Zur Naturalismuskritik
Verfasst: So 12. Mai 2013, 17:36
Mit dem nachfolgenden Text möchte ich die Gemeinschaft unterstützen. Dieser Text ist meinem unveröffentlichten Buchmanuskript entnommen. Zur Zeit bin dabei mein Manuskript ins Internet zu stellen. Die ersten 80 Seiten können bei Interesse nachgelesen werden unter Google, "Plädoyer für eine naturphilosophische, monistische Weltanschauung". Über eine lebendige Diskussion würde ich mich freuen. Vielen Dank.
Zur Naturalismuskritik
Eine kritische Bewertung des Naturalismus stellt die Kritiker vor das Problem, dass es keine exakte, umfassende Aussage über den Inhalt des Begriffs Naturalismus gibt. Allgemein wird Naturalismus als eine Weltsicht beschrieben, welche die Komplexität unserer Welt als Ergebnis natürlichen Geschehens erklärt. Insofern lässt sich der Naturalismus als allumfassendes, wegen seiner Vielfältigkeit jedoch als wenig aussagekräftiges Erklärungsmodell verwenden. Eine Methode, die alles erklärt, käme einer Weltformel gleich. Alle Versuche eine Weltformel zu konstruieren sind bis dato gescheitert. Berühmte Beispiele sind die Versuche von Albert Einstein und Werner Heisenberg. Stephen Hawking, wohl der profilierteste Astrophysiker unserer Zeit, glaubte lange, dass es gelingen könne. Seine letzten Äusserungen dazu lassen jedoch Resignation erkennen. Die Vorstellung ein unwiderlegbares Welterklärungsmodell, eine "Welttheorie" finden zu können, muss sich als Illusion erweisen.
Weil eine eindeutige Definition des Begriffs Naturalismus scheinbar nicht zu formulieren ist, können sich kritische Aussagen über den Inhalt des Naturalismus immer nur auf Teilaspekte beziehen. Der Philosoph Wilfrid Sellars, der eine Position des naturalistischen Realismus vertrat, sagte, dass zur Beschreibung und Erklärung der Welt, die Naturwissenschaften das Mass aller Dinge sind. Andere naturalistische Theorien erklären im gleichen Sinn, dass naturwissenschaftliche Methoden zur Erklärung der Welt philosophischen Theorien überlegen seien. Diese Behauptung ist nicht ausreichend gerechtfertigt, weil jede Wissenschafttheorie, gleich ob naturwissenschaftlich oder geisteswissenschaftlich, ohne philosophische Reflexionen nicht erzeugt werden kann. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind immer auch philosophische Erkenntnisse. Neben der "sachlichen Methodologie" müssen beispielsweise Fragen zur Wahrheit und Ethik, neben weiteren philosophischen Fragestellungen behandelt werden. Die Wissenschaft oder die wissenschaftliche Forschung insgesamt liefert eine allgemeine Erklärung der Welt so wie wir sie heute sehen und soweit uns die Strukturen unserer Welt bekannt sind. Solange es noch wesentliches gibt, das uns unbekannt ist, wie zum Beispiel die Unvereinbarkeit zwischen Relativitätstheorie und Quantenmechanik oder die völlig offene Frage was "Schwarze Materie" ist oder woraus sie besteht oder was geschieht in einem "Schwarzen Loch" und andere unbeantwortete Fragen mehr, kann ein vollständiges unwiderlegbares Welterklärungsmodell nicht abgebildet werden. Die Unwissenheit berührt auch Fragen zur "Philosophie des Geistes" und dort insbesondere die Schnittstelle zu den Naturwissenschaften, welche wiederum Fragen zum Monismus, wie zum Beispiel bei Roger Penrose oder zum Dualismus, wie zum Beispiel bei Erwin Schrödinger aufwerfen.
Verschiedene Naturalismuskritiker suchen Naturalismus fein säuberlich von der Philosophie des Geistes zu trennen und sehen den Geist als absolute, immaterielle Einheit. Nach den neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaften und der Informatik, die experimentell bewiesen haben, das Gedanken eine Form von Energie sind und diese einen Rechner in Aktivität versetzen können, ist diese Trennung mehr als fraglich geworden. In der Philosophie des Geistes bleiben bis heute wichtige Fragen zum Leib-Seele-Problem, scheinbar einem Kardinalproblem der Philosophie generell, trotz vieler unterschiedlicher Hypothesen unbeantwortet.
Viele bekannte Naturwissenschaftler, Geisteswissenschaftler, Neurowissenschaftler haben zu diesem Problem Erklärungen abgegeben, ohne dass daraus eine unfalsifizierbare, allgemein akzeptierbare Theorie formuliert werden könnte. Bei diesem Thema scheiden sich in der Tat die Geister. Dem monistischen Naturphilosophen ist dabei die Aussage von Roger Penrose am sympathischsten. Über die reine Sympathie hinaus stützt sich seine Erklärung auf die Logik der Naturwissenschaften und den Determinismus zwischen Geist und Körper. Geist/Seele ist nicht existent ohne Körper und Körper ist nicht existent ohne Geist/Seele. Folglich findet der Geist sein Ende, wenn der Körper stirbt. Das wirft die Frage auf, was zuerst endet. Der Körper oder der Geist. Oder enden beide gleichzeitig ? Dass die Seele, der Geist weiterleben soll, ist eine Glaubensfrage und insofern in diesem Kontext nicht relevant. Was den Determinismus angeht, so kann man daraus schliessen, dass Leib und Seele einen gemeinsamen Ursprung haben müssen. In der modernen Philosophie wird auch der Standpunkt vertreten, dass man sich den aktiven Geist ohne seinen Körper vorstellen könne und alles was vorstellbar sei, auch möglich oder gar existent sein könnte. Dagegen kann man einwänden, dass man sich eine Vielfalt surrealer, phantastischer Objekte und Situationen vorstellen kann, deren Realität jedoch als sehr unwahrscheinlich einzuschätzen ist, ohne sie kategorisch zu verneinen. Der menschliche Geist ist allerdings auch in der Lage, phantastische Gebilde zu produzieren, die mit den Naturgesetzen nicht vereinbar sind. So kann man sich beispielsweise phantasievoll vorstellen, dass König Friedrich II., dessen Standbild das Forum Friderizianum, Unter den Linden in Berlin begrenzt, plötzlich lebendig wird und in vollem Galopp das Brandenburger Tor durchquert, was man getrost als unmöglich bezeichnen kann.
