Anarchie

Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Do 18. Apr 2013, 07:18

stine hat geschrieben:Ich meinte, dass der Mainstream derzeit auf immer bessere Bildung setzt und betrachte dabei aber schon das obere Drittel. Deswegen frage ich mich, wohin soll die Reise noch gehen? Ist es Sinn der Sache, dass sich dort künftig alle wieder treffen?

Verbesserte Bildung hat natürlich nichts mit oben und unten zu tun, denn es wird eine allgmeine Anhebung des Niveaus für alle angestrebt.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Do 18. Apr 2013, 08:15

Eine "allgemeine" Anhebung würde das Problem nur auf eine andere Ebene verschieben. Da wäre noch nichts gewonnen.
Ich finde schon, dass Verbesserungen punktuell vorgenommen werden müssen.
Wenn der Run auf die Universitäten immer größer wird und im Gegenzug die weniger Begabten das Handtuch schmeißen und aufgeben, dann stimmt in der Mitte was nicht.
Aufklärung über alternative Wege in das Arbeitsleben und eine gute, schaffbare Allgemeinbildung wären schon mal ein guter Weg. Da muss in den Schulen was stattfinden. Vielleicht kann man ja mal damit aufhören, für alle das gleiche Ergebnis zu fordern. Wer gezwungen wird, eine höhere Schullaufbahn einschlagen zu müssen, obwohl er nicht dazu befähigt ist, wird genauso verheizt, wie der, der ständig ausgebremst werden muss, weil der Klassendurchschnitt nicht mitkommt.

Prinzipiell ist in unserer Gesellschaft schon was nicht stimmig, wenn nur der zählt, der es "geschafft" hat.
Das ganze Palaver über soziale Gleichstellung ist eine Lüge. Da wird an Schrauben gedreht, die nicht mehr greifen. Besser, als alle gleich machen zu wollen ist, alle gleich zu setzen.
Es muss für jede Aufgabe einen geben (dürfen).

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Re: Anarchie

Beitragvon Vollbreit » Do 18. Apr 2013, 08:39

Vegan33 hat geschrieben:Du meinst wir müssten besser werden, also warum nicht via Bildungswahn?


Gegen Bildung ist überhaupt nichts einzuwenden, im Gegenteil, wir alle brauchen sie, sehr dringend.
Nur sind die Bildungskonzepte mitunter ungeheuer verkopft, verkrampft und auf Angst gebaut. Man will, das kritisiert stine, und ich gleich mit, den Anschluss nicht verlieren. Das ist nicht Bildung, sondern Dummheit. Man hechtet einer beschissenen Ideologie, die uns mehr Schaden als Nutzen bringt, völlig unreflektiert hinterher und schickt seine eigenen Kinder, bzw. das einzige Kind „an die Front“.

Die wirklichen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder zu beachten fällt dabei oft aus, da die angstgetriebenen Eltern von der verständlichen Idee „mein Kind soll's mal besser haben“ nicht lassen können. Aber so linear aufwärts wie im Wirtschaftswunder geht es nun mal nicht und wird es erst mal auch nicht mehr gehen. An vielen Punkte ist die Stagnation oder Regression erreicht.
Das muss man reflektieren und die Strategie ändern. Hier teile ich stines Kritik in vollem Umfang. Es bringt nichts, mit Panik im Blick, jedes Kind durch das Nadelöhr von Nachhilfe und „du musst jetzt aber lernen, denk an deine Zukunft, die Konkurrenz schläft nicht“ zu prügeln, weil damit die Grundintention, dass das Kind es tatsächlich mal besser haben könnte völlig auf den Kopf gestellt wird.
Nix gegen Bildung, Studium oder akademische Laufbahn, in entsprechenden Familien wird das aber auch stressfreier und organischer ablaufen.
Tatsächlich macht es eine großen Unterschied aus ob Angst oder Zuversicht der emotionale Hintergrund ist. Ich kenne eine Untersuchung, die schon einige Jahre alt ist, in der die Reaktion der Eltern auf Leistungstiefs in verschiedenen Schichten untersucht wurde. Ergebnis: In den unteren Schichten waren die Eltern grundsätzlich misserfolgsorientiert und eine kleine Krise in der schulischen Leistung war für sie Anlass die Kinder sofort von der höheren Schule zu nehmen, „bringt ja doch alles nichts“. Die Kinder sozial höherer Schichten hat ebenso ihre Krisen, aber die Eltern waren in dem festen Glauben, dies sein nur so eine Phase, er/sie bekrabbelt sich schon wieder. Heute – meine Vermutung – werden die Kinder aus bildungsferneren Kreisen durch die Nachhilfemühlen gedreht und auch die anderen rüsten auf.
Nachhilfe nahm man früher, wenn es nach unten eng wurde, heute, wenn statt der 2 doch auch eine 1 drin wäre.

