Lebt das Lebendige?

Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon stine » Mo 14. Jan 2013, 07:55

xander1 hat geschrieben:Für mich stellt sich die Frage des Themas lebt das lebendige auch daher, weil ich mich frage, wie künstliches Leben funktionieren würde, das auf Elektrizität und Metall basieren würde. Wie baut man eine Maschine die fühlen kann?
Das kannst du mit diversen Sensoren schon hinkriegen, aber sie wird deswegen noch lange nicht lebendig. Lebendig ist sie, wenn sie sich selbst fortpflanzen kann. Und da wird es schwierig.

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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Vollbreit » Mo 14. Jan 2013, 08:26

fopa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich glaube, dass diese Mechanismen nicht erklärbar sind. Ihre Erklärbarkeit mutiert zum Glaubenssatz, das will man nur nicht wahrhaben.
Uns geht es um Erkenntnisgewinn und hinter eine Reduktion auf die eine grundlegendere Ebene davor zurückgehend verschwimmt alles im Nebel.
Wenn man von vornherein annimmt, dass etwas nicht erklärbar ist, braucht man sich überhaupt nicht damit zu beschäftigen.


Aber das ist doch gar nicht meine Einstellung. Ich sage ja nicht: Probiert es gar nicht erst, sondern schaut auf die Ergebnisse dessen, was immer wieder probiert wurde.

fopa hat geschrieben:Deine "Sprünge" von Physik zu Chemie zu Biologie kann ich allerdings nicht erkennen. Entweder sind die Übergänge fließend oder es werden bei zunehmender Komplexität vereinfachende Modelle verwendet, deren Vereinfachungen aber begründet sind!


Für mich ist das eine Frage des Blicks. Wenn wir die Grenze zwischen toter und lebendiger Materie ziehen wollen und mit der Lupe drauf blicken, dann wird immer unklarer wo Leben überhaupt beginnt. Auch sind die Kriterien des Lebendigen ja nicht naturgegeben, sondern unsere Zuschreibungen, sie könnten auch anders sein.
Dasselbe Phänomen findet man, wenn man den Schritt vom Leben zum Bewusstsein geht. Es ist nicht ganz klar, wo Bewusstsein genau beginnt und was Bewusstsein eigentlich ist und wenn wir die Lupe auspacken, wird es immer unklarer.
Wenn man will, kann man Bewusstsein und Selbstbewusstsein noch mal unterscheiden und hier ist es wieder ähnlich.

Andererseits würde man eine leere Dose am Boden vielleicht achtlos durch die Gegend treten, bei einem eingerollten Igel täte man das nicht. Intuitiv macht man hier einen Unterschied und Begründungen wie Leidensfähigkeit sieht man ja nicht, die sind nachgereicht.
Wenn einen der Schachcomputer niederringt und man ihn im Affekt zerdeppert, würde man sich ärgern, weil das Ding vielleicht viel Geld kostet, aber niemand hätte ein schlechtes Gewissen, was er dem armen Computer angetan hat, der doch immerhin „intelligent“ genug ist, jeden Menschen locker zu besiegen.
Niemand wäre auf die Idee gekommen, den Computer der Kasparow besiegt hat zu fragen, wie er sich jetzt fühlt.
Dass solche Überlegungen nicht im Reich des Irrsinns angesiedelt sind, hat Metzinger immer wieder klar gemacht, der für eine Techno-Ethik eintritt, die fordert Robotern keine Empfindungsfähigkeit zu ermöglichen. Wenn das technische Multifunktionsspielzeug in 10 Jahren mit flehender Stimme sagt: „Oh bitte, schalte mich noch nicht ab, nur noch ein paar Minuten, ja?“, dann wird es interessant.

Aber, das ist Zukunftsmusik, heute treten wir den Igel nicht durch die Gegend, und mit dem Beo, der in klarer Sprache richtige Sätze sagt, reden wir dennoch nicht ernsthaft, weil wir wissen, dass er nicht versteht, was er sagt, selbst wenn die Sätze als solche klug und richtig klingen.

