Argumente für den Naturalismus

Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon platon » So 6. Feb 2011, 22:34

Grotemson hat geschrieben:Wer harte popperianische Falsifizierbarkeit als Auswahlkriterium akzeptiert, muss sich von der String-Theorie, weiten Teilen der Evolutionstheorie und überhaupt weiten Teilen der theoretischen Physik verabschieden.

Das ist natürlich Unsinn! Die Tatsache, dass z.B. die Evolutionstheorie nicht verifizierbar ist, führt dazu, dass sie immer noch Theorie heißt. Sie wäre aber millionenfach zu falsifizieren, was merkwürdigerweise aber bis dato nicht gelungen ist.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » So 6. Feb 2011, 23:03

Grotemson hat geschrieben:Aber dann ist doch Naturalismus wirklich nichts Anderes als Materialismus.


Die einen sagen ja, die anderen sagen nein.
Es gibt sogar Leute, die meinen, der metaphysische Naturalismus wäre mit dem metaphysischen Idealismus vereinbar. Oft wird der "Obernaturalist" Quine erwähnt, der nolens volens die Existenz abstrakter Mengen anerkannte. Dabei wird jedoch ebenso oft übersehen, dass Quine weniger ein ontologischer Naturalist denn ein ontologischer Szientist war, den das platonistische Indispensability Argument überzeugte.

"Naturalism has always been associated with two related projects, both of which have roots in antiquity. The first project is that of trying to conduct all of one's philosophical theorizing in accord with the methods and results of the natural sciences. The second is that of trying to understand the world as much as possible in terms compatible with materialist assumptions."

(Rea, Michael C. World Without Design: The Ontological Consequences of Naturalism. New York: Oxford University Press, 2002. pp. 22-3)

Grotemson hat geschrieben:Aber wenn du sagen willst, dass die Abwesenheit von Beweisen für X den Glauben an dessen Nichtexistenz rechtfertigt oder auch nur wahrscheinlicher macht, dann musst du mir diese Relation schon genauer beschreiben, denn diese Aussage würde ich klar leugnen; ich kenne keine Epistemologie, die eine deartige Rechtfertigungsstruktur plausibel machen könnte.


Es kommt darauf an. Ein argumentum ad ignorantiam ist nicht immer unzulässig.

"[T]he ad ignorantiam argument is not always fallacious, and it is misleading to call it a fallacy. ... [T]he ad ignorantiam is a plausible, if weak, form of reasoning, depending on the context. ... If the conclusion of the argument is phrased in strong terms—for example, using the term 'definitely' or 'conclusively'—then that is a sign that the argument could be fallacious. If the conclusion is phrased as a plausible presumption, however, and the context of dialogue supports it, then these are signs that the argument from ignorance may be reasonable (nonfallacious). ... In short, then, as a weak (plausible) form of argument, an ad ignorantiam argument can sometimes be nonfallacious. It depends on the context. But the argument from ignorance can become weak or erroneous when it is taken as a stronger form of argument than the evidence warrants."

(Walton, Douglas N. Informal Logic: A Handbook for Critical Argumentation. Cambridge: Cambridge University Press, 1989. pp. 45-6)

Grotemson hat geschrieben:Aber ontologisch reduziert heißt nichts anderes als: Aus dem Repertoire existierender Dinge entfernt.


Nein, es besteht ein Unterschied zwischen einer eliminativen und einer konservativen Reduktion:

1. ER: Es gibt keine Xe, sondern nur Ye.

2. KR: Es gibt Xe, aber sie sind Ye.

"Central to the concept of reduction evidently is the idea that what has been reduced need not be countenanced as an independent existent beyond the entities in the reduction base—that if X has been reduced to Y, X is not something 'over and above' Y. From an ontological point of view, reduction must mean reduce—it must result in a simpler, leaner ontology. Reduction is not necessarily elimination: reduction of X to Y need not do away with X, for X may be conserved as Y (or as part of Y). Thus, we can speak of 'conservative' reduction (some call it 'retentive' or 'preservative' reduction), reduction that conserves the reduced entities, as distinguished from 'eliminative' reduction, which rids our ontology of the reduced entities. Either way we end up with a leaner ontology. Evidently, conservative reduction requires identities, for to conserve X as Y means that X is Y, whereas eliminative reduction has no need for (in fact, excludes) such identities."

(Kim, Jaegwon. "Making Sense of Emergence." In: Jaegwon Kim, Essays in the Metaphysics of Mind, 8-40. Oxford: Oxford University Press, 2010. pp. 20-1)

Grotemson hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Ja, aber der Satz "Es gibt psychische Phänomene und sie sind physische Phänomene" ist keineswegs inkonsistent.

Ob das wirklich so konstruiert werden kann, dass es nicht inkonsistent ist, frage ich mich.


Der Satz ist genauso logisch unproblematisch wie der Satz "Es gibt Hunde und sie sind Säugetiere".
Die Menge der Hunde ist eine Teilmenge der Menge der Säugetiere, und analog kann man sagen, dass die Menge der psychischen Phänomene eine Teilmenge der Menge der physischen Phänomene ist.

Grotemson hat geschrieben:Ich hatte weiter oben festgestellt, dass "physisch" bei dir immer so klingt, als sei es mit materiell gleichzusetzen. Wenn das stimmt, und wenn du einerseits zugestehst, dass Bewusstsein offensichtlich etwa Geistiges ist, dann scheint da doch ein offensichtlicher Widerspruch zu herrschen: Geistiges ist Materielles.


Das Adjektiv "physisch" ist deshalb vorzuziehen, weil es missverständlich wirken kann, wenn man von materiellen Eigenschaften spricht. Denn Eigenschaften bestehen natürlich nicht aus Atomen, sind nicht räumlich ausgedehnt, und haben keine Masse oder Energie (sie sind ja selbst Massen oder Energien).

Wie gesagt, "Psychische Vorgänge sind physische Vorgänge" ist analog zu z.B. "Finanzielle Vorgänge sind ökonomische Vorgänge".

Grotemson hat geschrieben:Das bringt mich zu meiner Annahme zurück, dass Naturalismus wohl entweder trivial oder materialistisch zu verstehen sein muss. Wenn du den psychischen Phänomenen Existenz zugestehst, dann gibt es keinen Widerspruch mehr zu Dualisten(nur noch zu einer Form des Theismus, aber wie gesagt: Sonderfall). Wenn du ihnen keine Existenz zugestehst, dann musst sie entweder ontologisch abhängig machen, was ich für begrifflich leer halte, denn dann müsste man wieder bestimmte Seinsarten postulieren, oder du musst sie eliminieren, und zwar auf das, was übrig bleibt: Materielles.


Ein Physikalist, der die Realität psychischer Phänomene anerkennt, muss meiner Meinung nach zumindest einen intraphysikalischen Eigenschaftsdualismus anerkennen, der zwischen objektiven physischen ("physiophysischen") Eigenschaften und subjektiven bzw. subjektiv-objektiven physischen ("psychophysischen"/"phänophysischen") Eigenschaften unterscheidet. Dem Physikalismus nach sind letztere von ersteren abhängig und sie werden von diesen "realisiert" und "supervenieren" im starken ontologischen Sinne darüber.

