Was ist Wahrheit?

Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon King Lui » Sa 12. Mär 2011, 12:07

ujmp hat geschrieben:...man könnte es auch so deuten, dass die Meme (wie sie Susan Blackmore beschrieben hat), in deinem Kopf um ihren Erhalt und ihre Verbreitung kämpfen. Sie müssen dazu nur in sich stimmig sein, und ob sie deinem Organismus nützen, ist ihnen egal. Sie sind es, die dich denken.

Gemäß der evolutionären Erkenntnistheorie, ist a priori Wissen (das allerdings kein absolutes Wissen ist) und stammesgeschichtliches a posteriori Wissen ist, deswegen entstanden, um das Überleben unserer Species zu gewährleisten. Meine Meme dagegen müssen das nicht, das ist richtig. Ich bin Raucher. Allerdings kämpfe ich nicht um eine Verbreitung des Rauchens. :wink: Ansonsten denke ich schon, das ich gute Argumente liefern kann, dass ich richtig liege, wenn ich auch eine absolute Sicherheit nicht für gegeben halte.

Ein gutes Negativbeispiel von Memen, die in sich stimmig sind, denen aber der Realitätsbezug fehlt, wurde hier bereits gepostet:

(1) In meiner Sprache bezeichnet das Wort "Tiger" die Tiger. (Disquotation).

10. Plädoyer für Disquotation
Die disquotative Prämisse (1) gilt analytisch. Sollte die Skeptikerin behaupten, die Prämisse nicht zu verstehen, so entzieht sie ihrem eigenen Argument die Verständnisgrundlage.

11. Exkurs über das Urmeter
Obwohl die disquotative Prämisse apriori gilt, drückt sie einen kontingenten Sachverhalt aus. Wie ist das möglich? Einfach: Sie funktioniert so ähnlich wie Kripkes Beispiel "Das Urmeter ist 1m lang".

http://www.gehirnimtank.de/tank/ts8kurznetz_01.pdf

Wer wirklich verstehen will, wieso in seiner Sprache das Wort "Tiger" die Tiger bezeichnet, sollte sich damit beschäftigen, wie Kinder Sprache erlernen und keine Sprachanalyse betreiben.
Das ist nur gemäß der sprachanalytischen Logik ein a priori. Das ist ein Gedankengebäude, das die Sprache viel zu absolut setzt.

Es wird in diesem Dokument, wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass das Gehirn u. a. auch ein Denkorgan ist.
Empedokles sah den Sitz des Bewußtsein noch im Blut, Aristoteles im Herzen, Alkmaion vermutete den Sitz im Gehirn. Es wird wie selbstverständlich auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse bezug genommen, die zwar für uns Heutigen selbstverständlich sind, aber nicht von analytischen Philosophen auf Grundlage von Sprachanalyse erkannt wurden.

Kant selbst bemerkt einmal spöttisch, viele Gelehrte nähmen die Geschichte der Philosophie als ihre eigene Philosophie. Auch heute noch wird Philosophie viel zu oft lediglich als eine bloße Abfolge von Vorstellungen, von Gedankengebäuden, von Systemen gelehrt.
...
Gefragt werden darf, ob die Lehre kohärent ist (oder unzusammenhängend), in sich stimmig (oder widersprüchlich), vollständig (oder unvollständig), ob sie die Fragen beantwortet, die sie stellt, und ob sie die Probleme löst, die sie zu lösen versprach. Ob eine bestimmte Lehre richtig ist, bleibt im Dunkeln.

Was können wir wissen?, Gerhard Vollmer, Band 1, 1985 (2008), S. 166

Studieren wir jedoch die Geschichte der Philosophie, so müssen wir feststellen, daß traditionelle Erkenntnistheorien trotz ihres Anspruches, sich auf alle menschlichen Wesen zu beziehen, in Wahrheit nur den normalen, erwachsenen, gebildeten Europäer zu ihrem Forschungsobjekt machen.
Was können wir wissen?, Gerhard Vollmer, Band 1, 1985 (2008), S. 174

Ich kann es nicht beweisen, dass meine Aussenweltwahrnehmung keine Matrix ist. Aber historisch gesehen hat sich diese Idee nach der Entwicklung der Computer breit gemacht, wenn sie in einer ähnlichen Formulierung auch schon früher gedacht wurde. Der Dämon, der mir eine Traumwelt vorgaukelt, müsste seinen Job ziemlich gut machen. Ich denke, dass es gerechtfertigt ist, hier Occams Rasiermesser anzusetzen.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon ujmp » Sa 12. Mär 2011, 12:54

King Lui hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:
King Lui hat geschrieben:Was deiner Erwartung entspricht, ist nicht unbedingt objektiv gültig und nicht unbedingt allgemeingültig.

