Harter atheistischer Determinismus

Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Sa 11. Jan 2014, 13:39

ujmp hat geschrieben:Vollbreits Verweis auf Sprachspiele war jedenfalls eine komplette Leeraussage!

http://de.wikipedia.org/wiki/Sprachspiel

ujmp hat geschrieben:Worauf ich hinaus wollte war eigentlich, dass wir uns gar nichts anderes vorstellen können, als dass Dinge einen Grund haben. Oder anders gesagt: Wie denn sonst, wenn nicht determiniert?
Und worauf Wittgenstein und mit ihm eine ganze Horde an Philosophen hinauswollen, gerade im Kontext der Willensfreiheitsdiskussion, ist zu sagen, dass "Ursache" und "Grund" nicht bedeutungsgleich sind.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Sa 11. Jan 2014, 13:54

Vollbreit hat geschrieben:ujmp könnte hier an Popper anknüpfen (Evolution der Theorien) und Wittgenstein besser verstehen, weil Natur und Kultur nicht deckungsgleich sind und auch nicht denselben Mechanismen folgen, denn Ideen werden verhandelt, sind zielgerichtet, können in andere Kontexte gestellt und aufbewahrt werden, genetische Mutationen nicht.

Ich hab nie behauptet, dass Natur und Kultur deckungsgleich wären, was mir auch nicht einfallen würde. Ich habe lediglich gesagt, dass wir uns nichts ohne Grund vorstellen können, sei es ein Grund des Willens, ein Grund des Seins, ein kausaler Grund oder ein Grund welcher Art auch immer.

Übrigens hab ich auch meine Zweifel, dass du selbst Wittgenstein verstanden hast. Aus meinen Aussagen abzuleiten, dass für mich Natur und Kultur deckungsgleich wären, ist ein logischer Fehler auf ziemlich niedrigen Niveau.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Sa 11. Jan 2014, 14:00

Dennoch hat Grund hier jedesmal eine andere Bedeutung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Homonym
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Sa 11. Jan 2014, 14:04

Es gibt aber eine gemeinsame Struktur - ist denn das wirklich so schwer? Es ist kein Zufall, dass sie alle auf die Frage "Warum" folgen und dass sie alle "Grund" lauten.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon fopa » Sa 11. Jan 2014, 14:34

Vollbreit hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:... dass ich es auch aus biologischer Sicht für unplausibel halte, ...
Du befindest Dich in guter Gesellschaft:
Jürgen Habermas hat geschrieben:Eine eigenständige kausale Rolle des bewussten Lebens fügt sich in den Rahmen eines reduktionistischen Forschungsansatzes nur unter der Voraussetzung ein, dass man ”Geist und Bewusstsein […] als physische Zustände auffasst”, die mit andern physischen Zuständen “in Wechselwirkung stehen”.

Eine kernige These rauszuhauen und diese im gleichen Text wieder zu kassieren, ist freilich ein Vorgehen, das man bei Roth öfter mal findet:
Gerhard Roth, in der Einleitung hat geschrieben:Meine beiden Kernaussagen lauten: (1) Vernunft und Verstand allein, ohne Gefühle, bewegen nichts; (2) Gefühle haben bei der Handlungssteuerung das erste und das letzte Wort.
Gerhard Roth, in der Abschlussbetrachtung hat geschrieben:Verstand und Vernunft sind außerordentlich wichtig, wenn es darum geht, nicht spontan und voreilig zu reagieren, sondern komplexe Situationen genau zu analysieren und entsprechend komplexe Handlungsplanung zu betreiben. [...] Insofern regieren immer Emotionen als Ausdruck der gesamten bisherigen Erfahrungen unser Handeln, so sehr wir uns auch um Vernunft bemühen.
Was ist jetzt noch mal die Aussage des Ganzen?
Ich sehe keine Widerspruch.
Ein vernunftbegabtes Wesen empfindet ein Gefühl oder ein Bedürfnis. Sein Verstand arbeitet eine Lösung aus. Diese Lösung wird emotional bewertet und bei Einverständnis umgesetzt.
Insofern kein Widerspruch. Ob das der Wirklichkeit entspricht, ist eine andere Frage.

