ujmp hat geschrieben:Das ist trivial, aber für eine Definition von "Wahrheit" irrelevant. Versteh es mal so: Es geht um zwei voneinander unabhängige Behauptungen: 1) "Schee ist rot, das ist wahr" und 2) "Die Aussage 'Schnee ist rot, das ist wahr" ist falsch". Es mag ja sein, dass "Schee ist rot, das ist wahr" und "Schnee ist rot" dasselbe meinen. Das ist aber nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass sich Aussagen in zwei Klassen teilen lassen, nämlich in die Klasse der wahren und die der falschen Aussagen.
Du vermischst hier zwei Dinge.
Zum einen handelt es sich bei der Aussage: „Schnee ist weiß“ um eine Behauptung, die von einem Sprecher aufgestellt wurde. Dieses Szenario
ist bereits eine Behauptung und enthält damit implizit den Anspruch wahr zu sein, sonst würde man es schlicht nicht behaupten.
Alle Zusätze der Form: „Ich bin überzeugt, dass x und glaube fest daran, dass es wahr ist, was ich sagen“ fügen der Aussage vielleicht einen emotional verstärkenden Aspekt zu, aber an der logischen Form, dass x ändert es nichts.
Nun kann man auch Behauptungen aufstellen die falsch sind. Stellt man sie auf, ist man ja dennoch überzeugt, dass sie richtig sind, sonst würde man sie nicht aufstellen oder einschränken durch ein, „Ich glaube, dass…“ „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber…“ „Vermutlich…“.
Zweitens: Dass die Aussage „Schnee ist rot“ falsch ist, wäre die Überzeugung dessen, der auf die Aussagen „Schnee ist rot“ reagiert oder antwortet. Der würde sagen, dass dieser Satz falsch ist.
Und natürlich können Aussagen wahr oder falsch sein, das Stand ja nie zur Diskussion, sondern nur, was diese Wahrheit bedeutet.
Was macht eine Aussage wahr, oder zu einer wahrne Aussage?
Was bedeutet es für einen Satz, wahr zu sein oder was muss dazu gegeben sein?
ujmp hat geschrieben:Oder anders gesagt, in falsche und nicht falsche Aussagen. Der Wahrheitswert ist ein binäres Atrribut, welches ich jeder Aussage zuweisen kann. Auch Aussagen über Aussagen. z.B. "Der Satz 'Der Satz {Schnee ist rot, das ist falsch} ist wahr' ist falsch" usw. - ohne das irgendwo Redundanz entsteht. Es geht hier nicht darum, dass Aussagen nicht implizit Wahrheitsbehauptungen sind, da hast du natürlich recht, sondern darum, dass diese Behauptungen falsch sein können.
Ja, können sie, keine Frage.
Hat aber auch keiner bestritten.
Auch die Konsenstheorie behauptet an keiner Stelle, dass jede beleibige Aussage wahr sei.
ujmp hat geschrieben:Dass Aussagen wahr sein können stellt ja kein Problem dar. Das Problem ist, dass sie nicht wahr sein müssen. Dass Aussagen falsch sein, können - das ist das Problem, wofür eine Lösung gesucht wird. Es ist ein Anpassungsproblem.
Ich sehe da eigentlich auch kein Problem, so ist es nun mal mit Aussagen, die können wahr oder falsch sein, die Frage ist lediglich an welchem Kriterium wir die Wahrheit oder Falschheit von Aussagen fest machen.
Da sagt die Korrespondenztheorie: an den Fakten.
Und die Konsenstheorie: an der Meinung der jeweiligen Experten.
(Und Experten in Alltagsfragen, sind wir alle und wir korrigieren uns auch ständig. „Die Veranstaltung beginnt um 15:00 Uhr.“ „Nein, die wurden verschoben, weil mehr Leute kommen, als man ursprünglcih plante, darum beginnt sie um 16:30.“)
ujmp hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Das Problem ist auch gar nicht, dass ich das nicht glaube, sondern, dass es schwer bis unmöglich ist, beoachterunabhängige Fakten oder Tatsachen überhaupt zu formulieren.
