Lebt das Lebendige?

Lebt das Lebendige?

Beitragvon xander1 » Di 8. Jan 2013, 13:09

Wir gehen mal davon aus, dass die Welt in der wir leben wirklich existiert und dass es keine Simulation ist, wie z.B. im Film Matrix. (Das ist jedoch für die Fragestellung weniger erheblich oder unerheblich)

Wir gehen mal nicht von der Definition aus was Leben ist und wann etwas lebt nach Defintion, sondern was das Leben und zu leben ausmacht, was das bedeutet / bedeuten kann. (z.B. Menschenrechte, Schmerz, Bewusstsein, Fortpflanzung, Tod)

Ich gehe davon aus, dass Leben vollständig physikalisch-chemisch-mathematisch beschreibbar ist.
Ich gehe davon aus, dass Biologie (nur) eine andere Abstraktionsebene über/unter der Physik und Chemie ist. Siehe Wikipedia unter Naturalismus http://de.wikipedia.org/wiki/Naturalism ... osophie%29 unter Entitätsebenen das Bild, das hier http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... cheme2.png .

Wenn tote Materie sich von lebendiger Materie nur durch Eigenschaften und Zusammenhänge unterscheidet, auch von der Definition her (wie man sie leicht nachschlagen kann), wie kann man dann sagen, dass etwas lebt.

Weil wir uns selbst bewusst sind, denken wir, dass wir existieren - cogito ergo sum - wer kennt den berühmten Satz nicht, aber heißt dass, dass wir wirklich existieren?

Ist lebendige Materie nichts anderes als tote Materie mit gewissen Eigenschaften? Ist unser Bewusstseinserleben nichts anderes als eine Illusion. Dazu gibts doch diese Diskussionen über den freien Willen. Den will ich hier nur kapseln und nicht diskutieren. Dazu gibts n anderes Thema.

Ist das Leben und unser Bewusstsein vielleicht nur eine Folge von mehreren Zusammenhängen die im Ganzen eine neue definierbare Eigenschaft bilden, die Leben oder Bewusstsein bedeutet? So wie z.B. Sand und Wind zu Sandrillenmuster und Bergen in der Wüste führt. (Das eine Muster führt zu einem übergeordneten Muster) Dafür gibts auch einen wissenschaftlichen Begriff, der mir nicht einfällt. Oder die atomare Kristallstruktur von Schnee führt zu Schneeflockenkristallmusterformen, usw.

Also wenn lebende Materie nur besondere unlebendige Materie ist, wie kann sie dann das Gegenteil von unlebendiger Materie sein? Wie kann dann Leben eine Bedeutung haben? Haben dann Konstrukte wie "Menschlichkeit" (was man darunter auch immer verstehen mag) Illusionscharakter, wie Darth schon in mehreren Themen meinte (in anderen Formulierungen)?

Wie kann es sein, dass Materie Rechte bekommen darf oder man sympathie mit Materie empfinden kann oder dass man sich gesellschaftlichen Zwängen unterwirft, das heißt Zwängen die sich stoffwechselnde fortpflanzende usw. Materie ausgedacht hat. Wieso wird sich der Treue unterworfen und der warum wird sich an Verträge gehalten (Weil wir so erzogen worden sind?). Das liegt doch alles nur daran, weil wir an das Konstrukt von lebendiger Materie glauben und das strikt von toter Materie unterscheiden.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Lumen » Di 8. Jan 2013, 13:57

Es gibt Definitionen auch für Leben und diese beschreiben Organismen, nicht aber Sandrillenmuster auf Bergen (siehe Wikipedia: Leben). Bewusstsein hingegen wurde in verschiedenen Themen durchgenudelt. Schließlich ist jeder Mensch an die menschliche Perspektive gefesselt, auch wenn wir dank geistiger Beweglichkeit so etwas wie Objektivität suchen können. Diese Objektivität kann nur darüber hinwegtäuschen, dass sie eigentlich bestenfalls intersubjektiv ist (also zwar von allen Menschen geteilt werden könnte, nicht aber zwangsläufig von Menschen und nicht-menschlichen Lebensformen). Wahrscheinlich hat der Denkfehler irgendeinen Namen. Ich nenne es mal Außerirdischen-Logik. Für Menschen kann die Menscheit nie wirklich nur Gewusel von Staubflocken auf der Kruste eines unbedeutetenden Planeten sein, egal ob das objektiv so ist oder erscheint. Weil wir die Definitionen machen, und meistens intuitiv lebendiges von unlebendigem unterschieden können, gibt es diese Unterscheidung.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 8. Jan 2013, 14:20