Vollbreit hat geschrieben:... weil Natur und Kultur nicht deckungsgleich sind und auch nicht denselben Mechanismen folgen, denn Ideen werden verhandelt, sind zielgerichtet, können in andere Kontexte gestellt und aufbewahrt werden, genetische Mutationen nicht.
Nicht ganz. Auch Kultur unterliegt einem evolutionären Mechanismus, der prinzipiell derselbe ist wie der in der Natur. Das was man "zielgerichtet" nennt, ist lediglich der Versuch eines Strebens in Richtung eines (lokalen) Optimums einer sich ständig verändernden Qualitätsfunktion. Das Prinzip der Evolution / Selektion wird dadurch nicht aufgehoben. Ebensowenig ist gewährleistet, dass das vermeintliche Ziel tatsächlich ein Optimum darstellt. Demnach können Situationen auftreten, in denen eine "gezielte" Entwicklung sich sogar vom Optimum entfernt, also eher kontraproduktiv ist.
Ein Beispiel wäre die zielgerichtete Entwicklung von Atomwaffen - die am Ende möglicherweise zur Vernichtung der Menschheit führt. Bakterien mit zufälliger Mutation wären in diesem Fall besser angepasst.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Sa 11. Jan 2014, 16:03

AgentProvocateur hat geschrieben:Reiner, purer, blinder, perfekter, absoluter Zufall wäre, wenn wir diese Definition des Determinismus hernehmen: "eine Welt ist dann determiniert, wenn alle Ereignisse in ihr (hypothetisch) eindeutig auf einen vorherigen Weltzustand und auf (Natur)-Gesetzmäßigkeiten zurückgeführt werden können", dann ein Ereignis, das prinzipiell nicht auf einen vorherigen Weltzustand und auf (Natur)-Gesetzmäßigkeiten zurückgeführt werden könnte. Würdest Du das anders sehen? und wenn nicht: wieso ist das für Dich nicht vorstellbar?


Mit dieser Definition des Determinismus bin ich einverstanden. Aber unter einem reinen, puren, blinden, perfekten, absoluten Zufall kann ich mir nichts vorstellen. Ich verstehe ihn nicht und weigere mich irgendwie, ihn einfach nur als Naturphänomen zu akzeptieren. Er untergräbt meine intuitive Vorstellung von einer einheitlichen ganzheitlichen Welt, in der konsistente physikalische (Natur)-Gesetzmäßigkeiten herrschen.

AgentProvocateur hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Ich kann mich durchaus anschließen an deiner und @Vollbreits Definition von Freiheit, weil ich das "Gefühl" kenne, frei von äußeren und inneren Zwängen erwägen, überlegen und reflektieren zu können. Zu diesem "Gefühl" kommt aber jetzt meine Vermutung, dass dieses bewusste Erwägen, Überlegen und Reflektieren ein determinierter Prozess ist, wie andere unbewusste Prozesse im Gehirn und physikalische Prozesse in der Umwelt auch. Nur können wir diese Determiniertheit unseres Bewusstseins nicht wirklich denken, weil wir ja ständig das "Gefühl" der Freiheit bei unseren Entscheidungen haben. Ich halte nun dieses "Gefühl" der Freiheit für eine von unserem Gehirn "gemachte" Illusion/Täuschung.

Warum? Frei von äußeren und inneren Zwängen zu sein und überlegen und reflektieren zu können steht ja soweit noch in keinem Gegensatz zu Determinismus, d.h. solange sich das Gefühl der Freiheit nur darauf beschränkt, ist es keine Täuschung, keine Illusion. Es müsste also etwas Zusätzliches hinzukommen, eine notwendige Bedingung, damit etwas in Deinem Sinne (bzw. in einem mit Determinismus unvereinbaren Sinne) frei wäre.

Vielleicht können wir das ein bisschen abkürzen: normalerweise vertreten Inkompatibilisten (= die Ansicht, dass Determinismus und Freiheit sich ausschließende Gegensätze seien) zusätzlich als notwendige Bedingung für Freiheit entweder PAP (Prinzip der alternativen Moglichkeiten) oder UR (ultimate Responsibility = ultimative Verantwortung), (aber meist nur eines von dem, nicht beides gleichzeitig). Wobei UR nichts mit Determinismus zu tun hat, (UR ist prinzipiell unmöglich, weil das bedeutete, dass man sich wie Phönix aus der Asche selber erschaffen müsste), und PAP meiner Ansicht nach nicht verstehbar ist, ein Konzept, das nicht klar ist und auch nicht klar dargestellt werden kann. Es reicht dabei nicht, zu sagen, PAP sei zwar nicht klar, aber PAP wäre mit Determinismus unvereinbar, weil es in einer determinierten Welt nie anders kommen kann, als es kommt. Wenn PAP ein unverständliches Konzept ist, dann ist nicht klar, wieso es eine notwendige Voraussetzung für Freiheit sein solle.