Sag mir doch mal, wie du feststellst , ob etwas "objektiv gültig und unbedingt allgemeingültig" ist! Wie stellst du fest, ob etwas eine "Tatsache" oder ein "Sachverhalt" oder eine "Wahrheit" ist?

Das geht nicht mit absoluter Sicherheit. Irren ist menschlich. Und über die Methoden, wie man objektiv gültiges zumindest näherungsweise erkennen kann, sind Bücher geschrieben worden.

...und werden noch geschrieben werden - zzgl. Forumsbeiträge ;-)

King Lui hat geschrieben:Von daher dürfte aus menschlicher Perspektive Objektivität nur ein regulatives Prinzip sein bzw. Wahrheit ist ein regulatives Prinzip und Objektivität ein in der Ontologie verankerter Begriff: wie man es sehen will, Sprache ist nicht fest fixiert. Und auch eine Ontologie kann Fehler enthalten.

Ontologien sind Modelle, sie sind in gewissem sinne mit Sicherheit falsch - das hängt aber davon ab, welche Erwartung man an eine Ontologie hegt.
King Lui hat geschrieben:Aber wenn man bereits die Definition von Wahrheit an der menschlichen Erwartung festmacht, hat man bereits ein Definitionsproblem.

Ich definiere eigentlich nur ungern, da man nur mit bereits definierten bzw. feststehenden Begriffen definieren kann - man bleibt im Studierstübchen. Ich beobachte viel lieber das Leben und beschreibe es. Wahrscheinlich muss man sich überhaupt davon lösen, danach zu fragen, was etwas "ist", nach dem "Sein" - denn nichts bleibt bekanntlich wie es ist. Man muss fragen, wie die Dinge sich verhalten.

King Lui hat geschrieben:Jedoch gibt es für mich derzeit keinen Grund daran zu zweifeln, dass es objektiv Gültiges gibt. Da muss jetzt schon Butter vor die Säue geworfen werden, wenn da jemand anderer Ansicht ist.

Ich hab noch keine Zweifel daran geäußert, dass es "objektiv Gültiges" gibt. Ich wollte nur mal hören, wie du "objektive Gültigkeit" feststellst. Oder anders gefragt, worauf passt deiner Meinung nach das Modell der "objektiven Gültigkeit"? Ich bezweifle, dass du da festen Boden unter den Füßen hast.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon King Lui » Sa 12. Mär 2011, 17:49

ujmp hat geschrieben:
King Lui hat geschrieben:Von daher dürfte aus menschlicher Perspektive Objektivität nur ein regulatives Prinzip sein bzw. Wahrheit ist ein regulatives Prinzip und Objektivität ein in der Ontologie verankerter Begriff: wie man es sehen will, Sprache ist nicht fest fixiert. Und auch eine Ontologie kann Fehler enthalten.

Ontologien sind Modelle, sie sind in gewissem sinne mit Sicherheit falsch - das hängt aber davon ab, welche Erwartung man an eine Ontologie hegt.

Modelle sind nützlich um seine Gedanken zu ordnen. Ob man dazu zwingend eine Ontologie benötigt? Muß nicht sein, kann aber. Das "Sein" von objektiv Gültigem ist aber momentan derart fest bei mir verankert, das ich es schon ontologisch nennen könnte. Eine Meinungsänderung ist aber immer möglich.

ujmp hat geschrieben:
King Lui hat geschrieben:Aber wenn man bereits die Definition von Wahrheit an der menschlichen Erwartung festmacht, hat man bereits ein Definitionsproblem.

Ich definiere eigentlich nur ungern, da man nur mit bereits definierten bzw. feststehenden Begriffen definieren kann - man bleibt im Studierstübchen. Ich beobachte viel lieber das Leben und beschreibe es. Wahrscheinlich muss man sich überhaupt davon lösen, danach zu fragen, was etwas "ist", nach dem "Sein" - denn nichts bleibt bekanntlich wie es ist. Man muss fragen, wie die Dinge sich verhalten.

Da ich Sprache für ein Kommunikationsmedium halte, ging es mir darum einen unklar definierten Begriff zu präzisieren. Aber primär geht es selbstverständlich um die Bedeutung. Das ist auch eine Art analytische Philosophie zu betreiben.

ujmp hat geschrieben:
King Lui hat geschrieben:Jedoch gibt es für mich derzeit keinen Grund daran zu zweifeln, dass es objektiv Gültiges gibt. Da muss jetzt schon Butter vor die Säue geworfen werden, wenn da jemand anderer Ansicht ist.

