Anarchie

Re: Anarchie

Beitragvon Vegan33 » So 7. Apr 2013, 15:45

Für jeden noch etwas zum besseren Verständnis der Philosophie von Anarchie:
http://www.youtube.com/watch?feature=pl ... 0sNXsfKjME
Trotz Website und Eigentümer ansehen.
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » So 7. Apr 2013, 16:09

Vegan33 hat geschrieben: Allein der Kapitalismus, also ein System welches auf Wettbewerb basiert ist für einige ein krank machendes Problem, bedenke Arbeitsstress, verlängerte Schulzeit, erweitertes Allgemeinwissen, ständige Erreichbarkeit, überfordernde Arbeit usw.

Kapitalismus ist nicht gleich Kapitalismus. Du bist hierzulande frei, eine Arbeit, die dich überfordert oder von der du meinst, dass sie dich ausbeutet, abzulehnen. Ich hab einige Jahre mein eigenes Ding gedreht. Das hatte Vor- und Nachteile. Verbindlichkeit bedeutet nämlich auch Sicherheit und die ist nur mit Regeln zu haben. Außerdem gibt es hierzulande Regeln und ethische Maßstäbe, die Ausbeutung allgemein ablehnen - trotz des allgemein befürworteten Kapitalismus. Das zeigt sich z.B. in Arbeitskämpfen, der Mindeslohndebatte oder wenn Unternehmen in die Schlagzeilen geraten, weil sie ihre Leute schlecht behandeln.
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Re: Anarchie

Beitragvon Vegan33 » So 7. Apr 2013, 16:35

@ujump

Und doch wird mit der Zeit jede Arbeit der hektischen Entwicklung unserer Gesellschaft ( d.h. Fortschritt ) folgen und das selbe Maß an Hingabe vom Arbeiter verlangen, was weder gesund noch in irgendeiner Form ethisch vertretbar ist. Dann stünde es zwar jedem frei Arbeit an sich abzulehnen, aber in einer Gesellschaft ohne bedingungsloses Grundeinkommen, wo käme das Lebensnotwendige her; In Kuba ist es zurzeit noch so, dass der Staat die Versorgung des Bürgers übernimmt, sowohl die Krankenhäuser, Bildung ( inklusive Kurse, Seminare und Weiterbildungen ) und Nahrung werden vom Staat übernommen weshalb der Kubaner auch im Durchschnitt lediglich 14/Monat € verdient. Gibt es in Deutschland kostenlose Zeichenkurse, Klavierunterricht, Studiengänge und Vorträge, kurz gesagt die Möglichkeit sich ohne Geld zu entfalten;
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » So 7. Apr 2013, 17:13

Du musst ja nicht mitmachen - das ist nicht zynisch gemeint. Ich arbeite mit Leuten zusammen, die recht gut verdienen, obwohl sie nur 4 Tage die Woche arbeiten und meistens pünktlich Schluss machen. Das ist natürlich eine Frage der Marktsituation. Aber wenn in der Gesellschaft ein allgemeines Bewusstsein für Lebensqualität herrscht, muss sich niemand versklaven. Am gefährlichsten sind eigentlich Leute, die das nicht wissen und die meinen, sie wären gezwungen sich zu versklaven. Sie machen einen Job dann für viel zu wenig Geld und versauen so die Preise. Die Anderen sind dann Gezwungen, nachzuziehen. Ich find, es nützt den meisten Beteiligten am Kapitalismus mehr, wenn man ihnen genau erklärt, was Kapitalismus ist, anstatt den Kapitalismus schlecht zu machen. Egal was du beruflich machst, wenn alle deine Mitbewerber ihren Preis erhöhen, profitierst du selbst auch davon. Wenn jeder soviel nimmt, wie er kriegen kann, geht es allen gut. Glaubst du, dass die Leute weniger oft zum Friseur gehen würden, wenn es überall doppelt soviel kostet? Glaubst du, dass sie ihren Müll selber zu Müllhalde karren würden, weil die Müllabfuhr doppelt so teuer ist? Eventuell wird dann Müll-abholen-lassen zum Statussymbol für Reiche. Ok, man kann nicht so viel nehmen, wie man will, evtl. würden die Leute dann lieber verdrecken, man muss halt die Schmerzgrenze ausloten. Zu einer solch weitsichtigen Kooperation sind aber wie es scheint nur Öl-Multis und Ärzte fähig ;-).
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Re: Anarchie;