Und ein Akademiker in einer guten Anstellung, der das tun kann, war er immer schon tun wollte, ist in jeder Hinsicht an der Sonne. Nur ist das längst nicht mehr Alltag. Entweder man wählt sich sein Studium im Bezug auf Arbeitsplatzsicherheit und Kohle aus, dann kann man Arzt oder Ingenieur werden oder man geht seinen Neigungen nach (die ja nicht zwingend in diesem Bereichen liegen müssen) und bekommt vielleicht eine Anstellung, aber wie gesagt, den Vogel abgeschossen hat ein Philosoph, der einen Direktvertrag mit der Uni abschließen musste (wie es fast alle müssen) der bekam 600 Euro, pro Semester! Dafür würde eine Putzfrau nicht mal den Besen angucken.

Wenn es also bei dem Projekt Lebenszufriedenheit in Fremdregie um den Baustein finanzielle Absicherung geht (was ja nicht blöd ist), ist für diejenigen, die keine Neigung haben, die vehement ausgeprägt ist, eine Facharbeiterausbildung das beste, was einem passieren kann.

Ferner ist Bildung noch immer großenteils verkopfte Kacke (10 Millionen Diskussionen über Lehrkonzepte haben das nicht ändern können) und es ist ein Jammer, dass quer zu allen Erkenntnissen die Schule (nicht das Lernen!) als Strafe empfunden wird, weil es oft eine ist, ich kann provinzler hier gut verstehen. Hier stinkt der Fisch vom Kopf, warum jeder Trottel Lehrer werden darf, habe ich nie verstanden und werde ich nie verstehen. Stromlinienförmig, ohne Rücksicht auf Neigungen wird man durch die Maschine gedreht, Interesse und Kreativität wird eingebremst, statt gefördert. Gestrichen wird all das, was man nicht braucht (für den Markt), im Land der Dichter und Denker gilt inzwischen der als Spinner, der ernsthaft dichten oder denken will.

Also lässt man sich auf perfektes Funktionieren reduzieren, mit den üblichen Ausreden. Wenn beruflich alles gut läuft und ich erst mal Kohle habe, dann kann ich mir den Rest ja auch leisten und meinen eigentlichen Neigungen nachgehen. Manche kommen damit wohl klar, doch sehr viele nicht. Dass man tatsächlich noch für etwas brennen kann, ist in der Burnout Gesellschaft kaum noch vorgesehen, da ist das Funktionieren ohne Nachzufragen inzwischen zum Selbstzweck mutiert. Nicht weil man ums Verrecken etwas rauskriegen will, haut man sich die Stunden um die Ohren, sondern weil erschöpft und kaputt zu sein, das Ziel ist. Grotesk, idiotisch, maximal weit vom Glück entfernt, aber jeder in der Suggestion er habe genau das schon immer gewollt:
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft ... 33009.html
Das ist wirklich pervers, aber wer das mit sich machen lässt kommt immerhin schnell an den Punkt wo er zum Aufwachen gezwungen ist. Die Depression hat man sich redlich verdient.
Zuletzt geändert von Vollbreit am Do 18. Apr 2013, 08:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Do 18. Apr 2013, 08:49


Dieser Artikel verbalisiert meine Meinung.
Im Gegenzug dazu habe ich gestern gelesen, dass Deutschland sich über mehr Steueraufkommen freuen darf und damit seine Schuldenbilanz extrem verbessern kann.
Da wäre die Rechnung ja wenigstens für den Staatshaushalt aufgegangen.

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Re: Anarchie

Beitragvon Vollbreit » Do 18. Apr 2013, 09:07

Ja und hier muss man sich dann m.E. eingestehen, dass das neoliberale Dogma, wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es allen gut, schließlich brauchen Sozialsysteme Geld, also sollte man alles tun, damit es der Wirtschaft gut geht, nicht gegriffen hat. Es ist m.E. eine akademische Diskussion darauf zu verweisen, dass wir ja den echten, guten, lupenreinen Kapitalismus nie und nirgends hatten (was vermutlich sogar stimmt), sondern der immer staatlicherseits ausgebremst wurde.
Aber das erinnert an die Diskussion mit Kommunisten, die einem erklären, dass es den echten, guten Kommunismus auch nie gegeben hätten, alle Probeläufe seien nur Zerrformen gewesen (was zum Teil ebenfalls stimmt).
Es muss also die Mitte zwischen Reglementierung und freiem Markt gefunden werden und wir müssen die Prioritäten setzen und entscheiden, was wir wollen, an welchen Werten wir uns orientieren wollen. In einem haben die Marxisten recht, viele tun so, als sei die Gesellschaftsform in der wir leben und nach der wir uns ausrichten, irgendwie ein unabänderliches Naturgesetz. Nichts falscher als das.
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Do 18. Apr 2013, 22:42

stine hat geschrieben:Wenn der Run auf die Universitäten immer größer wird und im Gegenzug die weniger Begabten das Handtuch schmeißen und aufgeben, dann stimmt in der Mitte was nicht.