Ich hab noch keine Zweifel daran geäußert, dass es "objektiv Gültiges" gibt. Ich wollte nur mal hören, wie du "objektive Gültigkeit" feststellst. Oder anders gefragt, worauf passt deiner Meinung nach das Modell der "objektiven Gültigkeit"? Ich bezweifle, dass du da festen Boden unter den Füßen hast.

Die Ontologie (griechisch ὄν, on, „seiend“, als Partizip Präsens zu εἶναι, einai, „sein“, und λόγος, logos, „Lehre, Wort“) ist eine Disziplin der theoretischen Philosophie. In der Ontologie geht es in einer allgemeinen Begriffsverwendung um Grundstrukturen der Realität
http://de.wikipedia.org/wiki/Ontologie
Damit ich begründen könnte, dass ich da festen Boden unter den Füssen habe, müsste man die theoretische Philosophie verlassen und konkret werden.
Die Existenz der Sonne ist objektiv gültig. Wenn man gegen diese Feststellung mit Solipsistereien argumentiert, könnte ich aber in argumentative Schwierigkeiten geraten. Das Thema wurde ja schon angeschnitten.

Aber ich kann sie sinnlich wahrnehmen und sehe keine Möglichkeit sie durch wegdenken oder sonstige Methoden aus meinem Weltbild zu entfernen.
Es ist mir übrigens egal, ob man mich als kritischen Realisten, hypothetischen Realisten oder kritischen Rationalisten bezeichnet. Ganz fest ist der Boden unter meinen Füssen nicht, aber ziemlich fest.

Es bringt auch nichts ganz festen Boden unter den Füssen zu haben. Den haben - aus ihrer subjektiven Sicht - Fundamentalisten, und der ist meist wackliger als sie meinen. Erkenntnisgewinn kann auch dadurch entstehen, dass man sich seiner Irrtümer bewußt wird.

Aber derzeit sehe ich beispielsweise keine Notwendigkeit darin, die objektive Existenz der Sonne anzuzweifeln, wenn ich auch weiß, dass das nicht immer so sein wird.
Zuletzt geändert von King Lui am Sa 12. Mär 2011, 18:11, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 12. Mär 2011, 17:58

King Lui hat geschrieben:[...] ich halte das für eine Sprachspielerei, wobei ich den Artikel nur überflogen habe.

(1) In meiner Sprache bezeichnet das Wort "Tiger" die Tiger. (Disquotation).
(2) In der Sprache eingetankter Gehirne bezeichnet das Wort "Tiger" keine Tiger. (Externalismus).
(3) Also unterscheidet sich meine Sprache von der Sprache eingetankter Gehirne. (Aus (1) und (2)).

Es gibt hier zwei Gehirne: Gehirn 1 aus der Disquotation und Gehirn 2 aus dem Externalismus.

Ein drittes externalistisches denkendes Gehirn, das zu wissen meint, dass sowohl Gehirn 1 als auch Gehirn 2 Gehirne im Tank sind, kann das, was die Gehirne und Müller sich zusammenreimen nur für falsch halten, da er meint, die Tanks mit den Gehirnen von aussen betrachten und empirisch untersuchen zu können.

Für falsch halten könnte dieses Gehirn das aber nur dann, wenn es annähme, Bezeichnungen bezögen sich nicht auf die Realität desjenigen, der die Begriffe verwendet, sondern es gäbe irgendwie eine kontextlose, beziehungslose und allem übergeordnete Bedeutung von Begriffen wie "Tank" oder "Gehirn". Und es selber habe Zugriff auf diese objektive Sprache.

King Lui hat geschrieben:Aber vielleicht irrt sich ja auch dieses Gehirn, und ist selbst auch ein Gehirn im Tank.

Und Du glaubst das anscheinend auch.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon King Lui » Sa 12. Mär 2011, 18:40

AgentProvocateur hat geschrieben:Für falsch halten könnte dieses Gehirn das aber nur dann, wenn es annähme, Bezeichnungen bezögen sich nicht auf die Realität desjenigen, der die Begriffe verwendet, sondern es gäbe irgendwie eine kontextlose, beziehungslose und allem übergeordnete Bedeutung von Begriffen wie "Tank" oder "Gehirn". Und es selber habe Zugriff auf diese objektive Sprache.

Die "Matrix" wäre die nicht kontextlose Realitiät aus Sicht des Gehirns im Tank. Wobei sich dann eben die Frage stellt, wer den Tank gebaut hat, oder wie er entstanden ist, würde es sich bewußt sein, dass es ein Gehirn im Tank ist.