Beitragvon ujmp » So 7. Apr 2013, 20:57

Gandalf hat geschrieben:Vlt. kann das als Ausgangspunkt dienen: http://de.wikipedia.org/wiki/Anarchie

Zitat:
Allen obigen Anarchien gemeinsam ist per Definition die Abwesenheit von Herrschaft, die als repressiver Modus von Macht verstanden werden kann.[1] Demnach sind bestimmte Machtverhältnisse wie die Beeinflussung durch freiwillig angenommene Autoritäten (Mentoren, Trainer, Berater, etc.) mit Anarchie vereinbar, werden aber nicht durch Repression erzwungen. Insbesondere existiert in Anarchien keine lenkende Zentralgewalt, also kein Staat. Bekannte Anarchien sind dennoch von sozialen Normen und Regeln geprägt, unter anderem zur institutionalisierten Abwehr der Entstehung von Herrschaft.

..und diese Organisationsform kommt in der BRD sehr sehr oft vor: Bei 'nicht-eingetragenen Vereinen' (wie es z: B. auch die meisten Unterstützungsvereinen der Freiwilligen Feuerwehren ... aber auch bei Parteien, wie der SPD, die der "größte anarchische Haufen" sein dürfte)

KEIN solcher Verein hat einen Vorstand, der im "repressiven Modus Macht ausüben" könnte. Wenn man bei der freiwilligen Feuerwehr ist, ist das eben freiwillig - und wenn etwas passiert/ein Vereinsmitglied etwas anstellt, dann haftet nicht der Verein, sondern die Einzelperson. In diesem Kontext gibt es natürlich (regelmäßig in schriftlichen Satzungen gefasste) Regeln, die 'freiwillig' eingehalten werden. Die institutionelle Abwehr der Entstehung von Herrschaft ist durch das Selbstkontrahierungsverbot erfüllt, dem sich die Vorstände aus ethischen Gründen und freiwillig unterwerfen.

Anarchische Organsiationen funktionieren also sehr gut - und regelmäßig unaufällig, da sie auf Eigenverantwortung und Ethik setzen, die keine spektakuläre Ideologie benötigt, die 'von anderen' was (ein)fordert. Aus ethischen Grundsätzen folgen moralische Handlungen - oder Unterlassungen. Eines der höchsten ethischen Prinzipien infunktionierenden Anarchien, ist das 'Nicht-Aggressions-Prinzip' (NAP), welches insbesondere bei Voluntaristen besonders ausgeprägt ist und "erforscht" wird. Hierzu gibt es übrigens schon einen Thread hier: http://www.forum.brights-deutschland.de ... =29&t=4256

Das hört sich spontan überzeugend an, bei genauer Betrachtung hat es aber nichts mit Anrachie zu tun. Denn alle deine Beispiele funktionieren innerhalb einer Gesllschaft, die von einem "repressiven Modus der Macht" geprägt ist, sie haben bestenfalls keine zusätzlichen Repressionen.
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Re: Anarchie

Beitragvon Vegan33 » So 7. Apr 2013, 21:05

@ujump

Du hast es trotzdem nicht verstanden. In Anarchie stünde es jedem offen trotz Arbeitslosigkeit zu existieren, und zwar mit gewissem Lebensstandard. Bedingungslose Versorgung durch den Staat, in Anarchie durch die Gemeinde. Zum Kapitalismus, der Wettbewerb geht weiter, eines Tages wird es keine Freizeit geben, genauso wird es in der ersten Schulklasse bereits Quadratwurzeln und Quantenmechanik geben weil mit der Zeit mehr Allgemeinwissen gefordert wird. Unsere Gesellschaft wächst so unfassbar schnell, der Fortschritt findet dreimal so schnell statt wie früher.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Mo 8. Apr 2013, 06:58

Vegan33 hat geschrieben:Bedingungslose Versorgung durch den Staat, in Anarchie durch die Gemeinde.
Diesen Zusammenhang versteh ich nicht.