Ich muss offen gestehen, dass ich mich in den philosophischen Diskurs "Kompatibilismus <-> Inkompatibilismus" noch nicht eingelesen und auch noch nicht sehr lange darüber nachgedacht habe. Ich habe da einfach noch keine endgültige Meinung und kann daher auch nicht sehr differenziert argumentieren. Meine Selbstbezeichnung "Inkompatibilist" beruht auf der von dir beschriebenen Ansicht, dass Determinismus und Freiheit sich ausschließende Gegensätze sind. Als überzeugter harter Determinist "muss" ich dann wohl Inkompatibilist sein, oder nicht? Aber von mir aus bin ich auch Kompatibilist, weil ich ja das (vielleicht illusorische) "Gefühl" von Freiheit verstehe und zulasse.

Mir ist es letztendlich nicht so wichtig, in welche Schublade ich gesteckt werde. Ich bin auch nicht unbedingt ein Freund von irgendwelchen "Ismen", obwohl mir schon klar ist, dass (neue) Begriffe notwendig sind, um über Dinge und Sachverhalte möglichst verständlich zu reden. Aber ob ich jetzt Atheist, Naturalist, Rationalist, Materialist, Physikalist, Monist, Inkompatibilist, Determinist oder was auch immer bin, ist mir relativ egal. Ich will mich auch nicht um diese Begriffe streiten, weil jeder vielleicht etwas anderes damit meint. Bei solchen Diskussionen verliert man leicht den Überblick und den Inhalt, den solche Begriffe ausdrücken/umschreiben sollen.

Mir geht es in diesem Thread hauptsächlich um den harten atheistischen oder physikalischen Determinismus. Der schließt Freiheit definitionsgemäß aus, wenn wir uns auf obige Definition einigen: "Eine Welt ist dann determiniert, wenn alle Ereignisse in ihr (hypothetisch) eindeutig auf einen vorherigen Weltzustand und auf (Natur)-Gesetzmäßigkeiten zurückgeführt werden können." Der Weltzustand schließt alle Subjekte mit Bewusstsein mit ein. Daher sind auch diese Subjekte mit Bewusstsein determiniert. Warum haben wir dann das "Gefühl" von Freiheit? Warum ist diese Freiheit so wichtig für uns? Lässt sich das vielleicht evolutionstheoretisch irgendwie erklären? Wann ist dieses "Gefühl" entstanden? Welchen Zweck verfolgt die Natur/das Gehirn mit diesem "Gefühl"?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Sa 11. Jan 2014, 17:08

ujmp hat geschrieben:Es gibt aber eine gemeinsame Struktur - ist denn das wirklich so schwer? Es ist kein Zufall, dass sie alle auf die Frage "Warum" folgen und dass sie alle "Grund" lauten.
Was heißt, so schwer? Eigentlich nicht, aber was genau ist mit dem Rückfall hinter eine einmal gewonnene Differenzierung denn aus Deiner Sicht gewonnen?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Sa 11. Jan 2014, 17:29

Vollbreit hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Wenn dann noch das Glück hinzukommt, dass man (sehr viel) Zeit zum Lesen und Kommunizieren hat, dann kommt man vielleicht zu der Einsicht, dass vieles von dem, wie man ist (mit all den Fähigkeiten und Regeln zum Handeln), festgelegt war/ist. Von da ist es dann nur ein kleiner Sprung zu der (seltsamen) Idee des allumfassenden Determinismus.
Soweit, ja.
Aber frei ist man = reflektieren kann man dennoch.


Ja, offensichtlich. Die Frage ist natürlich, was man sich unter Reflektieren vorstellt. "Wikipedia" schreibt dazu:
Wikipedia hat geschrieben:Reflexion bedeutet in der Umgangssprache, wenn auf eine geistige Tätigkeit bezogen, etwa: Nachdenken, Überlegen. In der Philosophie gibt es seit dem 17. Jahrhundert darüber hinaus fachspezifische Verwendungen des Begriffs, die sich mehr oder weniger am umgangssprachlichen Begriff orientieren und unterschiedliche Aspekte hervorheben. Im Zentrum steht dabei die Unterscheidung von auf äußere Objekte bezogenem Wahrnehmen und derjenigen geistigen Tätigkeit, die sich auf die Denk- und Vorstellungsakte selbst richtet.

Nachdenken und Überlegen können wir also nicht nur über äußere Objekte, sondern auch über uns selbst, über unser Denken und Erkennen. Das ist dann ein selbstreflexiver Prozess. Ich frage mich da gerade, ob und wie so ein Prozess überhaupt determiniert sein kann bzw. wie man das je herausfinden könnte...

Vollbreit hat geschrieben:
ice hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und da sollen wir nur Statisten, stumme und ohnmächtige Beobachter unserer eigenen Handlungen sein?