Dass dies nicht so einfach ist, ist klar. Deborah Mayo hat die Ansätze von Popper und Kuhn einem Review unterzogen. Wenn ich sie richtig verstehe, sind beide Ansätze zwei Seiten derselben Medaille. Übrig bleibt, dass wir aus Fehlern lernen (in der popperschen Terminologie "Falsifizierungen"). Sprich, wir verbessern unsere Meinung über die Fakten, in dem wir auf Fehler stoßen, d.h. auf Daten, die unseren Meinungen (Theorien) widersprechen oder durch sie nicht erklärt werden können.
Das wäre m.E. erst mal ein funktionalistischer Ansatz, für den die schon beschriebenen Schwierigkeiten gelten.
Generell gilt: Woher wissen wir denn, dass es die Wahrheit ist, der wir näher kommen?
Die Wahrheit als Gesamtheit von Fakten kennen wir ja gerade nicht und auch die Sparversion: die Gesamtheit der Gegenstände dieser Welt und ihrer Beziehungen (der Einfluss naturwissenschaftlich formulierbarer Kräfte) untereinander, kennen wir nicht.
Wenn Wahrheit diese Gesamtheit der Tatsachen ist, woher wissen, wir, dass und ob wir ihr näher kommen.
Schau Dir doch mal die Religionskritik an: Man ist heute der Auffassung, dass es keinen Schöpfergott gibt, bis vor einigen 100 Jahren waren auch die Spitzenforscher ihrer Zeit davon überzeugt. Aber hat es in den 1000en Jahren in denen man auf diese oder jene Weise von Göttern ausging, überhaupt keine Fortschritte, keine Erkenntnissel, keine erfolgreiche Kulturtechniken oder sonst etwas gegeben? Nein, man hat durchaus Fortschritte gemacht, auf allen Ebenen, obwohl man nach heutiger Überzeugung von vollkommen falschen Prämissen ausgegangen ist.
Man konnte also funktionierende Staaten bilden, Schiffen bauen, die gegen den Wind segelten, machte Fortschritte in Medizin, Philosophie und Mathematik und das eben auf dem Boden vollkommen falscher Prämissen. Damit will ich keine Religionsdiskussion entfachen, sondern nur sagen: Es klappte oder funktionierte, obwohl die Prämissen fehlerhaft waren.
Dass man heute überzeugt ist, ein paar Details seien noch zu ändern, ansonsten sei unser Weltbild aber mehr oder minder richtig, niemand erwartet ja ernsthaft einen Umsturz, sollte uns nicht zu sehr überzeugen, auch wenn unsere Handys beeindruckende Leistungen vollbringen.
Es ist nun alles andere als eine Besonderheit von der Kultur in der man aufwächst, anzunehmen, sie sei die einzig vermünftige. Wer sagt uns denn, dass 2600 noch alles ganz genauso ist wie heute, bezogen auf das Weltbild?
ujmp hat geschrieben:Es ist m.E. gar nicht das Problem "Fakten oder Tatsachen überhaupt zu formulieren". Es ist das - lösbare - Problem, a) Erwartungen (Predictions) zu formulieren und b) zu formulieren, welche Daten diesen Erwartungen entsprechen würden. Die "Tatsache" kann dabei als Black Box betrachtet werden. Die Wissenschaft geht einfach davon aus, dass diese als Tatsache konstant bleibt.
Der Ansatz umgeht das eigentliche Problem, nämlich die Frage, was Wahrheit ist. Black Box, heißt im allgemeinen Sprachgebrauch, dass da irgendwas passiert, von dem wir nicht wissen, wie und warum, aber am Ende wird aus einem Euro eine Dose Cola. Das ist alles auf dem Niveau von Funktionalismus oder Behaviorismus angesiedelt und beide sind selbst nur bedingt wahr.