Der "Run auf die Universitäten" (falls es das wirklich gibt) wird größer, gerade weil die weniger Begabten das auch schaffen könnnen. - Was ist denn dagegen einzuwenden? Und der Ansatz sollte m.E. auch nicht "Mehr Bildung!" sondern "Bessere Bildung!" heißen - damit wird niemand überfordert, man tut den Menschen etwas Gutes.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Fr 19. Apr 2013, 07:07

ujmp hat geschrieben:Der "Run auf die Universitäten" (falls es das wirklich gibt) wird größer, gerade weil die weniger Begabten das auch schaffen könnnen.

Und was hätten sie denn dann deiner Meinung nach gewonnen?

Vollbreit hat geschrieben:...lupenreinen Kapitalismus nie und nirgends hatten (was vermutlich sogar stimmt), sondern der immer staatlicherseits ausgebremst wurde.
Aber das erinnert an die Diskussion mit Kommunisten...
Es ist egal, welche Staatsform du nimmst, der Mensch bleibt immer dann auf der Strecke, wenn ihm das Menschsein abgesprochen wird. Das fuktioniert umso besser, je weniger ihn man zur Besinnung kommen lässt. Deswegen werden Religionen in den meisten Systemen immer wieder mal zum Feind erkärt.

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Re: Anarchie

Beitragvon provinzler » Fr 19. Apr 2013, 11:31

Vollbreit hat geschrieben:Gegen Bildung ist überhaupt nichts einzuwenden, im Gegenteil, wir alle brauchen sie, sehr dringend.
Nur sind die Bildungskonzepte mitunter ungeheuer verkopft, verkrampft und auf Angst gebaut. Man will, das kritisiert stine, und ich gleich mit, den Anschluss nicht verlieren. Das ist nicht Bildung, sondern Dummheit. Man hechtet einer beschissenen Ideologie, die uns mehr Schaden als Nutzen bringt, völlig unreflektiert hinterher und schickt seine eigenen Kinder, bzw. das einzige Kind „an die Front“.

Und fährt bereits einjährige Kinder zum Chinesischkurs. Das ist natürlich Unfug, und es steht zu erwarten, dass diese Kinder spätestens in der Pubertät sich dann komplett verweigern.

Vollbreit hat geschrieben:Nachhilfe nahm man früher, wenn es nach unten eng wurde, heute, wenn statt der 2 doch auch eine 1 drin wäre.

Das kann ich aus der Praxis so nicht bestätigen. Die meisten Schüler, die in die Nachhilfe kommen stehen auf 4 (mit Tendenz zur 5) oder auf 5. (In Österreich gibts keine Sechser).
Wenige Ausnahmen stehen auf ner 3 und kommen kurz vor Klausuren mal ein- oder zweimal um "auf Nummer sicher zu gehen".
Und eine Schülerin behauptet steif und fest, Mathe nur zu verstehen, wenn ich es erkläre, und kommt weiterhin auch wenn die Noten das eigentlich nicht mehr erfordern.

Vollbreit hat geschrieben:Wenn es also bei dem Projekt Lebenszufriedenheit in Fremdregie um den Baustein finanzielle Absicherung geht (was ja nicht blöd ist), ist für diejenigen, die keine Neigung haben, die vehement ausgeprägt ist, eine Facharbeiterausbildung das beste, was einem passieren kann.

Respektive ein Studium mit dem man sich dann einen halbwegs gut bezahlten, einigermaßen stressfreien Job mit geregelten Arbeitszeiten sucht (bspw. als BWLer in der Buchhaltung), der einem genug Freizeit für die eigenen Interessen lässt.
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Sa 20. Apr 2013, 09:25

stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Der "Run auf die Universitäten" (falls es das wirklich gibt) wird größer, gerade weil die weniger Begabten das auch schaffen könnnen.

Und was hätten sie denn dann deiner Meinung nach gewonnen?

Sie gewinnen mehr Optionen, ihr Leben frei zu gestalten. Ob Leute mit einem evtl. durchschnittlichen IQ einen akademischen Bildungstand erreichen können ist mehr eine Frage der Bildungsqualität. Es geht nicht darum zu sagen, die Leute müssen noch mehr und noch mehr lernen. Wissensvermittlung ist eine große Kunst - die auch was kostet. Und nochwas: Ich glaub es war der ehemalige sächsische Bildungsminister, der für die Erfolge Sachsens bei den PISA-Tests verantwortlich ist, der sinngemäß gesagt hat: "Unsere Kinder konkurrieren nicht mit den Kindern in Bayern oder Bremen, sie konkurrieren mit den Kindern in China und der ganzen Welt." Also, wenn man die deutsche Bildung beschönigt oder aus reaktionär-ideologischen Gründen ausbremst, tut man dieser Generation nichts Gutes.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Sa 20. Apr 2013, 15:31