Worauf ich hinaus will, ist dies:
Wir folgen im täglichen Gebrauch einer klaren Hierarchie – und würden ziemlich komisch angeguckt, wenn wir das nicht täten – auf einer forschenden Ebene, wenn man den einen Moment des Übergangs skizzieren will, entgleitet uns diese Fähigkeit zur Unterscheidung.


fopa hat geschrieben:Du bist schon wieder in deinem Sumpf der Missverständnisse bezüglich des Reduktionismus festgefahren. Kein Chemiker will eine chemische Gesellschaftstheorie entwickeln.


Eben. Hier erkennt man intuitiv, dass es Blödsinn ist, auf der Ebene der Soziobiologie wird ja der Schritt von der Biologie zum Biologismus genau dadurch übertreten, dass man meint, was sie Seegurke motiviert kann für den Menschen nicht falsch sein und darum sind die ersten und letzten, die kompetent über das Thema wie das alles funktioniert und funktionieren sollte, Soziobiologen.
Und dahinter steht der Glaubenssatz, dass die untere Ebene, die Grenzen der oberen setzt.
Das kann man sehen wie man will, aber immer wenn es heißt, der Mensch käme über die Seegurke nicht hinaus, wird es absurd. Sagt natürlich auch keiner, statt dessen wird dann irgendeoin Primat bemüht und dann redet man stundenlang mit großem Ernst darüber, so als sei es die Sache wert.
Und noch mal: Das ist keine Polemik gegen die Biologie, sondern gegen die imperialistischen Tendenzen bestimmter Mitglieder einer Wissenschaft, deren Stimme zur Konsensfindung, bei einige Fragen, nötig und erwünscht ist, deren Aufblähung zum Weltbild irgendwo aber zwischen lächerlich und gefährlich liegt.

Und in die andere Richtung gegangen ist ja nicht Schluss mit der Geschichte. Du sagst kein Chemiker will eine Gesellschaftstheorie entwerfen, stimmt, aber geht mal weiter zurück. Ein Physiker? Nein, auch eher nicht, aber wenn es heißt die Quantenphysik, über die wir so ungeheuer wenig wissen, sei doch ein prima Kandidat mit dem man alles erklären kann, schnalzen wieder etliche mit der Zunge. Die Quantenphysik des Bewusstseins, „Die Physik der Unsterblichkeit“ (das ernstgemeinte Buch eines angesehenen Physikers) und so weiter, eine riesige Projektionsfläche, weil alles so herrlich unscharf ist.

fopa hat geschrieben:Aber ein Chemiker könnte beispielsweise ein Verfahren entwickeln, mit dem Medikamentenrückstände in Wasseraufbereitungsanlagen herausgefiltert werden können. Dazu braucht er nicht zu wissen, wie viele Mitarbeiter in der Anlage beschäftigt sind, wie es ihren Partnern geht und wie sie Weihnachten feiern. Er konzentriert sich stattdessen auf die Prozesse und Elemente, die für sein Problem relevant sind.


