Anarchie

Re: Anarchie

Beitragvon stine » Di 9. Apr 2013, 20:23

ujmp hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Nein - leider hat man Dir den Bären aufgebunden... [usw]

Kompletter Blödsinn. Ich kaufe mir was zu Essen, weil ich Hunger habe und nicht, weil ich was tauschen will - wo lebst du denn?

Du kaufst dir aber nur was zu Essen, wenn du Geld hast und wenn jemand Essen für dein Geld anbietet, also wenn es etwas zum Tauschen gibt. @Gandalf schrieb ja schon, dass es Länder gibt, wo Menschen auch Hunger haben, aber sich nichts kaufen können.

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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Di 9. Apr 2013, 20:37

Lass dir doch nicht so die Birne vernebeln! Wir tauschen nicht Waren weil wir wir Spaß am Handel haben, wir tauschen Waren, weil wir sie brauchen, das ist der Punkt. Wenn es sich um Ware handelt, die gebraucht wird, spielt der Preis eine untergeordnete Rolle. Gerade weil das so ist sind ja Preisabsprachen, Kartelle und sowas verboten.
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Re: Anarchie

Beitragvon Gandalf » Di 9. Apr 2013, 21:04

ujmp hat geschrieben:Lass dir doch nicht so die Birne vernebeln! Wir tauschen nicht Waren weil wir wir Spaß am Handel haben, wir tauschen Waren, weil wir sie brauchen, das ist der Punkt.


Was laberst Du da? Lies vlt erst mal richtig nach. Ich habe doch gesagt, das Nachfrage ("das haben wollen") IMMER vorhanden ist! Das ist NICHT der Punkt! Die Frage war: Wie kommst Du FRIEDLICH an das heran, was Du haben WILLST!?

UND DAS ist nur im Tausch Angebot gegen Angebot möglich. Der Bäcker verkauft Dir keine Brötchen, nur auf Grund Deiner Nachfrage in Deinen braunen Augen, - sondern er frägt Dich eiskalt danach was Du ihm zum Tausch bietest... Und ich verrat Dir nochwas: Er ist frecherweise nicht mit einem Zettel zufrieden auf dem eine Zahl steht, die Du selbst darauf gemalt hast, sondern er will Geld das von irgendjemandem 'erarbeitet' worden ist, denn nur so kann er darauf vertauen, das er davon Mehl kaufen kann.

Du musst also neben der Nachfrage auch nochwas HABEN, damit Du andere Sachen HABEN kannst. Das WOLLEN allein funktioniert nur in der Welt totalitärer Spinner.

ujmp hat geschrieben:
Wenn es sich um Ware handelt, die gebraucht wird, spielt der Preis eine untergeordnete Rolle. Gerade weil das so ist sind ja Preisabsprachen, Kartelle und sowas verboten.


Ach was? Der Preis spielt für Dich also keine Rolle. So so. - Und was machst Du, wenn das (erarbeitete) Geld, das Du HAST nicht ausreicht für das was Du HABEN WILLST? Was nutzt Dir da ein Kartellverbot? :irre:
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Re: Anarchie;

Beitragvon Nanna » Di 9. Apr 2013, 22:10

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Das Problem besteht aber doch schon früher, nämlich bei der Entscheidung ob überhaupt gebaut werden soll. Ich glaube kaum, dass in einer anarchischen Gesellschaft ein einziges Großprojekt umgesetzt würde. Irgendeine durchgeknallte Zurück-zur-Natur-da-war-alles-so-toll-Naturschutzgruppe findet sich schon, die rechtzeitig drei Quadratmeter der zukünftigen Landebahn kauft und sich strikt einem Bau verweigert. Man sehe sich an, wie in München der Ausbau des Flughafens blockiert wird, weil die Leute - von der Privatsituation gesehen verständlicherweise - nicht noch mehr Überflüge wollen. Gesamtwirtschaftlich ist das auf Dauer aber nachteilig, aber die Tragik der Allmende muss ich dir da ja nicht erläutern. Es hat schon seinen Sinn, dass wir eine Funktionselite dafür abstellen, diese zentralen Aufgaben erledigen.

