Wahrheiten, ihre Träger und Fürwahrgehaltenheiten

Re: Wahres und Fürwahrgehaltenes

Beitragvon ujmp » Fr 6. Jan 2012, 12:00

...Hab schon paar Tassen Kaffee gedrunken, hier meine Einschätzung:

mat-in hat geschrieben:Ich denke - nur mal kurz und aus dem Urlaub und vor dem 1. Kaffee - daß der Unterschied so liegt: Bei Fakten versuchen wir uns auf eine gemeinsame Realität zu einigen, die andere überprüfen können.
...

d.h. wir erkennen das Urteil der anderen an, die etwas als Fakt ansehen. Wir gehen also davon aus, dass es a) Fakten gibt und b) dass es Vorstellungen gibt, denen keine Fakten entsprechen. Deweiteren gehen wir davon aus, dass es Fakten gibt, die niemanden bekannt sind und deshalb von niemandem vorgestellt werden. Deshalb ist das numerische Vorhandensein von Fakten unabhängig davon ob diese Fakten vorgestellt werden oder nicht. Es gibt, anders gesagt, ganz gewiss mehr Fakten als Vorstellungen.

Ohne über Wörter streiten zu wollen, würde ich Fakten als Tatsachen bezeichnen und Aussagen, die den Tatsachen entsprechen als Wahrheiten. Mit Wahrheiten sind Sätze gemeint, denen das Attribut "wahr" zukommt.
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Re: Wahres und Fürwahrgehaltenes

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 6. Jan 2012, 14:54

ujmp hat geschrieben:Ohne über Wörter streiten zu wollen, würde ich Fakten als Tatsachen bezeichnen und Aussagen, die den Tatsachen entsprechen als Wahrheiten. Mit Wahrheiten sind Sätze gemeint, denen das Attribut "wahr" zukommt.

Naja, das bedeutet doch eigentlich, dass du meine Wortwahl annimmst. Wahrheiten entsprechen Tatsachen vielleicht, sie sind aber keineswegs gleich, ich hoffe, dass du das endlich eingesehen hast. Wahrheiten sind keine Sätze, das habe ich dir schon öfter versucht zu erklären, sogar Myron hat mir da zugestimmt.
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Re: Wahres und Fürwahrgehaltenes

Beitragvon ujmp » Fr 6. Jan 2012, 15:13

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Ohne über Wörter streiten zu wollen, würde ich Fakten als Tatsachen bezeichnen und Aussagen, die den Tatsachen entsprechen als Wahrheiten. Mit Wahrheiten sind Sätze gemeint, denen das Attribut "wahr" zukommt.

Naja, das bedeutet doch eigentlich, dass du meine Wortwahl annimmst. Wahrheiten entsprechen Tatsachen vielleicht, sie sind aber keineswegs gleich, ich hoffe, dass du das endlich eingesehen hast. Wahrheiten sind keine Sätze, das habe ich dir schon öfter versucht zu erklären, sogar Myron hat mir da zugestimmt.

Jemand der "falsche Wahrheiten" annimmt und den Grundsatz "!(a&!a)" verletzt, kann alles mögliche reden, er kann aber von Nichts eine klare Vorstellung haben. Da dein Wahrheistbegriff alles beinhaltet, kannst du über jedes Statement behaupten, dass es dich bestätigt. Ein Begriff, der alles beinhaltet, sagt aber zugleich gar nichts. Ich hab dir schon irgendwo gesagt, dass aus Widersprüchlichem beliebiges folgt.

Sagen wir mal so: Unter welchen Umständen würdest du denn zugeben, dass du dich geirrt hast? Natürlich niemals! Zum Schluss wirst du über alles, was du hier gelernt hast behaupten, du hättest es uns beigebracht.
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Re: Wahres und Fürwahrgehaltenes