Das a priori, dass es eine Aussenwelt gibt, ist derart tief in unseren Denkstrukturen verwurzelt, dass man es nicht aus seinem Kopf herausbringen kann. Jedes Gedankenexperiment, das man anstellt, funktioniert nur, wenn man eine übergeordnete Aussenwelt annimmt. Auch der metaphysische Solipsismus funktioniert nur dann, wenn man das Eindringen von sinnlichen Erfahrungen in das "eigene Ich" dermaßen konsequent ignoriert, dass es schon fast als unmöglich zu bezeichen ist, oder eben gedanklich eine "Matrix" konstruiert.

AgentProvocateur hat geschrieben:
King Lui hat geschrieben:Aber vielleicht irrt sich ja auch dieses Gehirn, und ist selbst auch ein Gehirn im Tank.

Und Du glaubst das anscheinend auch.

Natürlich nicht, nur sehe ich bei der analytischen Philosophie die Gefahr, sich in eine pseudoeerkenntnistheoretische Blase zu verirren. Gründe, siehe oben.
Zuletzt geändert von King Lui am Sa 12. Mär 2011, 19:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon ujmp » Sa 12. Mär 2011, 19:19

Mir geht es - falls dieser Eindruck entstanden sein sollte, übrigens nicht darum, die Realität einer Außenwelt zu leugnen. Mir geht es darum, in welcher Beziehung meine Vorstellungen zu dieser stehen und was meine Vorstellungen eigentlich sind.

Angenommen, sich sitze in einer Kiste und die einzige Möglichkeit etwas über die Außenwelt zu erfahren, ist ein kleines Loch durch das ich einen Draht nach draußen stecken kann. Ich stecke den Draht immer wieder nach draußen und ziehe ihn wieder herein. Meist ist der Draht dann irgendwie verbogen. Etwas geschieht draußen mit ihm. Manchmal ist er gebogen, wie ein Korkenzieher und beim darauffolgenden Versuch ist er dann gebogen, wie eine Schnecke.Es entsteht der Eindruck, das auf "Korkenzieher" "Schnecke" folgt. Usw.. Der Witz dabei ist, das mein Außenweltbild aus gebogenen Drähten besteht. Es sagt eigentlich nichts darüber aus, wie die Welt da draußen ist, sondern nur etwas darüber, was mit meinem verfügbarem Sensor, dem Draht, in ihr geschieht. Das bedeuet nicht, dass es die Außenwelt nicht gibt oder dass mein Welbild nichts mit ihr zu tun hätte. Es bedeutet aber, dass mein Weltbild keine Ähnlichkeit mit der Welt haben muss, und evtl. nicht haben kann. Eine Korkenzieherbiegemaschine sieht einem Korkenzieher ja auch nicht ähnlich.

Qualitativ nichts anderes ist aber die Wahrnehmung mit Augen und Ohren bzw. mit dem Gehirn. Mein Gehirn ist sozusagen ein Knäuel von Drähten, das von der Welt zurechtgebogen wurde. Ich würde es "Modell der Welt" oder auch "Code" nennen. Die Sonne, die Schwerkraft, die Physik usw. haben sich durch ihre Wirkung in meinem Organismus codiert. Das ist auch schon lange vor der Sprache geschehen.

Wenn das so ist, hat es Konsequenzen für den Wahrheitsbegriff bzw. den Realitätsbegriff. Ich könnte nämlich statt einen Draht auch einen Stock oder einen Faden nach draußen halten. Die selbe Außenwelt würde ganz anders wirken und ein ganz anderes Weltbild hervorrufen.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon King Lui » So 13. Mär 2011, 11:44

ujmp hat geschrieben:Mir geht es - falls dieser Eindruck entstanden sein sollte, übrigens nicht darum, die Realität einer Außenwelt zu leugnen. Mir geht es darum, in welcher Beziehung meine Vorstellungen zu dieser stehen und was meine Vorstellungen eigentlich sind.

Angenommen, sich sitze in einer Kiste und die einzige Möglichkeit etwas über die Außenwelt zu erfahren, ist ein kleines Loch durch das ich einen Draht nach draußen stecken kann. Ich stecke den Draht immer wieder nach draußen und ziehe ihn wieder herein. Meist ist der Draht dann irgendwie verbogen. Etwas geschieht draußen mit ihm. Manchmal ist er gebogen, wie ein Korkenzieher und beim darauffolgenden Versuch ist er dann gebogen, wie eine Schnecke.Es entsteht der Eindruck, das auf "Korkenzieher" "Schnecke" folgt. Usw.. Der Witz dabei ist, das mein Außenweltbild aus gebogenen Drähten besteht. Es sagt eigentlich nichts darüber aus, wie die Welt da draußen ist, sondern nur etwas darüber, was mit meinem verfügbarem Sensor, dem Draht, in ihr geschieht. Das bedeuet nicht, dass es die Außenwelt nicht gibt oder dass mein Welbild nichts mit ihr zu tun hätte. Es bedeutet aber, dass mein Weltbild keine Ähnlichkeit mit der Welt haben muss, und evtl. nicht haben kann. Eine Korkenzieherbiegemaschine sieht einem Korkenzieher ja auch nicht ähnlich.