Ab welchem Stadium entwickelt sich bei der Entstehung eines Menschen im Mutterleib Geist ? Ab wann ist dieser sich entwickelnde Mensch "beseelt" ? (beseelt, hier nicht im theologischen Sinn verstanden) Kann bereits im embryonalen Entwicklungsstadium eines Menschen von einem "geistigen Wesen" gesprochen werden ? Ab welchem Entwicklungsstadium gilt der Mensch als Individuum oder Person ? Dies kann beispielsweise juristisch festgelegt werden, nicht jedoch absolut. Sicher scheint zu sein, dass ein Mensch ab einem bestimmten Entwicklungsstadium ein "geistiges Wesen" ist. Demzufolge wäre die geistige Entwicklung eines Menschen von einem bestimmten naturalistischen Entwicklungsstadium abhängig. Dieser Logik folgend wäre der Geist, die Seele, die Psyche, naturalistisch begründbar und keine Substanz in dualistischem Sinn. Der Tod an sich und der Prozess des Todes ist ein naturalistisch-materialistisches Naturgesetz. Der Geist ist nicht fähig dieses Naturgestz zu ändern. Damit unterliegen Leib, Geist und Seele den Naturgesetzen und müssen ursächlich naturalistisch sein. Aus monistischer Weltsicht formuliert heisst das: Leib und Seele sind deterministische , dynamisch-energetische Strukturen aus der gleichen Materie.
Eine von Gegnern des Naturalismus formulierte These, dass die naturalistische Weltsicht anderen Weltbildern oder Glaubensauffassungen argumentativ in keiner Weise überlegen sei, bezieht sich auf das Fehlen einer allgemein gültigen Wissenschaftmethode. Methodenstreit als wissenschaftliche Auseinandersetzung wird aus verschiedenen Disziplinen berichtet. So zum Beispiel der "Positivismusstreit" im Diskurs über die am besten zielführende Vorgehensweise zu Theorien in den Sozialwissenschaften.
Naturalistische Argumentation bezieht ihre Inhalte aus der Kausalität physikalisch-chemischer Prozesse. Und dem systematisch reproduzierbaren Experiment der anders formuliert, aus deduktiven Erkenntnismethoden, welche mit induktiven Methoden zu überprüfen sind. Diese Vorgehensweise wird als Methodenlehre der exakten Naturwissenschaften (Physik und Chemie) unter Einbeziehung der Mathematik bezeichnet. Neue, aufschlussreiche Argumentationshilfe für eine naturalistische Weltsicht liefert der Erkenntnisgewinn durch die Untersuchungen und Experimente innerhalb der Neurowissenschaften. Die naturalistische Argumentation bezieht demnach ihre Beweise aus Tatsachen und deren Schlussfolgerungen.
Mit dem folgenden gedanklichen Experiment soll versucht werden den Phänomenen Geist, Seele, Psyche auf den Grund zu gehen, um herauszufinden, wo sich diese mentalen Gebilde verbergen und wie sie sich verhalten, wenn man sie erregt oder herausfordert und ihnen nachspürt. Das Experiment untersucht die geistigen, seelischen, psychischen Vorgänge eines Menschen in verschiedenen, alltäglichen Verhaltenssituationen. Um seine "inneren Vorgänge" zu beobachten, wird in seinem Gehirn nachgeforscht. Dabei stelle man sich vor, ein Beobachter könne die geheimen Gehirngänge dieses Menschen durchstreifen, so, wie ein Naturforscher den Dschungel. Das zu untersuchende Objekt sei das Gehirn eines gewissen Herrn G., welcher gerade dabei ist, ein Buch zu lesen. Er ist in die Lektüre vertieft. Sie scheint sehr interessant zu sein. Der Buchtext, den er mit den Augen aufnimmt, erzeugt Bilder in ihm. Diese Bilder setzen sich aus Situationen, Erlebnissen, Erfahrungen zusammen, welche Herr G. in seinem Leben "erlebt" hat. Sein Gehirn wäre nicht im Stande Bilder aus Teilen zusammenzusetzen, die Herr G. noch nie gesehen hat und ihm vollkommen unbekannt sind. So kann sein Gehirn nur Bilder erzeugen, aus Begebenheiten, die auf seiner "internen Festplatte" gespeichert sind. Was das Gehirn nicht weiss, kann es nicht erzeugen, obwohl es keinen Augenblick im Leben eines Menschen gibt, in welchem sein Gehirn nicht dazulernt. Auch Ideen zu entwickeln oder kreativ zu sein gelingt nur aus Bestandteilen, die bereits gewusst werden. Zu sagen, sein Gehirn "produziert" oder "erzeugt", ist nur umgangssprachlich akzeptabel. Vielmehr sind es ernergetisch-neuronale Abläufe in seinem Zentralnervensystem, welches sich in seinem Kopf und im Rückenmark befindet, ausgelöst durch Sinneseindrücke und Empfindungen, die auch als Wahrnehmungen bezeichnet werden. Der umherschleichende Beobachter im Gehirn des Herrn G. ist geradezu überwältigt, von den Abläufen und Vorgängen, die er sieht. Er ist umgeben von elektrischen Strömen, chemischen Flüssen und anderen Bewegungen überall. Alles geschieht in einem unglaublichen Tempo. Es zuckt und rast hin und her, neben ihm, über ihm, unter ihm und er ist umgeben von nicht näher beschreibbaren Hochgeschwindigkeitsaktivitäten., die sich im Gehirn von Herrn G. zutragen. So etwas hat der Beobachter noch nie gesehen und es fällt ihm auch schwer diese Abläufe dokumentarisch festzuhalten, denn die Menge und Geschwindigkeit der "Datenverarbeitung" im Gehirn des Herrn G. kann derzeit von keinem auch noch so leistungsfähigen Rechner erreicht werden. Nach gut einer Stunde spannender Lektüre verspürt Herr G. Durst, weil sein Körper durch Nierenaktivität, Verdunstung und Schweissabsonderung, sowie bestimmte Hormonproduktion nach Flüssigkeitsaufnahme verlangt. Der Beobachter in seinem Gehirn bemerkt entsprechende Aktivitäten.