Genau so funktioniert auch gute Wissenschaft. Wenn ich einen Autoreifen optimieren will, muss ich nicht wissen, wer den Wagen fährt, für den MRSA-Abstrich brauche ich nicht die Lebensgeschichte des Patienten, nur seinen Speichel. Nur gibt es dann Bereiche, wo beides zusammenfällt.
In der Medizin setzt sich der Gedanke durch, den Patienten in die Behandlungsstrategie mit einzubinden. Und wenn man über die Köpfe der Beteiligten hinweg schaut, wie eine Gesellschaft so funktioniert – und die Frage zu stellen vergisst, ob die beteiligten Bürger das auch wollen – wird es schwierig.
Eine effektivere Gesellschaft ist sicher zu denken, mit durchgedopeten, genmanipulierten Mitgliedern (Ines Geipel, „No Limit“, ist hier ein interessantes Buch), aber dann sind wir irgendwo bei Huxleys „schöner neuer Welt“ angekommen und der erweiterten Frage, die etwas Habermas diskutiert, ob wir Menschen von heute bei einer neuen Ethik des optimierten Menschen, die unweigerlich die Standards setzen würden, noch eine Rolle spielten. Da lohnte es sich, die Lupe draufzuhalten, die ersten Versuche mit Soldaten, die entsprechend desensibilisiert und aufgeputscht werden, sind ja ziemlich in die Hose gegangen. Traumsatisierte Psychowracks, die für den Alltag völlig ungeeignet sind. Aber warum muss es für die Söldner der Zukunft überhaupt Alltag geben, man könnte ihn durchoptimieren und von einem Krieg in den nächsten schicken.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Vollbreit » Mo 14. Jan 2013, 08:44

xander1 hat geschrieben:@Vollbreit
Ich finde gut, dass du etwas übers Verhältnis zwischen Phyisk, Chemie und Biologie erzählst, weiß da aber nur begrenzt bescheid. Jedenfalls ist das relevant fürs Thema.

fopa hat geschrieben:Kein Chemiker will eine chemische Gesellschaftstheorie entwickeln.

Das würde aber Vorteile bringen, nämlich ein exaktes Verständnis von Gesellschaft, statt nur geisteswissenschaftlicher Text. Physik und Biologie und Mathemati wären wären auch Gebiete aus denen man Gesellschaftstheorien bilden könnte, die mehr bieten könnten, als nur geisteswissenschaftlicher Text. Man könnte damit Gesellschaft theoretisch 100% richtig erklären.


Es waren ja durchaus Philosophen, die an dieser Idee bereits gescheitert sind.
Hinter allem soll die Zahl, der Algorithmus des Universums stehen. Die Linie von Plato bis Leibniz, derzeit versucht man es mit Supercomputern.

Das Problem bei der Sache ist nur, dass man inzwischen etliche mathematische Modelle hat, die die Wirklichkeit abbilden könnten, aber leider nicht mehr weiß, welches Modell des nun tut und ob es überhaupt empirische Entsprechungen gibt.
GIbt es irgendwelche in die 8.Dimension eingefalteten Räume oder ist das nur ein mathematisches Rechenspiel?
Versuch doch mal herauszufinden, worüber in diesen Bereichen überhaupt Klarheit herrscht.
Vor 40 Jahren schien in der Astronomie alles ziemlich klar zu sein: Big Bang, alles sichtbare Materie (und Energie), alles dent sich aus, dann Kältetod als doofe, tote Eisenklumpen, tschüss, war toll.
Schau Dir mal die Physik der kleinsten Teilchen an. Da findest Du Glaubenskriege in schönster Blüte.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon ujmp » Mo 14. Jan 2013, 09:29

xander1 hat geschrieben:
fopa hat geschrieben:Kein Chemiker will eine chemische Gesellschaftstheorie entwickeln.

Das würde aber Vorteile bringen, nämlich ein exaktes Verständnis von Gesellschaft, statt nur geisteswissenschaftlicher Text. Physik und Biologie und Mathemati wären wären auch Gebiete aus denen man Gesellschaftstheorien bilden könnte, die mehr bieten könnten, als nur geisteswissenschaftlicher Text. Man könnte damit Gesellschaft theoretisch 100% richtig erklären.

Nicht dass das nicht schon versucht worden wäre! Ein früherer Versuch Gesellschaft wissenschaftlich zu erklären wäre der Ansatz von Karl Marx. Zu mindest seine Beiträge zur Ökonomie sind heute m.W. immer noch relevant. Obwohl der Marxismus eher eine Ideologie geworden ist, basiert er auf einigen materialistischen und -wenn man so will- biologischen Annahmen.

Heute gibt es viele Teilgebiete, in denen nach einigermaßen wissenschaftlichen Maßstäben geforscht wird. z.B. gibt es Nobelpreise für Ökonomie.