Die Schlussfolgerungen finde ich allerdings interesssant, auch wenn ich damit:
xander1 hat geschrieben:Also wenn lebende Materie nur besondere unlebendige Materie ist, wie kann sie dann das Gegenteil von unlebendiger Materie sein?

nicht viel anfangen kann. Der Mond ist nicht das Gegenteil der Sonne, beide werden dennoch oft als gegensätzliches Paar betrachtet. Vielmehr als Gegenteile zu suchen, würde ich eher die Pole, die Antagonisten eines Systems identifizieren wollen, da man auch bei vermeindlichen Gegenteilen immer Gemeinsamkeiten findet (entweder in Beschaffenheit des Objekts oder in der Funktion/Wirkung/dem Ursprung/der Systematik des Begriffs....).
Das finde ich jedenfalls sehr interessant:
xander1 hat geschrieben:Wie kann es sein, dass Materie Rechte bekommen darf oder man sympathie mit Materie empfinden kann oder dass man sich gesellschaftlichen Zwängen unterwirft, das heißt Zwängen die sich stoffwechselnde fortpflanzende usw. Materie ausgedacht hat. Wieso wird sich der Treue unterworfen und der warum wird sich an Verträge gehalten (Weil wir so erzogen worden sind?). Das liegt doch alles nur daran, weil wir an das Konstrukt von lebendiger Materie glauben und das strikt von toter Materie unterscheiden.

Dazu ergeben sich viele andere Fragen. Z.Bsp. frage ich mich gleich, was "Wie kann es sein, dass Materie Rechte bekommen darf?", bedeuten soll. Warum nicht? Ich sehe jedenfalls keinen moralischen, ethischen Zwang für das eine oder andere. Vielleicht empfiehlt sich auch hier eine andere Kategorisierung als nach dem Dürfen zu fragen. Jedenfalls funktioniert unsere Realität nicht nach dem Wünschenswerten/dem Erlaubten (weil Wünschenswert oder Gut/wie auch immer vorherbestimmt, warum auch immerv, von wem auch immer), sondern nach Ursache und Wirkung.
Die Frage nach der Legitimation von Konstrukten einer (wenn auch besonderen) Materie ist die interessanteste. Bei den darauffolgenden muss man sagen: Ist das wirklich so? Hält man sich an Verträge? Zuletzt habe ich ein interessantes Interview gesehenm in dem die wirtschaftliche Stabilität der Eurozone für dieses Jahr bewertet werden sollte, im Zusammenhang mit den neuen Beschlüssen. Die Antwort war in etwa "Die Geschichte Europas ist eine Geschichte der Vertragsbrüche.", das war etwas weit hergeholt, aber passend. Ob all diese Illusionen und Konstrukte davon abhängig sind, dass wir glauben, wir würden uns von toter Materie unterscheiden, ist nicht zwingend. Dennoch wird oft der Gedanke an Beseeltem zur Basis für metaphysische Konstrukte, die unweigerlich einen Schicksalsgedanken, angebliche Sinnhaftigkeit und Zwang bedeuten.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon ujmp » Di 8. Jan 2013, 15:13

xander1 hat geschrieben:Wenn tote Materie sich von lebendiger Materie nur durch Eigenschaften und Zusammenhänge unterscheidet, auch von der Definition her (wie man sie leicht nachschlagen kann), wie kann man dann sagen, dass etwas lebt.


Hallo xander1, du vermischst Fragen des Seins mit Fragen der Benennung - das ist eine fiese intellektuelle Falle. Wenn du das auseinanderhältst, kannst du dir diese Frage leicht selbst beantworten. Wir beobachten etwas, was wir Materie nennen und etwas, was aus dieser Materie besteht, aber zusätzliche Eigenschaften aufweist, was wir Leben nennen. Leben ist also eine Untermenge von Materie - das wars schon!