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 6. Jan 2012, 15:50

Also, wenn du Argumente hast, dann schreibe sie hin. Es ist nicht meine Schuld, wenn dir deine Behauptungen, von denen ich ausgehe, widersprüchlich erscheinen (weswegen man doch eben das behauptet habe, was ich behauptet habe). Ich habe eine klare Vorstellung, ich habe sie dir mehrmals versucht zu erklären. Ich nehme "falsche Wahrheiten" nicht an, ich behaupte nur, dass wenn man zwischen Richtigkeit/Korrektheit/Tatsächlichkeit und Wahrheit unterscheidet, man 2 Maßstäbe hat, folglich kann eine Wahrheit (die sowieso immer subjektiv sind) unter dem annähernd objektivem Maßstab der Korrektheit als "falsch/inkorrekt" eingestuft werden. Aber wenn wir bei diesem Thema bleiben wollen: Unterscheide doch mal besser, was deiner Meinung nach eine Wahrheit ist, aber nicht eine Führwahrgehaltenheit (und umgekehrt).
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Re: Wahres und Fürwahrgehaltenes

Beitragvon ujmp » Fr 6. Jan 2012, 16:01

Darth Nefarius hat geschrieben: es GIBT falsche Wahrheiten, diesen Begriff zu benutzen ist durchaus angebracht

Hier hast du es ganz groß geschrieben.

Es gibt in deiner Denke scheinbar nicht das, was Logiker als Widerspruch bezeichnen, ich sehe jedenfalls stattdessen sehr viel Willkür.

Unter welchen Umständen würdest du denn zugeben, dass du dich geirrt hast?
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Re: Wahres und Fürwahrgehaltenes

Beitragvon mat-in » Fr 6. Jan 2012, 16:11

Darth Nefarius hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:P.S.: Man geht NICHT mit einem Ziel "ich beweise jetzt X" an eine Forschungsarbeit ran...

Warum Wattson und Crick sich die DNA vorgenommen haben?

Weil bekannt war, das sie träger der Erbsubstanz ist und weil sie deren Struktur aufklären wollten, NICHT weil sie beweisen wollten, das es eine Doppelhelixstruktur ist. Da ist in der Vorgehensweise ein erheblicher Unterschied.
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Re: Wahres und Fürwahrgehaltenes

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 6. Jan 2012, 16:16

Wenn du es mir beweist und nicht nicht mehr Antworten auf deine Behauptungen parat habe, die sie entkräften.
Wenn ich soetwas schreibe, dann meine ich, dass es sie gibt, ich gehe nicht von falschen Wahrheiten aus, sondern von der Logik. Wenn man ein Geschenk wie Socken zu Weihnachten nicht annimmt, bedeutet das nicht, dass man deren Existenz negiert. Ich habe durchaus verstanden, was du damit sagen wolltest, ich habe nur deine wortwahl kritisiert. Wenn du schreibst "D. Nefarius geht davon aus, dass man subjektive Wahrheiten als falsch bezeichnen kann", dann stimmt das auch, ich nehme aber falsche Wahrheiten nicht an, ich behaupte, dass es sie gibt. Wenn ein Darwinist sagt, dass es eine lamarckistische Haltung unter einigen Kollegen gibt, dann hat er den Lamarckismus nicht angenommen, sondern behauptet nur, dass es diese Evolutionstheorie gibt. Ich habe dir nun mehrere Argumente geliefert, deine musste ich mehrmals entkräften, du benutzt selbige immer und immer wieder.
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Re: Wahres und Fürwahrgehaltenes

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 6. Jan 2012, 16:19

mat-in hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:P.S.: Man geht NICHT mit einem Ziel "ich beweise jetzt X" an eine Forschungsarbeit ran...

Warum Wattson und Crick sich die DNA vorgenommen haben?

Weil bekannt war, das sie träger der Erbsubstanz ist und weil sie deren Struktur aufklären wollten, NICHT weil sie beweisen wollten, das es eine Doppelhelixstruktur ist. Da ist in der Vorgehensweise ein erheblicher Unterschied.

Zitier mich bitte vollständig. Die Struktur wollten sie aufklären, ja, aber davor hatten sie schon Ideen, wie sie aussehen könnte. Was ist denn mit den anderen, die ich aufgezählt habe? Ist es nicht so, dass sie zuerst die Theorie hatten, dann die Beweise? Das passiert oft in der Wissenschaft.
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Re: Wahres und Fürwahrgehaltenes

Beitragvon Myron » Fr 6. Jan 2012, 17:27

Darth Nefarius hat geschrieben:Wahrheiten sind keine Sätze, das habe ich dir schon öfter versucht zu erklären, sogar Myron hat mir da zugestimmt.