Das menschliche Leben ist aber m.E. grundsätzlich viel zu komplex, zu vielseitig, um es in eine Art Periodensystem zu packen. Man kann z.B. sagen,
dass ein Mensch Energie zum Leben braucht und das der energetische Aufwand, sich diese Energie zu verschaffen, nicht höher sein kann. Sprich, der Aufwand, den er in seine Versorgung steckt, kann nicht höher sein, als der Nutzen - sonst stirbt er. - Pure Mathematik! Es ist nur eben so, dass es unzählige verschiedene Möglichkeiten gibt, sich zu versorgen. Eine moderne Gesellschaft ist ein ungleichviel komplexeres System, als irgend eine Pilzkultur im Reagenzglas. Es ist da schon viel, wenn man wenigstens in Teilbereichen der Gesellschaft Tendenzen beschreiben kann.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon stine » Mo 14. Jan 2013, 10:37

Und weil wir viel mehr Energie zu uns nehmen, als wir zum Erhalt unseres Lebens brauchen, denken wir uns so Sachen aus, wie Autofahren, Zivilisation und Kultur. Menschen in anderen Erdteilen die weniger Energie bekommen hängen dann den ganzen Tag nur rum und wir verstehen das nicht mehr.

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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon ujmp » Mo 14. Jan 2013, 14:31

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Die selbe Materie kann Lebendiges oder Nichtlebendiges bilden. Und es ist nur die Konfiguration der Materie, in der sich Lebendiges und Nichtlebendiges unterscheiden.

Die selbe Materie kann es aber nicht gleichzeitig. Das konnte man deiner ersten Formulierung so nicht entnehmen. Aber wieso redest du noch von Konfiguration? Siehst du endlich ein, dass die Materie anders ist, wenn sich ihre Elektronenkonfiguration ändert?
Ganz ehrlich, jeder Chemiker wird dir sagen, dass es einen Unterschied zwischem weißem und rotem Phosphor gibt. Erklär mir mal nach wessen Ermessen sich Materie nicht ändert, wenn die Elektronen der einzelnen Atome eine andere Konfiguration einnehmen??
Und was ist mit dem Rest meines Kommentars? Hat er dich sprachlos gemacht?

Hallo Darth, ich muss erstmal Kräfte mobilisieren, bevor ich dich endgültig platt mache. :mg: - War'n Spaß! Wir diskutieren glaube ich über das allgmeine Problem von Properties. Bin grad dabei mich zu belesen...
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon ujmp » Mo 14. Jan 2013, 14:33

Vollbreit hat geschrieben:... weil das Bedürfnis, dem man unterstellen könnte, dazu geführt zu haben, bestimmte Begrifflichkeiten oder Grammatikformen zu bilden das voraussetzen, von dem man ausgeht, dass es eigentlich erst durch die Sprache selbst entsteht, z.B. das Bedürfnis über Vergangenes und Zukünftiges zu reden, zu planen und so weiter.

Ich denke, das habe ich widerlegt - oder?
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Re: Lebt das Lebendige?

Beitragvon xander1 » Mi 16. Jan 2013, 11:41

Wenn Leben allein aus toten Dingen und etwas rein strukturellem erklärbar ist, dann stelle ich fest, dass wir gar nicht wirklich existieren. Dann ist unser Erleben und sind unsere Erinnerungen eine Illusion. Das ist für mich als wären wir nie lebendig gewesen sondern tot, auch wenn dann jemand daher kommt und meint dass ich auf die Definition schauen soll. Ich finde solche Reden lenken nur ab von dem was das Ganze bedeutet, es sei denn es gibt eine stichfeste Argumentation dagegen.

Es gibt noch eine mathematisch strutkurelle Besonderheit an Leben und an der Evolution und das ist die Rekursion bzw. die Wiederholung, die sich auch bei den natürlichen Zahlen widerfindet und oft in der Theorie der künstlichen Intelligenz. Ich denke, dass die Rekursion der Hauptunterschied ist zwischen Tot und Lebendig. Man könnte auch von Entwicklung reden oder Wandel.