Vegan33 hat geschrieben: Zum Kapitalismus, der Wettbewerb geht weiter, eines Tages wird es keine Freizeit geben, genauso wird es in der ersten Schulklasse bereits Quadratwurzeln und Quantenmechanik geben weil mit der Zeit mehr Allgemeinwissen gefordert wird. Unsere Gesellschaft wächst so unfassbar schnell, der Fortschritt findet dreimal so schnell statt wie früher.
Durchaus denkbar!

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Re: Anarchie

Beitragvon NeoTron » Mo 8. Apr 2013, 09:21

ujmp hat geschrieben:Du musst ja nicht mitmachen - das ist nicht zynisch gemeint. Ich arbeite mit Leuten zusammen, die recht gut verdienen, obwohl sie nur 4 Tage die Woche arbeiten und meistens pünktlich Schluss machen. Das ist natürlich eine Frage der Marktsituation. Aber wenn in der Gesellschaft ein allgemeines Bewusstsein für Lebensqualität herrscht, muss sich niemand versklaven.


Erklär das mal den Billiglohnarbeitern, die keine Arbeit finden, von der sie ihren Lebensunterhalt (Miete, Strom, Nahrung, Kleidung) bestreiten können und beim Amt aufstocken müssen.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Mo 8. Apr 2013, 11:09

Mal ganz dumm gefragt: Wenn niemand für Billiglohn arbeiten würde, müssten die Arbeitgeber mehr Lohn bieten, oder nicht?

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Re: Anarchie

Beitragvon NeoTron » Mo 8. Apr 2013, 11:53

stine hat geschrieben:Mal ganz dumm gefragt: Wenn niemand für Billiglohn arbeiten würde, müssten die Arbeitgeber mehr Lohn bieten, oder nicht?

LG stine


Genau. Die Billiglohnarbeiter sind eben einfach zu dämlich. Sie sollten alle die Arbeit verweigern, ggf. ihre Sozialleistungen auch noch gestrichen bekommen und als Bettler auf der Straße leben.
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Re: Anarchie

Beitragvon Nanna » Mo 8. Apr 2013, 11:55

Vegan33 hat geschrieben:b). Das Problem ist der Staat, obwohl für das begreifen von Ethik Bildung nötig ist sind es diverse Schulformen die mich persönlich stören, ein jeweils anderer hat seine Probleme mit den Gesetzen und dabei muss es sich nicht um kriminell denkende Menschen handeln, auch die lästige Bürokratie oder sogar die Steuerabgaben für gewisse Staatsausgaben ( z.B. Berliner Flughafen, Sozialhilfe usw. ) stellen ein Problem für einige dar. Allein der Kapitalismus, also ein System welches auf Wettbewerb basiert ist für einige ein krank machendes Problem, bedenke Arbeitsstress, verlängerte Schulzeit, erweitertes Allgemeinwissen, ständige Erreichbarkeit, überfordernde Arbeit usw.

Ja, nun... dazu fällt mir nicht viel mehr als ein "Sorry, aber Pech gehabt" ein. Das Universum funktioniert nunmal nicht so, wie ihr Anarchos euch das wünschen würdest. Es ist, schon rein physisch, nicht möglich, universale Regelungen für dauernd für partikulare Gefühlslagen auszuhebeln, das wäre ein logischer Widerspruch. Ein Großflughafen für eine Stadt kann nur einmal gebaut werden und er kann nur gebaut werden oder nicht - binär, Eins oder Null, An oder Aus, Ja oder Nein. Man kann es nicht jedem recht machen und man kann leider auch nicht immer jedem erklären, warum es für die Gemeinschaft als Ganze sinnvoll ist, so eine Infrastruktur einzuführen. Die Querschießenden müssen dann halt gezwungen werden, mit zu machen, das ist unangenehm für die und auch nicht ganz fair, sichert aber das Fortkommen der Gemeinschaft - letztlich ja auch für die, die von gemeinschaftlicher Fortentwicklung nichts wissen wollen oder unrealistische Alternativvorstellungen haben.