Wahrscheinlich hast Du hier recht.

Das muss ich erst mal sacken lassen. ;-)

Gandalf hat geschrieben:Ich habe das (..die Eigentumsfrage) versucht mit Libertären und Volutaristen durchzudiskutieren ohne zu weiteren Vereinfachungsmöglichkeiten zu kommen, die einen Sinn ergeben. Es ist tatsächlich ein Problem, worüber Libertäre selbst unterschiedlicher Meinung bis regelrecht zerstritten sind und Voluntaristen sich imho um die Antwort drücken. Ohne einen (ultra) Minimalstaat wird es wohl nicht gehen. Die Gewaltenteilung und das Grundgesetz der Bundesrepublik ist schon daher eine gute Ausgangsposition, dass die Eigentumsrechte des Individuums schützt und trotzdem "soziale Verpflichtungen" (also Zwang gegenüber Dritten und bedingten Eingriff in seine Rechte) erlaubt. (Auch wenn Du weist, das ich der Meinung bin, das gerade letzteres durch die "Sozis" derzeit in einem impertinenten Maße überinterpretiert wird, der jeden Freiheitsfreund zu unbedingtem Widerstand verpflichtet)

Um dir jetzt auch ein Stück entgegenzukommen: Ich bin vielleicht in manchen Punkten sogar (ökonomisch) liberaler, als du glaubst oder als es hier in meiner Verteidigerposition des Staates scheinen mag. Mir ist letztlich relativ wurscht, wie es zu einer sozial fairen Gesellschaft kommt, Hauptsache, das verwendete System funktioniert.
Der Grundkonflikt zwischen Freiheit und Gleichheit ist wahrscheinlich (auch strukturell bzw. mathematisch) nicht lösbar, deshalb muss eine Mittelposition gefunden werden. Ich glaube, dass diese Position demokratisch und staatlich (d.h. institutionell für alle verbindlich, auch für diejenigen, die nicht teilnehmen wollen - das sind ja nicht immer nur freiheitliche Anarchisten, sondern auch Kriminelle und Soziopathen) moderiert werden muss und dass extreme Abweichungen in Richtung Unfreiheit oder Ungleichheit abgewendet werden müssen. Wo das gesunde Mittelmaß ist und wie weit staatlicher Eingriff gehen darf, ohne kontraproduktiv zu sein oder überzuschnappen und sich zu verselbstständigen, das wäre in einem gesonderten, zweiten Schritt zu ermitteln.

Gandalf hat geschrieben:Ich sehe das derzeit so (und es verschiebt damit gleichzeitig meinen Atheismus etwas Richtung einem Pantheismus):
Ich habe meinen Körper (= mein Eigentum) "vom Universum geliehen und trage während der mir gegbebenen Zeit alleinige Verantwortung dafür. Das gilt auch für das Eigentum das ich zu dem mir Gegebenen per moralische Handlungen hinzufüge. Es kann durchaus 'höhere Fügungen' geben, die meine Eigentumsreche vorzeitig beenden oder einschränken. Nur will ich die Gründe dafür beurteilen können wollen.

Das halte ich für durchaus legitim und es widerspricht meines Erachtens auch nicht dem Staatsbürgerideal, sondern entspricht ihm im Gegenteil sogar recht genau. Der citoyen, also der mündige Staatsbürger, ist ja einer, der sich aktiv am politischen Geschehen beteiligt und nach gemeinsamer vernünftiger Prüfung aller Gründe und Gegengründe akzeptiert, was im Rahmen der demokratischen Prozesse beschlossen wurde (immer unter der Bedingung, dass die verfassungsgemäßen Grundsätze nicht verletzt). Dass wir in Deutschland von diesem Ideal allzu häufig zu weit entfernt sind und es, teilweise auch größere, Anpassungen des politischen Systems bedürfte, da gebe ich dir vollkommen Recht.