Die folgende Buchpassage über Leid und Schicksalsschlag löst "emotionale Gefühle" in Herrn G. aus. Gleichzeitig notiert der geheime Gehirnbeobachter bestimmte Hormonbewegungen insbesondere im Bereich des Hypothalamus. Plötzlich wird Herrn G`s Vertiefung in sein Buch durch ein lautes Geräusch gestört. Der Durchzug vom offenen Fenster in seinem Lesezimmer zum ebenfalls geöffneten Fenster im Nebenraum lässt die Zimmertür mit einem lauten Knall zufallen. Herr G. erschrickt und richtet sich aus seiner leicht gebeugten Lesehaltung in seinem Sessel "automatisch" auf. Parallel dazu fliessen mit Höchstgeschwindigkeit energetische Ströme ausgehend vom vegetativen und autonomen Nervensystem durch Herrn G´s Körper, welche dem Beobachter nicht verborgen bleibe, jedoch wegen der enormen Ablaufgeschwindigkeit nicht näher beschrieben werden können. Im Laufe des Tages erlebt Herr G. eine Vielzahl von sogenannten emotionalen Vorgängen in seiner Gedanken- und Gefühlswelt, darüberhinaus Hunger, die Lust auf ein Glas Rotwein, Müdigkeit und den Schlaf in der Nacht.
Der Beobachter lernt, dass sogenannte emotionale Vorgänge in Herrn G. identisch sind mit energetisch-neuronalen Vorgängen, welchen in unserer Sprache bestimmte Begriffe zugeordnet sind. Konkrete Begriffe werden Gegenständen zugeordnet, abstrakte Begriffe benennen beispielsweise die Eigenschaften von Gegenständen oder deren Relation zueinander. Insofern sind Begriffe historisch-kulturell gewachsene Festlegungen und sprachliche Lösungen zur Einzelbezeichnung der Vielfältigkeit unserer Welt. Im Falle von sogenannten emotionalen und neuronalen Vorgängen oder von gegenständlichen und nicht gegenständlichen Entitäten ist die begriffliche Zuordnung mangels besserem Wissen abstrakt geblieben. Die historisch-kulturelle Sprachentwicklung der Menschheit hätte den Dingen an sich auch andere Begriffe zuordnen können, ohne deren sinngebenden Gehalt zu verändern. Um sprachlich mit den neuen Erkenntnissen der Neurowissenschaft, der Physik, der Synthetischen Biologie zum Beispiel Schritt halten zu können, müssten für unsere Umgangssprache neue Begriffe erfunden werden, weil die meist aus dem Altgriechischen übernommenen oder abgeleiteten begrifflichen Bezeichnungen nur der Fachwelt verständlich sind.
Am Ende seines ausserordentlich anstrengenden Forschungsgangs musste der Beobachter in Herrn G ´s Gehirn seinen Wissenschaftskollegen mitteilen, er sei in einem Gebilde gewesen, welches man vielleicht als Kombination einer extrem funktionierenden Chemiefabrik und eines komplizierten Kraftwerkes bezeichnen könnte. So etwas gäbe es in der Aussenwelt nicht und es sei auch nur äusserst schwierig darstellbar. Er müsse seine Kollegen enttäuschen, für ihn sei das Experiment gescheitert, denn Geist und Seele seien nicht auffindbar gewesen. Die Verblüffung und Enttäuschung des Kollegiums war gross. Hitzige Diskussionen mit den unterschiedlichen Standpunkten und Sichtweisen aus Philosophie und Naturwissenschaft begannen, die bis heute fortdauern. Eine einheitliche Sicht der Dinge, eine "Unité de Doctrine", wie der gebildete Mensch sich ausdrückt, ist offenbar nicht zu erreichen.