Manche Begriffe stiften etwas Verwirrung, z.B. "belebte Materie". Der Begriff ist sozusagen eine Chimäre aus der Abteilung "Schöne oberflächliche Wörter". Man kann nämlich keinen Vorgang beobachten, der Materie belebt, sowas gibt es nicht. Man kann nur Materie beobachten, die Leben bildet, aus der Leben entsteht. Was dich zum Grübeln bringt, ist die Frage, worauf sich der Begriff "belebte Materie" eigentlich bezieht - auf nichts! Dazu Goethes Spruch: "Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen." - das hat er satirisch gemeint!
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 8. Jan 2013, 16:51

ujmp hat geschrieben:Man kann nämlich keinen Vorgang beobachten, der Materie belebt, sowas gibt es nicht. Man kann nur Materie beobachten, die Leben bildet, aus der Leben entsteht.

Und wo soll der Unterschied sein? Vorgänge, die materie in dem Sinne beleben, sind Verdauungen, z.Bsp.. Ich erkenne nicht, wie sich die 2 Sätze voneinander unterscheiden sollen, denn Belebung bedeutet nichts anderes, als Leben zu bilden, oder wiederherzustellen. Diesbezüglich passt Goethes Spruch.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon stine » Di 8. Jan 2013, 17:04

Lebendiges pflanzt sich selbst fort. Es vermehrt sich durch sich selbst.
Leblose Materie kann das nicht.
Bei Viren gibt es einen Grenzfall. Sie sind eigentlich nicht lebendig, aber verstehen es, Wirte zu nützen, um sich zu vermehren oder zu überleben.

Materie kann man zwar Energie zufügen, dann passiert mit ihr auch was, aber wenn die Energie wieder weg ist, dann bleibt sie tot. Wie mein Computer.

LG stine
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 8. Jan 2013, 17:20

stine hat geschrieben:Lebendiges pflanzt sich selbst fort. Es vermehrt sich durch sich selbst.
Leblose Materie kann das nicht.

Ach, und was macht der Biochemiker den ganzen Tag mit Nukleinsäuren und co.? Proteine und Nukleinsäuren sind nur Moleküle, keinesfalls belebt, auch wenn sie im Lebendigen enthalten sind.
Abgesehen davon wird irgendwannmal (sofern man eine rationale Erklärung sucht) irgendein Molekül nach vielen chemischen Reaktionen es geschafft haben, sich selbst zu replizieren. Damit wäre zumindest in der Ursuppe aus Umbelebtem "Lebendes/Sich-fortpflanzendes" entstanden.
stine hat geschrieben:Materie kann man zwar Energie zufügen, dann passiert mit ihr auch was, aber wenn die Energie wieder weg ist, dann bleibt sie tot. Wie mein Computer.

Und wie du, oder bist du ein perpetuum mobile?
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon ujmp » Di 8. Jan 2013, 17:27

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Man kann nämlich keinen Vorgang beobachten, der Materie belebt, sowas gibt es nicht. Man kann nur Materie beobachten, die Leben bildet, aus der Leben entsteht.

Und wo soll der Unterschied sein? Vorgänge, die materie in dem Sinne beleben, sind Verdauungen, z.Bsp.. Ich erkenne nicht, wie sich die 2 Sätze voneinander unterscheiden sollen, denn Belebung bedeutet nichts anderes, als Leben zu bilden, oder wiederherzustellen. Diesbezüglich passt Goethes Spruch.

Was meinst du mit "in dem Sinne"? Jedenfalls nicht in meinem Sinn! Ein logisches Analogon: Man kann ein Haus aus Steinen bauen, aber wir sagen deshalb nicht "behauste Steine", das wäre grober Unfug. Natürlich ist jeder Mensch frei, seine Begriffe zu bilden, wie er mag, es ist aber m.E. nicht intelligent von "belebter Materie" zu reden, weil man sich dabei soviel dummes Zeug denken kann. Man merkt das nur nicht so schnell, wie in dem Analogon, weil Materie und Leben sowie so schon sehr abstrakte Begriffe sind.