Sei mir nicht böse, aber ich möchte nicht mit dem chinesischen Modell meine Kinder erziehen. Chinesische Familien kommen auch noch drauf, dass das Verheizen ihrer Kinder und Jugendlichen nur eine erhöhte Selbstmordrate mit sich bringt. Meine Devise, wenn 's oben eng wird, muss irgendjemand wieder von unten anfangen, bezieht sich auf alles und jedes. Wenn die Chinesen meinen, dass sie weltweit die besten Abschlüsse haben müssen, dann brauchen wir in Europa (Deutschland) ein anderes Modell um daneben existieren zu können. Nicht die pure Wissensvermittlung, sondern die gute Allgemeinbildung steht im Vordergrund. Wir brauchen Entdecker und Erfinder, wir brauchen Unternehmer, Menschen mit Geduld und langem Atem, die noch Lust am Leben haben. Was wir nicht brauchen ist ein Karussel in dem sich Wirtschaftssklaven untereinander um die bestbezahltesten Stellen raufen und wir brauchen auch keine gut geölten menschlichen Roboter.
Ich glaube nicht, dass man auf jeder Welle mitreiten muss.
Ich sehe die Globalisierung durchaus mit Skepsis und bin entgegen dem Mainstream der Meinung, dass derzeit alles viel zu schnell geht. Türen und Tore werden geöffnet, noch bevor man über die Folgen nachgedacht hat.

ujmp hat geschrieben:Sie gewinnen mehr Optionen, ihr Leben frei zu gestalten. Ob Leute mit einem evtl. durchschnittlichen IQ einen akademischen Bildungstand erreichen können ist mehr eine Frage der Bildungsqualität. Es geht nicht darum zu sagen, die Leute müssen noch mehr und noch mehr lernen.
Natürlich geht es darum, dass immer mehr in immer kürzerer Zeit gefordert wird. Und gerade, wenn man darauf drängt ALLE ins gleiche Boot zu holen, schürt man die Konkurrenz noch mehr und gerade deswegen geben auch so viele auf. Wer schon ganz früh merkt, dass ein Hauptschulabschluss eh nichts mehr bringt, warum sollte er dann überhaupt wenigstens einen solchen noch anstreben?
Alles was geht in den akademischen Grad zu befördern, schafft eine Entwertung des akademischen Grades. Das Niveau wird vielleicht allgemein angehoben, aber da es für alle gleichermaßen gilt, wird es wertlos. Dass sich damit keine Elite mehr bildet, die sich allen voran wieder abhebt, kann man damit trotzdem nicht verhindern. Man erreicht nur, dass das Leben für alle gleichermaßen anstrengender wird.

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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Sa 20. Apr 2013, 17:10

stine hat geschrieben:Sei mir nicht böse, aber ich möchte nicht mit dem chinesischen Modell meine Kinder erziehen. Chinesische Familien kommen auch noch drauf, dass das Verheizen ihrer Kinder und Jugendlichen nur eine erhöhte Selbstmordrate mit sich bringt. Meine Devise, wenn 's oben eng wird, muss irgendjemand wieder von unten anfangen, bezieht sich auf alles und jedes. Wenn die Chinesen meinen, dass sie weltweit die besten Abschlüsse haben müssen, dann brauchen wir in Europa (Deutschland) ein anderes Modell um daneben existieren zu können. Nicht die pure Wissensvermittlung, sondern die gute Allgemeinbildung steht im Vordergrund. Wir brauchen Entdecker und Erfinder, wir brauchen Unternehmer, Menschen mit Geduld und langem Atem, die noch Lust am Leben haben. Was wir nicht brauchen ist ein Karussel in dem sich Wirtschaftssklaven untereinander um die bestbezahltesten Stellen raufen und wir brauchen auch keine gut geölten menschlichen Roboter.

Unsinn, niemand möchte gerne ein Roboter sein, solche Untermenschen gibt es nur in deiner Phantasie. Wenn du von Allgemeinbildung sprichst ist das doch nur ein Euphemismus für Bildungsbeschränkung. Es geht darum, Wissensresourcen, die ja bestehen, den Menschen nicht vorzuenthalten. Dein eigentliches Problem ist vermutlich, das Bildung zu Status verhilft und du keine hast. Du spürst, dass der Status, den du geniest, dir nicht mehr zusteht, wenn Bildung als Wert anerkannt wird. Wettbewerb gibt es immer, es sind aber diejenigen Regeln für alle Beteiligten am besten, wo die nach oben kommen, die wirklich etwas drauf haben und nicht die, die blond und blauäugig sind.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » So 21. Apr 2013, 09:05