Eine religiöse oder theistische Weltanschauung befasst sich mit einer transzendenten Erklärung des Weltganzen und kann keine Beweise für ihre diesbezügliche Überzeugung hervorbringen. Sie ist anhängig von den Dogmen des jeweiligen Glaubens und nicht in der Lage Daten aus Beobachtung, Experiment, Statistik und anderen mehr zu erzeugen oder wissenschaftliche Angaben über Tatsachen, Ereignisse, Funktionsabläufe oder dergleichen zu liefern. Die Debatte um die verschiedenen erkenntnistheoretischen Methoden erscheint dem neutralen Beobachter heute als ungeordnete, abstrakte Reflexionen an der sprachphilosophischen Grenze. In der modernen Philosophie heute – unter Bezugnahme auf den vorherigen Satz – zweihundert Jahre nach Kant, über fünfzig Jahre nach Wittgenstein, dem vielleicht bedeutendsten Sprachphilosophen, sind abstrakte Überlegungen zur Darstellung der Realität kaum noch dienlich, denn zu dominant, zu unwiderlegbar, sind die Erkenntnisse der Naturwissenschaften in den letzten fünfzig Jahren, wie etwa in der Astrophysik und hier insbesondere in der Kosmologie, den Neurowissenschaften oder der Biologie. Der erkenntnistheoretische Naturalismus hat dadurch bedeutend an Boden gewonnen und die davon nicht trennbare, unmittelbare Verbindung zur Philosophie des Geistes wird stärker dokumentiert. Durch die nicht widerlegbaren Erkennnisse der Naturwissenschaften und deren unbestreitbare Rechtfertigung ist die Philosophie des Geistes heute auch naturalistisch begründbar. Es scheint, als ob die Gegener und Kritiker er vorgenannten These in einem Weltbild verharren, das als überholt angesehen werden muss. Dass der Mensch ein Natur- und Kulturwesen ist, bestreitet der Naturalist nicht. Naturalismuskritiker sehen die geistige Komlexität des Menschen und seine Fähigkeit zu sprechen als ein nicht begründbares Phänomen an. Die neurowissenschaftlichen Experimente zeigen indes, dass sich der menschliche Geist und seine sprachphilosophisch verwandten kognitiven Begriffsinhalte durchaus mit Biologie und Physik erklären lassen. Dazu sollten sich die Naturalismuskritiker mit dem Stand der Technik und den Erkenntnissen der Synthetischen Biologie vertraut machen.
Im Grenzgebiet von Biologie, Molekularbiologie, Chemie, Ingenieurwissenschaften, Biotechnologie und Informationstechnik hat sich diese neue Wissenschaft entwickelt. (Max Planck Institut, University of Pennsylvania u.a.m) Der Biologe wird dort zum Designer neuartiger Moleküle, ganzer Zellen, bis hin zu Geweben und Organismen. Dabei werden entsprechend der "Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn," folgende Ziele und Strategien verfolgt:
Integration von künstlichen, biochemischen Systemen in lebende Organismen, um diese mit neuen Eigenschaften zu versehen (Genetische Schaltkreise), Schrittweiser Aufbau von biologischen Systemen aus künstlichen Molekülen, um somit – entsprechend den biologischen Vorbildern – „lebensfähige“ Organismen zu kreieren (Protozellen), Reduktion eines biologischen Systems auf die minimal notwendigen Komponenten, um somit eine „Hülle“ (= Chassis) zur Verfügung zu stellen, welche mit austauschbaren Bausteinen (= „BioBricks“) in neuartigen Funktionsvarianten bestückt werden kann (Minimalgenome), Suche nach alternativen chemischen Systemen: durch den Einsatz von atypischen Substanzen sollen Systeme mit gleichen biologischen Funktionen – quasi in einer Parallelwelt – innerhalb von Zellen nachgebaut werden (Orthogonale Biosysteme).
Je nach Standpunkt löst diese technologische Entwicklung nachempfindbare Begeisterung oder ebenso nachempfindbare bedrohliche oder bestürzende Gefühle aus. Aus Sicht der Religion, nach dem zum x-ten mal prognostizierten Weltuntergang, sollen angesichts einer solchen Entwicklung schon Worte vom jetzt endgültigen Exitus der Menschheit gefallen sein. In der Tat wäre die Synthetische Biologie in Kooperation mit der Paleoanthropologie heute im Stande das Mammut und den Neanderthaler wieder auferstehen zu lassen. Die synthetisch erzeugten Eizellen dieser ausgestorbenen Spezies könnten im Falle des Mammuts von einer Elefantenkuh augetragen werden und im Falle des Neanderthalers vom einem weiblichen Menschen oder einem weiblichen Schimpansen. (Anthropologisch steht der moderne Mensch dem Schimpansen näher als dem Neanderthaler, weil sich der moderne Mensch in gerader Linie vom Affen über den Homo Erectus entwickelte, während der Neanderthaler in seiner Evolution einen Seitenarm des Homo Erectus beschritten hat und ausgestorben beziehungsweise in dem modernen Menschen aufgegangen ist.)
Dass es heute möglich ist, lebende Organismen synthetisch zu erzeugen, mag beängstigen. Bleibt zu hoffen, dass die Ethik, das liebste Kind der praktischen Philosophie und in unserer von Technokratie und Finanzungeheuern beherrschten Welt gleichzeitig auch das am meisten vernachlässigte, dies verbietet.
Der naturalistische Monist sieht seine Weltsicht faktisch bestätigt, allerdings mit wenig Freude, um so mehr mit einer gewissen Trauer und gleichzeitig befürchtend, dass die breite Masse die evidente Wahrheit unserer naturalistisch-materialistischen Welt nicht erkennen wird.