Selbst an den virtuosen analytischen Ansätzen eines Robert Brandom kann man berechtigte Kritik üben, Habermas hat das getan – nicht ohne Brandoms Werk als einen Meilenstein der theoretischen Philosophie explizit zu würdigen – in dem er verkürzt sagt, auch bei Brandom hätte man es letztlich mit Ich-Du Relationen zu tun, bei denen sich Akteure wechselseitig die Richtigkeit oder Falschheit ihrer Aussagen zuschreiben und einander beurteilen, wobei dieser Ansatz den Sprung in eine gemeinsame Wir-Welt verfehlt.
Diese Kritik gilt für seichtere Ansätze natürliche in noch viel stärkerem Maße und die Frage, was Wahrheit denn ist, die bei einer Wahrheitstheorie ja im Zentrum steht, wird unterlaufen.
Ich bin natürlich überzeugt davon, dass wie die Frage nach der Wahrheit, überhaupt nicht stellen müssen,wenn wir z.B. Airbags, Handys und Bohrmaschinen verbessern wollen und oft reicht die Frage nach dem praktischen Problem aus, aber eben nicht, wenn es um die Frage nach der Wahrheit als solcher geht.
ujmp hat geschrieben:Du missverstehst, was diese Aussagen meinen. "Pluto ist ein Planet" meint eigentlich "Pluto ist der Defintion nach ein Planet".
Das habe ich nicht missverstanden.
ujmp hat geschrieben:Eine Defintion ist auch ein Fakt, aber, wie in diesem Fall ein veränderlicher. Der Satz "Heute ist Sonntag" ist morgen natürlich nicht mehr wahr.
Ja, Wahrheit ist kontextabhängig. Wenn die Tatsachen sich aber auf Defitnionen, Konventionen, Absprachen und andere Formen der Festlegungen und des Konsensus beziehen, habe ich, wie schon erwähnt keine Einwände, nur sehe ich dann auch die große Differenz zwischen Konsens und Korrespondenztheorie der Wahrheit niicht mehr.
So wie ich es gehört habe, greift man „im richtigen Leben“ auf beide zurück, die sich immer wieder überlappen, es könnte aber auch sein, dass die Korrespondenztheorie in der Konsenstheorie enthalten ist, m.E. spricht mehr dafür als dagegen.
Indizien: Die Konsenstheorie leugnet nicht, dass es Fakten oder Tatsachen gibt, sie würde nur, wie Du auch, die Absprachen zu dem Tatsachen oder Fakten über die Welt rechnen. Und sie würde bestreiten, dass wir aus einer Quelle primärer Fakten oder Tatsachen, die wir einfach so, unvermittelt vorfinden überhaupt schöpfen können. Der Naturalist Sellars bezeichnet diese Vorstellung (Welt liege als solche uninterpretiert vor und sei als solche auch von uns erkennbar) als den Mythos des Gegebenen.
ujmp hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:dann sind Fakten bereits Sprachspiele und Konventionen
Diesen m.E. falschen Standpunkt solltest du -- wenigstens vorübergehend -- aufgeben, um die Korrespondenztheorie zu verstehen. Begriffe wie "Bäume, Atome" sind
Meinungen über angenommene Fakten und nicht selbst Fakten.
Was ist denn dann ein reines Faktum und keine Meinung.
Der Wahrheit geht eine Wahrheitsbehauptung voran, die sich dann als wahr oder falsch erweisen kann. Aber was sind die Fakten selbst? Hier würdest Du dann doch wieder teilen, in eine Welt vor jeder Interpretation (die Welt der Fakten) und eine Welt nach der Intepretation (die Welt der Meinungen). Wie willst Du denn, zu jener vorsprachlichen und vorlogeische Welt überhaupt Zugang haben und wie kommen dann auf einmal doch Definitionen ist Spiel, die Du ja oben als Tatsachen verstanden wissen wolltest?