Natürlich kann man theoretisch die Gesellschaft aufbrechen lassen in eine Reihe loser Partikularismen, also ein kommunitaristisches System. Das ist aber gefährlich, wenn es kein vereinendes Regelwerk mehr gibt, das führt zu krassen, unmoderierten kulturellen Brüchen zwischen den einzelnen Gemeinschaften, die intellektuell als auch organisationstechnisch an den gemeinsamen Grenzen schwer in den Griff zu kriegen sind. Konflikte zwischen solchen Zusammenschlüssen, die sich nicht selten entlang ethnischer und religiöser Linien formieren würden, sind da vorprogrammiert. Das bedeutet, dass es letztlich ja doch einen Universalismus, also ein geteiltes Narrativ und ein gemeinsames Regelwerk braucht, damit die anarchische Gesellschaft funktioniert. Gewisse Grundlagen wie Vertragsfreiheit, aber auch Vertragsgültigkeit (mir nicht klar, wer Vertragsbrecher bestrafen soll) oder Gewaltfreiheit nennt Gandalf gerne häufig, da sehe ich aber keine Chance auf reale Umsetzung ohne die starke Klammer einer Staatsgewalt und eines Sicherheitsapparates, dem das Gewaltmonopol übertragen ist. Gerade bei die einzelnen Gruppen zur Zusammenarbeit zwingenden Projekten, wie z.B. ein großes Infrastrukturprojekt, sehe ich auch keine Chance, alle Gruppen in ein Boot zu kriegen. Der Atommüll in Deutschland kann noch tausendmal mehr werden, irgendein Wendländer (oder halt ein Lokalpatriot einer anderen potentiellen Endlagerstätte) wird sich immer finden, der aus Prinzip gegen ein Endlager ist und auch für die fürstlichste Entlohnung nicht bereit sein wird, wegzuziehen und still zu halten. Unsere Ansichten, Vorlieben, Ziele und Vorstellungen von der Realität sind zu verschieden, es braucht irgendwo einen Hebel, der in der Lage ist, das zum Zwecke der internen gesamtgesellschaftlichen Abstimmung zu standardisieren und verbindliche Entscheidungen für alle herbeizuführen, weil es eben, wie gesagt schon rein physisch, nicht bei jedem Projekt opt-out-Regelungen geben kann. Wenn 99% der Wendländer durch ein Wunder dem Endlager zustimmen würden, könnte man nicht sagen "ok, die 99% kriegen ein Wendland mit Endlager und das 1% eben ein Wendland ohne Endlager - es gibt nur ein Wendland, entweder man baut das Ding oder nicht. Egal wie die Prozentverteilungen sind, irgendjemandem pinkelt man mit so ziemlich jeder Entscheidung ans Bein, das fängt in der Familie mit der Wahl des Urlaubszieles an und hört bei der konkreten Ausgestaltung des politischen Systems auf. Sorry, aber da kann man nur klar sagen: Ist halt so.

Wenn zwei Nachbarn eine Grundstücksgrenze teilen, und einer will unbedingt einen Zaun und einer will definitiv keinen Zaun, wird immer einer gezwungen sein, mit einer von ihm nicht gewollten Lösung zu leben. Selbst wenn der eine Nachbar den Zaun eindeutig auf seinem Grundstück errichtet, ist der Zaun da. Der Nachbar ist dann gezwungen, ihn anzusehen. Ein Szenario, das in einer anarchischen/libertären Welt vermutlich im Sekundentakt irgendwo auftauchen würde. Es ist einfach nicht möglich, wenn man nicht ein absoluter Einsiedler werden will, von anderen Leute nichts bezüglich des eigenen Lebens aufgezwungen zu bekommen. Und das ist hier nur ein sehr einfaches Beispiel, dasselbe gilt etwa für (ökonomisch häufig notwendige, aber unbeliebte) Infrastrukturprojekte (man stelle sich vor 3000 Gemeinden würden sich über eine Hochspannungsleitung einigen und die eine, die an einer anderweitig unüberbrückbaren Stelle sitzen würde, würde den Durchlauf verweigern - sorry, aber das geht nicht für eine Gesellschaft) oder auch soziale Absicherung, die ja nicht, wie Gandalf und provinzler gerne implizieren, im wesentlichen dem Faulsein dient, sondern die Gesellschaft vor Verelendung und Kriminalisierung bewahrt.

