@ Lumen:
Ah, siehst Du Dich wieder genötigt in Deine albernen paranoiden Phantasien zu flüchten?
Was genau verlangst Du denn von mir?
Wie kann ich Dir etwas zeigen, was Du nicht sehen willst oder kannst? Andere sehen es.
Frag nach.
Dann machen wir doch unbeschwert weiter.
In dem Kapitel
Hat unser Moralgefühl einen darwinistischen Ursprung breitet Dawkins seine Gedanken über Moral, Altruismus und Egoismus aus. Es ist immer dasselbe Muster (alle Zitate aus Dawkins,
Der Gotteswahn, 2006, dt. Ullstein-TB, 2008):
Richard Dawkins hat geschrieben:Die Vorstellung vom egoistischen Gen – mit der richtigen Betonung auf dem zweiten Wort – geht davon aus, dass nicht der egoistischen Organismus, die egoistischen Gruppe, die egoistische Spezies oder das egoistische Ökosystem als Einheit der natürlichen Selektion (das heißt als Einheit des Selbstinteresses) dient, sondern das egoistische Gen. (S.298)
Die Botschaft scheint klar: Die Gene waren es. Nicht die Individuen (und auch nicht die Schweizer).
Weniger klar ist dann jedoch das, was folgt:
Richard Dawkins hat geschrieben:Wo sorgen die Gene nun für ihr eigenes „egoistisches” Überleben im Verhältnis zu anderen Genen? Der naheliegendste Weg besteht darin, dass sie die einzelnen Organismen auf Egoismus programmieren. (S.298)
Das nutzt manchmal, aber nicht immer und:
Richard Dawkins hat geschrieben:Unter manchen – gar nicht mal so seltenen – Voraussetzungen sorgen die Gene für ihr eigenes, egoistisches Überleben am besten dadurch, dass sie den Organismus zum Altruismus veranlassen.(S.299)
Das tun also die Gene, nicht wir, was aber bekanntlich nicht deterministisch verstanden werden soll. Wie dann? Naja.
Nun beschreibt Dawkins das, was ihm so an Motiven für den Altruismus in den Sinn kommt. Eine recht traurige Flachland-Wüste. Aber Dawkins freut sich und stellt fest:
Richard Dawkins hat geschrieben:Die Reiche des Lebendigen sind voll von solchen Beziehungen [bei denen eine Hand die andere wäscht – V.] auf Gegenseitigkeit: Büffel und Madenhacker, rote Röhrenblüten und Kolibris, Zackenbarsche und Putzerfische, Kühe und Mikroorganismen in ihrem Darm.(S.300]
Gewiss ist es interessant die Kooperation im Tierreich zu betrachten, aber viel weiter als bis zum gegenseitigen Nutzen wird man bei dieser Betrachtung auch nicht kommen.
Dawkins lässt sich noch einige Seite über Moral und was er dafür hält aus, um dann zusammenzufassen:
Richard Dawkins hat geschrieben:Damit haben wir nun vier stichhaltige darwinistische Gründe, warum Individuen untereinander altruistisch, großzügig oder „moralisch“ handeln. Der erste betrifft den Sonderfall der Verwandtschaft. Der zweite ist die Gegenseitigkeit: Gefälligkeiten werden vergolten und in „Erwartung“ eines solchen Gegengefallens erwiesen. Darauf folgt sofort der dritte: der darwinistische Vorteil, den es bedeutet, wenn man sich de Rufe der Großzügigkeit und Freundlichkeit erwirbt. Und wenn Zahavi recht hat, gibt es viertens den speziellen, unmittelbaren Nutzen der zur Schau gestellten Großzügigkeit als Mittel, um für sich selbst authentische, unverfälschte Reklame zu machen.(S.304)
Alles muss egoistisch motiviert sein, wenn nicht vordergründig, dann hintergründig. Eine petitio principii, das ist ein logischer Fehlschluss, habe ich das schon mal erwähnt? Ja, gefühlte 100 mal.
Nun die einzelnen Punkte sind immerhin falsifizierbar, der erste anonyme Spender widerspricht allen vier Punkten. Mit einem Kind in Afrika muss ich nicht verwandt sein, ich kann nicht erwarten eine Gegenleistung zu bekommen, wenn ich anonym spende, erwerbe ich nicht den Ruf des Wohltäters und stelle die Großzügigkeit auch nicht zur Schau.
