Utilitarismus und Präferenzutilitarismus

Ich habe das mal aus dem Thread 'Baby ohne Gehirn darf nicht abgetrieben werden.. ' hier rüberkopiert, weil das zu dem Thema dort OT wäre.
Nein. s.u.
Wir können uns selber einen Sinn suchen. Die Zeit so angenehm wie möglich zu verbringen mag nun eine Möglichkeit sein. Aber das ist ja nicht zwingend die einzige. Man könnte sich z.B. auch auf die Suche nach Erkenntnis begeben. Oder man könnte Kinder bekommen und die aufziehen. Vielleicht möchte man autonom sein, selbstständig, (auch wenn das mehr Leid und weniger Glück ergibt, als wenn man einfach blind einer 'höheren Macht' [was auch immer das sei, Gott, die Wissenschaft, die Natur, einem Führer, einer beliebigen anderen Autorität] gehorcht). Vielleicht legt man Wert auf Gerechtigkeit. Oder eine Kombination aus all diesem. Das nun irgendwie auf 'Erlangen von Glück' und / oder 'Vermeidung von Leid reduzieren zu wollen, scheint mir eine unzulässige Vereinfachung zu sein.
Leute sind für ihre Überzeugungen gestorben, wie passt das mit Glückerhöhung und Leidvermeidung zusammen?
Und: wäre 'Vermeidung von Leid' das einzige Ziel, wäre es rational, alle Lebewesen, die Leid empfinden können, schnell und schmerzlos zu töten. Damit hätte man alles künftige Leid zuverlässig verhindert. Kommt nun noch 'Erlangen von Glück' hinzu, dann wäre es das Rationalste, eine Glücks-Droge zu entwickeln, die Leidempfindung gänzlich ausschaltet und Glücksgefühle erzeugt. Die anderen zu ihrem Glück zu zwingen, auch wenn sie das gar nicht wollen, (weil das dann ja moralisch richtig wäre).
Mir scheint 'Selbstverwirklichung (Autonomie)', ein viel grundlegender Wert zu sein als Glückserlangung und Leidvermeidung - insbesondere dann, wenn vorgeschrieben wird, was man gefälligst unter 'Glück' und 'Leid' verstehen soll, die also als irgendwie objektiv gültige Werte proklamiert werden.
Der Präferenz-Utilitarismus scheitert mE schon an seiner Prämisse:
Wieso sollte das schlichte Vorhandensein eines Interesses automatisch eine moralische Verpflichtung für andere bedeuten? Mir erscheint das als eine wenig plausible Setzung, wenn man sich konkrete Beispiele überlegt.
Es gibt Interessen, die selber unmoralisch sind, (z.B. Rassismus), und die mE daher weder berücksichtigt, noch ausgeglichen werden müssen. Die also missachtet, sogar evtl. bekämpft werden sollten.
Und es gibt Interessen, die schlicht moralisch für Dritte irrelevant sind, keinen moralischen Anspruch beinhalten. Z.B.: A will Sex mit B (oder C oder D oder...). B (oder C oder D oder ...) muss das mE jedoch weder berücksichtigen, noch einen Ausgleich schaffen, (obwohl Sexualität in der Maslowschen Bedürfnispyramide ganz zentral ist).
Ich halte die Prämisse, ein Vorliegen irgend einen Interesses, egal welches, begründe schon automatisch einen moralischen Anspruch gegenüber Dritten, schlicht für falsch. Und damit ist mE der Präferenzutilitarismus schon von Vorneherein erledigt.
Dass letztlich alle Wünsche / Bedürfnisse etc. irgendwie auf Interessen beruhen, ist halbwegs trivial, wenn man 'Interesse' passend definiert. Dennoch ist die Grundprämisse des Präferenzutitlitarismus mE nicht richtig, die folgt keineswegs daraus, (zumindest wüsste ich nicht, wieso).
(Und dann gibt es bei Singer übrigens noch zusätzlich einen ganz grundlegenden Punkt, an dem seine Ethik von Vorneherein scheitert. Nämlich die Behauptung, alle Interessen müssten gleich gelten, man sei moralisch dazu verpflichtet, einen Standpunkt einzunehmen, der von sich selber vollkommen abstrahiert. Das halte ich ebenso für wenig plausibel. Ich bin mE z.B. nicht moralisch verpflichtet, mein Leben oder das meines Kindes für Deines (oder für Deine Familie oder das Volk oder whatever) zu opfern, völlig gleichgültig, wieviel Leid das verhindert oder wieviel Glück das erzeugt. Eine Ethik, die solches ernsthaft verlangt, aus deren Prämissen das folgt, halte ich für schlicht fehlerhaft. Ich sehe keinen Grund, warum ich die akzeptieren könnte, das verletzt mE schlicht diejenige Grundlage, auf der eine Ethik für ein Individuum annehmbar sein könnte - nämlich die Anerkennung meiner Individualität und somit die Nicht-Aufrechenbarkeit des Individuums. Aber vielleicht möchte man ja gar keine Ethik, die von anderen akzeptiert wird, sondern eine, die 'objektiv wahr' ist. Und zieht daraus dann die Rechtfertigung zu einem beliebigen Paternalismus. Das könnte auch sein. Nur leider gibt es nun mal keine 'objektiv wahre' Ethik.)
Nanna hat geschrieben:Unser ganzes Verhalten ist auf das Erlangen von Glück und Zufriedenheit und das Vermeiden von Leid ausgelegt.
Nein. s.u.
Nanna hat geschrieben:Was können wir in einer natürlichen Welt, die uns keinen letzten Sinn anbietet, anderes tun, als die Zeit, die uns zur Verfügung steht, so angenehm wie möglich zu verbringen [...]