Ich bin auch kein Freiheitsfeind und da will ich von dir recht verstanden sein: Was ich fürchte, ist, dass die Starken und Reichen neue Freiheiten ausnutzen, um sich auf Kosten der Schwachen zu bereichern. Ich weiß, dass du gerade der Ansicht bist, dass der wahrhaft freie Markt dem entgegenwirken kann, aber ich glaube, dass da die libertäre Modellvorstellung zu weit weg ist von vielen sozialen Realitäten. Ich glaube, dass es bestimmter ethischer Grundsätze und eines weithin rationalen Verhaltens der meisten Beteiligten bedarf, damit eine solche Marktlösung wirklich funktioniert, und davon sind wir in der Realität allzuoft weit entfernt. Du bist ein sehr moralisch und emanzipiert denkender Mensch und ich schätze das ungemein, aber ich glaube, dass du da begabter bist als die Mehrheit der Menschen. Du hast den Weitblick, um zu erkennen, dass theoretisch die Steigerung des eigenen Wohlbefindens langfristig am erfolgreichsten verläuft, wenn jeder seine Bedürfnisse kooperativ und vorurteilsfrei befriedigt, weil die Kooperation dann den maximalen Wohlstandsgewinn erzielt. Du fühlst auch eine moralische Verpflichtung, im Zweifel nach den Regeln zu spielen, auch wenn du jemanden unbemerkt übervorteilen könntest. Das ist nur etwas, was den (zu) vielen Menschen nicht so geht, sei es aus fehlender Erkenntnisfähigkeit, Habgier (Abkürzungen zum Wohlstand nehmen wollen) oder Misstrauen gegenüber der Kooperation als Idee (funktioniert ja eh nicht, nur wer foul spielt kann sich durchsetzen etc.). Und wegen all dieser Unzulänglichkeiten und auch wegen der zahlreichen Kontingenzen des Sozialen glaube ich, dass es einen Staat braucht, der die Regeln aufstellt, ihre Einhaltung überwacht, der mithilft, die Kinder entsprechend zu bilden und ja, der auch die schlimmsten sozialen Missstände mit auffängt.
Dass man es übertreiben kann, da gebe ich dir Recht. Ich bin aber der Meinung, dass es vielerorts nicht unbedingt einen Totalrückzug des Staates braucht, sondern vor allem ein konkreteres Mitsprache- und auch Mitmachrecht der Bürger, so dass der Staat sich idealerweise von selbst zurücknehmen und die Problemlösung der Zivilgesellschaft überlassen kann und nur da eingreift, wo sonst niemand kann (oder aus guten Gründen darf). Und da glaube ich, dass provinzler Recht hat, wenn er immer wieder auf Anreizsystemen herumreitet. Die müssen stimmen, sonst funktioniert die ganze Gesellschaft hinten und vorne nicht, weder im Kleinen noch im Großen.
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Mi 10. Apr 2013, 07:02

Gandalf hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:
Wenn es sich um Ware handelt, die gebraucht wird, spielt der Preis eine untergeordnete Rolle. Gerade weil das so ist sind ja Preisabsprachen, Kartelle und sowas verboten.


Ach was? Der Preis spielt für Dich also keine Rolle. So so. - Und was machst Du, wenn das (erarbeitete) Geld, das Du HAST nicht ausreicht für das was Du HABEN WILLST? Was nutzt Dir da ein Kartellverbot? :irre:

Ich hab nicht gesagt, dass er keine Rolle spielt, sondern eine untergeordnete. Wenn du etwas zu Essen kaufen musst, um nicht zu verhungern, bezahlst du u.U. soviel, wie du überhaupt dafür aufbringen kannst. Umgedreht bezahlst du z.B. für Markenartikel locker das Doppelte oder Dreifache (real übrigens auch mal das Zehnfache und mehr) gegenüber vergleichbaren Artikeln, nur weil eine Marke dran klept. Wenn ein Markenhersteller seine Sklaven etwas besser bezahlen muss, bedeutet das nur, dass seine persönliche Bereicherung etwas eingedämmt wird - aber wahrscheinlich braucht er die Kostensteigerung bloß an seine Schickimikikundschaft durchzureichen.