* * *

Mir fiel gerade auf, dass man "verhauste Steine" sagen kann, und meint damit zum Haus zusammengebaute Steine. Ok, man kann also in dem Sinn von "belebter Materie" sprechen als Materie, die zu etwas Lebendigem organisiert ist. Trotzdem fällt xander1' Problem weg. Es wird nämlich nicht irgendwie aus toter Materie belebte Materie. Das Kennzeichen des Lebens ist eben eine spezielle Organisationsform der Materie.
Zuletzt geändert von ujmp am Di 8. Jan 2013, 17:40, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon fopa » Di 8. Jan 2013, 17:29

xander1 hat geschrieben:Wenn tote Materie sich von lebendiger Materie nur durch Eigenschaften und Zusammenhänge unterscheidet, auch von der Definition her (wie man sie leicht nachschlagen kann), wie kann man dann sagen, dass etwas lebt.
Es ist mal wieder das Thema Emergenz: ein System von Dingen weist (neue) Eigenschaften auf, die keines seiner Bestandteile aufweist. Leben ist eine solche emergente Erscheinung. Die Frage ist nur, ob Emergenz grundsätzlich reduzibel (auf niedere Ebenen zurückführbar) ist. Ich glaube ja.
Eine weitere Frage, die viel zu selten gestellt wird, ist: Ist Emergenz prinzipiell auch aus niederen Ebenen ableitbar? In einer kausal-deterministischen Welt müsste die Antwort "ja" lauten.

Beispiel Wassermolekül: Es besitzt andere, neue Eigenschaften als seine Bestandteile: zwei Wasserstoffatome und ein Sauerstoffatom. Durch Beobachtungen, Experimente und Bildung von Erklärungsmodellen hat man dieses Emergenzphänomen nach und nach "entlarvt", sodass man es nun mit Hilfe der Schrödingergleichung wirklich erklären kann.

Im Laufe der Wissenschaftsgeschichte wurden so viele zuvor unerklärlichen Phänomene erklärt, sodass es meiner Ansicht nach etwas naiv anmutet, von derzeit unerklärlichen Phänomenen zu behaupten, sie seien prinzipiell unerklärbar. Ich bin mit dir einer Meinung, xander: Auch Leben ist prinzipiell vollständig auf niedriger Ebene beschreibbar. Emergenz ist vielleicht eine für uns unvorhersagbare Erscheinung, aber alle emergenten Eigenschaften stecken irgendwo versteckt in den Dingen drin, aus denen das emergente System zusammengesetzt ist.

Ich bin auch der Überzeugung, dass künstliches Leben möglich ist (Stichwort "Data"). Data kann sich zwar nicht reproduzieren wie biologisches Leben, versucht es aber (mit negativem Ausgang) über Replikation (http://de.memory-alpha.org/wiki/Datas_Nachkomme). Ein Reproduktionserfolg wäre prinzipiell denkbar gewesen, hätte allerdings dramaturgisch für die Serie ein Problem dargestellt.
Wir bilden uns etwas auf unser Bewusstsein ein. Aber wer sagt, dass man einem Computer kein Bewusstsein programmieren könnte? Dazu müsste man natürlich erst einmal unser eigenes Bewusstsein verstehen und beschreiben können. Aber dann...

xander1 hat geschrieben:Haben dann Konstrukte wie "Menschlichkeit" (was man darunter auch immer verstehen mag) Illusionscharakter, wie Darth schon in mehreren Themen meinte (in anderen Formulierungen)?
Die Erkenntnis, dass Leben im Grunde bloß ein beschreibbares, wenn auch hochkomplexes, Phänomen ist, hat nicht zwangsläufig eine Abwertung zur Folge. Medizinischer Fortschritt hat menschliches Leben auch nicht weniger wert gemacht, vielleicht sogar im Gegenteil.
Menschenwürde ist keine objektive Eigenschaft eines Menschen, sondern ein Prädikat: sie wird ihm zugesprochen. Menschenwürde und Menschlichkeit sind intersubjektive Wertbegriffe. Da Wertbegriffe immer auf individuellen Vorstellungen beruhen, macht die Erkenntnis der Nicht-Objektivität von Menschlichkeit uns nicht weniger menschlich. Man kann seinem/seiner Liebsten auch die Treue halten, wenn man weiß, dass Treue nur eine Vorstellung ist, die durch neuronale Muster im eigenen Gehirn und dem des Partners repräsentiert wird. Jedenfalls braucht es dafür keine übergeordnete Moralinstanz wie einen Gott.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon ujmp » Di 8. Jan 2013, 17:47

xander1 hat geschrieben: Ist unser Bewusstseinserleben nichts anderes als eine Illusion.

