Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Mo 2. Aug 2010, 20:48

smalonius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Oder anders gesagt, die Mathematik kann mit diskontinuierlichen Erscheinungen gar nichts anfangen (was nicht heißt, dass es diese nicht gibt).

Reihen und Folgen sind meines Wissens Stoff der zwölften Klasse. ;-) Computermathematik ist ebenfalls diskontinuierlich.

Lass uns nicht über Definitionen diskutieren. "2+2=4" wäre doch eine völlig sinnlose Aussage, wenn man nicht davon ausgehen könnte, das diese drei Ziffern eine kontinuierliche Bedeutung hätten. Genau so ist es mit der Aussage "Die Zeichen A,B,C können genau so viele Permutationen bilden, wie die Zeichen X,Y,Z". Wenn es nicht eine konstante Beziehung zwischen Anzahl der Elemente und der Anzahl der Permutationen gäbe, wäre diese Aussage sinnlos. Nenne mir doch mal ein Beispiel, wo die Mathematik etwas ausrechnet, ohne von einer Kontinuität auszugehen!
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon smalonius » Di 3. Aug 2010, 17:16

ujmp hat geschrieben:Damit ist m.E. gemeint, dass sich der Fluss ständig verändert, während deine Vorstellung von ihm aber etwas Konstantes ist. Unsere Gedanken operieren mit Eigennamen, als ob sie sich auf etwas Konstantes beziehen. Wenn die Gedanken tatsächlich Abbilder wären, müssten sie m.E. auch die diachronische Komponente abbilden. Sie sind aber nur Code. Aber jedesmal, wenn du die Elbe auf eine neue Weise siehst, wird der Code aktualisiert.

Ich lebe in einer Donaustadt, keine hundert Meter von der Donau entfernt.

Mal steigt der Fluß, mal sinkt er. Und an den Uferhäusern finden sich Hochwassermarken aus den verschiedenen Jahrhunderten.

ujmp hat geschrieben:Nenne mir doch mal ein Beispiel, wo die Mathematik etwas ausrechnet, ohne von einer Kontinuität auszugehen!

Hehe, schönes Mißverständnis. :mg:

Wenn du "Kontinuität" sagst, meinst du "hat eine unwandelbare Bedeutung."
Ich habe "Kontinuität" als mathematischen Fachausdruck gelesen für eine stetige Kurve.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Di 3. Aug 2010, 18:27

smalonius hat geschrieben:Wenn du "Kontinuität" sagst, meinst du "hat eine unwandelbare Bedeutung."
Ich habe "Kontinuität" als mathematischen Fachausdruck gelesen für eine stetige Kurve.


Du hast das Missverständnis missverstanden (= Missverständnis²). :mg:

Dachte mir schon dass du das Gegenstück von "stetig" meinst. Ich meinte aber nicht die Bedeutung von Wörtern, sondern eine Konstanz in der Wirklichkeit. Wenn die Gravitation nicht konstant wäre, gäbe es kein Fallgesetz und die Springbrunnen würden dir nicht die Freude machen, mir eine Wurfparabel vorzutanzen.

Sobald du anfängst etwas mit Hilfe von Zahlen zu berechnen, setzt du vorraus, dass die Einheiten konstant bleiben, während du rechnest. Wenn du die Mitte von deinem Tisch ausrechnen willst, bist du darauf angewiesen, dass seine Länge konstant bleibt, nachdem du sie gemessen hast. Oder wenn du beim Würfeln die Wahrscheinlichkeit ausrechenen willst, wie oft auf 100 Würfe eine Sechs kommt, hat diese Rechnerei nur Sinn, wenn irgendeine Konstante der Natur (was auch immer "Zufall" ist) auf den Würfel wirkt. Denkbar wäre ja auch, dass man 99 Einsen und eine Drei würfelt. Die Gesetzmäßigkeiten der Statistik setzen also ebenfalls eine Kontinuität voraus. Immer wenn wir "Gesetz" sagen, meinen wir Kontinuität. Dem gegenüber kannst du nicht ausrechnen, wie die Namen des Liebespaares sind, dass seit jetzt -bing!- als erstses knutschend vor dem Eifelturm stehen wird.