Qualitativ nichts anderes ist aber die Wahrnehmung mit Augen und Ohren bzw. mit dem Gehirn. Mein Gehirn ist sozusagen ein Knäuel von Drähten, das von der Welt zurechtgebogen wurde. Ich würde es "Modell der Welt" oder auch "Code" nennen. Die Sonne, die Schwerkraft, die Physik usw. haben sich durch ihre Wirkung in meinem Organismus codiert. Das ist auch schon lange vor der Sprache geschehen.

Wenn das so ist, hat es Konsequenzen für den Wahrheitsbegriff bzw. den Realitätsbegriff. Ich könnte nämlich statt einen Draht auch einen Stock oder einen Faden nach draußen halten. Die selbe Außenwelt würde ganz anders wirken und ein ganz anderes Weltbild hervorrufen.

Mir fällt hierzu etwas aus Hoimar von Dithfurths, Innenansichten eines Artgenossen ein.
Die Welt ist nach oben "offen".
Es ist wichtig, sich darüber klarzuwerden, daß auch das primitivste Lebewesen bereits etwas von der Welt weiß. Auch die mit bloßem Auge nicht sichtbaren Einzeller, die ich als Schüler in Klein-Glienicke unter meinem Mikroskop beobachtete, verfügen über ein solches Wissen.
...
Das wenige aber, was sie über die uns allen gemeinsame Welt "wissen", stimmt. Wie könnten sie sich sonst in der Welt auch nur vorübergehend behaupten?
Wenn ein Pantoffeltierchen bei seiner Reise durch einen Wassertropfen an ein Hindernis stößt, schreibt Konrad Lorenz, und daraufhin nach kurzer Pause in irgendeiner anderen zufallsbestimmten Richtung weiterschwimmt, dann würden wir ihm zwar in den meisten Fällen einen Kurs empfehlen können, der aussichtsreicher wäre als der von ihm nach der Kollision auf gut Glück eingeschlagene. Das jedoch, was der winzige Einzeller "wisse", sei objektiv richtig: In der ursprünglichen Richtung war tatsächlich kein Weiterkommen.


Natürlich "weiß" ein biochemischer Prozess noch nichts, in dem Sinne, dass er ein Bewußtsein hätte. Und natürlich ist ein naiver Realismus nicht mehr haltbar, dafür können wir schon zu viel über die Welt wissen. Aber Welt und Weltbild müssen passen. Nicht genau aber genau genug.

Dein Draht oder dein Stöckchen sind keine so schlechten Werkszeuge um das Werkstück Wirklichkeit erforschen zu können. Wäre die Ähnlichkeit bzw. Passung nicht gegeben, wäre die Menschheit schon längst ausgestorben.

Um es grob aber bildhaft auszudrücken: Der Affe, der keine realistische Wahrnehmung von dem Ast hatte, nach dem er sprang, war bald ein toter Affe - und gehört daher nicht zu unseren Urahnen. Georg G. Simpson.

Ich glaube aber fast, dass ich mich wiederhole in meinen Aussagen:
King Lui hat geschrieben:Gemäß meiner Interpretation der evolutionären Erkenntistheorie ist das intuitive kognitive Wissen, dass es in der Wirklichkeit Widerstände gibt, die man nicht so ohne weiteres wegdenken kann, ein individuelles a priori Wissen und stammesgeschichtliches a posteriori Wissen, das sich im Lauf der eigenen Erkenntnisentwicklung zum Wissen, dass es objektiv Gültiges gibt, verdichtet hat.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon ujmp » So 13. Mär 2011, 12:01

Ok, wenn die Form des verbogenen Drahtes als Zeichen fungiert, dessen Decodierung über Leben und Tot entscheidet, und der Organismus dabei überlebt, muss die Welt da draußen irgendwie seinem Modell von ihr entsprechen. Es ist dann ein Modell des Überlebens.

Konrad Lorenz und Karl Popper Den Link hab ich schonmal gepostet. Ich finde diese Diskussion sehr inspirierend.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon Myron » So 13. Mär 2011, 16:35

King Lui hat geschrieben:Beim Begriff Wahrheit gilt der Status Quo, dass dies (noch) nicht eindeutig und klar erfolgt ist.


Ich finde die Grundbedeutung ziemlich klar:

Eine Aussage ist genau dann wahr, wenn es so ist, wie sie es darstellt.

King Lui hat geschrieben:Und welchen Sinn hätte es, Wahrheit als eine einem Sachverhalt innewohnende Eigenschaft zu begreifen, wie das Frege scheinbar machen will?


