Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik
Verfasst: Sa 19. Jun 2010, 23:15
Ausgehend von der Nebendiskussion über das Wesen der Mathematik im Thread Naturalismus, Wissenschaft und Erkenntnistheorie, habe ich ordnungshalber eine Liste der möglichen mathematikphilosophischen Standpunkte erstellt. (Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie vollständig ist.)
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0. PHILOSOPHIEN DER MATHEMATIK:
1. REALISMUS:
Der mathematische Diskurs handelt von existenten, realen Objekten.
1.1 NICHTREDUKTIVER REALISMUS = PLATONISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind (geist- und sprachunabhängige) abstrakte Objekte (oder Eigenschaften), und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Objekten (oder Eigenschaften).
1.1.1 ANTE-RES-STRUKTURALISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind (geist- und sprachunabhängige) abstrakte Strukturen, und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Strukturen.
1.2 REDUKTIVER REALISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind nichtabstrakte, konkrete Objekte (oder Eigenschaften), und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Objekten (oder Eigenschaften).
1.2.1 PSYCHOLOGISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind mentale Objekte, und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Objekten.
1.2.1.1 IDEALISMUS (KONZEPTUALISMUS):
Die Objekte der Mathematik existieren, sind aber geistabhängig und geisterzeugt ("Ideen").
1.2.1.1.1 KONSTRUKTIVISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind mentale Konstrukte, und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Konstrukten.
1.2.1.1.1.1 INTUITIONISMUS
1.2.2 PHYSIKALISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind physische Objekte, und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Objekten.
1.2.2.1 IN-REBUS-STRUKTURALISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind physische Strukturen, und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Strukturen.
1.2.3 LINGUISTIZISMUS (SPRACHFORMALISMUS):
Die Objekte der Mathematik sind linguistische Objekte, und mathematische Sätze und Theorien handeln (metasprachlich—vom Sprechen über Zahlen zum Sprechen über Zahlwörter) von solchen Objekten.
2. ANTIREALISMUS = NOMINALISMUS:
Der mathematische Diskurs handelt nicht von existenten, realen Objekten.
2.1 FIKTIONALISMUS:
Mathematische Sätze und Theorien handeln von abstrakten Objekten und sind falsch, weil es solche Objekte nicht gibt.
2.2 MEINONGIANISMUS:
Mathematische Sätze und Theorien handeln von abstrakten Objekten und sind wahr, obwohl es solche Objekte nicht gibt.
2.3 LUDIZISMUS (SPIELFORMALISMUS):
Mathematische Sätze und Theorien handeln von keinen (bestimmten) Objekten und sind weder wahr noch falsch.
2.3.1 DEDUKTIVISMUS
2.4 PARAPHRASISMUS:
Mathematische Sätze und Theorien können so umformuliert werden, dass sie nicht mehr die Existenz abstrakter Objekte implizieren.
2.4.1 "WENN-DANN-ISMUS":
Beispiel: "3 ist eine Primzahl" wird umformuliert zu "Wenn es Zahlen gäbe, dann wäre 3 eine Primzahl".
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Auf den ersten Blick scheint es so zu sein, dass nur der mathematische Platonismus, d.i. der nichtreduktive mathematische Realismus, mit dem (ontologischen) Naturalismus grundsätzlich unvereinbar ist, was wiederum heißt, dass sowohl der reduktive mathematische Realismus als auch der mathematische Antirealismus damit vereinbar scheinen. (Dass Letzterer naturalismuskompatibel ist, versteht sich ja von selbst.)
"Platonism about mathematics (or mathematical platonism) is the metaphysical view that there are abstract mathematical objects whose existence is independent of us and our language, thought, and practices. Just as electrons and planets exist independently of us, so do numbers and sets. And just as statements about electrons and planets are made true or false by the objects with which they are concerned and these objects' perfectly objective properties, so are statements about numbers and sets. Mathematical truths are therefore discovered, not invented."
———
"Der Platonismus in Bezug auf die Mathematik (oder der mathematische Platonismus) ist die metaphysische Ansicht, dass es mathematische Objekte gibt, deren Existenz von uns und unserer Sprache, unserem Denken und Handeln unabhängig ist. Genauso wie Elektronen und Planeten unabhängig von uns existieren, so auch Zahlen und Mengen. Und genauso wie Aussagen über Elektronen und Planeten von den Objekten, von denen sie handeln, und den vollkommen objektiven Eigenschaften dieser Objekte wahr oder falsch gemacht werden, so auch Aussagen über Zahlen und Mengen. Mathematische Wahrheiten werden demnach entdeckt, nicht erfunden."