Der naturalistische Eigenschaftsdualismus à la David Chalmers wird von den meisten nicht mehr als eine Variante des Materialismus angesehen, weil ihm zufolge die psychischen Eigenschaften nicht ontologisch, sondern nur nomologisch, d.i. mit naturgesetzlicher Notwendigkeit, über physischen Eigenschaften supervenieren. Nomologische Supervenienz erlaubt u.a. Zombie-Szenarien, ontologische Supervenienz dagegen nicht.

http://plato.stanford.edu/entries/supervenience

http://plato.stanford.edu/entries/zombies

(Anmerkung: Ich verwende die Bezeichnungen "Materialismus" und "Physikalismus" unterschiedslos.)

Grotemson hat geschrieben:Ich glaube, ich gehöre zum instrumentalistischen Lager, wenn das bedeutet, dass ich sage, dass wissenschaftliche Theorien gute Werkzeuge sind, um bestimmte Phänomene zu beschreiben, das aber noch nichts mit Wahrheit zu tun hat.


So einer bist du also… ;-)

"Instrumentalism: View about science according to which theories should be seen as (useful) instruments for the organisation, classification and prediction of observable phenomena. The 'cash value' of scientific theories is fully captured by what theories say about the observable world. Instrumentalism comes in different forms: syntactic and semantic: Syntatic instrumentalism treats the theoretical claims of theories as syntactic-mathematical constructs which lack truth-conditions, and hence any assertoric content. It comes in two varieties: eliminative and non-eliminative. The non-eliminative variety (associated with Duhem) takes it that one need not assume the existence of an unobservable reality behind the phenomena, nor that science aims to describe it, in order to do science and to do it successfully. Eliminative instrumentalism takes a stronger view: theories should not aim to represent anything 'deeper' than experience, because, ultimately, there is nothing deeper than experience (an unobservable reality) for the theories to represent. Faced with the challenge that theoretical assertions seem meaningful and aim to describe an unobservable reality, eliminative instrumentalists have appealed to Craig's theorem to defend the view that the theoretical vocabulary is eliminable en masse and hence that the question of whether they can refer to unobservable entities is not even raised. Semantic instrumentalism takes theoretical statements to be meaningful but only in so far as (and because) they are fully translatable into assertions involving only observational terms. If theoretical statements are fully translatable, they end up being nothing but disguised talk about observables, and hence they are ontologically innocuous: they should not be taken to refer to unobservable entities, and hence they license no commitments to them. The prime problem of syntactic instrumentalism is that it fails to explain how scientific theories can be empirically successful, especially when it comes to novel predictions. If theories fail to describe (even approximately) an unobservable reality, it is hard to explain why theories can be, as Duhem put it, 'prophets for us'. The prime problem with semantic instrumentalism is that theories have excess content over their observational consequences in that what they assert cannot be fully captured by what theories say about the observable phenomena. It is noteworthy that attempts to translate theoretical terms into observational ones have all patently failed."

(Psillos, Stathis. Philosophy of Science A–Z. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2007. pp. 123-24)
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » So 6. Feb 2011, 23:07

Grotemson hat geschrieben:Was genau heißt denn hier, ontisch abhängig zu sein? Man stelle sich einen Baum vor. Die Bedingungen dafür, dass der Baum existieren kann, sind die richtigen Bodenverhältnisse, richtigen Wetterverhältnisse usw. Aber würde man deswegen sagen, dass der Baum ontisch von diesen Bedingungen abhängt? Wenn dem so ist, beginnt ein Regress, denn dann ist jedes Ding ontisch abhängig von zehn weiteren, die ihrerseits wieder ontisch von anderen abhängen.
Offensichtlich tangieren derlei Bedingungen doch nicht die Existenz eines Dinges. Sie bedingen zwar die Instanziierung selbst, aber nicht die Eigenschaft, instanziiert zu sein, was mein Existenzbegriff ist(Nach Kant und Frege. Oft genannt: Second-order-property view, weil demnach Existenz eine Eigenschaft zweiter Ordnung ist). Deine Formulierung scheint eher Instanzen mit einander in Abhängigkeit zu stellen, aber nicht die Eigenschaften, instanziiert zu sein. Die Frage ist dann aber, inwiefern Instanzen, also Entitäten existenziell abhängig sein können. Mit welcher empirischen Theorie füllt man denn dann hier die logische Form? Kausalität?
Die Formulierung mit den möglichen Welten würde ich des Weiteren einem Naturalisten nicht empfehlen, sofern er kein trivialer Naturalist ist(siehe meinen längeren Beitrag). Denn wenn ontische Abhängigkeit erst besteht, wenn sie in allen möglichen Welten gegeben ist, dann kann man sicher nicht behaupten, dass Geistiges von Materiellem(Oder Physischem? was ist der Unterschied?) ontisch abhängt. Immerhin gibt es mindestens eine mögliche Welt, in der es nur Geistiges gibt, und nichts Physisches.


Das sollte ein Materialist und wohl auch ein Naturalist bestreiten. Ist eine Welt, worin der mentalistische Immaterialismus, kurz Mentalismus, wahr ist, eine natürliche Welt? Eine Welt, worin nur Gott existiert, wäre eine solche Welt, was bedeutet, dass Materialisten/Naturalisten nicht nur die Tatsächlichkeit, sondern auch die Möglichkeit der Existenz Gottes leugnen müssten.

Ich halte es aus materialistischer/naturalistischer Sicht jedenfalls für kaum vermeidbar zu behaupten, dass es in keiner möglichen Welt Dinge gibt, die psychische Eigenschaften besitzen, aber keine (intrinsischen) physischen Eigenschaften. Die Annahme der ontologischen Abhängigkeit schließt diese Möglichkeit aus, die Annahme der bloß nomologischen Abhängigkeit dagegen nicht. In letzterem Fall kann in der wirklichen Welt nichts psychische Eigenschaften besitzen, ohne zugleich physische Eigenschaften zu besitzen; aber es gibt andere mögliche Welten mit anderen Naturgesetzen, worin dies vorkommt.

Genetische Abhängigkeit (Entstehungsabhängigkeit bzw. Fortbestehungsabhängigkeit) hat etwas mit kausalen Beziehungen zu tun, ontologische Abhängigkeit dagegen nicht. Was diese nichtkausale Beziehung betrifft, so kommen als Relata Dinge (einzelne Dinge oder Arten von Dingen), Eigenschaften oder Sachverhalte infrage.

http://plato.stanford.edu/entries/depen ... ntological
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » So 6. Feb 2011, 23:45

Grotemson hat geschrieben:Wenn du aus naturalistischen Motiven pur geistige Welten ablehnst, dann möchte ich gerne deine Begründung hören.


Siehe meine Beiträge in viewtopic.php?f=5&t=3712 und http://www.the-brights.net/forums/forum ... opic=11547.

Diese richten sich hauptsächlich gegen die Möglichkeit rein psychischer Substanzen, aber ich bezweifle auch die Möglichkeit rein psychischer Prozesse, die substanz- oder substratlos sind. Ich halte eine absolut subjektive Welt, worin nichts existiert außer reinen Bewusstseinszuständen oder -vorgängen, nichts außer reinen Erlebnisflüssen, d.h. nichts außer "freischwebenden" Empfindungen, Gefühlen, Stimmungen, Gedanken und Vorstellungen, nicht für stimmig denkbar. Denn Erlebnisse setzen einen Erleber voraus, d.i. ein von ihnen verschiedenes Subjekt. Ein Erlebnis kann selbst nichts erleben; eine Empfindung empfindet nichts, ein Gefühl fühlt nichts, ein Gedanke denkt nicht und eine Vorstellung stellt sich nichts vor. Das heißt, Erlebnisse können nicht ihre eigenen Subjekte sein; sie sind also von von ihnen verschiedenen Erlebnissubjekten seinsabhängig. Ein erleberloses Erleben ist wie ein gesichtsloses Grinsen.
Ist eine Welt vorstellbar, worin nichts existiert außer einer depressiven Stimmung?
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » So 6. Feb 2011, 23:48

Mark hat geschrieben:Du bist es der das Gegenteil beweisen muss, denn Du postulierst ja eine Existenz von soetwas.