Leute die Morgens um Drei vor Apple-Stores anstehen um superteure Produkte zu kaufen, haben auch genug Geld, um einen Friseur oder eine Haushaltshilfe fair zu entlohnen. Es gibt genug Geld in dieser Gesellschaft! Dasselbe Image, was Apple-Produkte geniesen, könnten evtl. Niedriglohnleistungen geniesen. Das ist nicht nur eine Frage der gesellschaftlichen Einstellung, aber in hohem Maße. Was du aber machst, ist ja genau das Umgedrehte, du degradierst Menschen in dieser Gesellschaft zu bloßen Wirtschaftsfaktoren.

(auf deine Roten Heringe geh ich nicht ein, dazu ist meine Zeit zu schade)
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Mi 10. Apr 2013, 07:15

Nanna hat geschrieben: Du hast den Weitblick, um zu erkennen, dass theoretisch die Steigerung des eigenen Wohlbefindens langfristig am erfolgreichsten verläuft, wenn jeder seine Bedürfnisse kooperativ und vorurteilsfrei befriedigt, weil die Kooperation dann den maximalen Wohlstandsgewinn erzielt. Du fühlst auch eine moralische Verpflichtung, im Zweifel nach den Regeln zu spielen, auch wenn du jemanden unbemerkt übervorteilen könntest. Das ist nur etwas, was den (zu) vielen Menschen nicht so geht, sei es aus fehlender Erkenntnisfähigkeit, Habgier (Abkürzungen zum Wohlstand nehmen wollen) oder Misstrauen gegenüber der Kooperation als Idee (funktioniert ja eh nicht, nur wer foul spielt kann sich durchsetzen etc.). Und wegen all dieser Unzulänglichkeiten und auch wegen der zahlreichen Kontingenzen des Sozialen glaube ich, dass es einen Staat braucht, der die Regeln aufstellt, ihre Einhaltung überwacht, der mithilft, die Kinder entsprechend zu bilden und ja, der auch die schlimmsten sozialen Missstände mit auffängt.

Sehr schön!
Solch verantwortungsvolle und mitdenkende Bürger bekommt man aber nicht durch reine Wissensvermittlung in den Lehranstalten. Entschuldigung, wenn ich an dieser Stelle mal kurz wieder auf eine ganzheitliche Bildung zurück komme. Der theoretische Lehrstoff über die Zusammenhänge einer funktionalen Wirtschaft mit oder ohne staatlicher Reglementierung ist die eine und die Herzensbildung (welch altmodisches Wort :mg: ) ist die andere Seite der Medaille. Wenn wir als Gesellschaft nur die abstrakte Wissensvermittlung zulassen, dann ist kein Verlass mehr in die Verankerung von Werten, die Menschen miteinander im Vertrauen aufeinander zusammenleben lässt.
Die Achtung vor dem Leben anderer und dem eigenen, sowie dem eigenen Leben einen Sinn geben ist mE eine wichtige Grundvorraussetzung, um innerhalb einer Gesellschaft soziale Missstände zu vermeiden. Und dazu gehört eine achtsame, liebevolle Erziehung und das Wissen über Religionen schon von klein auf.
Ich glaube nicht, dass Eigenschaften wie Neid, Habgier, Streitsucht oder Geiz ohne erzieherische Vorgaben auszurotten sind. (Mit vielleicht auch nicht, aber dann plagt einem wenigstens das schlechte Gewissen :^^: ).