Aber mir kommt das jetzt alles so vor, als gäbe es solche Konstrukte wie "Sinn" gar nicht. Das komische ist, dass ich mir Ethik trotzdem erklären kann und sinnvoll erachten kann und sogar starre konsensbehaftete Moral ohne Ethik wie beim Christentum für manche sinnvoll halten kann. Mit anderen Worten glaube ich, dass man Ethik mathematisch beschreiben kann. Schließlich gibt es auch eine Mathematik über ihr Gegenstück: Das Spielen, d.h. das Konkurrieren, das Gegeneinander und die Ethik steht für das Miteinander. Darüber müsste ich mir mal längere Zeit Gedanken machen.

EDIT:
Es gibt die in der Spieltheorie so genannten kooperativen Spiele. Ich denke die wären ein Ansatz für eine mathematische Beschreibung von Ethik und Moral.
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Re: Lebt das Lebendige?

Beitragvon Vollbreit » Mi 16. Jan 2013, 12:54

Jede Diskussion, intellektuelle Betrachtung, Reflexion setzt immer schon die Existenz einer denkenden Einheit, um nicht zu sagen denkenden Substanz (res cogitans), als logisch unhintergehbare Basis, voraus.

Selbst der, der die Existenz bestreiten wollte begibt sich dadurch in einen Selbstwiderspruch.
Der Beginn der Philosophie ist das denkende Subjekt, der Beginn der Naturwissenschaften ist der Urknall. So richtig es ist, dass es ohne Evolution kein denkendes Subjekt gegeben hätte, so richtig ist es auch, dass ohne denkendes Subjekt systematische Forschung undenkbar wäre.

Inwieweit diese beiden Fäden parallel laufen, verworben sind, sich annähern oder früher oder später zusammenlaufen, das ist eine der Fragen, die dahinterliegt.
Das Subjekt ist phänomenologisch primär und unhintergehbar (wann immer wir uns erleben, tun wir es als Subjekt), erkenntnistheoretisch sekundär, da auf verschiedene Weisen entstanden, durch die biologischen Evolution ebenso, wie durch die übernommenen Sprachspiele und Hinweise von anderen, ontologisch gibt es verschiedene Theorien.

Das alles dort auseinanderzuhalten, wo es auseinander gehört und doch voneinander abzuleiten, ist alles andere als einfach. Deine Existenz darfst Du aber als gesichert voraussetzen. ;-)
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Re: Lebt das Lebendige?

Beitragvon xander1 » Mi 16. Jan 2013, 13:15

Vollbreit hat geschrieben:Deine Existenz darfst Du aber als gesichert voraussetzen. ;-)

Nö, wenn ich nur sich verändernde Struktur bin mit weiteren strukturellen Eigenschaften wie z.B. Fortfplanzungsfähigkeit, dann existiere ich nicht wirklich. Dann lebe ich nicht wirklich.

Ich frage mich dann warum ich überhaupt Hemmungen vor manchen Sachen habe. Warum ich nicht einfach mache wozu ich Lust habe, warum ich nicht nur Zweckorientiert denke, warum ich mich meiner Kultur unterwerfe. Warum unterwerfe ich mich quasi gewissen Zwängen? Warum ist mir nicht einfach alles egal?

Ich frage mich allerdings, wann ich ansonsten leben sollte. Was füre ein Bedinung müsste da vorliegen? Dafür kommen nur Dinge in Frage, die aus dem Bereich der Esoterik und Religion kommen. Vielleicht gab es vereinzelt wenige Menschen vergangener Jahrtausende, die das schon gewusst haben, dass Leben nur Struktur ist und man die Religion braucht, damit andere das nicht wissen.

Taoismus, Buddhismus, Christentum sind schon mal Religionen die mir spontan einfallen, die dagegen halten würden, dass wir nur Struktur sind.