Und Gandalfs und deine Beispiele mit Freiwilligen Feuerwehren und neuseeländischen Kleinststämmen sind ja niedlich, haben nur mit der sozialen Realität von Millionenstädten kein bisschen zu tun.
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Re: Anarchie

Beitragvon NeoTron » Mo 8. Apr 2013, 12:21

Nanna hat geschrieben:Das Universum funktioniert nunmal nicht so, wie ihr Anarchos euch das wünschen würdest.


"Anarcho". Eine wunderbar negativ konnotierte Worthülse, die mir schon bei Darth negativ aufgefallen ist. Ich assoziiere damit irgendwelche Schaufenstereinwerfer und Autodemolierer. Der Anarchismus ist durchaus eine differenzierte und bedenkenswerte Philosophie und politische Richtung mit intellektuellen Vertretern. Siehe z.B.: http://de.wikipedia.org/wiki/Anarchosyndikalismus und http://www.syndikalismusforschung.info/ ... eutsch.htm.
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Re: Anarchie

Beitragvon Nanna » Mo 8. Apr 2013, 12:43

Dann tausche "Anarcho" gegen "Anarchist", die sachlichen Einwände, die ich recht breit ausgeführt habe und zu denen du kein Wort gesagt hast, bleiben bestehen.

Und der Anarchosyndikalismus? Eine seit über hundert Jahren anhaltend erfolglose Bewegung... ist jetzt nicht so das, was mich vom Stuhl reißt. Gute Intentionen und selbst ausgearbeitete Konzepte sind in der politischen Welt von begrenzter Relevanz, wenn sie nicht umsetzbar sind. Der Anarchosyndikalismus ist, wie die meisten sozialistischen Bewegungen, im Kontext einer sehr homogenen Arbeiterbewegung entstanden, wo man sich eine solche gewerkschaftliche Organisation vielleicht vorstellen konnte, bloß sind die Gewerkschaften ja selbst in ihrer klassischen Organisationsweise mittlerweile auf dem absteigenden Ast, was im Zuge der Individualisierung der Arbeitswelt auch noch weitergehen wird.
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Re: Anarchie

Beitragvon Vegan33 » Mo 8. Apr 2013, 14:24

stine hat geschrieben:Durchaus denkbar!


Ä... Ja. Dagegen ist vorzugehen und die einzige Gegenbewegung deren Anliegen nicht die Wirtschaft sondern der Mensch ist lautet Anarchie. Ein Freund meinerseits hat einen Abschluss als Mechaniker, seit fünfzehn Jahren keine Arbeit weil er wegen seiner Lethargie langsam arbeitet. Er ist hervorragend bei der Erledigung seiner Arbeit, aber langsam und eben weil der Fortschritt uns zu jeder Zeit verfügbar, kostengünstig und nicht zeitaufwendig fordert ist es solchen Menschen und eben jenen die der Norm eines Menschen entsprechen und nicht der einer Maschine nicht möglich auf Dauer diesen Forderungen nachzukommen.

@Nanna

Es geht darum Anarchie als herrschendes System zu setzen, sondern darum das anarchische Prinzip anzuwenden.