Du hast dir vorgenommen, mich nicht verstehen zu wollen. Das gefällt mir zwar nicht, aber ich toleriere deine Meinung.
Es denkt eben jeder von sich, den Stein der Weisen gefunden zu haben.
Du kannst ja mit den Chinesen konkurrieren und eine Promotion für deine Kinder erstreben wollen, egal, wie sie drauf sind. Mit genug Antrieb, Ehrgeiz und Hilfe Dritter werden sie es dann schon irgendwie schaffen. Im globalen Wettstreit mit Lohndumping-Ländern wird der inflationäre Doktortitel zwar nichts mehr wert sein, aber wenigstens war der Weg dahin noch anstrengend genug, um von sich behaupten zu können, man hätte wenigstens für sich persönlich was erreicht. Vielleicht hilft das ja noch wenigstens das eigene Selbstbewusstsein zu stärken. Die Enkel kommen dann in die Kinderkrippe, damit die Dr.Tochter sich und der Wirtschaft was Gutes tun kann. Wenn ihr alle damit glücklich werdet und das der Maßstab für eure Lebensqualität ist, dann ist mir das auch recht. Irgendwer in Deutschland muss das Hamsterrad ja am Laufen halten. :^^:

ujmp hat geschrieben:Wettbewerb gibt es immer, es sind aber diejenigen Regeln für alle Beteiligten am besten, wo die nach oben kommen, die wirklich etwas drauf haben und nicht die, die blond und blauäugig sind.
Blond und blauäugig ist Quatsch, aber das weißt du auch. So ein Statement ist immer der letzte Rundumschlag, wenn einem so gar nichts Vernünftiges mehr einfällt.

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Re: Anarchie

Beitragvon provinzler » So 21. Apr 2013, 11:00

ujmp hat geschrieben:Unsinn, niemand möchte gerne ein Roboter sein, solche Untermenschen gibt es nur in deiner Phantasie. Wenn du von Allgemeinbildung sprichst ist das doch nur ein Euphemismus für Bildungsbeschränkung. Es geht darum, Wissensresourcen, die ja bestehen, den Menschen nicht vorzuenthalten. Dein eigentliches Problem ist vermutlich, das Bildung zu Status verhilft und du keine hast. Du spürst, dass der Status, den du geniest, dir nicht mehr zusteht, wenn Bildung als Wert anerkannt wird. Wettbewerb gibt es immer, es sind aber diejenigen Regeln für alle Beteiligten am besten, wo die nach oben kommen, die wirklich etwas drauf haben und nicht die, die blond und blauäugig sind.


Ich glaube stine meinte eher etwas andres. In den 50er Jahren konnte sich ein Supermarkt kurzfristig einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, wenn er im Geschäft eine Klimaanlage installierte, und es somit an einem heißen Sommertag drinnen angenehmere Temperaturen hatte. Nachdem aber die andren Supermärkte notgedrungen nachzogen, hatte kein Supermarkt mehr einen Vorteil, dafür aber alle höhere Kosten (Strom, Anschaffung). Profitiert haben nur die Kunden und die Mitarbeiter, die im Sommer nicht mehr in stickigen Läden rumturnen müssen. Und genau diesen Effekt meinte stine, wenn ich sie richtig verstanden habe.
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » So 21. Apr 2013, 11:19

stine hat geschrieben: Irgendwer in Deutschland muss das Hamsterrad ja am Laufen halten.

Im Hamsterrad drehen sich die, denen es an Bildung mangelt, besonders an politischer Bildung. Bessere Bildung bedeutet meist weniger Arbeit - versteh das doch mal endlich! Wenn dir jemand erklärt hat, wie man intelligent eine Treppe wischt, bist du schneller fertig und kannst eher nachhause gehen. Und wenn du dich dieser Bildung verweigerst, wird sich jemand finden, der nicht so stur ist und dir den Job wegnehmen. Es ist Sau-dumm, sich Bildung zu verweigern.

stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Wettbewerb gibt es immer, es sind aber diejenigen Regeln für alle Beteiligten am besten, wo die nach oben kommen, die wirklich etwas drauf haben und nicht die, die blond und blauäugig sind.
Blond und blauäugig ist Quatsch, aber das weißt du auch. So ein Statement ist immer der letzte Rundumschlag, wenn einem so gar nichts Vernünftiges mehr einfällt.