Das ist ebenfalls eine Frage, die du dir gewiss nicht wirklich stellst - weil du dir weder darüber im Klaren bist, was Bewusstsein ist noch was Illusion ist. Du hast dir nur zuviele schlechte Filme angeguckt, wo diese Wörter vorkamen. :mg:
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 8. Jan 2013, 19:16

ujmp hat geschrieben:Was meinst du mit "in dem Sinne"? Jedenfalls nicht in meinem Sinn!

Habe vergessen, dass du dies definierst. :gott:
Aber nett, dass du dir schon selbst auf Unfug antwortest. :applaus:
ujmp hat geschrieben:Trotzdem fällt xander1' Problem weg. Es wird nämlich nicht irgendwie aus toter Materie belebte Materie. Das Kennzeichen des Lebens ist eben eine spezielle Organisationsform der Materie.

Da es nicht "eine" spezielle ist, kann man das "speziell" auch sein lassen. Leben ist vielfältig, aber du kannst eventuell die spezielle Organisationsform präzisieren?!
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon stine » Di 8. Jan 2013, 19:52

Darth Nefarius hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Lebendiges pflanzt sich selbst fort. Es vermehrt sich durch sich selbst.
Leblose Materie kann das nicht.
Ach, und was macht der Biochemiker den ganzen Tag mit Nukleinsäuren und co.?
Wahrscheinlich muss er die Reagenzgläschen auseinanderhalten, damit sie sich nicht selbst vermischen, oder?

Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon wird irgendwannmal (sofern man eine rationale Erklärung sucht) irgendein Molekül nach vielen chemischen Reaktionen es geschafft haben, sich selbst zu replizieren. Damit wäre zumindest in der Ursuppe aus Umbelebtem "Lebendes/Sich-fortpflanzendes" entstanden.
Ja, und wenn es soweit ist, dann hat die Geschichte mit dem Ursprung des Lebens, endlich einen wissenschaftlichen Anfang.

:wink: stine
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon ujmp » Di 8. Jan 2013, 20:03

@Darth:
Alles Leben ist Materie, aber nicht alle Materie ist Leben. Materie kann unterschiedliche Organsiationsformen annehmen. Manche diese Formen nennen wir Steine, Wasser, Kekse, Kühlschränke, Häuser, Ferraris. Und manche nennen wir Esel, Heringe, Karotten, Menschen. Die letzteren Organsisationsformen fassen wir unter dem Begriff "lebendig" zusammen. "Lebendig" ist in diesem Sinne eine Eigenschaft der Organsisation der Materie und nicht der Materie selbst. Deshalb ist das auch kein Unfug was ich oben geschrieben habe. Es ist deshalb einfach nur dumm, z.B. den Wert des Menschen auf seinen Materialwert zu reduzieren.

M.E. ist das ein Kategoriefehler, wenn man von "belebter Materie" spricht. Leben hat die Eigenschaft materiell zu sein, es ist aus Materie zusammengesetzt. Aber Materie hat nicht in der selben Weise die Eigenschaft lebendig zu sein, sie ist nicht aus Lebendigem zusammengesetzt. Mit "Materie" meine ich etwas Elementares und mit "Leben" etwas Komplexes, das aus Materie zusammengesetzt ist.

-Ok, man kann das anders sehen, dann soll man sich aber nicht wundern wenn man ins fruchtlose Grübeln kommt!