"It is a truism that two speakers can say the same thing by uttering different sentences, whether in the same or different languages. For example, when a German speaker utters the sentence ‘Schnee ist weiss’ and an English speaker utters the sentence ‘Snow is white’, they have said the same thing by uttering the sentences they did. Proponents of propositions hold that, speaking strictly, when speakers say the same thing by means of different declarative sentences, there is some (non-linguistic) thing, a proposition, that each has said. This proposition is said to be expressed by both of the sentences uttered (taken in the contexts of utterance—to accommodate contextually sensitive expressions) by the speakers, and can be thought of as the information content of the sentences (taken in those contexts). The proposition is taken to be the thing that is in the first instance true or false. A declarative sentence is true or false derivatively, in virtue of expressing (in the context in which it is uttered—…) a true or false proposition."
———
"Es ist eine Binsenwahrheit, dass zwei Sprecher dasselbe mit verschiedenen Sätzen sagen können, ob in derselben oder verschiedenen Sprachen. Wenn beispielsweise ein Deutscher den Satz 'Schnee ist weiß' äußert und ein Englisch Sprechender äußert den Satz 'Snow is white', dann haben sie mit den geäußerten Sätzen dasselbe gesagt. Befürworter von Propositionen meinen, dass, streng genommen, wenn Sprecher dasselbe mittels verschiedener Aussagesätze sagen, dann gibt es etwas (Nichtsprachliches), eine Proposition, die von jedem (aus)gesagt worden ist. Ihnen zufolge wird diese Proposition von beiden von den Sprechern geäußerten Sätzen zum Ausdruck gebracht (im Rahmen der Äußerungskontexte – um kontextvariablen Ausdrücken Rechnung zu tragen) und kann als der Informationsgehalt der Sätze (innerhalb jener Kontexte) erachtet werden. Die Proposition gilt als dasjenige, das an erster Stelle wahr oder falsch ist. Ein Aussagesatz ist im abgeleiteten Sinne wahr oder falsch dadurch, dass er (im jeweiligen Äußerungskontext) eine wahre oder falsche Proposition ausdrückt."

[© meine Übers.]

(http://plato.stanford.edu/entries/propo ... structured)

Doch der ontologische Status von Propositionen, von Frege'schen Gedanken als Bedeutungen (oder, wie Frege sagt, Sinne) oder Informationsgehalten von Aussagesätzen ist problematisch: Handelt es sich dabei um mentale Entitäten, die irgendwo in unseren Köpfen hausen, oder um abstrakte Entitäten, die sich nirgendwo, an keinem Ort im Raum befinden? Ersteres kann man eigentlich ausschließen, da ein und dieselbe Proposition als eine mentale Entität nicht gleichzeitig in mehreren Köpfen und damit an mehreren Orten anwesend sein könnte.
Wenn Propositionen existieren, dann müssen sie wohl nichtmentaler und nichtphysischer, d.i. abstrakter Natur sein. Doch als Naturalist/Materialist erscheinen mir abstrakte Entitäten allgemein ontologisch suspekt.
Die Existenz von Frege'schen Gedanken (Gedankensätzen) zu verneinen und dafür die Existenz von Aussagesätzen zu bejahen, brächte mich vom Regen in die Traufe, da Typen von Aussagesätzen selbst abstrakte Entitäten sind. Als konsequenter Naturalist/Materialist bleibt mir also wohl letztlich nichts anderes übrig, als die Existenz sowohl von abstrakten (nichtsprachlichen/sprachunabhängigen) Gedankensätzen als auch von abstrakten (sprachlichen/sprachabhängigen) Aussagesatztypen zu verneinen und nur die Existenz konkreter Aussagesatzexemplare zu bejahen, welche dann als Wahrheitsträger fungieren.