Die Frage nach der wirklichen Existenz von etwas ist eine Sache und die Frage nach der möglichen Existenz von etwas eine andere.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Mark » Mo 7. Feb 2011, 01:30

Socken und Schuhe trage ich oft gleichzeitig ;-)
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon stine » Mo 7. Feb 2011, 08:10

Myron hat geschrieben:Ist eine Welt vorstellbar, worin nichts existiert außer einer depressiven Stimmung?

Das wäre ja schrecklich! Man könnte gar nichts dagegen tun :erschreckt:
Wenn wir schon solche Vorstellungen bemühen müssen, warum kann es dann nicht auch eine gute Stimmung sein?
Ist eine Welt vorstellbar, worin nichts existiert außer einer fröhlichen Stimmung? :^^:

LG stine
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Mark » Mo 7. Feb 2011, 15:31

Unsere Welt besteht augenscheinlich nur aus Energie, sonst nix. Vielleicht ist das was wir Energie nennen in einem anderen Universum Schlagsahne ?
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » Mo 7. Feb 2011, 19:22

Mark hat geschrieben:Vielleicht ist das was wir Energie nennen in einem anderen Universum Schlagsahne ?
Noch ein stück erdbeerkuchen mit 4 Volt bitte! Nein, Gleichstrom, sonst werd ich dick ;)
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Grotemson » Di 8. Feb 2011, 23:30

Myron hat geschrieben:(Wenn man "Alles existiert" als "Alles Existente existiert" liest, dann ist es tautologisch wahr; aber wenn unter "alles" auch alle intentionalen Objekte fallen, dann ist es falsch, denn nicht alle intentionalen Objekte sind existent.)

Ist Intensionalität für dich dann auch nicht relational? Anders gefragt: Wie soll ich mich intensional auf Etwas beziehen können, wenn es nicht existiert?(Das war ja das alte Problem der negativen Existenzaussagen mit Eigennamen, das Russel dann im logischen Atomismus "gelöst" hat).

Myron hat geschrieben:Fangen wir noch mal mit der Raumzeitwelt an. Dem Naturalismus nach ist diese die ganze Welt, außerhalb deren nichts existiert: RZ-Welt = Welt. Nun kommt es also entscheidend darauf an, was innerhalb der Raumzeitwelt vorkommt oder geschieht. Ist die materiell-energetische, physische Teilraumzeitwelt mit ihrem produktiven Potenzial und ihren aktuellen Produkten (Emergenzphänomenen) mit der ganzen Raumzeitwelt identisch oder nicht? Der (materialistische) Naturalismus sagt ja: MERZ-Welt = RZ-Welt. Insgesamt haben wir also:

Metaphysischer Naturalismus: Welt = RZ-Welt = MERZ-Welt

Das ist eine metaphysische These und keine Definition! Das heißt, aus "ist Teil der RZ-Welt" folgt nicht per definitionem "ist Teil der MERZ-Welt". Mit anderen Worten, nicht alles, was innerhalb der RZ-Welt vorkommt oder geschieht, ist allein deshalb Teil der MERZ-Welt. Ein Fisch, der im Wasser schwimmt, ist nicht Teil des Wassers. In der RZ-Welt herumspukende Geister, darin geschehende Wunder, oder darin ausgeübte übernatürliche Fähigkeiten wären nicht Teil der MERZ-Welt, und zwar auch dann nicht, wenn Übernatürliches mit Natürlichem interagieren würde.

Gut, dann frage ich anders: Welches sind Kriterien, die etwas Teil von MERZ werden lassen? Immerhin muss MERZ ja klar bestimmt und wohl definiert sein, auch wenn es- wie du sagst- keine Definition des Naturalismus(aber doch integraler Bestandteil einer solchen) ist.
Dass es keine allgemeingültige Definition gibt, ist mir schon klar. Ich würde mir in dem Bezug dann ein paar Fragen betreffend der Gruppenkohärenz stellen, aber das wäre ein anderer Thread.


Myron hat geschrieben:Ich habe "übernatürliche Entität" als "hyperphysische Entität" und dies wiederum als "physische Entität oder von physischen Entitäten ontisch und genetisch abhängige Entität" definiert. Wenn die MERZ-Welt imstande ist, aus sich heraus psychische oder gar abstrakte Entitäten hervorzubringen, die davon seinsabhängig sind und bleiben, dann betrachte ich diese als natürliche Entitäten. Derartige psychische Entitäten sind psychophysische Entitäten, d.i. physische Entitäten mit einer subjektiven, phänomenellen Dimension, deren Realität kein Naturalist bestreiten sollte. Ich frage mich aber, wie ein physischer oder psychophysischer Prozess irgendwelche abstrakten Entitäten produzieren könnte. Darauf habe ich noch keine verständliche Antwort gefunden, denn es erscheint metaphysisch unmöglich, dass Produkte einer fundamental, radikal anderen ontologischen Kategorie angehören als ihre Produzenten. Andererseits sehe ich gewisse Gründe, zumindest die Existenz kultureller Abstrakta anzuerkennen. Dabei geht es um linguistische oder semiotische Typen, d.h. um Zeichentypen, und Kulturprodukte wie literarische Texte, musikalische Kompositionen oder Spiele (z.B. Schach), bei denen zwischen einem abstrakten Typ und konkreten Exemplaren unterschieden werden kann.

Ich warte mit einer ausführlichen Antwort hierauf, bis ich die Zugehörigkeitskriterien für MERZ gehört habe, aber ich glaube dann sind wir wieder bei der trivialen Lesart. Deine Konstruktion von ontischer und genetischer Abhängigkeit given for the sake of the argument, befänden sich doch jetzt immer noch Naturgeister und Ähnliches in MERZ, denn viele von denen stehen ja tatsächlich in ontischer Abhängigkeit zu "physischen" Entitäten. Wenn ich Bäume fälle, sterben die Baumgeister. Lawaströme poduzieren Feuergeister. Das gibt es alles(als kulturelle Glauben, nicht als Entitäten). Ich glaube kaum, dass du die in MERZ willst.
Aber wie gesagt ist mir ontische Abhängigkeit noch nicht klar. Wenn man es naiv versteht, ist alles von Etwas abhängig und man gerät in einen Regress. Wenn man es nicht naiv versteht, dann scheint es einen Existenzbegriff zugrunde zu legen, den ich nicht teile.
Außerdem habe ich ja schon abgeraten, eine Notwendigkeitsklausel einzuführen, weil man dann Gefahr läuft, dass nie etwas ontisch abhängig ist.

Myron hat geschrieben:Ich bin zwar kein Physiker, aber davon habe ich noch nicht gehört. Beispiel? (Reduktion von Materie auf abstrakte Information?)