Dann sag doch mal, wer es deiner Meinung nach verdient, die gut bezahlten Jobs zu bekommen! Was ich bei dir regelmäßig rauslese, sind reaktionäre Werte. "Konservativ" kann man leider dazu nicht sagen, weil diejenigen, die hierzulande "konservativ" genannt werden, modernere Vorstellungen haben als du, hinter die du sogar noch zurück willst.
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » So 21. Apr 2013, 11:37

provinzler hat geschrieben:Ich glaube stine meinte eher etwas andres. In den 50er Jahren konnte sich ein Supermarkt kurzfristig einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, wenn er im Geschäft eine Klimaanlage installierte, und es somit an einem heißen Sommertag drinnen angenehmere Temperaturen hatte. Nachdem aber die andren Supermärkte notgedrungen nachzogen, hatte kein Supermarkt mehr einen Vorteil, dafür aber alle höhere Kosten (Strom, Anschaffung). Profitiert haben nur die Kunden und die Mitarbeiter, die im Sommer nicht mehr in stickigen Läden rumturnen müssen. Und genau diesen Effekt meinte stine, wenn ich sie richtig verstanden habe.

Du scheinst Deutschland hier in der Rolle des Innovators zu sehen, der die Maßstäbe setzt. In Sachen Bildung ist das aber bekanntlich nicht der Fall. Da ist Deutschland leider in der Rolle derjenigen, die gezwungen sind nachzuzuiehen. Ihr seht das aber insgesamt zu negativ. Die Finnen lassen sich bestimmt nicht versklaven, die unternehmen Anstrengungen in der Bildung, um ihr Leben angenehmer zu machen - das ist das Ziel. Und sie gehören zu den zufriedensten Bürgern Europas. Ich find es der jungen Generation gegenüber unverantwortlich, aus purer Eitelkeit nicht zuzugeben, dass wir Defizite haben!
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Re: Anarchie

Beitragvon Nanna » So 21. Apr 2013, 12:16

Nanna hat geschrieben:Just heute hat die UNICEF ja bekannt gemacht, dass deutsche Kinder den sechsbesten Lebensbedingungen der Welt genießen, aber nur Platz 22 bei der Lebenszufriedenheit belegen (http://www.tagesschau.de/inland/unicef- ... ck100.html). Als Grund hat die Studie die einseitige Fixierung der Gesellschaft auf Leistung ausgemacht, die in den Kindern Gefühle der Überforderung und Perspektivlosigkeit erzeugen. Ich denke, das unterstreicht dein berechtigtes Anliegen, dass Bildung nicht einseitig auf ihre rein funktionale, wirtschaftlich verwertbare Seite ausgerichtet werden darf.

Ich möchte das komplett revidieren, wie der Rest von Deutschland bin ich auf Journalisten hereingefallen, die keine Statistiken lesen können: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... he-analyse
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » So 21. Apr 2013, 12:20

Ich weiß ja nicht, @ujmp, wie ich dir meine Meinung noch besser nahe bringen könnte, weil du mit Vorurteilen mir gegenüber leider immer viel zu schnell bei der Sache bist. Aber was solls. Ich erklär dir das nochmal: Gute Bildung brauchen alle, aber gute Bildung hat nichts damit zu tun, dass jeder mit dem gleichen Abschluss nach Hause geht. Wer das Zeug hat zu studieren, soll das auch tun und wem das Praktische besser passt, macht einen anderen Abschluss. Wie ich schon schrieb (du hast das wohl überlesen), wir brauchen nicht nur Akademiker, wir brauchen Entdecker und Erfinder, wir brauchen Unternehmer, Menschen mit Geduld und langem Atem, die noch Freude am Leben haben. Auch der Zwang zur höheren Bildung ist ein Zwang. Nur wer sich des Getanen freud, ist glücklich.

ujmp hat geschrieben:Im Hamsterrad drehen sich die, denen es an Bildung mangelt, besonders an politischer Bildung. Bessere Bildung bedeutet meist weniger Arbeit - versteh das doch mal endlich!

Wenn der akademische Grad lediglich aus dem Grund eines nachfolgend erwarteten "besseren" Lebens angestrebt wird, dann ist das mE der falsche Ansatz. Wer auf Staatskosten studiert, sollte dem Staat seine Fähigkeiten dann auch zur Verfügung stellen. Je besser die Ausbildung, umso mehr kann man von jemanden erwarten dürfen. Was deine Einstufung der "niederen" Tätigkeiten angeht: Ja, wir werden auch weiterhin noch Menschen brauchen, die einfache Arbeiten zum Wohle aller erledigen werden. Nicht ich, sondern du generierst hier ein Kastendenken.

ujmp hat geschrieben:Ich find es der jungen Generation gegenüber unverantwortlich, aus purer Eitelkeit nicht zuzugeben, dass wir Defizite haben!

Und ich finde es unverantwortlich, aus purer Eitelkeit, die junge Generation in dem Glauben zu lassen, sie müssten sich nur genug anstrengen, dann wäre ihr Leben gesichert, denn das ist es nicht. Egal, wieviele Jahre sie studieren.
Der Lebensmotor ist ein gesundes Selbstvertrauen und das erwächst nicht aus elterlichem Zwang zu besseren Noten.

Und zum Thema "reaktionär": Nein, das bin ich nicht. Im Gegensatz zu dir lasse ich mich nur nicht von allem und jeden kommentarlos überrollen. Gesellschaftliche Zwänge sollten beleuchtet werden, ehe man sich ihnen unterwirft.