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Zuletzt geändert von stine am Mi 10. Apr 2013, 07:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Mi 10. Apr 2013, 07:19

ujmp hat geschrieben:Umgedreht bezahlst du z.B. für Markenartikel locker das Doppelte oder Dreifache (real übrigens auch mal das Zehnfache und mehr) gegenüber vergleichbaren Artikeln, nur weil eine Marke dran klept. Wenn ein Markenhersteller seine Sklaven etwas besser bezahlen muss, bedeutet das nur, dass seine persönliche Bereicherung etwas eingedämmt wird - aber wahrscheinlich braucht er die Kostensteigerung bloß an seine Schickimikikundschaft durchzureichen.

Soviel ich weiß, bezahlen Markenhersteller für ihre Produktion auch nicht mehr, als die Nonames. Hier ist ledigliche die Gewinnmarge größer. Aber prinzipiell hast du recht, die Menschen geben ihr Geld oft lieber für Quatsch aus, als für ihre Mitmenschen. Kaufen also lieber Produkte, als eine Dienstleistung.
Das ist aber nicht das, was Gandalf dir erklären wollte.
Es geht darum, dass das Habenwollen oder die Bedürfnisbefriedung alleine noch nicht eine Wirtschaft ausmachen. Wo nichts entsteht, kann man auch nichts bekommen.

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Re: Anarchie

Beitragvon Nanna » Mi 10. Apr 2013, 17:32

stine hat geschrieben:Solch verantwortungsvolle und mitdenkende Bürger bekommt man aber nicht durch reine Wissensvermittlung in den Lehranstalten. Entschuldigung, wenn ich an dieser Stelle mal kurz wieder auf eine ganzheitliche Bildung zurück komme. Der theoretische Lehrstoff über die Zusammenhänge einer funktionalen Wirtschaft mit oder ohne staatlicher Reglementierung ist die eine und die Herzensbildung (welch altmodisches Wort :mg: ) ist die andere Seite der Medaille. Wenn wir als Gesellschaft nur die abstrakte Wissensvermittlung zulassen, dann ist kein Verlass mehr in die Verankerung von Werten, die Menschen miteinander im Vertrauen aufeinander zusammenleben lässt.

Nö, ich geb dir da ja völlig Recht. Meines Erachtens ist all das, was du ansprichst, im Bildungsbegriff, so wie er ursprünglich mal verstanden wurde, durchaus enthalten. Erst im Laufe der Zeit wurde das, was Bildung eigentlich ausmacht, entkernt und auf messbare Sekundärtugenden wie auswendiglernbares Faktenwissen reduziert. Dabei ist uns meistens der Unterschied schon noch klar, beispielsweise bezeichnet niemand den Gewinner einer Quizshow als gebildet, da ist uns dann doch irgendwie allen klar, dass eine differenzierte Fähigkeit zum Urteilen, Abwägen und verantwortlichen Handeln dazu gehören.
Just heute hat die UNICEF ja bekannt gemacht, dass deutsche Kinder den sechsbesten Lebensbedingungen der Welt genießen, aber nur Platz 22 bei der Lebenszufriedenheit belegen (http://www.tagesschau.de/inland/unicef- ... ck100.html). Als Grund hat die Studie die einseitige Fixierung der Gesellschaft auf Leistung ausgemacht, die in den Kindern Gefühle der Überforderung und Perspektivlosigkeit erzeugen. Ich denke, das unterstreicht dein berechtigtes Anliegen, dass Bildung nicht einseitig auf ihre rein funktionale, wirtschaftlich verwertbare Seite ausgerichtet werden darf.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Mi 10. Apr 2013, 18:15

Ja - und es beweist, dass wir dem Bildungswahn (gemeint: Wissensvermittlungswahn) zum Opfer gefallen sind und der Mensch selbst dabei auf der Strecke bleibt.