Ich bin auch kein Physiker. Ich habe aber ein Buch und einige Aufsätze dieses Herrn(siehe link) gelesen, die die These vertreten. Wenn ich es genauer erklären sollte, bräuchte ich etwas Zeit, um mich wieder in die Materie(Ha ha) einzuarbeiten.
Leider zieht der Mann auch philosophische Konsequenzen aus seiner Arbeit, die ich eher mau finde.
http://en.wikipedia.org/wiki/Hans-Peter_D%C3%BCrr

Myron hat geschrieben:Eigentlich ist "wissenschaftlicher Skeptizismus" eine treffendere Bezeichnung als "wissenschaftlicher Antirealismus", findest du nicht?

Nein, finde ich nicht. Ich zweifle ja nicht an der Objektivität der wissenschaftlichen Methode oder an ihrer Fähigkeit der Erklärung. Ich zweifle nicht an "der Wissenschaft", sondern habe einfach ein anderes Bild von theoretischen Konstrukten und ihrem Zusammenhang zur Realität.

Myron hat geschrieben:Mein Wahrheitsverständnis ist das korrespondenztheoretische. Und ich akzeptiere das Wahrmacher-Prinzip: Wenn ein Satz wahr ist, dann gibt es etwas in der Wirklichkeit, das ihn wahr macht (im nichtkausalen Sinn).

Das entspricht meinen Verständnis.(Off Topic: Kennst du das Slingshot-Argument?) Interessant wäre jetzt zu hören, wie du deinen Glauben daran rechtfertigst, dass es auch tatsächlich die Wahrmacher(Ich weiß nicht, ob du Tatsachen, Strukturen, states of affairs oder was du annimmst) zu den entsprechenden Theorien gibt, wo wir doch epistemisch keinen Zugang zu ihnen haben, um die Korrespondenzrelation nachzuprüfen. Müsste diese Tatsache nicht eigentlich jeden Korrespondenztheoretiker wenigstens zum Antirealismus hinneigen?

Myron hat geschrieben:Die scheint auch nicht klar definierbar zu sein, oder?

Klar genug, um die Position aufrecht erhalten zu können. Natürlich gibt es Randbereiche und an denen muss man arbeiten, aber auf Vagheiten stößt man bei vielen Begriffen über kurz oder lang.

Myron hat geschrieben:Ein radikaler Skeptiker müsste aber eigentlich selbst die Angemessenheit wissenschaftlicher Theorien anzweifeln; denn woher will er wissen, dass sich eine angemessene Theorie nicht irgendwann im Lichte neuer Beobachtungen als unangemessen erweisen wird?

Deswegen bin ich auch ein Skeptiker, der sich vor der Pragmatizität(vorausgesetzt es gibt dieses Wort) der Wissenschaft verbeugt und ihre wunderbare Fähigkeit der (momentan) angemessenen Beschreibung bewundert. In der Tat kann diese Angemessenheit im Lichte neuer Beobachtungen schnell schwinden; dann müssen neue Ideen her und die Wissenschaftsgeschichte ist wiederum voll von Beispielen dieser Art. Aber gerade diese Dynamik macht ja das besondere- und ich würde sogar sagen das genuin objektive- an der wissenschaftlichen Methode aus. Gerade dass sie in einer stetigen theoretischen Veränderung begriffen ist, die nicht teleologisch auf de Erklärung von allem hinausläuft, macht ja ihren Reiz aus. Ich bin hier tendenziell sogar auf der Seite von Kuhn und würde mich ebentuell dazu hinreißen lassen, dass die Entwicklung der Wissenschaften nicht linear in Richtung "höchster Wahrheit" läuft, sondern vielleicht eher in Zyklen zu einer Pluralität an Beschreibbarkeit.

Myron hat geschrieben:Ich habe inzwischen das Gefühl, wir sind unnötigerweise schon zu tief in den Sumpf der Realismus-Antirealismus-Debatte eingesunken.
Die Ausgangsfrage kann nämlich auch ohne realistische Voraussetzungen gestellt werden:

Ist die Wahrscheinlichkeit des ontologischen Naturalismus unter der Bedingung, dass nur der methodologische Naturalismus zu angemessenen und sehr erfolgreichen wissenschaftlichen Theorien geführt hat, höher als dessen Wahrscheinlichkeit ohne diese Bedingung?

Ich sage ja, zumal es ja keinen methodologischen Supernaturalismus als Konkurrenten gibt, der zu gleichermaßen angemessenen und erfolgreichen Theorien geführt hat.

Das Gefühl habe ich auch. Aber ich bestehe doch darauf, dass wir uns berechtigterweise in den Sumpf begeben haben, denn ich glaube, dass das ursprüngliche Argument nur mithilfe des wissenschaftlichen Realismus Kraft hat. Wenn du deine im Zitat gestellte Frage sozusagen im Bezugssystem dieses Argumentes( Wissenschaft erfolgreich. Naturalismus ont. Deutung vin Wissenschaft. Ergo Nat. richtig)stellst, dann: Mit der von mir geforderten Einschränkung(keine Wahrheit, nur empirische Angemessenheit) ist über die Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit des Naturalismus keine Aussage zu treffen. Wohl aber- und das würde ich auch nie leugnen- kann der Erfolg wissenschaftlicher Methode in der pragmatischen Anwendung zugegeben werden. Aber ich würde eben sagen, dass diese zuerst mal frei ist, von notwendigen ontologischen Annahmen.
Wie ich den Naturalismus bisher verstehe, nimmt er ja die Kulmination aller bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnis, zieht daraus ontologische Konsequenzen und plädiert dann für deren Wahrheit angesichts des praktischen Erfolgs der Methode, die die Erkenntnisse hervor gebracht hat, die gedeutet werden.
Erstens ist ohne wissenschaftlichen Realismus dann nur gezeigt, dass der Nat. gut zu den Ergebnissen passt, nicht aber ob diese wahr sind, zweitens ist auch die Kulmination der Ergebnisse deutungsvariant. Das heißt- den Realismus zugegeben, was ich nicht zugebe- bleibt immer noch, dass man verschiedene Schlüsse aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen oder ihrer Summe ziehen kann. Das merkt allein daran, dass sehr starke theistische Argumente auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen(wie du weiter unten ja auch feststellst. Swinburne, Plantinga und Craig argumentieren sehr gerne mit fine tuning- und Urknall-argumenten).
Grob ausgedrückt musst du also zwei Zusatzprämissen einführen:
1. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungs sind deutungsinvariant
2. Der wissenschaftliche Realismus ist wahr.
Erstens ist meiner Meinung nach ziemlich trivial falsch und zweitens hat eine Schlacht mit nicht einmal ansatzweise definitiven Ende vor sich.

Myron hat geschrieben:Beispiel?

Zusammenhang: Du wolltest ein Beispiel für Theorien die von übernatürlichen Annahmen ausgehen und trotzdem erfolgreich waren. Ich hatte ja da den ziemlich berühmten Artikel von Larry Laudan zitiert. Jetzt kannst du, wenn ich ein Beispiel nenne, wohl immer irgendwie sagen, das sei doch keine übernatürliche Annahme, weil ich das Wort "natürlich" ganz ehrlich immer noch nicht verstanden habe(vielleicht bessert sich das, sobald ich Zugehörigkeitskriterien für MERZ habe!), aber ich versuch trotzdem. Ein sehr prominentes Beispiel ist die "Phlogiston-Theorie der Verbrennung", die annimmt, es gäbe eine masselose ätherartige Substanz namens Phlogiston, die beim Erwärmen von Gegenständen irgendwie in die Materie eindränge und beim Verbrennen entweiche und die unsichtbar sei.

