein er ist nur indirekt sowas. In erster Linie ist er eine unstarre Weltsicht, die in der Praxis wie jede Weltsicht Starrheit erfährt, solange sich nicht offiziell etwas ändern in der Forschung.


Letzteres könnte passieren, solange Leute wie du rumaufen und meinen, der Humanismus ist nur eine Ersatzreligion und um als solche vollwertig zu sein, müsse er mehr religiöse Züge annehmen - das ist die Konsequenz aus dem was du voher gesagt hattest - wie du erkennst, Unfug.

Der Humanismus kalkuliert auch die Fehlbarkeit des Menschen ein, und damit die Fehlbarkeit seiner eigenen Maßstäbe. Wie man so schön sagt, "Irren ist menschlich.". Wenn der Humanismus darin "starr" ist, ist dies eigentlich das Gegenteil von Starrheit.

Du behauptest, dass du gegen Religion bist. Dein Gerede von festen Werten deutet aber darauf hin, dass du eine Religion suchst.
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Re: Humanismus

Beitragvon stine » Fr 22. Jan 2010, 12:14

ujmp hat geschrieben:Die christlichen Maßstäbe (ich meine jetzt nicht die heutzutage von Christen vereinnahmten Plagiate) sind zutiefts unmenschlich, weil sie an den Menschen einen Maßstab legen, den er nie erfüllen kann.
Da hat sich das Christentum die Aufgabe gestellt, den Menschen als Menschen zu erkennen und ihn mit Weitsicht auf sein Bestes zu trimmen und dann wird ihm vorgeworfen ein Plagiat zu sein. Erst klagt man über die Starre der Religionen und schafft eine Religion den Absprung aus ihrer Starre, dann ist es auch wieder nicht recht.

ujmp hat geschrieben:Der Humanismus hat im Gegensatz zu den Religionen nicht einen Gott als Maßstab, sondern den Menschen selbst.
Genau hier wäre eben das Problem des Humanismus. Der Mensch, mit all seinen Fehlern und Schwächen ist als Vorbild leider nicht geeignet.

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Re: Humanismus

Beitragvon ujmp » Fr 22. Jan 2010, 14:28

stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Der Humanismus hat im Gegensatz zu den Religionen nicht einen Gott als Maßstab, sondern den Menschen selbst.
Genau hier wäre eben das Problem des Humanismus. Der Mensch, mit all seinen Fehlern und Schwächen ist als Vorbild leider nicht geeignet.

Das stimmt, wenn man an dieses Vorbild den Anpsruch hat, den Christen an ihre Imaginaton haben. Einzelne Personen können sehr wohl Vorbild für mich sein, ohne dass ich sie vergöttere. An den Großen ist gerade ihre Fehlbarkeit oft das Interessante, weil sie zeigt, das man trotz Schwächen Großes leisten kann. Auch imaginäre Figuren aus der Literatur oder aus Filmen können Vorbildwirkung haben. Meinetwegen auch Jesus. Das sind aber Entscheidungen des persönlichen Geschmackes.

Wer sagt denn, dass wir ein unfehlbares Vorbild brauchen? Es scheint mir so, dass Christen denken, der Humanismus wolle die Religion ersetzen. Das ist nicht so, er benötigt sie nur nicht und bemüht sich unter Umständen um ihre Abschaffung. Im Grunde möchtest du (wie xander) eine Religion haben und kritisierst am Humanismus, dass er keine Religion ist.

Humanismus kann allerdings zur Ideologie werden, von Ideologie halte ich aber genau so wenig, wie von Religion.
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Re: Humanismus

Beitragvon stine » Fr 22. Jan 2010, 15:11

ujmp hat geschrieben:Im Grunde möchtest du (wie xander) eine Religion haben und kritisierst am Humanismus, dass er keine Religion ist.
Was Xander möchte, weiß ich nicht. Ich habe nur Bedenken, wenn eine Gesellschaft keinerlei Richtschnur mehr hat und sich alles zurechtbiegt, wie es der Einzelfall gerade benötigt, dass dann Willkür und Chaos die Welt beherrschen.
ujmp hat geschrieben:Humanismus kann allerdings zur Ideologie werden, ...
Dann wäre er, genau wie Religion eine tragfähige Gesellschaftsordnung und nur dann machte er Sinn. Müsste aber dann auch überall und jederzeit gepredigt werden.

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Re: Humanismus

Beitragvon ujmp » Fr 22. Jan 2010, 16:42

Stine, Du solltest ruhig etwas mehr Vertrauen in das Wesen des Menschen haben. Er wird nicht plötzlich zum Tier, bloß weil ihm keiner mehr sagt, wie er Mensch sein soll. Es sieht sogar eher nach dem Gegenteil aus.