Beispiel A: Sobald jemand die Verantwortung übernimmt sollte es in seiner Hand liegen zu bestimmen ob er seinen Körper mit Drogen vernichten möchte. Verantwortung heißt in diesem Beispiel, sich und der Gemeinschaft zu schwören Gewalt zu verhindern indem aus eigener Verantwortung heraus Sicherheitsvorkehrungen wie das sperren von Türen und verriegeln von Fenstern getroffen werden.
Beispiel B: Sobald jemand die Verantwortung übernimmt sollte es in seiner Hand liegen die Schule abzubrechen und sich sein Wissen als Autodidakt oder gar nicht anzueignen. Verantwortung heißt in diesem Beispiel, sich und der Gemeinschaft zu schwören keine Gewalt anzuwenden und niemanden außer sich selbst für die fehlende Bildung und den gewünschten Arbeitsplatz verantwortlich zu machen.

Deine Einwände sind dennoch geschickt überlegt.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Mo 8. Apr 2013, 14:45

Vegan33 hat geschrieben:Sobald jemand die Verantwortung übernimmt sollte es in seiner Hand liegen die Schule abzubrechen und sich sein Wissen als Autodidakt oder gar nicht anzueignen. Verantwortung heißt in diesem Beispiel, sich und der Gemeinschaft zu schwören keine Gewalt anzuwenden und niemanden außer sich selbst für die fehlende Bildung und den gewünschten Arbeitsplatz verantwortlich zu machen.
NeoTron hat geschrieben:Die Billiglohnarbeiter sind eben einfach zu dämlich. Sie sollten alle die Arbeit verweigern, ggf. ihre Sozialleistungen auch noch gestrichen bekommen und als Bettler auf der Straße leben.

Aber das gibt es doch schon alles.
Das einzige was nicht funktioniert ist, dass wir als Gesellschaft es nicht dulden wollen, dass jemand ohne Ausbildung weniger verdient, als einer, der sich angestrengt hat. Mindestlöhne und Hartz4 sind ja bereits die Polster zum Weichfallen.

Ich sehe auch immer noch nicht, den Zusammenhang auf diese Aussage:
Vegan33 hat geschrieben:Bedingungslose Versorgung durch den Staat, in Anarchie durch die Gemeinde.


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Re: Anarchie

Beitragvon Vegan33 » Mo 8. Apr 2013, 16:38

@stine

Der Zusammenhang lautet in Anarchie versorgt die Gemeinde ein Mitglied ohne Einkommen und bei uns müsste der Staat übernehmen, was deutlich schwieriger wäre.

Und die Schulpflicht darf niemand abbrechen, davon ist meine Rede. Ohne Theorie, also Schule wie noch vor einigen Jahren darf keiner eine Ausbildung beim Meister beginnen. usw.
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Mo 8. Apr 2013, 20:25

Vegan33 hat geschrieben:@ujump

Du hast es trotzdem nicht verstanden. In Anarchie stünde es jedem offen trotz Arbeitslosigkeit zu existieren, und zwar mit gewissem Lebensstandard. Bedingungslose Versorgung durch den Staat, in Anarchie durch die Gemeinde. Zum Kapitalismus, der Wettbewerb geht weiter, eines Tages wird es keine Freizeit geben, genauso wird es in der ersten Schulklasse bereits Quadratwurzeln und Quantenmechanik geben weil mit der Zeit mehr Allgemeinwissen gefordert wird. Unsere Gesellschaft wächst so unfassbar schnell, der Fortschritt findet dreimal so schnell statt wie früher.


Alles Käse. Der "Staat" sind die Menschen die darin wohnen und die Werte erarbeiten, die du verbrauchen willst. Dein Problem sind nicht die Herrschaftsverhältnisse sondern die Besitzverhältnisse und dass du, um gut zu leben, lernen und arbeiten musst und dich an Regeln halten musst.
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Re: Anarchie;

Beitragvon Gandalf » Mo 8. Apr 2013, 21:30

ujmp hat geschrieben:Das hört sich spontan überzeugend an, bei genauer Betrachtung hat es aber nichts mit Anrachie zu tun. Denn alle deine Beispiele funktionieren innerhalb einer Gesllschaft, die von einem "repressiven Modus der Macht" geprägt ist, sie haben bestenfalls keine zusätzlichen Repressionen.