Ich denke, dass dieses Thema auch eine Rolle für den Naturalismus spielt, sogar eine ungeheuere bin ich der Meinung.
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon xander1 » Mi 16. Jan 2013, 13:51

AgentProvocateur hat geschrieben:Und Determinismus hat auch nicht unbedingt etwas mit "Notwendigkeit" zu tun, sondern nur immer etwas mit "Regelhaftigkeit/regulär/nach Regeln ablaufend".

Nee, das würde nur bedeuten, dass Kausalität vorliegt. Determinismus sagt aus, dass wenn man A kennt, dass dann daraus jeder spätere Zustand berechenbar ist. Determinismus setzt Kausalität vorraus, aber es kann Kausalität geben, ohne dass es Determinismus gibt.

Determinismus sagt tatsächlich nicht unbedingt etwas über Notwendigkeit aus, aber über Hinreichend sein. Die Notwendigkeit funktioniert quasi zeitlich umgekehrt beim Determinismus. Wenn Notwendigkeit und hinreichend sein beides Gegegeben wäre, könnte man auch von einer Äquivalenz reden, statt von einem Determinismus, aber so funktioniet unser Universum garantiert nicht - das ginge gar nicht.

Ich kann das ganze auch mit Algorithmen oder abstrakten Maschinen aus der Informatik erklären.
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Re: Lebt das Lebendige?

Beitragvon ujmp » Mi 16. Jan 2013, 20:08

xander1 hat geschrieben:Wenn Leben allein aus toten Dingen und etwas rein strukturellem erklärbar ist, dann stelle ich fest, dass wir gar nicht wirklich existieren.

Was wären denn die Bedingung unter der du deine Existenz anerkennst?
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Re: Lebt das Lebendige?

Beitragvon fopa » Mi 16. Jan 2013, 20:15

xander1 hat geschrieben:Wenn Leben allein aus toten Dingen und etwas rein strukturellem erklärbar ist, dann stelle ich fest, dass wir gar nicht wirklich existieren.
Kommt darauf an, wie du dich als "Ich" definierst. Wenn du damit eine immaterielle Wesenheit meinst, muss ich dir Recht geben.
Wenn du aber davon ausgehst, dass du aus nichts weiter als Materie bestehst, also keine "Seele" oder einen über den Dingen schwebenden "Geist" besitzt, existierst sowohl du als auch deine Erinnerungen, Emotionen, Wünsche und alles andere.
Es ist wie mit einem Computer/Datenträger: Man könnte behaupten, Software oder Datenströme existierten eigentlich gar nicht, weil es ja bloß elektrische Impulse bzw. remanente Magnetisierungen sind. Dennoch ist alles real: das Betriebssystem startet, und ein digitaler Film, der Emotionen in uns hervorruft, wird abgespielt. Alles real.

xander1 hat geschrieben:Aber mir kommt das jetzt alles so vor, als gäbe es solche Konstrukte wie "Sinn" gar nicht.
Objektiv gesehen stimme ich zu. Sinn kann nur subjektiv bzw. intersubjektiv definiert werden. Er ist nicht "da", also abgesehen von dem Gehirnmuster, das ihn denkt, nicht existent. Muss uns das stören? Mich stört es nicht. :)
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Re: Lebt das Lebendige?

Beitragvon xander1 » Mi 16. Jan 2013, 20:23

@ujmp:
Dazu habe ich oben bereits geschrieben, dass da nur Dinge aus dem Bereich der Esoterik und Religion in Frage kommen könnten, z.B. dass der Atem das Leben ist und da die Erklärung aufhört.

Die Bedingung wäre quasi Nichtwissen oder das Wissen darüber, dass es etwas gibt, dass man nicht oder nie begreifen oder erforschen kann, bezogen auf das Leben.