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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Mi 10. Apr 2013, 18:54

stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Umgedreht bezahlst du z.B. für Markenartikel locker das Doppelte oder Dreifache (real übrigens auch mal das Zehnfache und mehr) gegenüber vergleichbaren Artikeln, nur weil eine Marke dran klept. Wenn ein Markenhersteller seine Sklaven etwas besser bezahlen muss, bedeutet das nur, dass seine persönliche Bereicherung etwas eingedämmt wird - aber wahrscheinlich braucht er die Kostensteigerung bloß an seine Schickimikikundschaft durchzureichen.

Soviel ich weiß, bezahlen Markenhersteller für ihre Produktion auch nicht mehr, als die Nonames. Hier ist ledigliche die Gewinnmarge größer. Aber prinzipiell hast du recht, die Menschen geben ihr Geld oft lieber für Quatsch aus, als für ihre Mitmenschen. Kaufen also lieber Produkte, als eine Dienstleistung.
Das ist aber nicht das, was Gandalf dir erklären wollte.
Es geht darum, dass das Habenwollen oder die Bedürfnisbefriedung alleine noch nicht eine Wirtschaft ausmachen. Wo nichts entsteht, kann man auch nichts bekommen.

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Nei, darum ging es nicht, es ging um Mindestlohn und um die Halbwahrheiten und Lügen, die er uns darüber zu verklickern versucht (abgesehn von den Trivialitäten). Du kann in einem Marketingkurs für Anfänger schon lernen, dass der Peis einer Ware nicht durch seine Herstellungskosten(also auch Lohnkosten) bestimmt wird. Die Herstellungskosten stellen nur die untere Grenze dar. Es geht immer darum, soviel wie möglich zu nehmen. Wegen dieser Gewinnspanne gehen auch Unternehmen nicht zwangläufig zu Grunde, nur weil sie mehr Lohnkosten bezahlen müssen. Ihr Gewinn wird nur kleiner. Und ich sehe das auch gesamtgesellschaftlich: Wenn die Leute für einfache Leistungen mehr Geld ausgeben müssen, weil es Mindestlohn gibt, haben sie weniger Geld für überteuerte Produkte. Diese überteuerten Produkte müssen dann billiger werden. Der Mindestlohn führt also dadurch u.U. sogar dazu, dass die Preise vieler Produkte wieder näher am Herstellungspreis liegen. - Das ist purer Kapitalismus, aber mehr Leute haben was davon! ;-)
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Re: Anarchie

Beitragvon Vegan33 » Mi 10. Apr 2013, 20:00

stine hat geschrieben:Auch Behinderte freuen sich, wenn sie etwas leisten dürfen. Vielleicht sogar noch mehr, als ein Nichtbehinderter. Sie schätzen alles, was sie trotzdem erledigen können.


Ach komm, als ob jeder behinderte Mensch bescheiden wäre und Demut lerne statt Frust.
Und Leistung; Jeweils von der Behinderung abhängig leistet ein behinderter Mensch nahezu gar nichts und bekommt Gelder vom Staat geschenkt, siehe da, dieser Mensch wird trotz wenig bis gar keine Arbeit bezahlt und erhält in einigen Fällen sogar mehr als ein Hilfsarbeiter. Ist aus einer psychologischen Perspektive heraus nicht auch Faulheit eine Krankheit;

stine hat geschrieben:Ja - und es beweist, dass wir dem Bildungswahn (gemeint: Wissensvermittlungswahn) zum Opfer gefallen sind und der Mensch selbst dabei auf der Strecke bleibt.


Wir, d.h. Du und Ich, denken so verdammt gleich über einiges und doch so verdammt verschieden über anderes. In diesem Fall gleich.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Do 11. Apr 2013, 07:21

Vegan33 hat geschrieben:Ist aus einer psychologischen Perspektive heraus nicht auch Faulheit eine Krankheit;

Faulheit ist eine Wesensart. Vererbt, kann man nichts machen :mg: .