"Die Aussage <A> ist wahr" bedeutet dann: "Alle Aussagesatzexemplare im Deutschen oder anderen Sprachen, die denselben Sinn haben/im selben Sinn gebraucht werden wie das deutsche Aussagesatzexemplar 'A', sind wahr."
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Re: Wahres und Fürwahrgehaltenes

Beitragvon Myron » Fr 6. Jan 2012, 17:36

ujmp hat geschrieben:Ohne über Wörter streiten zu wollen, würde ich Fakten als Tatsachen bezeichnen und Aussagen, die den Tatsachen entsprechen als Wahrheiten. Mit Wahrheiten sind Sätze gemeint, denen das Attribut "wahr" zukommt.


"Fakt" und "Tatsache" sind eh Synonyme, und was Sätze als Wahrheitsträger anbelangt, so stellt sich eben die ontologische Frage, ob es sich dabei um abstrakt-nichtlinguistische Gedankensätze (Frege'sche Gedanken, propositions), abstrakt-linguistische Typen (types) von Aussagesätzen oder konkret-linguistische Exemplare (tokens) von Aussagesätzen handelt.

Types and Tokens: http://plato.stanford.edu/entries/types-tokens

Propositions: http://plato.stanford.edu/entries/propositions + http://plato.stanford.edu/entries/platonism/#4.2

Fußnote: Je nach Auslegung überschneiden sich die Kategorien proposition und state of affairs (= Sachverhalt):

http://plato.stanford.edu/entries/propositions-singular

http://plato.stanford.edu/entries/states-of-affairs

Es ist jedenfalls nicht einfach, die Kategorien Aussage/Aussagesatz, Gedanke, Sachverhalt und Tatsache ontologisch zu ordnen und in ein kohärentes Kategorienschema zu integrieren.
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Re: Wahres und Fürwahrgehaltenes

Beitragvon Myron » Fr 6. Jan 2012, 18:23

Myron hat geschrieben:…und was Sätze als Wahrheitsträger anbelangt, so stellt sich eben die ontologische Frage, ob es sich dabei um abstrakt-nichtlinguistische Gedankensätze (Frege'sche Gedanken, propositions), abstrakt-linguistische Typen (types) von Aussagesätzen oder konkret-linguistische Exemplare (tokens) von Aussagesätzen handelt.


Hier kommt allerdings, wie gesagt, die übergeordnete allgemeine Frage nach dem Verhältnis vom Naturalismus zum Platonismus/Abstraktismus ins Spiel.
Müssen (ontologische) Naturalisten Konkretisten sein, d.h. Nominalisten, die die Existenz/Realität abstrakter, hyperphysischer und hyperpsychischer Entitäten verneinen? Können sie zumindest einige abstrakte Entitäten als natürliche Entitäten akzeptieren?
Das ist ein komplexes und kompliziertes, aber hochrelevantes Thema.
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Re: Wahrheiten, ihre Träger und Fürwahrgehaltenheiten

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 6. Jan 2012, 20:23

Da kannst du ein eigenes Thema eröffnen, aber wenn du mich fragst, dann ist der Begriff "abstrakte Entität" eher eine Art Dopplung. Meiner Ansicht nach ist etwas Seiendes ohne nähere Definition (=Entität) schon ein abstrakter Gegenstand. Eine natürliche Entität wird nicht die Begrifflichkeit Entität benötigen, da sie (theoretisch) aus unserer kausalen Welt stammend durchaus definierbar ist, nicht nur über das Sein, also wäre sie gar keine Entität. Somit wären beide Begriffe eher inkorrekt.
Und zu der einen Stelle, an der du mich zitiert hast. Wenn du mir nicht zugestimmt hast, warum hast du dann unter entsprechend gemeinten Kommentaren, die du zitiert hast (in älteren Kommentaren) ein "Ja" oder sonstwas geschrieben? Vielleicht habe ich auch deinen ersten Kommentar falsch verstanden, aber ich nehme nicht an, dass du dann über die inhaltliche Gleichheit zweier Sätze von jeweils 2 verschiedenen Personen philosophiert hättest, das wäre reichlich überflüssig (obwohl- eigentlich passt das zu deinem bisherigen Stil :lachtot: ).
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