Es gibt keine wahren oder falschen Sachverhalte, sondern nur wahre oder falsche Aussagen. Eine wahre Aussage ist eine Darstellung eines bestehenden, wirklichen Sachverhaltes, d.i. einer Tatsache.

King Lui hat geschrieben:Dann müsste ja auch ein Irrtum eine Eigenschaft sein, die im Sachverhalt und nicht im Subjekt verankert ist.


Sich irren heißt fälschlich für wahr halten.

King Lui hat geschrieben:Wahrsein ist in dem Sinne etwas anderes als Fürwahrgehaltenwerden, als dass die Person, die etwas als Wahrheit bezeichnet, damit eine stärkere Überzeugung ausdrückt, als wenn sie nur von einem Fürwahrhalten spricht.


Zwischen Wahrheiten und Wahrheitsannahmen, -behauptungen und -überzeugungen besteht ein Unterschied.

King Lui hat geschrieben:Ohne Menschen oder andere urteilsfähige Wesen gäbe es nur Realitiät, kein wahr und kein falsch.


Ohne Aussagen gibt es keine wahren oder falschen Aussagen und damit keine Wahrheiten oder Falschheiten. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die Aussagen für abstrakte Entitäten halten, die ewig und sprachunabhängig sind; das heißt, ich halte Aussagen durchaus für abhängig von denkenden und sprechenden Lebewesen. Das bedeutet aber mitnichten, dass es keine geistes- und sprachunabhängigen Tatsachen gibt, und auch nicht, dass wir alle Aussagen willkürlich durch bloße Konventionen wahr oder falsch machen können. Konventionelle Wahrheiten oder Tatsachen finden sich zwar im Hinblick auf Institutionen in der soziokulturellen Wirklichkeit, aber nicht in der darüber hinausgehenden natürlichen Wirklichkeit.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon ujmp » So 13. Mär 2011, 17:47

Myron hat geschrieben:
Eine Aussage ist genau dann wahr, wenn es so ist, wie sie es darstellt.

Ja, aber dafür läss sich genau so wenig ein Beispiel in der Realität zeigen, wie für einen "ausdehnungslosen Punkt".
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon King Lui » So 13. Mär 2011, 21:31

Myron hat geschrieben:
King Lui hat geschrieben:Beim Begriff Wahrheit gilt der Status Quo, dass dies (noch) nicht eindeutig und klar erfolgt ist.


Ich finde die Grundbedeutung ziemlich klar:

Eine Aussage ist genau dann wahr, wenn es so ist, wie sie es darstellt.

Ich sprach vom Status Quo mit Verweis darauf, wie in wikipedia oder sonst einer Enzyklopädie Wahrheit definiert ist. Nämlich mehrmals. Wenn dir die Bedeutung des Begriffes Wahrheit klar ist, dann weil du eine andere Definition von Wahrheit nutzt, als einige Philosophen oder andere Menschen. Das kannst du durch Lesen von wikipedia oder anderen Enzyklopädien feststellen. (Übrigens ist nach dem Johannesevangelium Jesus der Weg, die Wahrheit und das Leben.) Der Status Quo ist, dass es ein gesellschaftliches Definitionsproblem des Begriffs Wahrheit gibt. Bereits auf diesem Niveau existiert ein Kommunikationsproblem. Zwischen mir und dir dürfte das nicht gegeben sein. Ich komme mit deiner Definition klar. Ich verstehe sie und teile sie. Nun bin ich der Meinung, das Sprache auf Konventionen basiert und man daher nicht von einer falschen Anwendung von Sprache reden kann. Man kann aber vielleicht von einer unvernünftigen Anwendung von Sprache reden.

Myron hat geschrieben:Es gibt keine wahren oder falschen Sachverhalte, sondern nur wahre oder falsche Aussagen. Eine wahre Aussage ist eine Darstellung eines bestehenden, wirklichen Sachverhaltes, d.i. einer Tatsache.

Es reicht mir, wenn du mich verstehst. Und das tust du, sonst könntest du meine Ausdrucksweise nicht korrigieren. Mir ist nicht klar, ob du mich jetzt bewußt oder nur unbewußt in einen Diskurs über Formalitäten hineinziehen willst. Das lohnt sich nicht, da natürliche Sprachen anders als formale Sprachen nicht sonderlich exakt sind. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass ich mit meinem sprachphilosophischen Konventionalismus nicht falsch liege. Bitte unterscheide zwischen Konventionalismus und sprachphilosophischem Konventionalismus. Hier existiert nun ein echter Unterschied und mir scheint, dass hier ein Mißverständnis und keine echte Meinungsdifferenz zwischen uns existiert.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon Mark » Mi 16. Mär 2011, 10:52

ujmp hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:
Eine Aussage ist genau dann wahr, wenn es so ist, wie sie es darstellt.