Aber den Evolutionsbiologen die sich hier geschlagen geben müssen, springen alsbald die Neurobiologen zur Hilfe. Das Spenden triggert bestimmt unser körpereigenes Belohnungszentrum und damit ist das doch ein egoistischer Akt. Ha. Leider bleibt es ein Fehlschluss: Wer suchet, der findet. Hier steht das Ergebnis fest, nach den Fakten wird noch gesucht. Das ist unwissenschaftlich.
Und logisch zirkulär. Müsstest Du erkennen können.
Aber wir waren ja bei Dawkins. Und nun legt er richtig los:
Richard Dawkins hat geschrieben:Ein solches Bewusstsein [für natürliche Selektion- V.] konnte erst im 20. Jahrhundert die kognitive Ebene erreichen, und auch heute ist das umfassende Wissen darüber auf eine kleine Gruppe spezialisierter Wissenschaftler beschränkt.(s.306)
Uijuijui, Nachtijall, ick hör dir trappsen. Doch Dawkins öffnet den hermetischen Schrein und zum Vorschein kommen folgende esoterische Weisheiten:
Richard Dawkins hat geschrieben:Die natürliche Selektion begünstigt Faustregeln, die in der Praxis den Genen nützen, von den sie erzeugt wurden. Aber es gehört zum Wesen der Faustregeln, dass die auf mal nach hinten losgehen.
So ist Brutpflege an sich gut, aber blöd wenn ein Kuckuck das ausnutzt.
Und nun kommt Richard Dawkins richtig in Fahrt:
Richard Dawkins hat geschrieben:Wäre es denkbar, dass unser Drang zur Nächstenliebe ebenfalls eine solche Fehlfunktion ist wie bei dem Teichrohrsänger, dessen Elterninstinkt in die Irre geht, wenn der Vogel sich für einen kleinen Kuckuck abrackert? Eine noch genauere Analogie ist der Drang des Menschen, ein Kind zu adoptieren. Ich muss sofort hinzufügen, dass ich den Begriff „Fehlfunktion“ hier nur in einem streng darwinistischen Sinn gebrauche. Er beinhaltet keinerlei Abwertung.(S.306)
Das steht da wirklich. Die naive Bemühtheit hat ja irgendwie fast etwas Rührendes, nur was will der Mann uns damit eigentlich sagen? Die Gene sind nicht alles, es gibt auch Altruismus, aber den eigentlich nur, wenn er am Ende doch den Genen dient, zu echtem Altruismus fällt Dawkins einfach kein Beispiel ein, nicht mal ein anonymer Spender.
Dann denkt er laut darüber nach, ob nicht Hilfe eine Art genetischer Fehlfunktion ist, was er aber nicht abwertend meint, sondern als Fehler den wir heute durchaus als erwünscht annehmen. Wie denn, wenn es letztlich doch die Gene sind?