Es braucht offenbar noch Zeit bis sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass selbst die zutiefst menschliche Fähigkeit, philosopisch reflektieren zu können, letztlich als eine der komplexen Fähigkeiten eines durch und durch naturalistischen Menschen anzusehen sind.
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Zur Naturalismuskritik
Eine kritische Bewertung des Naturalismus stellt die Kritiker vor das Problem, dass es keine exakte, umfassende Aussage über den Inhalt des Begriffs Naturalismus gibt. Allgemein wird Naturalismus als eine Weltsicht beschrieben, welche die Komplexität unserer Welt als Ergebnis natürlichen Geschehens erklärt. Insofern lässt sich der Naturalismus als allumfassendes, wegen seiner Vielfältigkeit jedoch als wenig aussagekräftiges Erklärungsmodell verwenden. Eine Methode, die alles erklärt, käme einer Weltformel gleich. Alle Versuche eine Weltformel zu konstruieren sind bis dato gescheitert. Berühmte Beispiele sind die Versuche von Albert Einstein und Werner Heisenberg. Stephen Hawking, wohl der profilierteste Astrophysiker unserer Zeit, glaubte lange, dass es gelingen könne. Seine letzten Äusserungen dazu lassen jedoch Resignation erkennen. Die Vorstellung ein unwiderlegbares Welterklärungsmodell, eine "Welttheorie" finden zu können, muss sich als Illusion erweisen.
Weil eine eindeutige Definition des Begriffs Naturalismus scheinbar nicht zu formulieren ist, können sich kritische Aussagen über den Inhalt des Naturalismus immer nur auf Teilaspekte beziehen. Der Philosoph Wilfrid Sellars, der eine Position des naturalistischen Realismus vertrat, sagte, dass zur Beschreibung und Erklärung der Welt, die Naturwissenschaften das Mass aller Dinge sind. Andere naturalistische Theorien erklären im gleichen Sinn, dass naturwissenschaftliche Methoden zur Erklärung der Welt philosophischen Theorien überlegen seien. Diese Behauptung ist nicht ausreichend gerechtfertigt, weil jede Wissenschafttheorie, gleich ob naturwissenschaftlich oder geisteswissenschaftlich, ohne philosophische Reflexionen nicht erzeugt werden kann. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind immer auch philosophische Erkenntnisse. Neben der "sachlichen Methodologie" müssen beispielsweise Fragen zur Wahrheit und Ethik, neben weiteren philosophischen Fragestellungen behandelt werden. Die Wissenschaft oder die wissenschaftliche Forschung insgesamt liefert eine allgemeine Erklärung der Welt so wie wir sie heute sehen und soweit uns die Strukturen unserer Welt bekannt sind. Solange es noch wesentliches gibt, das uns unbekannt ist, wie zum Beispiel die Unvereinbarkeit zwischen Relativitätstheorie und Quantenmechanik oder die völlig offene Frage was "Schwarze Materie" ist oder woraus sie besteht oder was geschieht in einem "Schwarzen Loch" und andere unbeantwortete Fragen mehr, kann ein vollständiges unwiderlegbares Welterklärungsmodell nicht abgebildet werden. Die Unwissenheit berührt auch Fragen zur "Philosophie des Geistes" und dort insbesondere die Schnittstelle zu den Naturwissenschaften, welche wiederum Fragen zum Monismus, wie zum Beispiel bei Roger Penrose oder zum Dualismus, wie zum Beispiel bei Erwin Schrödinger aufwerfen.
Verschiedene Naturalismuskritiker suchen Naturalismus fein säuberlich von der Philosophie des Geistes zu trennen und sehen den Geist als absolute, immaterielle Einheit. Nach den neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaften und der Informatik, die experimentell bewiesen haben, das Gedanken eine Form von Energie sind und diese einen Rechner in Aktivität versetzen können, ist diese Trennung mehr als fraglich geworden. In der Philosophie des Geistes bleiben bis heute wichtige Fragen zum Leib-Seele-Problem, scheinbar einem Kardinalproblem der Philosophie generell, trotz vieler unterschiedlicher Hypothesen unbeantwortet.
Viele bekannte Naturwissenschaftler, Geisteswissenschaftler, Neurowissenschaftler haben zu diesem Problem Erklärungen abgegeben, ohne dass daraus eine unfalsifizierbare, allgemein akzeptierbare Theorie formuliert werden könnte. Bei diesem Thema scheiden sich in der Tat die Geister. Dem monistischen Naturphilosophen ist dabei die Aussage von Roger Penrose am sympathischsten. Über die reine Sympathie hinaus stützt sich seine Erklärung auf die Logik der Naturwissenschaften und den Determinismus zwischen Geist und Körper. Geist/Seele ist nicht existent ohne Körper und Körper ist nicht existent ohne Geist/Seele. Folglich findet der Geist sein Ende, wenn der Körper stirbt. Das wirft die Frage auf, was zuerst endet. Der Körper oder der Geist. Oder enden beide gleichzeitig ? Dass die Seele, der Geist weiterleben soll, ist eine Glaubensfrage und insofern in diesem Kontext nicht relevant. Was den Determinismus angeht, so kann man daraus schliessen, dass Leib und Seele einen gemeinsamen Ursprung haben müssen. In der modernen Philosophie wird auch der Standpunkt vertreten, dass man sich den aktiven Geist ohne seinen Körper vorstellen könne und alles was vorstellbar sei, auch möglich oder gar existent sein könnte. Dagegen kann man einwänden, dass man sich eine Vielfalt surrealer, phantastischer Objekte und Situationen vorstellen kann, deren Realität jedoch als sehr unwahrscheinlich einzuschätzen ist, ohne sie kategorisch zu verneinen. Der menschliche Geist ist allerdings auch in der Lage, phantastische Gebilde zu produzieren, die mit den Naturgesetzen nicht vereinbar sind. So kann man sich beispielsweise phantasievoll vorstellen, dass König Friedrich II., dessen Standbild das Forum Friderizianum, Unter den Linden in Berlin begrenzt, plötzlich lebendig wird und in vollem Galopp das Brandenburger Tor durchquert, was man getrost als unmöglich bezeichnen kann.