Wir können uns selber einen Sinn suchen. Die Zeit so angenehm wie möglich zu verbringen mag nun eine Möglichkeit sein. Aber das ist ja nicht zwingend die einzige. Man könnte sich z.B. auch auf die Suche nach Erkenntnis begeben. Oder man könnte Kinder bekommen und die aufziehen. Vielleicht möchte man autonom sein, selbstständig, (auch wenn das mehr Leid und weniger Glück ergibt, als wenn man einfach blind einer 'höheren Macht' [was auch immer das sei, Gott, die Wissenschaft, die Natur, einem Führer, einer beliebigen anderen Autorität] gehorcht). Vielleicht legt man Wert auf Gerechtigkeit. Oder eine Kombination aus all diesem. Das nun irgendwie auf 'Erlangen von Glück' und / oder 'Vermeidung von Leid reduzieren zu wollen, scheint mir eine unzulässige Vereinfachung zu sein.
Leute sind für ihre Überzeugungen gestorben, wie passt das mit Glückerhöhung und Leidvermeidung zusammen?
Und: wäre 'Vermeidung von Leid' das einzige Ziel, wäre es rational, alle Lebewesen, die Leid empfinden können, schnell und schmerzlos zu töten. Damit hätte man alles künftige Leid zuverlässig verhindert. Kommt nun noch 'Erlangen von Glück' hinzu, dann wäre es das Rationalste, eine Glücks-Droge zu entwickeln, die Leidempfindung gänzlich ausschaltet und Glücksgefühle erzeugt. Die anderen zu ihrem Glück zu zwingen, auch wenn sie das gar nicht wollen, (weil das dann ja moralisch richtig wäre).
Mir scheint 'Selbstverwirklichung (Autonomie)', ein viel grundlegender Wert zu sein als Glückserlangung und Leidvermeidung - insbesondere dann, wenn vorgeschrieben wird, was man gefälligst unter 'Glück' und 'Leid' verstehen soll, die also als irgendwie objektiv gültige Werte proklamiert werden.
Nanna hat geschrieben:Auch wenn Peter Singer dank der ganzen Tierrechtsdiskussionen hier sicherlich ein heißes Eisen im Form ist, finde ich die Grundidee seines Präferenzutilitarismus, jetzt mal bitte auf den Menschen beschränkt für diese Diskussion (!), durchaus wert, mal ein paar Gedanken dran zu verschwenden.
Der Präferenz-Utilitarismus scheitert mE schon an seiner Prämisse:
Präferenzutilitarismus hat geschrieben:Fällt die Präferenz mit der Auswirkung der Handlung zusammen, ist die Handlung moralisch gut. Missachtet der Handelnde die Präferenz eines Wesens, so muss er notwendigerweise einen Ausgleich dafür finden (etwa durch die Beförderung einer entgegengesetzten Präferenz in höherem Maße), da die Handlung andernfalls moralisch schlecht ist.
Wieso sollte das schlichte Vorhandensein eines Interesses automatisch eine moralische Verpflichtung für andere bedeuten? Mir erscheint das als eine wenig plausible Setzung, wenn man sich konkrete Beispiele überlegt.
Es gibt Interessen, die selber unmoralisch sind, (z.B. Rassismus), und die mE daher weder berücksichtigt, noch ausgeglichen werden müssen. Die also missachtet, sogar evtl. bekämpft werden sollten.
Und es gibt Interessen, die schlicht moralisch für Dritte irrelevant sind, keinen moralischen Anspruch beinhalten. Z.B.: A will Sex mit B (oder C oder D oder...). B (oder C oder D oder ...) muss das mE jedoch weder berücksichtigen, noch einen Ausgleich schaffen, (obwohl Sexualität in der Maslowschen Bedürfnispyramide ganz zentral ist).
Ich halte die Prämisse, ein Vorliegen irgend einen Interesses, egal welches, begründe schon automatisch einen moralischen Anspruch gegenüber Dritten, schlicht für falsch. Und damit ist mE der Präferenzutilitarismus schon von Vorneherein erledigt.
Dass letztlich alle Wünsche / Bedürfnisse etc. irgendwie auf Interessen beruhen, ist halbwegs trivial, wenn man 'Interesse' passend definiert. Dennoch ist die Grundprämisse des Präferenzutitlitarismus mE nicht richtig, die folgt keineswegs daraus, (zumindest wüsste ich nicht, wieso).
(Und dann gibt es bei Singer übrigens noch zusätzlich einen ganz grundlegenden Punkt, an dem seine Ethik von Vorneherein scheitert. Nämlich die Behauptung, alle Interessen müssten gleich gelten, man sei moralisch dazu verpflichtet, einen Standpunkt einzunehmen, der von sich selber vollkommen abstrahiert. Das halte ich ebenso für wenig plausibel. Ich bin mE z.B. nicht moralisch verpflichtet, mein Leben oder das meines Kindes für Deines (oder für Deine Familie oder das Volk oder whatever) zu opfern, völlig gleichgültig, wieviel Leid das verhindert oder wieviel Glück das erzeugt. Eine Ethik, die solches ernsthaft verlangt, aus deren Prämissen das folgt, halte ich für schlicht fehlerhaft. Ich sehe keinen Grund, warum ich die akzeptieren könnte, das verletzt mE schlicht diejenige Grundlage, auf der eine Ethik für ein Individuum annehmbar sein könnte - nämlich die Anerkennung meiner Individualität und somit die Nicht-Aufrechenbarkeit des Individuums. Aber vielleicht möchte man ja gar keine Ethik, die von anderen akzeptiert wird, sondern eine, die 'objektiv wahr' ist. Und zieht daraus dann die Rechtfertigung zu einem beliebigen Paternalismus. Das könnte auch sein. Nur leider gibt es nun mal keine 'objektiv wahre' Ethik.)