@xander1:
class Leben extends Materie
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Nanna » Di 8. Jan 2013, 22:49

fopa hat geschrieben:
xander1 hat geschrieben:Wenn tote Materie sich von lebendiger Materie nur durch Eigenschaften und Zusammenhänge unterscheidet, auch von der Definition her (wie man sie leicht nachschlagen kann), wie kann man dann sagen, dass etwas lebt.
Es ist mal wieder das Thema Emergenz: ein System von Dingen weist (neue) Eigenschaften auf, die keines seiner Bestandteile aufweist. Leben ist eine solche emergente Erscheinung. Die Frage ist nur, ob Emergenz grundsätzlich reduzibel (auf niedere Ebenen zurückführbar) ist. Ich glaube ja.
Eine weitere Frage, die viel zu selten gestellt wird, ist: Ist Emergenz prinzipiell auch aus niederen Ebenen ableitbar? In einer kausal-deterministischen Welt müsste die Antwort "ja" lauten.

Kurze Anmerkung zu den Begrifflichkeiten: Das definitorische Kernkriterium für Emergenz ist die Unmöglichkeit der Reduktion auf niederere Ebenen. "Reduzierbare Emergenz" ist folglich ein Oxymoron. Weiterhin hat der Determinismus nichts mit Reduzierbarkeit zu tun, nur mit Notwendigkeit. Ein emergentes System ist irreduzibel und trotzdem deterministisch denkbar, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon AgentProvocateur » Di 8. Jan 2013, 23:01

Nanna hat geschrieben:Kurze Anmerkung zu den Begrifflichkeiten: Das definitorische Kernkriterium für Emergenz ist die Unmöglichkeit der Reduktion auf niederere Ebenen. "Reduzierbare Emergenz" ist folglich ein Oxymoron. Weiterhin hat der Determinismus nichts mit Reduzierbarkeit zu tun, nur mit Notwendigkeit. Ein emergentes System ist irreduzibel und trotzdem deterministisch denkbar, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Das ist so mE nicht korrekt. Man unterscheidet zwischen "schwacher" und "starker" Emergenz, wobei nur Letztere als prinzipiell nicht reduzierbar angesehen wird.

Und Determinismus hat auch nicht unbedingt etwas mit "Notwendigkeit" zu tun, sondern nur immer etwas mit "Regelhaftigkeit/regulär/nach Regeln ablaufend".

Stimmt aber, dass auch ein System, das als stark emergent angesehen wird, dennoch als determiniert angesehen werden kann, (= nach Regeln abläuft). Jedoch wären diese Regeln dann nicht aus den "unteren" Ebenen ableitbar.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon ujmp » Mi 9. Jan 2013, 06:56

"Lebt das lebendige?" - diese Frage bedeutet doch "Gehört das Lebendige zum Lebendigen?"
Da anworte ich: "Ja, selbstverständlich!"
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Vollbreit » Mi 9. Jan 2013, 07:12

Was Agent schreibt, stimmt, es gibt die Unterscheidung zwischen starker und schwacher Emergenz, wobei es auch hier wieder diverse Meinungen dazu gibt, ob diese Differenzierung sinnvoll ist.

Emergenz ist eigentlich ein Füllwort, für eine Phänomen, was neu auftritt und das man sich aus dem Charakter der Bestandsteile nicht (intuitiv) erklären kann. Zwei Gase ergeben eine Flüssigkeit, ein aggressives Metall und ein giftiges Gas ergibt ein lebenserhaltendes Salz und so weiter.
Manche dieser Emergenzsprünge kann man inzwischen erklären, die von biologischen Abläufen zum Bewusstsein (manchmal auch das „hard problem“ genannt) kann man (noch) nicht erklären.

Auffallend ist immer, dass sich die emergente Phänomengruppe so deutlich anders verhält, dass man offenbar - seit alten Zeiten – die Notwendigkeit sah, sie zu unterscheiden. Die Hierarchie von toter Materie über Leben zum Bewusstsein ist ja sehr alt.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon fopa » Mi 9. Jan 2013, 08:54