Myron hat geschrieben:Denke an die Äquivalenz von "Es gibt nichts Nichtnatürliches" und "Alles, was es gibt, ist natürlich"!
Die negative Bestimmung entspricht also einer positiven Bestimmung.

Gut trotzdem(gerade deswegen) glaube ich, dass ein Vertreter einer Theorie, die die Nichtexistenz von Etwas logisch impliziert, in Schwierigkeiten gerät, wenn sie später versucht, auf Grundlage von Prämissen, die die eigene Position enthalten, genau diese Nichteixtenz zu beweisen(zu zeigen, zu plausibilisieren). Ganz abgesehen davon reicht es doch nicht, eínfach die Gegenposition auszuschalten, um die eigene plausibel zu machen, selbst wenn eine logische Verbudung in Form eines kontradiktorischen Verhältnisses besteht.


Myron hat geschrieben:Es gibt, wie gesagt, ja gar keinen methodologischen Supernaturalismus, der zu irgendwelchen angemessen und erfolgreichen wissenschaftlichen Theorien geführt hat. Der methodologische Naturalismus ist praktisch konkurrenzlos.

Wie bereits gesagt: Das macht ihn noch nicht wahr. Es macht ihn empirisch erfolgreich. Und die wissenschaftliche Methode naturalistisch zu nennen, setzt eine Deutungsinvarianz ihrer Ergebnisse voraus.
Was ist eine "Supernaturalistische" was ist eine "naturalistische" Methode? Kann nicht fast jede Methode in fast jeder Disziplin integriert werden?

Myron hat geschrieben:Aus Konsistenz allein folgt natürlich nicht Wahrheit, aber aus Inkonsistenz folgt doch notwendige Falschheit.

Derlei logische Verbindung ist mir nicht bekannt. Laut ex falso Prinzip folgt aus einem Widerspruch Wahrheit und zwar jede beliebige. Aus Widerspruch folgt also nicht Falschheit, sondern Unbrauchbarkeit der Theorie oder des Satzes.

Myron hat geschrieben:Witzigerweise führen auch tonangebende theistische Philosophen wie Richard Swinburne die angebliche Einfachheit der theistischen Welterklärung als Wahrheitskriterium ins Feld.

Die müssen damit umgehen lernen, dass sie(mit diesem Argument) Unrecht haben! Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sie es nicht doch nur als Theory-Choice Kriterium verwenden. Müsste da den konkreten Text lesen, auf den du anspielst.


Myron hat geschrieben:Dumm gefragt: Was ist der Unterschied zwischen Kohärenz und Konsistenz?

Ein System ist konsistent, wenn es nicht einen Satz und dessen Negation enthält. Ein System ist kohärent, wenn es konsistent ist und zwischen den Sätzen eine bestimmte Form von gegenseitigem Stützungsverhältnis herrscht. Dieses Stützungsverhältnis explizit und ggf. formalisieren die verschiedenen Strömungen jeweils anders.

Myron hat geschrieben:Wenn die Antirealisten von mir erwarten, dass ich nicht an die Wahrheit der darwinistischen Evolutionstheorie glaube, nur weil sich eine aus der abstrakten Luft gegriffene empirisch äquivalente formale Theorie konstruieren lässt, die ihr widerspricht, dann mache ich da schlichtweg nicht mit – dann bin ich gerne wissenschaftsgläubig.

Was heißt "glaube"? An deren Wahrheit oder an deren explanatorischen und empirischen Erfolg in Bezug auf die uns gegebenen Phänomene?(Was will man mehr?) Was letzteres betrifft, ist die Evolutionstheorie(meinst du wirklich die darwinistische??) doch super bestätigt. Ob gewisse unbeobachtbare "wahrlich" Prozesse im Mikro-Bereich ablaufen, kann nicht festgestellt werden. Was das Selektionsprinzip betrifft, gibt es übrigens mittlerweile wackere Kanditaten für Unterbestimmtheit, soweit ich das mitgekriegt habe.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » Di 8. Feb 2011, 23:43

Fällt eigentlich noch jemandem das Diskussionsverhalten auf? Eigentlich kenn ich das nur aus Kreationistenkreisen, das man nur einen Teil der Argumente beantwortet? Dann wird wohl als nächstes die Argumentation schlecht gemacht, weil sie rechtschreibfehler enthällt? :down:
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Grotemson » Di 8. Feb 2011, 23:49

platon hat geschrieben:Das ist natürlich Unsinn! Die Tatsache, dass z.B. die Evolutionstheorie nicht verifizierbar ist, führt dazu, dass sie immer noch Theorie heißt. Sie wäre aber millionenfach zu falsifizieren, was merkwürdigerweise aber bis dato nicht gelungen ist.

Ähm, ich will ja keinen weiteren off-topic Diskussionsherd zünden, bin eh schon überfordert und komm ständig durcheinander, aber bei dieser Aussage müsstest du mir dann doch erklären, wie man zu dem Satz "Alle heute existierenden Lebensformen sind durch einen komplexen Prozess der Selektion entstanden." entsprechende singuläre Existenzsätze finden soll, und diese dann noch zu einer falsifizierenden Hypothese verbinden? Der Satz interpretiert ja bereits jedes Lebewesen als gar nicht möglich, wenn nicht aus evolutionären Vorgängen hervor gegangen. Es gib ein x, x ist Hansi und Hansi ist nicht durch evolutionäe Prozesse entstanden, ist faktisch und potentiell unmöglich. Außerdem arbeitet auch Falsifikation mit Beobachtbarkeit, was in diesem Falle wohl auch wegfällt.
Genauso gut könnte man behaupten: "Alle Fliegen vor 19 summten mit einer Frequenz von 20 MHz" das ist potentiell schon falsifizierbar, aber leider nicht tatsächlich.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Grotemson » Di 8. Feb 2011, 23:57

mat-in hat geschrieben:Fällt eigentlich noch jemandem das Diskussionsverhalten auf? Eigentlich kenn ich das nur aus Kreationistenkreisen, das man nur einen Teil der Argumente beantwortet? Dann wird wohl als nächstes die Argumentation schlecht gemacht, weil sie rechtschreibfehler enthällt?

Ich habe in meinem vorvorletzten Beitrag(oder so) betont, dass ich etwas hinterher hinke, aber auf jeden Fall auf jeden Punkt beantworten möchte. Wenn du mir einen Punkt nennen kannst, den ich vergessen habe, bin ich dir dankbar. Sollte es sich bei deiner Sorge um Einwände, Vorschläge der Formulierung etc. handeln, die nach Myrons letzter großer Antwort auf meine Antwort verfasst worden sind, musst du dich damit noch gedulden.
Ich habe wenig Zeit, da ich gerade zeitgleich Wohnung suchen, Hausarbeiten schreiben und mich auf das Latinum vorbeiten muss, also dauert es manchmal etwas.
So ein unproduktives, unnötiges und beleidigendes Diskussionsverhalten kenne ich sonst...also eigentlich kannte ich es bisher gar nicht.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » Mi 9. Feb 2011, 00:00

Aber da hast du doch schon falsifizierungsbedingungen. Wenn so etwas in der philosophie, streiten sich rivalisierende Schulen jahrzehnte. Wenn in der Wissenschaft sowas passiert ist es kein Logikproblem, das man mit dialektik klein hällt, sondern die Theorie hat sich. Dauert meist auch ein par Jahre, aber wenn du ein Lebewesen findest, das nciht durch Evolution entstanden ist, hat es sich mit der Theorie im großen und ganzen und eine bessere muß her.