Auch wenn es den 'repressiven Machtmodus' in der Menschheitsgeschicht immer gegeben hat, so haben dennoch die Freiheitsfreunde auch immer wieder Anläufe unternommen, vernunftmäßige ethische Prämissen aufzustellen, die geeignet sind diese Herrschaftsstrukturen auszuhölen und vielleicht - nach weiteren erforderlichen Anläufen und Experimenten - immer weiter zurückzudrängen und schließlich abzuschaffen. Das Vereinsrecht dürfte .. auf römisches Recht zurückzuführen sein und hat wohl schon nach vielen staatlich verursachten Katastrophen eine solide Basis für den Neuanfang geliefert (auch speziell und gerade bei uns ind D)

Schließlich haben wir nun
- keine Stimmen mehr im Kopf, die uns göttliche Führung zuteil werden lassen.
- keine Leibeigenschaft mehr
- kein Kaisertum von Gottes Gnaden
- Frauen wird heute zugestanden, das sie (auch) selbständig denken können ;-)
- ....
Ich stelle insgesamt eine Zunahme der Freiheiten des Individuums fest, - auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt (wie z.B. in den (Selbst-) Ermächtigungsstrukturen der verlogenen Gemeinwohlideologien, die in höchstem Maße reaktionär sind und die sich derzeit wieder im "Anzug" befinden)

Und Gandalfs und deine Beispiele mit Freiwilligen Feuerwehren und neuseeländischen Kleinststämmen sind ja niedlich, haben nur mit der sozialen Realität von Millionenstädten kein bisschen zu tun.


An anderer Stelle sagtest Du das es 'viele rational begründbare Entscheidungen und Entwicklungen geben kan' - warum fehlt Dir die Phantasie, wenn es um nicht-niedliche Projekt geht, die man durchaus de-zentral planen und organisieren kann?

Da Du auch 'Großprojekte' angesprochen hast. Ganz konkret: Warum hat "Berlin" den Flughafen ausgerechnet dort gebaut, wo er jetzt nicht in Betrieb geht? Warum nicht z.B. in Brand, 60 km südlich, - in der (preiswerten) "Sandwüste", in der schon ein Flugplatz vorhanden war, auf dem sogar Space Shuttles im Notfall hätten landen können? Ist es ein Technikproblem - oder ein Problem der Eitelkeit der herrschenden Macht-Politiker bei solchen Projekten? Wäre es überhaupt ein Problem gewesen, wenn sich Private dem Projekt hätten annehmen und frei vereinbaren dürfen?
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Re: Anarchie

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 8. Apr 2013, 21:40

ujmp hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon ist mein Avatar schon lange nicht mehr Cesare.

War nur eine Referenz an eine gewisse Geisteshaltung von der ich annehme, dass du mit ihr vertraut bist, war nicht persönlich gemeint.

Natürlich war es das. Weil dir keine Argumente einfallen, berufst du dich auf meine damalige Assoziation mit Cesare Borgia durch ihn als Avatar. Und ich habe bereits dargelegt, wieso er eine gute Wahl war und ist, jedenfalls besser als dein Strichmännchen mit Bogen, welches aus dem gleichen Grund geächtet werden kann: Der Bogenschütze tötet, ist ein Symbol der Aggression. Mein Symbol ist nur besser, dich hat mal wieder der Neid gepackt. Hey, wenn du willst, kannst du ihn gern als Avatar haben, ich habe ja mittlerweile einen neuen.
ujmp hat geschrieben:Ich würde sagen, es geht um Regeln, die jeder Partei die selben Beschränkungen auferlegen, damit das Spiel nicht in eine Richtung geht, die unbeherrschbar wird.