Seien wir doch mal ehrlich, die Welt sieht doch eher so aus:

Bild

Nix mit Parabel! :mg: Wenn wir eine Parabel sehen, sehen wir etwas, worauf eine Schablone passt, deren Komplexität unsere Gehirnlein gerade so bewältigen. Dann erkennen wir uns, und nicht die Welt. Ein paar Beulen mehr in der Kurve - und schon denken wir, sie hätte keine Regel.


Kennt jemand "Lokalteremin" von Stanislaw Lem? Da haben sie einen Supercomputer, der die politische Entwicklung in anderen Sternensystemen vorherberechnet - nützlich wegen der langen Reiszeit: Man will ja wissen, wie die anderen drauf sein werden, wenn man in 20 Jahren ankommt. ;-)
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon smalonius » Do 5. Aug 2010, 17:19

ujmp hat geschrieben:Dachte mir schon dass du das Gegenstück von "stetig" meinst. Ich meinte aber nicht die Bedeutung von Wörtern, sondern eine Konstanz in der Wirklichkeit. Wenn die Gravitation nicht konstant wäre, gäbe es kein Fallgesetz und die Springbrunnen würden dir nicht die Freude machen, mir eine Wurfparabel vorzutanzen.

Wenn das g in s = 1/2gt² auch von t abhängt, dann baut man das halt ein ins Fallgesetz.

ujmp hat geschrieben:Bild

Nix mit Parabel! :mg:

Sag sowas nicht. Es gab eine lange Debatte, ob man die Echtheit von Jackson Pollocks Gemälden durch mathematische Analysen bestätigen könne.

Rollicking pollock debate

In 1999 and 2000, University of Oregon physicist Richard Taylor and colleagues proposed in high profile scientific publications such as Nature, Physics World, Scientific American and Plus that fractal analysis could be used to discriminate between a Pollock drip painting and one by an impersonator.

It seemed that by 2006 public interest in the matter had waned, but this changed when Taylor was invited by the Pollock-Krasner Foundation to determine the authenticity of paintings found by Alex Matter, a close friend of Pollock's, who claimed that the paintings were created by Pollock. Taylor claimed, using his criteria for determining if a painting is by Pollock, that they were not indeed Pollock paintings.

http://plus.maths.org/content/rollicking-pollock-debate


Ein typischer Pollock ist dein Bilderlink übrigens nicht, jedenfalls für mein Auge, der geraden schwarzen Linien wegen. Mein Auge schreit FÄLSCHUNG! ;-)



Und noch einmal auf's Threadthema zurück. Vergleichen wir Mathematik mit Musik. Der Vergleich hinkt insofern, daß es in der Musik keinen Beweis gibt. Der Vergleich stimmt insofern, daß Sowohl Musik als auch Mathematik eine formale Notation besitzen, die im Kopf (Klang-)Bilder realer Ereignisse hervorrufen.

Das Da-Da-Da-Daaaaa aus Beethovens Fünfter zum Beispiel. Das ist nicht mal in Noten geschrieben, trotzdem werden die Meisten wissen, was ich meine.

Ist eine Oktave, ein Akkord, eine Kadenz jetzt etwas reales, etwas abstraktes oder etwas fiktives? Ich weiß es nicht.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Do 5. Aug 2010, 19:08

smalonius hat geschrieben: Wenn das g in s = 1/2gt² auch von t abhängt, dann baut man das halt ein ins Fallgesetz.

Bringt nur was, wenn g kontinuierlich von t abhängt.

Rollicking pollock debate ...


Gut möglich dass das geht. Was aber nicht geht ist, vorher auszurechnen, was rauskommen wird, wenn der Maler fertig ist.

Bild

Vielleicht könnte man einen Roboter so programmieren, dass er einen täuschend echten Pollock malt, sogar dreimal hintereinander exakt das gleiche Bild. Dann hätte man aber das Bild in dem Sinne nicht vorhergesehen sondern vorherbestimmt - man hätte die Zukunft geregelt.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Sa 7. Aug 2010, 16:09

Bild

"Oberschwingungen" könnten ein Hinweis sein, das Zahlen etwas Physikalischen repräsentieren. Die Abbildung ist zwar nur Schematisch, aber prinzipiell ist es so, dass die Frequenzen um so stärker zusammen schwingen, je einfacher ihr Zahlenverhältnis ist.
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