Würde es kein Leben geben, aber eine Intelligenz die in unser Universum schaut, würde die durch egal welche Forschung niemals darauf kommen, dass jemand Emotionen real in dem Universum fühlt, weil es sowas nicht kennen würde.

Nur weil wir Emotionen erleben wissen wir davon. Durch Forschung würden wir niemals wissen, wie es ist zu fühlen.

Wie kann Wissenschaft erklären, dass man Fühlen erleben kann? Sie kann alles strukturell erklären chemisch physikalisch biologisch, aber es wird dabei nicht klar, wie man das fühlen erlebt.

Die einzige wissenschaftliche Erklärung wäre, dass das Erleben eine Illsion ist.

@fopa:
Lebendige Existenz ist für mich nicht allein erklärt durch Materie. Könnte es nicht sein, dass es noch etwas nicht materielles nötig ist, damit leben existiert außer Energie und Raum und Zeit?
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Re: Lebt das Lebendige?

Beitragvon Myron » Mi 16. Jan 2013, 20:54

xander1 hat geschrieben:Lebendige Existenz ist für mich nicht allein erklärt durch Materie. Könnte es nicht sein, dass es noch etwas nicht materielles nötig ist, damit leben existiert außer Energie und Raum und Zeit?


Der eine besondere transchemische Lebenskraft postulierende Vitalismus ist in der zeitgenössischen Biologie längst ad acta gelegt.
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Re: Lebt das Lebendige?

Beitragvon xander1 » Mi 16. Jan 2013, 21:05

Und kann man beweisen, dass der Vitalimus nicht zutrifft?
Mit dem Vitalimus wäre es bestimmt einfacher zu erklären, dass man Gefühle erlebt. dass diese bis zum Ich vordringen und dass man sein Ich erlebt. Mit der Wissenschaft wird das ansonsten wohl nie erklärbar werden.

Der Vitalismus wäre das wahrscheinlich einzige, das mir bestätigen könnte, dass ich wirklich lebe. Vor 6 Jahren habe ich selbst an eine Form des Vitalismus geglaubt.

Kann mir jemand beweisen, dass ein Stein nicht fühlen kann? Er besteht doch auch aus Materie und Struktur? Die Definitionen von Leben sagen ja nicht, dass nur Leben fühlen kann. Mir ist dabei schon klar, dass man biologisch weiß wie Emotionen funktionieren.

Wie kann man als Naturalist keine Sinnkrise haben?
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Re: Lebt das Lebendige?

Beitragvon ujmp » Mi 16. Jan 2013, 21:37

xander1 hat geschrieben:Könnte es nicht sein, dass es noch etwas nicht materielles nötig ist, damit leben existiert außer Energie und Raum und Zeit?

Wenn du so willst, ist das die Konfiguration all dieser Dinge. Die versteht die Wissenschaft m.E. bisher so wenig, dass es zumindest noch keinen Anlass gibt, irgend etwas Zusätzliches anzunehmen. Das wäre etwas anderes wenn man zwei gleiche Konfigurationen hätte, von denen die eine lebt und die andere nicht.
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Re: Lebt das Lebendige?

Beitragvon Myron » Mi 16. Jan 2013, 21:48

xander1 hat geschrieben:Und kann man beweisen, dass der Vitalimus nicht zutrifft?


Richtig ist, dass es noch keine vollständige, empirisch bestätigte physikalisch-chemische Erklärung der Lebensentstehung (Abiogenese) gibt. Der bisherige Erklärungserfolg der reduktionistischen Biologie macht es jedoch wahrscheinlich, dass früher oder später eine komplette nichtvitalistische Abiogenese-Theorie vorliegen wird. Mit der Lebenskraft der Vitalisten verhält es sich wie mit dem Lückenbüßergott der Theisten und es gibt es keinerlei wissenschaftliche Anzeichen ihrer Existenz.