[© meine Übers.]
(http://plato.stanford.edu/entries/platonism-mathematics)
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0. PHILOSOPHIEN DER MATHEMATIK:
1. REALISMUS:
Der mathematische Diskurs handelt von existenten, realen Objekten.
1.1 NICHTREDUKTIVER REALISMUS = PLATONISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind (geist- und sprachunabhängige) abstrakte Objekte (oder Eigenschaften), und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Objekten (oder Eigenschaften).
1.1.1 ANTE-RES-STRUKTURALISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind (geist- und sprachunabhängige) abstrakte Strukturen, und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Strukturen.
1.2 REDUKTIVER REALISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind nichtabstrakte, konkrete Objekte (oder Eigenschaften), und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Objekten (oder Eigenschaften).
1.2.1 PSYCHOLOGISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind mentale Objekte, und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Objekten.
1.2.1.1 IDEALISMUS (KONZEPTUALISMUS):
Die Objekte der Mathematik existieren, sind aber geistabhängig und geisterzeugt ("Ideen").
1.2.1.1.1 KONSTRUKTIVISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind mentale Konstrukte, und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Konstrukten.
1.2.1.1.1.1 INTUITIONISMUS
1.2.2 PHYSIKALISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind physische Objekte, und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Objekten.
1.2.2.1 IN-REBUS-STRUKTURALISMUS:
Die Objekte der Mathematik sind physische Strukturen, und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Strukturen.
1.2.3 LINGUISTIZISMUS (SPRACHFORMALISMUS):
Die Objekte der Mathematik sind linguistische Objekte, und mathematische Sätze und Theorien handeln (metasprachlich—vom Sprechen über Zahlen zum Sprechen über Zahlwörter) von solchen Objekten.
2. ANTIREALISMUS = NOMINALISMUS:
Der mathematische Diskurs handelt nicht von existenten, realen Objekten.
2.1 FIKTIONALISMUS:
Mathematische Sätze und Theorien handeln von abstrakten Objekten und sind falsch, weil es solche Objekte nicht gibt.
2.2 MEINONGIANISMUS:
Mathematische Sätze und Theorien handeln von abstrakten Objekten und sind wahr, obwohl es solche Objekte nicht gibt.
2.3 LUDIZISMUS (SPIELFORMALISMUS):
Mathematische Sätze und Theorien handeln von keinen (bestimmten) Objekten und sind weder wahr noch falsch.
2.3.1 DEDUKTIVISMUS
2.4 PARAPHRASISMUS:
Mathematische Sätze und Theorien können so umformuliert werden, dass sie nicht mehr die Existenz abstrakter Objekte implizieren.
2.4.1 "WENN-DANN-ISMUS":
Beispiel: "3 ist eine Primzahl" wird umformuliert zu "Wenn es Zahlen gäbe, dann wäre 3 eine Primzahl".
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Auf den ersten Blick scheint es so zu sein, dass nur der mathematische Platonismus, d.i. der nichtreduktive mathematische Realismus, mit dem (ontologischen) Naturalismus grundsätzlich unvereinbar ist, was wiederum heißt, dass sowohl der reduktive mathematische Realismus als auch der mathematische Antirealismus damit vereinbar scheinen. (Dass Letzterer naturalismuskompatibel ist, versteht sich ja von selbst.)
"Platonism about mathematics (or mathematical platonism) is the metaphysical view that there are abstract mathematical objects whose existence is independent of us and our language, thought, and practices. Just as electrons and planets exist independently of us, so do numbers and sets. And just as statements about electrons and planets are made true or false by the objects with which they are concerned and these objects' perfectly objective properties, so are statements about numbers and sets. Mathematical truths are therefore discovered, not invented."
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"Der Platonismus in Bezug auf die Mathematik (oder der mathematische Platonismus) ist die metaphysische Ansicht, dass es mathematische Objekte gibt, deren Existenz von uns und unserer Sprache, unserem Denken und Handeln unabhängig ist. Genauso wie Elektronen und Planeten unabhängig von uns existieren, so auch Zahlen und Mengen. Und genauso wie Aussagen über Elektronen und Planeten von den Objekten, von denen sie handeln, und den vollkommen objektiven Eigenschaften dieser Objekte wahr oder falsch gemacht werden, so auch Aussagen über Zahlen und Mengen. Mathematische Wahrheiten werden demnach entdeckt, nicht erfunden."
[© meine Übers.]
(http://plato.stanford.edu/entries/platonism-mathematics)