Nanna hat geschrieben:Weiterhin hat der Determinismus nichts mit Reduzierbarkeit zu tun, nur mit Notwendigkeit. Ein emergentes System ist irreduzibel und trotzdem deterministisch denkbar, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
AgentProvocateur hat geschrieben:Stimmt aber, dass auch ein System, das als stark emergent angesehen wird, dennoch als determiniert angesehen werden kann, (= nach Regeln abläuft). Jedoch wären diese Regeln dann nicht aus den "unteren" Ebenen ableitbar.
Vorsicht, und genau lesen, bitte. Ich hatte geschrieben:
fopa hat geschrieben:Eine weitere Frage, die viel zu selten gestellt wird, ist: Ist Emergenz prinzipiell auch aus niederen Ebenen ableitbar? In einer kausal-deterministischen Welt müsste die Antwort "ja" lauten.
In dieser Frage geht es nicht direkt um Reduzibilität ("Rückwärtsrechnen"), sondern um "Vorwärtsrechnen", und dafür ist Determination sehr wohl entscheidend.

Nun aber zur Reduzibilität und euren Einwänden:
Derzeit kann ich mir ein irreduzibles und dennoch deterministisches System nur vorstellen, wenn die (deterministischen) Gesetzmäßigkeiten beim Emergenzsprung quasi aus dem Nichts erscheinen würden. Sie kämen sozusagen aus der Platonischen Ebene auf die Erde hernieder und wären vor dem Erscheinen der Emergenz nicht in den Dingen enthalten.
Dieses von euch beschriebene idealistische Bild lässt die emergenten deterministischen Gesetzmäßigkeiten auch ohne Kausalität zu - wenn nämlich der Emergenzsprung nicht zwangsläufig (kausal) ist. Die Entstehung des Lebens könnte demnach ein einmaliger und nicht wiederholbarer Emergenzsprung sein. Diese Sichtweise ließe sich aber nicht mit einem materialistischen Weltbild verbinden, zumindest sehe ich das noch nicht. Selbst wenn im Materialismus nicht alles im kausalen Sinne streng determiniert sein muss (Bunge&Mahner), so würde die Welt doch nach Regeln (kausalen und probabilistischen) funktionieren. Das macht Ereignisse wiederholbar, zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Wenn Emergenzerscheinungen also reproduziert werden können, sind ihre Eigenschaften bereits rezessiv in den Dingen vorhanden, aus denen das emergente System besteht bzw. bestehen wird.

Ob wir diese Eigenschaften (angenommen, sie sind vorhanden) ohne die Emergenzerscheinungen nachweisen können oder nicht, ändert nichts an der prinzipiellen Reduzibilität (Ontologie), sondern lediglich an unserer Fähigkeit zur Reduzierung (Epistemologie).

Bleibt noch die Frage zu klären, ob wir unsere Reduzibilitätsbegriffe auch auf dasselbe Problem beziehen. Es macht einen Unterschied, ob man ein abstraktes Emergenzphänomen für reduzibel hält oder ein konkretes. Ersteres kann durchaus viele Ursachen (mehrere Lösungen) haben und wäre entsprechend nicht eindeutig lösbar. Letzteres kann als Einzelfall m.E.n. auch nur eine Lösung/Ursache haben und wäre demnach reduzibel.

Ich finde das Thema ziemlich happig und möchte anmerken, dass ich mir in einigen Dingen nicht hundertprozentig sicher bin, ob sie logisch korrekt sind. Für überzeugende neue Erkenntnisse bin ich jedenfalls offen. :ja:
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 9. Jan 2013, 12:31

stine hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ach, und was macht der Biochemiker den ganzen Tag mit Nukleinsäuren und co.?
Wahrscheinlich muss er die Reagenzgläschen auseinanderhalten, damit sie sich nicht selbst vermischen, oder?
:lachtot: :student:
Reagenzgläser sind nicht die Lebensformen. Wenn du ein Weibchen und ein Männchen einsperrst (in zwei verschiedenen Räumen), können sie sich genausowenig fortpflanzen wie die Nukleinsäuren, Nukleotide, Olignonukleotide, Primer und die Polymerasen einzeln. Aber kaum hast du beides zusammengegeben, kommt es zur Fortpflanzung.
stine hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon wird irgendwannmal (sofern man eine rationale Erklärung sucht) irgendein Molekül nach vielen chemischen Reaktionen es geschafft haben, sich selbst zu replizieren. Damit wäre zumindest in der Ursuppe aus Umbelebtem "Lebendes/Sich-fortpflanzendes" entstanden.
Ja, und wenn es soweit ist, dann hat die Geschichte mit dem Ursprung des Lebens, endlich einen wissenschaftlichen Anfang.