Er erklärt, was er meint:
Richard Dawkins hat geschrieben:Meine Idee, es könne sich um einen „Fehler“ oder „Nebenprodukt“ handeln, sieht folgendermaßen aus: In alter Zeit, als wir wie Paviane in kleinen, stabilen Gruppen lebten, programmierte die natürliche Selektion in unser Gehirn einen Drang zum Altruismus ein; es war ein Trieb wie der Sexualtrieb, der Fresstrieb, die Fremdenfeindlichkeit und so weiter.(S.307)
Solche Sätze tun einfach weh, im direkten Anschluss:
Richard Dawkins hat geschrieben:Ein intelligentes Paar kann Darwin lesen und weiß dann, dass das Bedürfnis nach Sexualität seine Ursache letztlich in der Fortpflanzung hat. Beide wissen, dass die Frau kein Kind bekommen kann, weil sie die Pille nimmt. Dennoch stellen sie fest, dass ihr Sexualtrieb sich durch dieses Wissen keineswegs vermindert. Sexuelle Bedürfnisse sind sexuelle Bedürfnisse, und in der Psyche des Einzelnen sind sie unabhängig von dem darwinistischen Druck, der letztlich ihre Triebkraft war. Es ist ein starker Trieb, der losgelöst von seiner letzten Begründung existiert.(S.307)
Ähh, joo. Diese Binsen und Andeutungen sind ist das Geheimwissen aus der Arsenal der Biologen, dass nur wenige Spezialwissenschaftler verstehen? Aber er hat noch nicht fertig:
Richard Dawkins hat geschrieben:Nach meiner Vermutung gilt das Gleiche auch für unseren Drang, freundlich zu sein – unseren Hang zu Altruismus, Großzügigkeit, Einfühlungsvermögen und Mitleid. In alter Zeit hatten wir die Gelegenheit zum Altruismus nur gegenüber unseren Verwandten und denen, die es uns potentiell vergelten konnten. Heute existiert diese Einschränkung nicht mehr, aber die Faustregel ist immer noch da. Warum sollte es sie nicht mehr geben? Es ist genau wie beim Sexualtrieb. Wenn wir einen unglücklichen Menschen weinen sehen, müssen wir einfach Mitleid empfinden (auch wenn dieser Mensch nicht mit uns verwandt ist und uns unsere Hilfe nicht vergelten kann), ganz ähnlich wie wir uns sexuell zu einem Angehörigen des anderen Geschlechts hingezogen fühlen (auch wenn diese Person vielleicht unfruchtbar oder aus anderen Gründen nicht zur Fortpflanzung in der Lage ist). Beides sind Fehlfunktionen, darwinistische Fehler – segensreiche kostbare Fehler.(S.307)
Nehmen wir Dawkins, der auch danach noch einmal wiederholt „Fehler“ möge man nicht abwertend verstehen, einfach mal ab, dass er es gut meint. Er will uns etwas sagen.
Und nun erklär Du es uns doch, Lumen: Was meint er?
Die Gene sind egoistisch, was sich in Egoismus des Individuums äußern kann, aber auch in Altruismus, der dann durch „die natürliche Selektion in unser Gehirn“ einprogrammiert wurde.
Also Determinismus, oder nicht? Aber der ist nur statistisch zu verstehen? Unser Egoismus und Altruismus ein Zwang der Gene oder nur Statistik, eine Option, es könnte auch anders sein? Was ist nun seine Position?
Denn am Ende dient auch der Altruismus ja doch nur egoistischen Zwecken und zwar
individuell egoistischen Zwecken: Dienst an der Familie, eine Hand wäscht die andere und zur Schau gestellter Großmut – all das tun nicht die Gene (sie können das gar nicht), es tut ein Individuum. Und etwas anderes fällt Dawkins nicht ein. Wenn Du was findest, zitier es.
Wir sind also abhängig von unsere egoistischen Genen und werden durch sie zu Egoisten, denn „[w]ir sind egoistisch geboren“ wie Dawkins in den selfish genes schreibt. Entweder direkt, wie Dakwins ausführt oder über den Umweg eines fadenscheinigen Altruismus der nur dem Individuum dient.
Und anders können wir nicht, denn wir sind höhere Affen, aus der Kette der Evolution und warum sollte es die Faustregeln nicht mehr geben, fragt Dawkins? Sind wir nun biologisch gezwungen, oder haben wir selbst eine Wahl?
Warum müssen wir einfach Mitleid haben? Einige haben es nicht. Und die, die es haben: Warum müssen sie? Auch wenn sie nun auf einmal nichts mehr davon haben (ein offener Widerspruch): Weil es ein biologisches Programm ist? Dann sind wir also doch determiniert? Was ist nun auf einmal aus den vier Gründen für den Altruismus geworden? Gibt es noch einen fünften? Warum beschreibt Dawkins ihn nicht?
Oder ist das nur so eine lässige optionale Vorgabe der Evolution, aus der wir dann machen können, was wir wollen? Wozu dann der ganze Aufstand mit den Genen?
Selbst wenn man den starken Drang hat, Dawkins verstehen zu wollen – den Du sicher hast und da irgendwas Tiefes und Bedeutsames hineinzulesen, es bleiben einfach verschwurbelte Sätze die hinten und vorne nicht zusammen passen.