Ja, aber dafür läss sich genau so wenig ein Beispiel in der Realität zeigen, wie für einen "ausdehnungslosen Punkt".


Ich könnte Dir beliebig viele zeigen, aber ich fürchte Du kannst sie nicht sehen :lachtot:
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon ujmp » Sa 19. Mär 2011, 18:46

Lustig. Aber:

Genau so wenig, wie man für das Modell eines Kreises (oder anderer geometrischer Modelle, z.B. den "Punkt") eine exakte Entsprechung in der Wirklichkeit findet, findet man keine exakte Entsprechung für Modelle der Kausalität oder der Logik. Überhaupt kein Modell entspricht dem, was es modelliert, exakt.

Ist der Mond kreisrund? Nein, seine Oberfläche ist ja voller Gebirge und Krater. Sicher ist es unter Umständen sinnvoll, diese Gegebenheit zu vernachlässigen, aber von "Exaktheit" kann dann überhaupt keine Rede sein - es sei denn, dass man pragmatisch herangeht und als Maßstab für Exaktheit die eigene Erwartung setzt.

Überhaupt gibt es für gar keinen Begriff eine exakte Entsprechnung in der Wirklichkeit. Jedenfalls kann man einen Begriff nicht durch Verweis auf ein ihm entprechendes Objekt definieren. Was ist z.B. ein "Ei"? Kein Ei gleicht dem anderen. Es bleibt nichts anderes übrig, als den Begriff unabhängig von dem was er meint, zu definieren, wobei nichts anderes rauskommen kann als ein Modell. Die mit dem Begriff bezeichnete Vorstellung wird modelliert aus Definiertem und letztlich aus den Grundelmenten der menschlichen Sensorik (Es wird kein physikalisches Gesetz entdeckt werden, das sich nicht mit "Masse", "Raum" oder "Zeit" modellieren ließe - allein deshalb, weil wir keine anderen Fühler und deshalb keine anderen Vorstellungen zum Modellieren zur Verfügung haben).

Myron hat geschrieben:Eine Aussage ist genau dann wahr, wenn es so ist, wie sie es darstellt.


Was heißt dann also, dass etwas "so ist"?
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon Myron » Sa 19. Mär 2011, 19:02

ujmp hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Eine Aussage ist genau dann wahr, wenn es so ist, wie sie es darstellt.

Was heißt dann also, dass etwas "so ist"?


Das kann ich nicht durch etwas noch Einfacheres und Grundlegenderes erklären.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon King Lui » So 20. Mär 2011, 00:34

Myron hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Eine Aussage ist genau dann wahr, wenn es so ist, wie sie es darstellt.

Was heißt dann also, dass etwas "so ist"?


Das kann ich nicht durch etwas noch Einfacheres und Grundlegenderes erklären.

Ist das der naive Realismus, der Mesokosmos der evolutionären Erkenntnistheorie? Sind es die a priorischen Bedingungen Kants, die laut Lorenz stammesgeschichtliche a posterioris sind?
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon ujmp » So 20. Mär 2011, 07:53

Das kommt darauf an, wie man es auffasst. Zu bestimmten Vorstellungen sind wir geradezu gezwungen, z.B. kann man sich einen Körper nicht ohne Raum vorstellen. Myrons Beschreibung der Wahrheit (der ich zustimme) ist evtl. auch so eine "Zwangsvorstellung" (im sachlichsten Sinne des Wortes). Wenn man die grundlegenden geistigen Verhaltensweisen "nur" als Funktionen des Organismus betrachtet, die ihm "nur" zum Überleben dienen, beinhaltet das m.E. eine Kritik am naiven Realismus. Man kann die Suche nach Wahrheit auch als die Suche nach den Nischen auffassen, in denen unser Modell vom "So sein" anwendbar ist.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon King Lui » So 20. Mär 2011, 19:10

ujmp hat geschrieben:Das kommt darauf an, wie man es auffasst. Zu bestimmten Vorstellungen sind wir geradezu gezwungen, z.B. kann man sich einen Körper nicht ohne Raum vorstellen.

In der Mathematik gibt es aber euklidische und nicht euklidische Räume, also auch euklidische und nicht euklidische Körper. In der Physik gibt es Newtons Physik und die Relativitätstheorien.

Allerdings von "Körpern ohne Raum" geht weder die euklidische noch die nicht-euklidische Trigonometrie aus.

ujmp hat geschrieben:Myrons Beschreibung der Wahrheit (der ich zustimme) ist evtl. auch so eine "Zwangsvorstellung" (im sachlichsten Sinne des Wortes). Wenn man die grundlegenden geistigen Verhaltensweisen "nur" als Funktionen des Organismus betrachtet, die ihm "nur" zum Überleben dienen, beinhaltet das m.E. eine Kritik am naiven Realismus.