Aber im Ernst: Selbstverständlich ist jeder Mensch anders. Interessanterweise behandeln wir Kinder, die nicht still sitzen können mit Medikamenten um sie ruhig zu stellen und Kinder, die von ihrer Konstitution her eher Phlegmatiker sind, passen zwar unauffällig und daher gut auf die Schulbank, sind aber hinterher oft im Nachteil.
Zum Glück sind die meisten Menschen aber sowieso Mischtypen, haben also von allem etwas.
Die strikte Festlegung der Temperamente, wie sie in der Waldorfpädagogik zum Einsatz kommt, halte ich für nicht gut, weil die Festlegung auf ein Temperament nie so eindeutig sein kann, wie man das gerne hätte. So haben zB die Tagesform oder umgebende Einflüsse ebenso ihre Auswirkungen.

Um auf die Berufswahl zu kommen: Es sollte sich für jeden Typ etwas finden lassen. Vom sprichwörtlich faulen Beamten im Innendienst bis hin zum aktiven Spitzensportler. Wenn Faulheit zum Lebensinhalt wird, stimmt meistens mit der Schilddrüse was nicht.

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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Do 11. Apr 2013, 07:36

Vegan33 hat geschrieben: Ist aus einer psychologischen Perspektive heraus nicht auch Faulheit eine Krankheit;

Wenn jemand nicht in der Lage ist, sich an die Gesellschaft anzupassen und darin seine Chancen zu nutzen, kann man ihn m.E. durch aus als behindert ansehen. Man muss nur aufpassen, dass man Menschen nicht in eine Schublade steckt. Es gibt auch sowas wie - ich nenne es mal "geistige Unterernährung" oder "soziale Unterernährung" - da lässt sich u.U. was drehen.
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Re: Anarchie

Beitragvon mat-in » Do 11. Apr 2013, 18:44

Da lauert aber ein erhebliches Problem. Wenn Leute nur ein Bein haben sieht jeder ein, das es mit dem Tretrollerfahren zu mindest nicht ganz einfach ist (inklusive der betroffenen Person). Wenn die Leute dum sind (ja, so dum das sie es mit nur einem m schreiben), dann fällt daß für die Umgebung nicht in die gleiche Kategorie und der Person selbst ist das meist nicht mal bewußt...
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Re: Anarchie

Beitragvon Vegan33 » Do 11. Apr 2013, 20:22

@stine

Aber die einseitigen Typen ( z.B. wild ) werden nicht gefördert, selbst ein so skeptisches Mitglied wie Du siehst in diesem Punkt ein dass die Kinder nicht mit Medikamenten behandelt werden sollten um 'ruhig' zu bleiben. Dieses Verfahren, die Behandlung von Kindern als wären es Maschinen macht mich im Hinblick darauf dass es keinen einzigen Politiker interessiert verdammt sauer. Radikale Ansichten sind die Konsequenz einer nicht ganz gesunden Gesellschaft.
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Do 11. Apr 2013, 20:56

mat-in hat geschrieben:Da lauert aber ein erhebliches Problem. Wenn Leute nur ein Bein haben sieht jeder ein, das es mit dem Tretrollerfahren zu mindest nicht ganz einfach ist (inklusive der betroffenen Person). Wenn die Leute dum sind (ja, so dum das sie es mit nur einem m schreiben), dann fällt daß für die Umgebung nicht in die gleiche Kategorie und der Person selbst ist das meist nicht mal bewußt...