Nette Illusion. Aber "unbeherrschbar" lässt viel Spielraum. Wer soll denn überhaupt herrschen? Eine übergeordnete Instanz? Warum hat sie Befugnisse und welche? Regeln bilden sich unter gleichberechtigten Kontrahenten stets neu aus, das führt annähernd zur demokratischen Fairness. Aber wenn ein System einem anderen die Regeln vorschreibt, erinnert das eher an Imperialismus als an Fairness.
ujmp hat geschrieben:Wenn Chaos oder Zügellosigkeit herrschen, ist das Ergebnis zufällig und willkürlich - das will keine der Parteien. Und es will auch niemand Regeln, die das Spiel sozusagen ausschließen.

Schließt Vorhersehbarkeit das Spiel nicht aus? Ich lasse mich auf kein Spiel ein, das mir nicht gute Schancen zum Sieg lässt (weil ich mir eines Vorteils innerhalb der Regeln / oder eines anderen Vorteils gewahr bin; das ist zwar beides nicht fair, aber regelkonform, oder auch nicht).
ujmp hat geschrieben: Regeln - auch soziale - werden so gestaltet, dass das Ergebnis für Gewinner und Verlierer vorhersehbar bleibt. Und da pozentiell jeder der Verlierer sein kann, werden sie so gestaltet, dass das Ergebnis auch für den Verlierer akzeptabel ist, mindestens so akzeptabel, dass er nicht gegen die Regeln rebelliert.

Tja, aber niemand will soziale Regeln, in der die Chance 50:50 besteht, der Verlierer zu sein. Deswegen wird überall getrickst, jeder sucht seinen Vorteil, nicht Fairness. Fairness wird nur in den Mund genommen, wenn der Sieger seinen Sieg rechtfertigt; von Unfairness wird vom Verlierer gesprochen. Es hängt von der Fähigkeit ab, eine Situation richtig einschätzen zu können. Da Spiele oder sonstwelche Abläufe kausal sind, ist die Chance auf Erfolg oder Sieg größer desto besser man die Lage analysiert und zu seinen Gunsten angeht (meinetwegen auch nach Regeln). Wenn dein Gegenüber dümmer oder ressourcenärmer ist, ist es kein faires Spiel zu gewinnen, auch wenn es regelkonform war. Du machst dir dein Leben so leicht wie dein Männchen dünn ist.
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Re: Anarchie

Beitragvon Gandalf » Mo 8. Apr 2013, 21:55

stine hat geschrieben:Mal ganz dumm gefragt: Wenn niemand für Billiglohn arbeiten würde, müssten die Arbeitgeber mehr Lohn bieten, oder nicht?



Der Arbeitgeber zahlt - Lohn + (Sozialabgaben + Berufsgenossenschaften + Arbeitgeberanteile + sonstiges) für den Lohn - bis zu der Grenze wie ihm das Produkt gerade noch Gewinn bringt. Würde er weniger zahlen könnte ihm ein Konkurrent (in einem freien Markt) die Arbeiter abwerben, bzw. die Arbeiter würden "auf eigene Rechnung" Konkurrenz machen.

Im realen Markt wird das z.B. durch Gewerkschaften und Sozialpolitiker verhindert, die einen Mindestlohn fordern. Da der Arbeitgeber nun nicht mehr frei kalkulieren und den Preis für den Produkt nicht erhöhen kann, muss er Arbeiter entlassen - und die übrigen müssen mehr arbeiten (= de facto Lohnkürzung). Da gleiche gilt, wenn der Staat die Sozialabgaben erhöht.
Da er nun zudem per Mindestlohn vor Konkurrenz durch konkurrierende Arbeiter geschützt ist, kann er nun z.B. auch versuchen mittels Vereinbarungen mit den Gewerkschaften von den Arbeitern mehr Überstunden zu erreichen.

Vlt ist auch jemand aufgefallen, wie die derzeitige Kampagne gegen Amazon abläuft
http://ef-magazin.de/2013/02/18/4036-fr ... frankreich
http://www.bild.de/geld/wirtschaft/amaz ... .bild.html


Staat = Obermafia
Gewerkschaft = Mafia
Mindestlohn = Diskriminierung von Leistungsbereitschaft = (Jugend)Arbeitslosigkeit
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