Es ist eine Hypothese, dass die meisten Menschen, solange sie ihre Ansichten über die Wirklichkeit nicht kritisch reflektieren, wohl naive Realisten sind.

Es ist weiter eine Feststellung, dass die Farbe Purpur weder rot noch violett ist (Farbenfehlsichtigkeit ist ein anderes Thema), aber den "Farbenkreis" schließt. Wenn man an violett ultraviolett anschließen möchte und an rot infrarot, muss man den Farbenkreis aufbrechen, und sich mit elektromagnetischen Wellen beschäftigen.

Es ist eine Kritik am naiven Realismus, die Argumente liefert.

ujmp hat geschrieben:Man kann die Suche nach Wahrheit auch als die Suche nach den Nischen auffassen, in denen unser Modell vom "So sein" anwendbar ist.

Elektromagnetische Wellen sind nichts, was es nur in einer Nische des Seins gibt.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon Mark » Mi 23. Mär 2011, 20:11

Wahrheit ist also immer ein Konstrukt aus Modellen.. ?
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon ujmp » Do 31. Mär 2011, 00:16

King Lui hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Das kommt darauf an, wie man es auffasst. Zu bestimmten Vorstellungen sind wir geradezu gezwungen, z.B. kann man sich einen Körper nicht ohne Raum vorstellen.

In der Mathematik gibt es aber euklidische und nicht euklidische Räume, also auch euklidische und nicht euklidische Körper. In der Physik gibt es Newtons Physik und die Relativitätstheorien.

Ich glaube, dass es sich bei gewissen Vorstellungen eher um Metaphern handelt. Ein nicht euklidischer Raum ist eigentlich kein Raum, sondern ein mathematisches Modell. Man kann sich nicht vorstellen, sich in einem solchen Raum zu bewegen. Man kann es bestenfalls umschreiben, aber das geht nur mit euklidischen Vorstellungen, z.b. ein "Dreieck auf einer Kugeloberfläche", wo die Winkelsumme nicht 180° ist. Das ist aber nur kein gewöhnliches Dreieck in einem gewöhnlichen Raum. Wie Mathematiker "Raum" definieren ist dabei belanglos. Auch die Relativitätstheorie, wenn sie bildhaft erklärt wird, wird in einem euklidischen Raum beschrieben, z.B. in dem man eine Raumdimension reduziert und die "freigewordene" Dimension für die Beschreibung der Zeit benutzt. Wenn ich es richtig sehe, ist die Relativitätstheorie gerade der Versuch, unser ganz alltägliche Raum- und Zeitvorstellung - zu der uns unsere Hardware zwingt- widerspruchsfrei anzuwenden. Einstein ist über das Problem der "Gleichzeitigkeit" auf seine Theorie gekommen - er hat m.E. ausschließlich euklidisch gedacht und argumentiert.
King Lui hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Man kann die Suche nach Wahrheit auch als die Suche nach den Nischen auffassen, in denen unser Modell vom "So sein" anwendbar ist.

Elektromagnetische Wellen sind nichts, was es nur in einer Nische des Seins gibt.


Überleg mal, dass "Welle" hier eine Metapher ist. Was auch immer du in der Natur erklären willst, du wirst es letztlich mit einer Hand voll Sinneswahrnehmungen erklären, von denen du behaupten wirst, dass sie "unmittelbar einleuchtend" seien. Das wären in etwa "Gewicht", "Kraft", "Raum", "Zeit", "Geschwindigkeit" und sowas. "unmittelbar einleuchtend" heißt aber, dass dir nur nichts anderes mehr einfällt. Es gibt aber gute Gründe anzunehmen, dass diesen Basisvorstellungen etwas Wirkliches entspricht, weil diese Wirklichkeit sie sehr wahrscheinlich geformt hat. Es ist aber m.E. gewagt anzunehmen, dass die Wirklichkeit alles in uns hineingeformt hat. Außerdem muss die Form keine Ähnlichkeit mit der Formursache haben. Es scheint aber offensichtlich einen Teil der Wirklichkeit -eben eine Nische - zu geben, in dem wir ganz gut klarkommen.
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Re: Was ist Wahrheit?

Beitragvon ujmp » Do 31. Mär 2011, 00:22

Mark hat geschrieben:Wahrheit ist also immer ein Konstrukt aus Modellen.. ?

"Wahrheit" ist m.E. auch ein Modell. Es ist das Gefühl, dass ein Modell passt. Da dann gute Nacht! ;-)
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