EDIT:
Ich kann ja mal meine alten Diskussionsversuche aus dem deutschen Kretionistenforum in das man mich einlud raussuchen... das wurde am Ende echt... bizarr. Es fing damit an, Argumente die man nicht wiederlegen konnte zu ignorieren. Dann hat man angefangen mit dialektischen täuschungs und vernebelungsmaneuvern. Als das auch nicht mehr funktionierte sagte man das Rechtschreibfehler ein zeichen sein, daß man dumm ist und den Rest müsse man gar nicht lesen und dann ganz am ende zog man sich auf "Glauben" zurück. Glauben gestehe ich nun mal jedem zu was er will, das muß ja nichts mit der Realität zu tun haben. Das buchte man dann als "großen Sieg". Seit dem... man nehme es mir nicht übel... bin ich da etwas allergisch und reagiere vielleicht über, wenn mal was nicht beantwortet wird.

Was mir so vor kam als wäre es übersehen worden war die Frage, was ich aus theoretischen, in gedankenexperimenten Erstellten Szenarien für die Realität ableiten kann. Wenn ich mir ein vollständig leeres universum *vorstellen* kann, läßt das noch keine Schluß auf unseres zu, oder?

P.P.S.: Man nehme mir nicht übel, das ich nicht mit Fremdwörtern um mich werfe, ich versuche das zu vermeiden, wenn es nciht nötig ist.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Mark » Mi 9. Feb 2011, 00:12

Grotemson hat geschrieben:
platon hat geschrieben:Das ist natürlich Unsinn! Die Tatsache, dass z.B. die Evolutionstheorie nicht verifizierbar ist, führt dazu, dass sie immer noch Theorie heißt. Sie wäre aber millionenfach zu falsifizieren, was merkwürdigerweise aber bis dato nicht gelungen ist.

Ähm, ich will ja keinen weiteren off-topic Diskussionsherd zünden, bin eh schon überfordert und komm ständig durcheinander, aber bei dieser Aussage müsstest du mir dann doch erklären, wie man zu dem Satz "Alle heute existierenden Lebensformen sind durch einen komplexen Prozess der Selektion entstanden." entsprechende singuläre Existenzsätze finden soll, und diese dann noch zu einer falsifizierenden Hypothese verbinden? Der Satz interpretiert ja bereits jedes Lebewesen als gar nicht möglich, wenn nicht aus evolutionären Vorgängen hervor gegangen. Es gib ein x, x ist Hansi und Hansi ist nicht durch evolutionäe Prozesse entstanden, ist faktisch und potentiell unmöglich. Außerdem arbeitet auch Falsifikation mit Beobachtbarkeit, was in diesem Falle wohl auch wegfällt.
Genauso gut könnte man behaupten: "Alle Fliegen vor 19 summten mit einer Frequenz von 20 MHz" das ist potentiell schon falsifizierbar, aber leider nicht tatsächlich.


Die Evolutionstheorie beschreibt aber Mechaniken welche laut Theorie auch heute noch ganz genauso ablaufen, insofern gilt es zur Falsifikation doch nur Indizien zu suchen die nicht mit der Theorie vereinbar sein können, ein schönes Beispiel wäre doch 100 Mio Jahre alte Menschenknochen oder 6000 Jahre alte Dinoknochen zu finden, aber es passt halt alles immer noch ins Bild. Ausserdem ist es ja auch eher eine Ansammlung, eine dynamische Familie von Theorien, schwer gegen so eine Familia noch anzukommen ;-)
Du denkst ausserordentlich diszipliniert und formularisch, aber Du bist wohl manchmal zu skeptisch und vermutest überall einen Zirkelschluss.. wenn man nur lange genug nachbohrt findet man den aber im kleinsten Detaille jeder Theorie früher oder später, ein bisserl "Vertrauen" ist deshalb einfach praktisch..
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Grotemson » Mi 9. Feb 2011, 00:31

mat-in hat geschrieben:Ich kann ja mal meine alten Diskussionsversuche aus dem deutschen Kretionistenforum in das man mich einlud raussuchen... das wurde am Ende echt... bizarr. Es fing damit an, Argumente die man nicht wiederlegen konnte zu ignorieren. Dann hat man angefangen mit dialektischen täuschungs und vernebelungsmaneuvern. Als das auch nicht mehr funktionierte sagte man das Rechtschreibfehler ein zeichen sein, daß man dumm ist und den Rest müsse man gar nicht lesen und dann ganz am ende zog man sich auf "Glauben" zurück. Glauben gestehe ich nun mal jedem zu was er will, das muß ja nichts mit der Realität zu tun haben. Das buchte man dann als "großen Sieg". Seit dem... man nehme es mir nicht übel... bin ich da etwas allergisch und reagiere vielleicht über, wenn mal was nicht beantwortet wird.

Was mir so vor kam als wäre es übersehen worden war die Frage, was ich aus theoretischen, in gedankenexperimenten Erstellten Szenarien für die Realität ableiten kann. Wenn ich mir ein vollständig leeres universum *vorstellen* kann, läßt das noch keine Schluß auf unseres zu, oder?

Da ich weder deine Rechtschreibfehler(ich seh eh keine) als Kriterium für deine Dummheit verwende, noch Argumente ignoriere, noch herum nebuliere, verstehe ich deine Reaktion nicht.
Was deine Frage betrifft, so habe ich bereits in einem vorherigen Beitrag, gesagt, dass ich nie von Ableitbarkeit auf unsere Welt gesprochen habe. Es ging ganz formal um eine modale Formulierung, die Myron zur Explikation seines Begriffes von ontischer Abhängigkeit verwendet hatte. Ich habe dann überlegt, ob es hier klug ist, zu sagen, dass etwas ontisch abhängt, nur dann, wenn es in allen möglichen Welten abhängt, da eventuell modale Kontexte vorstellbar sind, in denen nichts ontisch abhängt und somit hat man mindestens eine mögliche Welt, in der ontisch nie was abhängt und somit gibt es per definitionem nie ontische Abhängigkeit, was den Begriff ziemlich sinnlos macht. Myron hat darauf schon recht vielversprechend geantwortet und ich bin noch nicht dazu gekommen, zurück zu antworten.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Fr 11. Feb 2011, 01:36

Grotemson hat geschrieben:Ist Intensionalität für dich dann auch nicht relational? Anders gefragt: Wie soll ich mich intensional auf Etwas beziehen können, wenn es nicht existiert?


Du meinst sicher Intentionalität. Wenn das intentionale Objekt nicht existiert, dann haben wir es mit einer Pseudorelation zu tun, denn eine reale Relation setzt die Existenz aller Relata voraus.

Grotemson hat geschrieben:Gut, dann frage ich anders: Welches sind Kriterien, die etwas Teil von MERZ werden lassen?