Sozialpädagogen machen teilweise nichts anderes, also sich um solche Fälle zu kümmern. Man könnte sie teilweise als "Sozialprothesen" bezeichnen. :mg:

Leute, die ständig mit dem Gesetz in Konflikt geraten oder anhaltend soziale Probleme haben, erkennt man, glaub ich, recht gut, spätestens, wenn man regelmäßig mit ihnen zusammen ist. Ich hatte mal persönlich das Vergnügen. Ich kannte einen, der jegliche äußere Ordnung als Bedrohung zu empfinden schien. Das ging so weit, dass er mit dem Tropf in der Hand aus dem Krankenhaus abgehauen ist. Spätestens seit dieser Aktion tat er mir nur noch leid.
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Re: Anarchie

Beitragvon Vollbreit » Do 11. Apr 2013, 21:45

mat-in hat geschrieben:Wenn die Leute dum sind (ja, so dum das sie es mit nur einem m schreiben), dann fällt daß für die Umgebung nicht in die gleiche Kategorie und der Person selbst ist das meist nicht mal bewußt...


:blush2:
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Fr 12. Apr 2013, 08:07

Ob man einfältige Menschen als behindert betrachten kann? Ein heißes Pflaster, würd ich sagen. Ab welchem messbaren IQ ist man denn gesund?

In der Wirtschaft und in den Behörden (in den Behörden teilweise immer noch) hat es immer auch Stellen gegeben, wo der Bürobote noch die Hauspost erledigen konnte oder ähnliche Hilfsarbeiten gefordert waren. Heute ist das nicht mehr so. Der Chef organsiert sich seine Dienstreise selber und der Ingenieur bedient sein CAD Programm auch selbst. Berufe vom Hausboten bis zum Sekretariat sind in der Wirtschaft praktisch nicht mehr vorhanden. Nicht mehr bezahlbar, heißt das. Also: Die Billigsten sind die Teuersten? Dafür bezahlt sich die Führungsriege immer besser, denn die sind zum Glück noch bezahlbar.
Aber ich schweife ab.

In einer Gesellschaft, in der es nur noch für akademisch Gebildete lebenserhaltende Arbeit gibt, zählt eigentlich schon der Hauptschüler mit qualifiuertem Abschluss zu den Schwervermittelbaren. Kein Wunder also, dass man sich getrieben fühlt und dass unsere Jugend immer unzufriedener mit ihrer Lebenssituation wird. Was sind denn die Aussichten? Ich weiß auch nicht, was in einer Anarchie besser wäre. Es könnte vielleicht jeder machen was er will, zB selbst gebackene Pizza auf dem Stadtplatz verkaufen, ohne Lebensmittel Belehrung und Gewerbeschein. Aber was wäre denn die Folge?
Man sieht doch an jedem neuen Skandal deutlich, dass Menschen unehrlich sind und gewinnbringend den größten Mist an die Verbraucher verkaufen. Und das schon mit Kontrolle, also was denn dann auch noch ohne?

Für mich ist die klarste Lösung die: Wenn es oben eng wird - fangen wir unten wieder von vorne an!
Der Schuster mit selbstgemachten Schuhen, der Schneider mit maßgeschneiderten Anzügen, Autos tunen und stylen, Partyservice aufmachen usw usf. Klar, das Leben ist auch dann nicht einfach, aber ehrlicher und man muss sich nicht in die Reihe der 100 stellen, die den einzigen vakanten Platz im Vorstand der HypoBank haben wollen.

Und ja, man könnte dann vielleicht auch wieder einen Wenigleister einstellen, der die Arbeitsgeräte sauber hält und die Stoffreste nach Brauchbarkeit sortiert.

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Re: Anarchie

Beitragvon Vegan33 » Fr 12. Apr 2013, 11:00

stine hat geschrieben:Ich weiß auch nicht, was in einer Anarchie besser wäre.


Da Eigentum in Anarchie nicht vorhanden stünden leere Wohnungen dem ersten Besetzer zu, wäre das Containern keine Straftat und die bedingungslose Versorgung schwacher Mitglieder würde durch die Gemeinde geschehen.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Fr 12. Apr 2013, 11:38

Du hast immer noch nicht erklärt, warum "die Gemeinde" selbsternannte Schwache durchfüttern soll.
Und wer zuerst kommt mahlt zuerst?
Na, das sind vielleicht Spielregeln!

:/ stine
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