Ab welchem Stadium entwickelt sich bei der Entstehung eines Menschen im Mutterleib Geist ? Ab wann ist dieser sich entwickelnde Mensch "beseelt" ? (beseelt, hier nicht im theologischen Sinn verstanden) Kann bereits im embryonalen Entwicklungsstadium eines Menschen von einem "geistigen Wesen" gesprochen werden ? Ab welchem Entwicklungsstadium gilt der Mensch als Individuum oder Person ? Dies kann beispielsweise juristisch festgelegt werden, nicht jedoch absolut. Sicher scheint zu sein, dass ein Mensch ab einem bestimmten Entwicklungsstadium ein "geistiges Wesen" ist. Demzufolge wäre die geistige Entwicklung eines Menschen von einem bestimmten naturalistischen Entwicklungsstadium abhängig. Dieser Logik folgend wäre der Geist, die Seele, die Psyche, naturalistisch begründbar und keine Substanz in dualistischem Sinn. Der Tod an sich und der Prozess des Todes ist ein naturalistisch-materialistisches Naturgesetz. Der Geist ist nicht fähig dieses Naturgestz zu ändern. Damit unterliegen Leib, Geist und Seele den Naturgesetzen und müssen ursächlich naturalistisch sein. Aus monistischer Weltsicht formuliert heisst das: Leib und Seele sind deterministische , dynamisch-energetische Strukturen aus der gleichen Materie.
Eine von Gegnern des Naturalismus formulierte These, dass die naturalistische Weltsicht anderen Weltbildern oder Glaubensauffassungen argumentativ in keiner Weise überlegen sei, bezieht sich auf das Fehlen einer allgemein gültigen Wissenschaftmethode. Methodenstreit als wissenschaftliche Auseinandersetzung wird aus verschiedenen Disziplinen berichtet. So zum Beispiel der "Positivismusstreit" im Diskurs über die am besten zielführende Vorgehensweise zu Theorien in den Sozialwissenschaften.
Naturalistische Argumentation bezieht ihre Inhalte aus der Kausalität physikalisch-chemischer Prozesse. Und dem systematisch reproduzierbaren Experiment der anders formuliert, aus deduktiven Erkenntnismethoden, welche mit induktiven Methoden zu überprüfen sind. Diese Vorgehensweise wird als Methodenlehre der exakten Naturwissenschaften (Physik und Chemie) unter Einbeziehung der Mathematik bezeichnet. Neue, aufschlussreiche Argumentationshilfe für eine naturalistische Weltsicht liefert der Erkenntnisgewinn durch die Untersuchungen und Experimente innerhalb der Neurowissenschaften. Die naturalistische Argumentation bezieht demnach ihre Beweise aus Tatsachen und deren Schlussfolgerungen.
Mit dem folgenden gedanklichen Experiment soll versucht werden den Phänomenen Geist, Seele, Psyche auf den Grund zu gehen, um herauszufinden, wo sich diese mentalen Gebilde verbergen und wie sie sich verhalten, wenn man sie erregt oder herausfordert und ihnen nachspürt. Das Experiment untersucht die geistigen, seelischen, psychischen Vorgänge eines Menschen in verschiedenen, alltäglichen Verhaltenssituationen. Um seine "inneren Vorgänge" zu beobachten, wird in seinem Gehirn nachgeforscht. Dabei stelle man sich vor, ein Beobachter könne die geheimen Gehirngänge dieses Menschen durchstreifen, so, wie ein Naturforscher den Dschungel. Das zu untersuchende Objekt sei das Gehirn eines gewissen Herrn G., welcher gerade dabei ist, ein Buch zu lesen. Er ist in die Lektüre vertieft. Sie scheint sehr interessant zu sein. Der Buchtext, den er mit den Augen aufnimmt, erzeugt Bilder in ihm. Diese Bilder setzen sich aus Situationen, Erlebnissen, Erfahrungen zusammen, welche Herr G. in seinem Leben "erlebt" hat. Sein Gehirn wäre nicht im Stande Bilder aus Teilen zusammenzusetzen, die Herr G. noch nie gesehen hat und ihm vollkommen unbekannt sind. So kann sein Gehirn nur Bilder erzeugen, aus Begebenheiten, die auf seiner "internen Festplatte" gespeichert sind. Was das Gehirn nicht weiss, kann es nicht erzeugen, obwohl es keinen Augenblick im Leben eines Menschen gibt, in welchem sein Gehirn nicht dazulernt. Auch Ideen zu entwickeln oder kreativ zu sein gelingt nur aus Bestandteilen, die bereits gewusst werden. Zu sagen, sein Gehirn "produziert" oder "erzeugt", ist nur umgangssprachlich akzeptabel. Vielmehr sind es ernergetisch-neuronale Abläufe in seinem Zentralnervensystem, welches sich in seinem Kopf und im Rückenmark befindet, ausgelöst durch Sinneseindrücke und Empfindungen, die auch als Wahrnehmungen bezeichnet werden. Der umherschleichende Beobachter im Gehirn des Herrn G. ist geradezu überwältigt, von den Abläufen und Vorgängen, die er sieht. Er ist umgeben von elektrischen Strömen, chemischen Flüssen und anderen Bewegungen überall. Alles geschieht in einem unglaublichen Tempo. Es zuckt und rast hin und her, neben ihm, über ihm, unter ihm und er ist umgeben von nicht näher beschreibbaren Hochgeschwindigkeitsaktivitäten., die sich im Gehirn von Herrn G. zutragen. So etwas hat der Beobachter noch nie gesehen und es fällt ihm auch schwer diese Abläufe dokumentarisch festzuhalten, denn die Menge und Geschwindigkeit der "Datenverarbeitung" im Gehirn des Herrn G. kann derzeit von keinem auch noch so leistungsfähigen Rechner erreicht werden. Nach gut einer Stunde spannender Lektüre verspürt Herr G. Durst, weil sein Körper durch Nierenaktivität, Verdunstung und Schweissabsonderung, sowie bestimmte Hormonproduktion nach Flüssigkeitsaufnahme verlangt. Der Beobachter in seinem Gehirn bemerkt entsprechende Aktivitäten.