Du meinst, wie man praktisch entscheiden kann, ob ein gegebenes Phänomen natürlich ist oder nicht?
Ein wichtiges Kriterium ist physikalische Möglichkeit, d.i. Vereinbarkeit mit den Naturgesetzen, was aber problematisch ist, weil wir nicht physikalisch allwissend sind und wohl niemals sein werden.

Es ist auch nicht so, dass alle physischen Dinge per se natürlich sind. Zum Beispiel wäre eine Urankugel mit einem Durchmesser von 1km ein gänzlich physisches, aber kein natürliches Objekt, weil eine derart große Urankugel aufgrund der kritischen Masse von Uran physikalisch unmöglich ist.

Es können auch nicht alle physischen Eigenschaften und Fähigkeiten per se als natürlich gelten. Wenn ein dreijähriges menschliches Kind die physische Fähigkeit hätte, einen Lastwagen hochzuheben, dann wäre das keine natürliche Fähigkeit.

Grotemson hat geschrieben:Dass es keine allgemeingültige Definition gibt, ist mir schon klar. Ich würde mir in dem Bezug dann ein paar Fragen betreffend der Gruppenkohärenz stellen, aber das wäre ein anderer Thread.


Solche Fragen sind berechtigt, auch in Bezug auf die Brights-Bewegung.

Grotemson hat geschrieben:Deine Konstruktion von ontischer und genetischer Abhängigkeit given for the sake of the argument, befänden sich doch jetzt immer noch Naturgeister und Ähnliches in MERZ, denn viele von denen stehen ja tatsächlich in ontischer Abhängigkeit zu "physischen" Entitäten. Wenn ich Bäume fälle, sterben die Baumgeister. Lawaströme poduzieren Feuergeister. Das gibt es alles(als kulturelle Glauben, nicht als Entitäten). Ich glaube kaum, dass du die in MERZ willst.


Die Frage ist, was Naturgeister eigentlich sind. Das Problem ist, dass die in den Volksmythen vorkommenden Naturgeister keine immateriellen/spirituellen Substanzen im Descartes'schen Sinne sind, weil sie einen Körper haben, wenn auch nur einen "feinstofflichen".
Wenn die Arten von Naturgeistern also nichts weiter als von der Natur hervorgebrachte exotische, kryptische biologische Spezies sind, dann ist der Glaube daran eigentlich kein supernaturalistischer, sondern ein (falscher) naturalistischer. Supernaturalistisch wird der Glaube an Naturgeister aber dann, wenn ihnen übernatürliche Kräfte zugesprochen werden.

"We commonly think that we, as persons, have both a mental and a bodily dimension—or mental aspects and material aspects. Something like this dualism of personhood, I believe, is common lore shared across most cultures and religious traditions, although it is seldom articulated in the form of an explicit set of doctrines as in modern western philosophy and some developed theologies. It is often part of this 'folk dualism' that we are able to survive bodily deaths, as souls or spirits, and retain all or most of the mental aspects of ourselves, such as memory, the capacity for thought and volition, and traits of character and personality, long after our bodies have crumbled to dust.
Spirits and souls as conceived in popular lore seem not be entirely without physical properties, if only vestigially physical ones, and are not what Descartes and other philosophical dualists would call souls or minds—wholly immaterial and nonphysical substances with no physical properties whatever. For example, souls are commonly said to leave the body when a person dies and rise upward toward heaven, indicating that they are thought to have, and be able to change, locations in physical space. And they can be heard and seen, we are told, by people endowed with special powers and in an especially propitious frame of mind. Souls are sometimes pictured as balls of bright light, causing the air to stir as they glide through space and even emitting faint unearthly sounds. But souls and spirits depicted in stories and literature, and in films, are not the immaterial minds of the serious dualist. These latter souls are wholly immaterial and entirely outside physical space."


(Kim, Jaegwon. Physicalism or Something Near Enough. Princeton, NJ: Princeton University Press, 2005. p. 73)

Grotemson hat geschrieben:Aber wie gesagt ist mir ontische Abhängigkeit noch nicht klar. Wenn man es naiv versteht, ist alles von Etwas abhängig und man gerät in einen Regress. Wenn man es nicht naiv versteht, dann scheint es einen Existenzbegriff zugrunde zu legen, den ich nicht teile.


Selbst wenn alles von etwas seinsabhängig ist, ist nicht alles von allem seinsabhängig. Du bist beispielsweise nicht von mir seinsabhängig, weil es eine mögliche Welt gibt, in der du existierst und ich nicht.
Und der hier verwendete Existenzbegriff ist der ganz gewöhnliche.

Grotemson hat geschrieben:Außerdem habe ich ja schon abgeraten, eine Notwendigkeitsklausel einzuführen, weil man dann Gefahr läuft, dass nie etwas ontisch abhängig ist.


Eine Abhängigkeitsbeziehung ohne modale Stärke ist keine.

Grotemson hat geschrieben:Leider zieht der Mann auch philosophische Konsequenzen aus seiner Arbeit, die ich eher mau finde.
http://en.wikipedia.org/wiki/Hans-Peter_D%C3%BCrr


Oh je, der Dürr… :/

Grotemson hat geschrieben:(Off Topic: Kennst du das Slingshot-Argument?)


Ja, vor einigen Jahren habe ich mich eingehend damit befasst.
Es gibt übrigens zwei relevante Slingshot-Argumente, eines von Davidson und ein anderes von Gödel.

* Neale, Stephen. "The Philosophical Significance of Gödel's Slingshot." Mind 104, no. 416 (1995): 761-825. <http://web.gc.cuny.edu/philosophy/faculty/neale/papers/godels_slingshot.pdf>.

http://plato.stanford.edu/entries/facts ... ument.html

Grotemson hat geschrieben:Interessant wäre jetzt zu hören, wie du deinen Glauben daran rechtfertigst, dass es auch tatsächlich die Wahrmacher(Ich weiß nicht, ob du Tatsachen, Strukturen, states of affairs oder was du annimmst) zu den entsprechenden Theorien gibt, wo wir doch epistemisch keinen Zugang zu ihnen haben, um die Korrespondenzrelation nachzuprüfen.


Wenn ich z.B. wissen will, ob es etwas gibt, das die Aussage "Es gibt rote Bälle" wahr macht, dann mache ich mich einfach auf die Suche nach roten Bällen. Und wenn ich mindestens einen gefunden habe, dann weiß ich, dass (mindestens) ein Wahrmacher existiert.

Wahrmacher können Sachverhalte/Tatsachen, aber auch Dinge sein.

Grotemson hat geschrieben:Aber ich bestehe doch darauf, dass wir uns berechtigterweise in den Sumpf begeben haben, denn ich glaube, dass das ursprüngliche Argument nur mithilfe des wissenschaftlichen Realismus Kraft hat. Wenn du deine im Zitat gestellte Frage sozusagen im Bezugssystem dieses Argumentes( Wissenschaft erfolgreich. Naturalismus ont. Deutung vin Wissenschaft. Ergo Nat. richtig)stellst, dann: Mit der von mir geforderten Einschränkung(keine Wahrheit, nur empirische Angemessenheit) ist über die Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit des Naturalismus keine Aussage zu treffen.