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Re: Anarchie

Beitragvon Vollbreit » So 21. Apr 2013, 12:41

provinzler hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nachhilfe nahm man früher, wenn es nach unten eng wurde, heute, wenn statt der 2 doch auch eine 1 drin wäre.

Das kann ich aus der Praxis so nicht bestätigen. Die meisten Schüler, die in die Nachhilfe kommen stehen auf 4 (mit Tendenz zur 5) oder auf 5. (In Österreich gibts keine Sechser).
Wenige Ausnahmen stehen auf ner 3 und kommen kurz vor Klausuren mal ein- oder zweimal um "auf Nummer sicher zu gehen".
Und eine Schülerin behauptet steif und fest, Mathe nur zu verstehen, wenn ich es erkläre, und kommt weiterhin auch wenn die Noten das eigentlich nicht mehr erfordern.
Stimmt, wir haben die Brut auch zu Hause und ich muss noch mal nachfragen, wie der Trend da wirklich ist. Also, auch hier ist der Frontbericht, dass es eher die Schlechten sind, die kommen, jedoch war der Trend da, auch bei den an sich guten Schülern zu optimieren, wo es nur ging. Das ist momentan etwas abgeflacht, weil vielen das Geld ausgeht, eine Reaktion darauf bei uns ist, dass an vielen Schulen eine sogenannten Hausaufgabenhilfe angeboten wird. Insgesamt wird schon gefördert, was das Zeug hält.

provinzler hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wenn es also bei dem Projekt Lebenszufriedenheit in Fremdregie um den Baustein finanzielle Absicherung geht (was ja nicht blöd ist), ist für diejenigen, die keine Neigung haben, die vehement ausgeprägt ist, eine Facharbeiterausbildung das beste, was einem passieren kann.
Respektive ein Studium mit dem man sich dann einen halbwegs gut bezahlten, einigermaßen stressfreien Job mit geregelten Arbeitszeiten sucht (bspw. als BWLer in der Buchhaltung), der einem genug Freizeit für die eigenen Interessen lässt.
Ja, nur hat Lebenszufriedenheit eben nicht nur mit Kohle zu tun, das dringt ja inzwischen ins Bewusstsein. Die kommende Generation erteilt vielen althergebrachten Statussymbolen eine Absage

Zur Diskussion um das, was stine meint, auch noch mein Beitrag (wenn auch nicht mehr aktuell, da stine sich schon erklärt hat):
Ich glaube, sie meint, dass ein Abi für alle nicht unbedingt ein Ausdruck gewachsener Qualität, sondern gesenkter Maßstäbe ist, was m.E. stimmt, ich habe mich auch mit Lehrern darüber unterhalten. Interessanterweise sagte mir einer, unser Stufe sei die letzte gewesen, die aufsässig gewesen sei, danach seien die Schüler zum einen immer braver geworden, zum anderen lernten die immer mehr punktuell, d.h. für Klausuren und das meiste wurde darüber hinaus wieder vergessen.
Einfach die Anforderungen abzusenken ist ja kein Qualitätsgewinn, selektiert wird dann eben nur später. Auch hier ist der Trend ja reichlich albern. Praktisch meine ganze Familie väterlicherseits sind klassische Aufsteiger, die sich „hochgearbeitet“ haben und in ihren Ressorts alle überdurchschnittlich erfolgreich wurden, noch bis zur Generation meiner (älteren) Cousins. Heute wäre ihnen eine solche Karriere unmöglich, weil für eine Vielzahl von Berufen, für die man heute formal oder de facto Abitur braucht, früher ein Volksschulabschluss (10.Klasse) reichte.
Ich sehe tatsächlich nicht, was gewonnen ist, wenn bald Akademiker an der Supermarktkasse sitzen, stimme aber der Einschätzung zu, dass Bildung ein Wert an sich ist. Man lässt ein fach nicht mehr jeden Mist mit sich machen. Die hohe Zahl der schlecht bezahlten Akademiker scheint dem zwar zu widersprechen, aber viele gehen da ihrer Neigung sehendes Auges nach. Lieber ein schlechte bezahlter Job der Spaß macht, als viel Kohle für einen Mist unter dem man 40 Stunden in der Woche leidet.
So geht auch meine Rechnung die in der Summe auf Lebensqualität abzielt, als das persönlich benötigte Mittel aus Geld, Freizeit, Anspruch, Identifikation mit dem/den Beruf(en) und so weiter.
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Re: Anarchie

Beitragvon provinzler » So 21. Apr 2013, 12:42

ujmp hat geschrieben:Du scheinst Deutschland hier in der Rolle des Innovators zu sehen, der die Maßstäbe setzt. In Sachen Bildung ist das aber bekanntlich nicht der Fall. Da ist Deutschland leider in der Rolle derjenigen, die gezwungen sind nachzuzuiehen. Ihr seht das aber insgesamt zu negativ. Die Finnen lassen sich bestimmt nicht versklaven, die unternehmen Anstrengungen in der Bildung, um ihr Leben angenehmer zu machen - das ist das Ziel. Und sie gehören zu den zufriedensten Bürgern Europas. Ich find es der jungen Generation gegenüber unverantwortlich, aus purer Eitelkeit nicht zuzugeben, dass wir Defizite haben!