Als ob dies reine Spekulation wäre! Es gibt gute Ansätze, die einen plausibles, detailliertes Szenario schildern. Und nur weil sich keine rudimentären Formen versteinern konnten, brauchen wir nicht so zu tun, als könne nur "Lebendes" sich fortpflanzen.
ujmp hat geschrieben:Alles Leben ist Materie, aber nicht alle Materie ist Leben. Materie kann unterschiedliche Organsiationsformen annehmen.[...] "Lebendig" ist in diesem Sinne eine Eigenschaft der Organsisation der Materie und nicht der Materie selbst. Deshalb ist das auch kein Unfug was ich oben geschrieben habe. Es ist deshalb einfach nur dumm, z.B. den Wert des Menschen auf seinen Materialwert zu reduzieren.

Welche Eigenschaften der Organisation der Materie meinst du? Fortpflanzung? Selbsterhaltung? Metabolismus? Sowas bekommt man im Reagenzglas hin. Und was soll überhaupt "Materialwert" in diesem Zusammenhang heißen? Ein goldener Kronleuter, der aus Gold besteht, kann mehr wert sein als sein Gewicht in Gold, da er verarbeitet wurde. In einer chemischen Reaktion haben wir auf Produkt- und Eduktseite die selbe Masse, die selben Atome, aber die Produkte können uns mehr interessieren als die Edukte. in funktionierendes Auto ist für uns nützlicher als seine Einzelteile. Ich habe nirgends von Materialwert gesprochen, will lediglich zu bedenken geben, dass man einiges mehr braucht, um "Leben" zu definieren und es nicht gleichzeitig sakrifizieren muss. Unfug ist es insofern, was du geschrieben hast, als dass du das Problem sprachlich lösen wolltest, wobei es keinen relevanten Unterschied zwischen den 2 Sätzen gibt.
ujmp hat geschrieben:M.E. ist das ein Kategoriefehler, wenn man von "belebter Materie" spricht. Leben hat die Eigenschaft materiell zu sein, es ist aus Materie zusammengesetzt. Aber Materie hat nicht in der selben Weise die Eigenschaft lebendig zu sein, sie ist nicht aus Lebendigem zusammengesetzt. Mit "Materie" meine ich etwas Elementares und mit "Leben" etwas Komplexes, das aus Materie zusammengesetzt ist.

Materie kann die Eigenschaft haben, lebendig zu sein, indem sie aus Lebendigem zusammengesetzt ist. Jeder Mehrzeller ist ein Klumpen Materie, welcher aus lebendigen Einzellern zusammengesetzt ist. Zentral ist doch diese Aussage:
ujmp hat geschrieben:Man kann nämlich keinen Vorgang beobachten, der Materie belebt, sowas gibt es nicht. Man kann nur Materie beobachten, die Leben bildet, aus der Leben entsteht.

Wo soll da der Unterschied sein? Belebung bedeutet für mich, dass es nach dem Prozess der Belebung "lebendig" ist (wir haben ja nicht darüber gestritten, was "lebendig" bedeutet).
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Vollbreit » Mi 9. Jan 2013, 12:40

fopa hat geschrieben:Derzeit kann ich mir ein irreduzibles und dennoch deterministisches System nur vorstellen, wenn die (deterministischen) Gesetzmäßigkeiten beim Emergenzsprung quasi aus dem Nichts erscheinen würden. Sie kämen sozusagen aus der Platonischen Ebene auf die Erde hernieder und wären vor dem Erscheinen der Emergenz nicht in den Dingen enthalten.
Dieses von euch beschriebene idealistische Bild lässt die emergenten deterministischen Gesetzmäßigkeiten auch ohne Kausalität zu - wenn nämlich der Emergenzsprung nicht zwangsläufig (kausal) ist.


Aus dem Platonischen könnte ja auch eine Kausalität wirken, nur eben keine von unten nach oben:
http://de.wikipedia.org/wiki/Abw%C3%A4r ... lit%C3%A4t
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