Ich behaupte, dass das Argument auch dann die Wahrscheinlichkeit des ontologischen Naturalismus erhöht, wenn man vom wissenschaftlichen Antirealismus (à la Fraassen) ausgeht.
Nur der methodologische Naturalismus hat zu angemessenen und erfolgreichen wissenschaftlichen Theorien geführt, die allesamt eine gänzlich natürliche Welt repräsentieren. Das ist eine Tatsache, die man auch dann nicht leugnen kann, wenn man die Frage offen lässt, ob sie wahr sind. Und dass sich die beobachteten Phänomene so gut, d.i. angemessen und erfolgreich, naturalistisch modellieren lassen, stärkt die Annahme der Abwesenheit übernatürlicher Faktoren. Die konkurrenzlose wissenschaftliche Fruchtbarkeit des methodologischen Naturalismus erhöht also die Glaubwürdigkeit des ontologischen Naturalismus nicht nur unter der Voraussetzung, dass der wissenschaftliche Realismus wahr ist.

Grotemson hat geschrieben:Grob ausgedrückt musst du also zwei Zusatzprämissen einführen:
1. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungs sind deutungsinvariant
2. Der wissenschaftliche Realismus ist wahr.
Erstens ist meiner Meinung nach ziemlich trivial falsch und zweitens hat eine Schlacht mit nicht einmal ansatzweise definitiven Ende vor sich.


Vielleicht wäre die Verteidigung des Erfolgsarguments mit diesen beiden Annahmen einfacher, aber ich glaube nicht, dass sie ohne sie aussichtslos ist. Denn ich bezweifle, dass die wissenschaftliche Fruchtbarkeit des methodologischen Naturalismus unter der Annahme der Wahrheit des Supernaturalismus genauso zu erwarten ist wie unter der Annahme der Wahrheit des ontologischen Naturalismus.

Grotemson hat geschrieben:Zusammenhang: Du wolltest ein Beispiel für Theorien die von übernatürlichen Annahmen ausgehen und trotzdem erfolgreich waren. … Ein sehr prominentes Beispiel ist die "Phlogiston-Theorie der Verbrennung", die annimmt, es gäbe eine masselose ätherartige Substanz namens Phlogiston, die beim Erwärmen von Gegenständen irgendwie in die Materie eindränge und beim Verbrennen entweiche und die unsichtbar sei.


Ich wüsste nicht, inwiefern Phlogiston ein übernatürlicher Stoff wäre.

Grotemson hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Der methodologische Naturalismus ist praktisch konkurrenzlos.

Wie bereits gesagt: Das macht ihn noch nicht wahr. Es macht ihn empirisch erfolgreich.


Der methodologische Naturalismus ist ein normatives Prinzip und als solches weder wahr noch falsch:
Die Wissenschaftler sollen als Wissenschaftler (so lange wie möglich) so tun, wie wenn es nichts Übernatürliches gäbe!

Grotemson hat geschrieben:Und die wissenschaftliche Methode naturalistisch zu nennen, setzt eine Deutungsinvarianz ihrer Ergebnisse voraus.


Nein, denn der methodologische Naturalismus lässt grundsätzlich alle erdenklichen naturalistischen Deutungen zu. Wenn überhaupt, dann sind supernaturalistische Deutungen im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung nur dann in Betracht zu ziehen, wenn jene ausgeschöpft sind.

Grotemson hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Aus Konsistenz allein folgt natürlich nicht Wahrheit, aber aus Inkonsistenz folgt doch notwendige Falschheit.

Derlei logische Verbindung ist mir nicht bekannt. Laut ex falso Prinzip folgt aus einem Widerspruch Wahrheit und zwar jede beliebige.


Ich meinte lediglich, dass eine Aussage der Form "p & ~p" notwendigerweise falsch ist.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Fr 11. Feb 2011, 03:37

Myron hat geschrieben:Denn ich bezweifle, dass die wissenschaftliche Fruchtbarkeit des methodologischen Naturalismus unter der Annahme der Wahrheit des Supernaturalismus genauso zu erwarten ist wie unter der Annahme der Wahrheit des ontologischen Naturalismus.


Einwand: Aus der Sicht eines Supernaturalismus, der die naturalistische Annahme der kausalen Geschlossenheit der Natur teilt, ist die wissenschaftliche Fruchtbarkeit des MN genauso zu erwarten wie aus der Sicht des ON. Das kann z.B. der Glaube an einen seit dem Schöpfungsakt absolut passiven deistischen Gott oder an ein von allerlei übernatürlichen Dingen oder Wesen bevölkertes Paralleluniversum sein, das von unserer Raumzeitwelt kausal isoliert ist. (Das träfe auf ein abstraktes platonisches Universum per definitionem zu, da Abstrakta grundsätzlich wirkungsunfähig sind.)
Selbst ein Theist, der die Geschlossenheitsannahme ablehnt, kann die allgemeine Fruchtbarkeit des MN erwarten, sofern er glaubt, dass Gott nur sporadisch und indirekt in das Naturgeschehen eingreift.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Fr 11. Feb 2011, 05:12

Grotemson hat geschrieben:Deswegen bin ich auch ein Skeptiker, der sich vor der Pragmatizität(vorausgesetzt es gibt dieses Wort) der Wissenschaft verbeugt und ihre wunderbare Fähigkeit der (momentan) angemessenen Beschreibung bewundert.


Aber in Bezug auf beobachtbare Sachen und Sachverhalte besteht die Angemessenheit einer angemessenen Theorie doch in ihrer Wahrheit, oder nicht? Eine angemessene Theorie beschreibt die beobachteten Erscheinungen wahrheitsgemäß, d.h. sie entspricht der Erscheinungswirklichkeit.
Du meinst, wir könnten nicht wissen, ob angemessene Theorien, die von unbeobachtbaren Sachen und Sachverhalten handeln, (annähernd) wahr sind, und müssten uns deshalb diesen und ihren ontologischen Implikationen gegenüber agnostisch-neutral verhalten. Wenn ich es richtig sehe, dann gilt das aber eben nicht für angemessene Theorien über Beobachtbares. Wäre dem so, dann müssten die Antirealisten ja die Möglichkeit wissenschaftlichen Wissens bzw. der Gerechtfertigtheit wissenschaftlicher Wissensansprüche grundsätzlich verneinen.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Fr 11. Feb 2011, 18:42

Myron hat geschrieben:Ein wichtiges Kriterium ist physikalische Möglichkeit, d.i. Vereinbarkeit mit den Naturgesetzen, was aber problematisch ist, weil wir nicht physikalisch allwissend sind und wohl niemals sein werden.


"Ob aber etwas physisch möglich sei, ist oft schwer zu beurtheilen, weil unsre Naturerkenntniß sehr beschränkt ist. Es ist daher nicht erlaubt, da, wo, wir nicht einsehen, wie etwas durch natürliche Kräfte oder nach natürlichen Gesetzen unmöglich sei, es sogleich für physisch unmöglich zu erklären, oder gar zu hyperphysischen Erklärungsgründen, die ohnehin nichts erklären, seine Zuflucht zu nehmen. Vielmehr ist es dann viel besser, seine Unwissenheit einzugestehn und sich die Erforschung dessen, was noch nicht bekannt ist, vorzubehalten."

(Krug, Wilhelm Traugott. Allgemeines Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften, nebst ihrer Literatur und Geschichte. Zweiter Band, F bis M. Leipzig: Brockhaus, 1827. S. 789-90)

Wir können zwischen epistemischer und physischer Unmöglichkeit unterscheiden. Epistemisch unmöglich ist, was unserem Wissen über die Naturgesetze widerspricht, und physisch unmöglich ist, was den Naturgesetzen widerspricht.
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