Ist doch wurscht, wer sich als erster und wer als letzter bewegt. Fakt ist, dass Kunden verliert, wer die Klimaanlage nicht installiert, beim allgemeinen Aufrüsten nicht mitzieht. Den Glücksumfragen stehe ich übrigens mit gewisser Skepsis gegenüber, das kann auch mit gesellschaftlichem Druck zu bestimmten Antworten zusammenhängen. So wie die Amis angeblich im Schnitt zwanzigmal im Monat für je 35 Minuten Sex haben und damit meilenweit an der Spitze liegen. Harte Kennziffern wie beispielsweise die Suizidziffern (und ja ich weiß, dass das auch mit dem skandinavischen Winter zusammenhängt), als "Unglückskennziffern" scheinen da eher andre Schlüsse nahezulegen. Kann natürlich auch sein, dass die skandinavischen Länder noch mittelmaßversessener sind als wir und sich die Ränder vor Verzweiflung umbringen.
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Re: Anarchie

Beitragvon provinzler » So 21. Apr 2013, 12:57

Vollbreit hat geschrieben:Ja, nur hat Lebenszufriedenheit eben nicht nur mit Kohle zu tun, das dringt ja inzwischen ins Bewusstsein. Die kommende Generation erteilt vielen althergebrachten Statussymbolen eine Absage

So pauschal auch wieder nicht. Kenne auch genug, die kaum Geld verdienend erstmal standesgemäße Eigentumswohnung und Auto auf Pump brauchen. Aber es kann gut sein, dass der Anteil derjenigen, der sich dieser Illusion nicht hingibt gestiegen ist.

Vollbreit hat geschrieben:Ich glaube, sie meint, dass ein Abi für alle nicht unbedingt ein Ausdruck gewachsener Qualität, sondern gesenkter Maßstäbe ist, was m.E. stimmt, ich habe mich auch mit Lehrern darüber unterhalten. Interessanterweise sagte mir einer, unser Stufe sei die letzte gewesen, die aufsässig gewesen sei, danach seien die Schüler zum einen immer braver geworden, zum anderen lernten die immer mehr punktuell, d.h. für Klausuren und das meiste wurde darüber hinaus wieder vergessen.

Der beste Mathelehrer, den ich je hatte bezeichnete das immer als Bulimie-Bildung. Fressen, in der Klausur auskotzen und dabei geistig verhungern. Die Maßstäbe sind gesunken, man muss nur beispielsweise das 2011 Matheabitur in Bayern mal mit den Matheabituren aus den 70ern vergleichen.

Vollbreit hat geschrieben: Heute wäre ihnen eine solche Karriere unmöglich, weil für eine Vielzahl von Berufen, für die man heute formal oder de facto Abitur braucht, früher ein Volksschulabschluss (10.Klasse) reichte.

Es kommt noch sehr drauf an, wo man ist. Aufm Land kommst du mit nem Haupt- oder Realschulabschluss meistens noch weiter als in der Großstadt. Kenne einige Betriebe, die auf Zeugnisse komplett pfeifen und stattdessen eine Woche Probearbeiten anbieten. Wer gut ist, kriegt dann die Lehrstelle.

Vollbreit hat geschrieben:Ich sehe tatsächlich nicht, was gewonnen ist, wenn bald Akademiker an der Supermarktkasse sitzen, stimme aber der Einschätzung zu, dass Bildung ein Wert an sich ist. Man lässt ein fach nicht mehr jeden Mist mit sich machen. Die hohe Zahl der schlecht bezahlten Akademiker scheint dem zwar zu widersprechen, aber viele gehen da ihrer Neigung sehendes Auges nach. Lieber ein schlechte bezahlter Job der Spaß macht, als viel Kohle für einen Mist unter dem man 40 Stunden in der Woche leidet.

Die Frage ist, ob die Leute wirklich gebildeter sind bzw. was genau man unter Bildung eigentlich genau versteht, ob es nur die Anhäufung von Fachwissen in einem bestimmten Bereich ist, oder ob da nicht andre Dinge wie Umgangsformen und ähnliches wie man es z.B. in der Tanzschule lernt nicht genauso dazugehören. Der klassische Bildungsbegriff ist jedenfalls weit generalistischer als das was man heute gerne unter dieses Label packt.
provinzler
 
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