Die größten Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts wurden mit hohem Grad der Ordnung und sehr festen Wertvorstellungen durchgeführt. Ideologien hätten uns, als sich der Ostblock und der Westblock unerbittlich gegenüberstanden, beinahe in den Abrund gestürzt. Ein ähnliches Szenario war der Dreißigjährige Krieg. Das Problem waren dabei nicht Chaos oder Willkür, sondern das Gegenteil: Mangel an Vielfalt.

Es gibt eine Richtschnur, das ist die Vernunft. Niemand will bestohlen werden, deshalb wird Stehlen von allen verurteilt. Das "Du sollst nicht stehlen" ist eine Vernunftentscheidung. Mehr Richtschnur brauchen wir nicht. Die Gesetze unserer Gesellschaft reglen Konflikte ausreichend. Sie sind aber nicht starr, sondern werden vernunftgemäß angepasst - wobei natürlich auch Fehler passieren können.
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Re: Humanismus

Beitragvon xander1 » Fr 22. Jan 2010, 23:13

ujmp hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Deshalb unterstellst du erst, dass der Humanismus auch so etwas wie eine Religion sein müsse,

Der Humanismus ist keine Religion.

Nee du bist nur zu blöd mich zu verstehen. Ich versuche dir das die ganze Zeit zu erklären. Und du unterstellst mir die ganze Zeit lauter Dinge.
ujmp hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Insofern ist der Humanismus eher so etwas wie ein Forschungsprogramm.
xander1 hat geschrieben:Nein er ist nur indirekt sowas. In erster Linie ist er eine unstarre Weltsicht, die in der Praxis wie jede Weltsicht Starrheit erfährt, solange sich nicht offiziell etwas ändern in der Forschung.


Letzteres könnte passieren, solange Leute wie du rumaufen und meinen, der Humanismus ist nur eine Ersatzreligion und um als solche vollwertig zu sein, müsse er mehr religiöse Züge annehmen - das ist die Konsequenz aus dem was du voher gesagt hattest - wie du erkennst, Unfug.

Ja was du schreibst ist Unfug. Ich habe nichts von Ersatzreligion geschrieben. Und Humanismus kann religiöse Züge annehmen. Denn es gibt auch Christlichen Humanismus, aber das hat nichts mit vollwertig zu tun. Und das ist keine Konsequenz daraus. Du verstehst nur nicht was ich schreibe, weil du es nicht verstehen willst.

ujmp hat geschrieben:Der Humanismus kalkuliert auch die Fehlbarkeit des Menschen ein, und damit die Fehlbarkeit seiner eigenen Maßstäbe. Wie man so schön sagt, "Irren ist menschlich.". Wenn der Humanismus darin "starr" ist, ist dies eigentlich das Gegenteil von Starrheit.

Jedes Weltbild, das meint nicht starr zu sein, erfährt Starrheit. Weil es immer Köpfe gibt, die daran festhalten. Manche Dinge kann man nicht Falsifizieren, darunter einiges im Naturalismus, vieles im Humanismus, jede Art der Forderung lässt sich nicht falsifizieren und in vielen anderen Weltbildern ist das auch so. Das bedeutet, dass Dinge notgedrungen weiterhin starr sind und sich daran nichts ändert. Das liegt daran, dass man etwas falsifizieren können muss, wenn man meint dass die Fehlbarkeit des Menschen und des Weltbildes erlaubt ist.

ujmp hat geschrieben:Du behauptest, dass du gegen Religion bist. Dein Gerede von festen Werten deutet aber darauf hin, dass du eine Religion suchst.

Für feste Werte braucht man keine Religion. Der Humanismus hat feste Werte egal ob diese in Frage gestellt werden dürfen oder nicht und egal ob sich der Humanismus mit der Zeit ändert. Er wird sich nicht ins Gegenteil bewegen. Genauso wird aus dem Naturalismus nicht irgendwann ein Supranaturalismus, weil Naturalismus definiert ist.

Weltbilder basieren IMMER auf Dingen die fest sind. Aber du scheinst das nicht zu kapieren. Es ist egal wie sich die Macher eines Weltbildes darum bemühen es unstarr zu halten. Und es scheint ein schlaues Täuschungsmanöver zu sein zu behaupten, dass ein Weltbild völlig unstarr ist. Es kann nur in Teilen unstarr sein.
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Re: Humanismus

Beitragvon Mark » Sa 23. Jan 2010, 00:06

Ich finde der spannendste Aspekt der Humanismusdebatte ist immer noch der Vorwurf er tauge nur für die geistig Reichen.
Dieser Vorwurf ist meiner Meinung nach der nachhaltigste und, paradox wie die Welt nun mal so ist, auch das stärkste Argument FÜR den Humanismus.
Die Nobeldisco "Humanism" ist halt nunmal ein Selbstläufer ;-)

Allerdings.. wen Religion das Opium fürs Volk war, dann ist der reine Humanismus leider auch nicht mehr als das Mineralwasser... ein bisserl spinnen muss wohl auch sein.. was wäre denn eine weichere Droge als Religion ..? Das Ganja fürs Volk, analog dazu... ?
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