Die folgende Buchpassage über Leid und Schicksalsschlag löst "emotionale Gefühle" in Herrn G. aus. Gleichzeitig notiert der geheime Gehirnbeobachter bestimmte Hormonbewegungen insbesondere im Bereich des Hypothalamus. Plötzlich wird Herrn G`s Vertiefung in sein Buch durch ein lautes Geräusch gestört. Der Durchzug vom offenen Fenster in seinem Lesezimmer zum ebenfalls geöffneten Fenster im Nebenraum lässt die Zimmertür mit einem lauten Knall zufallen. Herr G. erschrickt und richtet sich aus seiner leicht gebeugten Lesehaltung in seinem Sessel "automatisch" auf. Parallel dazu fliessen mit Höchstgeschwindigkeit energetische Ströme ausgehend vom vegetativen und autonomen Nervensystem durch Herrn G´s Körper, welche dem Beobachter nicht verborgen bleibe, jedoch wegen der enormen Ablaufgeschwindigkeit nicht näher beschrieben werden können. Im Laufe des Tages erlebt Herr G. eine Vielzahl von sogenannten emotionalen Vorgängen in seiner Gedanken- und Gefühlswelt, darüberhinaus Hunger, die Lust auf ein Glas Rotwein, Müdigkeit und den Schlaf in der Nacht.
Der Beobachter lernt, dass sogenannte emotionale Vorgänge in Herrn G. identisch sind mit energetisch-neuronalen Vorgängen, welchen in unserer Sprache bestimmte Begriffe zugeordnet sind. Konkrete Begriffe werden Gegenständen zugeordnet, abstrakte Begriffe benennen beispielsweise die Eigenschaften von Gegenständen oder deren Relation zueinander. Insofern sind Begriffe historisch-kulturell gewachsene Festlegungen und sprachliche Lösungen zur Einzelbezeichnung der Vielfältigkeit unserer Welt. Im Falle von sogenannten emotionalen und neuronalen Vorgängen oder von gegenständlichen und nicht gegenständlichen Entitäten ist die begriffliche Zuordnung mangels besserem Wissen abstrakt geblieben. Die historisch-kulturelle Sprachentwicklung der Menschheit hätte den Dingen an sich auch andere Begriffe zuordnen können, ohne deren sinngebenden Gehalt zu verändern. Um sprachlich mit den neuen Erkenntnissen der Neurowissenschaft, der Physik, der Synthetischen Biologie zum Beispiel Schritt halten zu können, müssten für unsere Umgangssprache neue Begriffe erfunden werden, weil die meist aus dem Altgriechischen übernommenen oder abgeleiteten begrifflichen Bezeichnungen nur der Fachwelt verständlich sind.
Am Ende seines ausserordentlich anstrengenden Forschungsgangs musste der Beobachter in Herrn G ´s Gehirn seinen Wissenschaftskollegen mitteilen, er sei in einem Gebilde gewesen, welches man vielleicht als Kombination einer extrem funktionierenden Chemiefabrik und eines komplizierten Kraftwerkes bezeichnen könnte. So etwas gäbe es in der Aussenwelt nicht und es sei auch nur äusserst schwierig darstellbar. Er müsse seine Kollegen enttäuschen, für ihn sei das Experiment gescheitert, denn Geist und Seele seien nicht auffindbar gewesen. Die Verblüffung und Enttäuschung des Kollegiums war gross. Hitzige Diskussionen mit den unterschiedlichen Standpunkten und Sichtweisen aus Philosophie und Naturwissenschaft begannen, die bis heute fortdauern. Eine einheitliche Sicht der Dinge, eine "Unité de Doctrine", wie der gebildete Mensch sich ausdrückt, ist offenbar nicht zu erreichen.