Apropos, vor einigen Monaten ist ein hochinteressantes englischsprachiges Buch zum Thema Abiogenese erschienen, das ich noch nicht gelesen habe, mir aber bald zulegen werde: Addy Pross, "What is Life? How Chemistry becomes Biology?"

xander1 hat geschrieben:Mit dem Vitalimus wäre es bestimmt einfacher zu erklären, dass man Gefühle erlebt. dass diese bis zum Ich vordringen und dass man sein Ich erlebt. Mit der Wissenschaft wird das ansonsten wohl nie erklärbar werden.

Kann mir jemand beweisen, dass ein Stein nicht fühlen kann? Er besteht doch auch aus Materie und Struktur? Die Definitionen von Leben sagen ja nicht, dass nur Leben fühlen kann. Mir ist dabei schon klar, dass man biologisch weiß wie Emotionen funktionieren.


Leben und Erleben/Bewusstsein ist in der Tat nicht dasselbe, da nicht alle Lebewesen "Erlebewesen" sind, die Bewusstsein oder gar Selbstbewusstsein besitzen. Pflanzen leben, aber sie erleben, d.h. empfinden und fühlen nichts. Das wird freilich von den Anhängern des Panpsychismus bestritten, welche behaupten, dass nicht nur alle biologischen Organismen, sondern auch alle anorganischen Körper Subjekte sind, die zumindest einfache Empfindungen haben.

xander1 hat geschrieben:Wie kann man als Naturalist keine Sinnkrise haben?


Warum muss oder müsste man als Naturalist eine Sinnkrise haben?
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Re: Lebt das lebendige?

Beitragvon Myron » Mi 16. Jan 2013, 22:02

Vollbreit hat geschrieben:Aus dem Platonischen könnte ja auch eine Kausalität wirken, nur eben keine von unten nach oben:
http://de.wikipedia.org/wiki/Abw%C3%A4r ... lit%C3%A4t


Wenn man, wie ich es tue, annimmt, dass ein Ganzes nichts weiter als die Summe seiner in bestimmten Beziehungen stehenden Teile ist, dann ergibt das keinen Sinn. Eine Aufwärts- oder Abwärtskausalität könnte es nur dann geben, wenn es mehrere, verschiedene Seins- oder Wirklichkeitsebenen gäbe. Ein mit seinen Teilen identisches Ganzes kann sich aber nicht auf einer anderen Seinsebene befinden als seine Teile, da es seine Teile ist.

"The question to be asked is a simple one: How do things that are identical with constituents of a whole have effects on the whole that includes themselves? It is no better to speak of top-down causality. There the question would arise, how does a whole thing that is constituted of its constituents cause something concerning what it is constituted by? The constituents that are being affected by the whole must be part of the cause upon themselves. Added to this is the obvious problem of apparent 'overdetermination' occurring at each and every level. That is what is [quote John Searle] 'mysterious about such bottom-up causation' or top down causation and what is not 'a straightforward matter.' There appears to be a mystical invocation of levels of being.
The sense that properties of complex objects are mysterious, that they are emergent additions of being, stems from a failure to consider all of the constituents with all of their interrelations and interreactivities, actual and potential, with one another and whatever may be external to them as well as the varying degrees of stability of all of these, allowing, of course, for some degrees of addition, subtraction, alteration, configuration, or even qualitative modification within whatever rough limits are applicable as limits for being that kind of whole."


(Martin, C. B. The Mind in Nature. Oxford: Oxford University Press, 2007. pp. 35-6)
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Re: Lebt das Lebendige?

Beitragvon xander1 » Mi 16. Jan 2013, 22:06

Weil es keinen Sinn gibt für irgendetwas. Es gibt keinen Sinn in der Fortpflanzung, keinen Sinn im Universum, keinen in der Menschheit, aber das Thema hatten wir ja schon in mehreren Themen. Und jetzt gibt es mit diesem Thema quasi keinen Sinn als Sinn, es sei denn man sagt, dass dynamische Struktur aus sich selbst Sinn erschaffen kann, aber das empfinde ich nicht als wahr, von meinem Wirklichkeitsempfinden.
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