Eine religiöse oder theistische Weltanschauung befasst sich mit einer transzendenten Erklärung des Weltganzen und kann keine Beweise für ihre diesbezügliche Überzeugung hervorbringen. Sie ist anhängig von den Dogmen des jeweiligen Glaubens und nicht in der Lage Daten aus Beobachtung, Experiment, Statistik und anderen mehr zu erzeugen oder wissenschaftliche Angaben über Tatsachen, Ereignisse, Funktionsabläufe oder dergleichen zu liefern. Die Debatte um die verschiedenen erkenntnistheoretischen Methoden erscheint dem neutralen Beobachter heute als ungeordnete, abstrakte Reflexionen an der sprachphilosophischen Grenze. In der modernen Philosophie heute – unter Bezugnahme auf den vorherigen Satz – zweihundert Jahre nach Kant, über fünfzig Jahre nach Wittgenstein, dem vielleicht bedeutendsten Sprachphilosophen, sind abstrakte Überlegungen zur Darstellung der Realität kaum noch dienlich, denn zu dominant, zu unwiderlegbar, sind die Erkenntnisse der Naturwissenschaften in den letzten fünfzig Jahren, wie etwa in der Astrophysik und hier insbesondere in der Kosmologie, den Neurowissenschaften oder der Biologie. Der erkenntnistheoretische Naturalismus hat dadurch bedeutend an Boden gewonnen und die davon nicht trennbare, unmittelbare Verbindung zur Philosophie des Geistes wird stärker dokumentiert. Durch die nicht widerlegbaren Erkennnisse der Naturwissenschaften und deren unbestreitbare Rechtfertigung ist die Philosophie des Geistes heute auch naturalistisch begründbar. Es scheint, als ob die Gegener und Kritiker er vorgenannten These in einem Weltbild verharren, das als überholt angesehen werden muss. Dass der Mensch ein Natur- und Kulturwesen ist, bestreitet der Naturalist nicht. Naturalismuskritiker sehen die geistige Komlexität des Menschen und seine Fähigkeit zu sprechen als ein nicht begründbares Phänomen an. Die neurowissenschaftlichen Experimente zeigen indes, dass sich der menschliche Geist und seine sprachphilosophisch verwandten kognitiven Begriffsinhalte durchaus mit Biologie und Physik erklären lassen. Dazu sollten sich die Naturalismuskritiker mit dem Stand der Technik und den Erkenntnissen der Synthetischen Biologie vertraut machen.
Im Grenzgebiet von Biologie, Molekularbiologie, Chemie, Ingenieurwissenschaften, Biotechnologie und Informationstechnik hat sich diese neue Wissenschaft entwickelt. (Max Planck Institut, University of Pennsylvania u.a.m) Der Biologe wird dort zum Designer neuartiger Moleküle, ganzer Zellen, bis hin zu Geweben und Organismen. Dabei werden entsprechend der "Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn," folgende Ziele und Strategien verfolgt:
Integration von künstlichen, biochemischen Systemen in lebende Organismen, um diese mit neuen Eigenschaften zu versehen (Genetische Schaltkreise), Schrittweiser Aufbau von biologischen Systemen aus künstlichen Molekülen, um somit – entsprechend den biologischen Vorbildern – „lebensfähige“ Organismen zu kreieren (Protozellen), Reduktion eines biologischen Systems auf die minimal notwendigen Komponenten, um somit eine „Hülle“ (= Chassis) zur Verfügung zu stellen, welche mit austauschbaren Bausteinen (= „BioBricks“) in neuartigen Funktionsvarianten bestückt werden kann (Minimalgenome), Suche nach alternativen chemischen Systemen: durch den Einsatz von atypischen Substanzen sollen Systeme mit gleichen biologischen Funktionen – quasi in einer Parallelwelt – innerhalb von Zellen nachgebaut werden (Orthogonale Biosysteme).
Je nach Standpunkt löst diese technologische Entwicklung nachempfindbare Begeisterung oder ebenso nachempfindbare bedrohliche oder bestürzende Gefühle aus. Aus Sicht der Religion, nach dem zum x-ten mal prognostizierten Weltuntergang, sollen angesichts einer solchen Entwicklung schon Worte vom jetzt endgültigen Exitus der Menschheit gefallen sein. In der Tat wäre die Synthetische Biologie in Kooperation mit der Paleoanthropologie heute im Stande das Mammut und den Neanderthaler wieder auferstehen zu lassen. Die synthetisch erzeugten Eizellen dieser ausgestorbenen Spezies könnten im Falle des Mammuts von einer Elefantenkuh augetragen werden und im Falle des Neanderthalers vom einem weiblichen Menschen oder einem weiblichen Schimpansen. (Anthropologisch steht der moderne Mensch dem Schimpansen näher als dem Neanderthaler, weil sich der moderne Mensch in gerader Linie vom Affen über den Homo Erectus entwickelte, während der Neanderthaler in seiner Evolution einen Seitenarm des Homo Erectus beschritten hat und ausgestorben beziehungsweise in dem modernen Menschen aufgegangen ist.)
Dass es heute möglich ist, lebende Organismen synthetisch zu erzeugen, mag beängstigen. Bleibt zu hoffen, dass die Ethik, das liebste Kind der praktischen Philosophie und in unserer von Technokratie und Finanzungeheuern beherrschten Welt gleichzeitig auch das am meisten vernachlässigte, dies verbietet.
Der naturalistische Monist sieht seine Weltsicht faktisch bestätigt, allerdings mit wenig Freude, um so mehr mit einer gewissen Trauer und gleichzeitig befürchtend, dass die breite Masse die evidente Wahrheit unserer naturalistisch-materialistischen Welt nicht erkennen wird.
Es braucht offenbar noch Zeit bis sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass selbst die zutiefst menschliche Fähigkeit, philosopisch reflektieren zu können, letztlich als eine der komplexen Fähigkeiten eines durch und durch naturalistischen Menschen anzusehen sind.
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