Wir sind eben nicht nur Statisten oder Zuschauer, sondern auch Akteure auf der Lebensbühne. Wir handeln aktiv und haben die Fähigkeit, dieses Handeln zu beobachten und zu reflektieren.
Ja, aber warum sollen wir dann nicht auch verantwortlich für unser Tun sein? Darum dreht es sich doch.


Du hast Recht. Wir sind verantwortlich für unser Tun. Eine andere Möglichkeit ist für das praktische Zusammenleben nicht sinnvoll. Das ist neben dem "Freiheitsgefühl" das zweite Paradoxon, das ich als Determinist erkenne.

Vollbreit hat geschrieben:
ice hat geschrieben:"Zeitlebens sind wir in der Lage von Leuten, die zu spät ins Theater kommen - in einem Zwischenakt wird die Tür noch einmal halb geöffnet, wir zwängen uns atemlos in den Raum und suchen im Dunkeln nach dem eigenen Platz. Den Anfang der Handlung haben wir verpasst, und für den Augenblick kann nicht mehr geschehen, als dass wir von nun an ihrem Gang so aufmerksam wie möglich folgen."
(Peter Sloterdijk in "Zur Welt kommen - Zur Sprache kommen", S. 12)
Ja, ich mag den Sloterdijk ohnehin ganz gerne.
Es ist das, was ich retrospektiv nennen würde. Nach und nach kapieren wir erst, was hier gespielt wird, sind mal Zuschauer, mal haben wir die Nebenrolle, mal die Hauptrolle... und erstaunlicherweise haben wir das irgendwie zu einem hohen Anteil noch selbst inszeniert.


Ja, man könnte es auch so formulieren: Der komplexe Lebensprozess verhält sich für uns wie ein musizierendes Orchester ohne Dirigent und er läuft ab wie ein Film, der ohne Regisseur entsteht. Seltsam dabei ist, dass es auch keinen Komponisten oder Drehbuchautor zu geben scheint. Die Noten und Dialoge schreiben und organisieren sich von selbst. Die Musik und der Ton zum Film ertönt dann einfach - wir hören aufmerksam zu und erkennen ab und zu eine sinnvolle Melodie darin. Der „Film des Lebens“ läuft auf unserem Planeten unausweichlich ab - manchmal ohne erkennbare sinnvolle Handlung - und wir spielen darin mit - ob wir wollen oder nicht.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Sa 11. Jan 2014, 17:44

fopa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:... dass ich es auch aus biologischer Sicht für unplausibel halte, ...
Du befindest Dich in guter Gesellschaft:
Jürgen Habermas hat geschrieben:Eine eigenständige kausale Rolle des bewussten Lebens fügt sich in den Rahmen eines reduktionistischen Forschungsansatzes nur unter der Voraussetzung ein, dass man ”Geist und Bewusstsein […] als physische Zustände auffasst”, die mit andern physischen Zuständen “in Wechselwirkung stehen”.

Eine kernige These rauszuhauen und diese im gleichen Text wieder zu kassieren, ist freilich ein Vorgehen, das man bei Roth öfter mal findet:
Gerhard Roth, in der Einleitung hat geschrieben:Meine beiden Kernaussagen lauten: (1) Vernunft und Verstand allein, ohne Gefühle, bewegen nichts; (2) Gefühle haben bei der Handlungssteuerung das erste und das letzte Wort.
Gerhard Roth, in der Abschlussbetrachtung hat geschrieben:Verstand und Vernunft sind außerordentlich wichtig, wenn es darum geht, nicht spontan und voreilig zu reagieren, sondern komplexe Situationen genau zu analysieren und entsprechend komplexe Handlungsplanung zu betreiben. [...] Insofern regieren immer Emotionen als Ausdruck der gesamten bisherigen Erfahrungen unser Handeln, so sehr wir uns auch um Vernunft bemühen.
Was ist jetzt noch mal die Aussage des Ganzen?
Ich sehe keine Widerspruch.
Da ist auch kein Widerspruch, da Habermas hier Roth zitiert.
Aber dessen Position kritisiert er ja.

fopa hat geschrieben:Ein vernunftbegabtes Wesen empfindet ein Gefühl oder ein Bedürfnis. Sein Verstand arbeitet eine Lösung aus. Diese Lösung wird emotional bewertet und bei Einverständnis umgesetzt.
Insofern kein Widerspruch. Ob das der Wirklichkeit entspricht, ist eine andere Frage.

Mir ist nicht klar, was Roth überhaupt sagen will. Wenn er sagen will, dass man den Verstand im Grunde in der Pfeife rauchen kann, dann wäre das eine knackige These, die er aber durch elendes Larvieren bis zur Unkenntnlichkeit verstümmelt. Der Verstand kann gar nichts, außer Büroarbeiten, was natürlich unten nicht heißen soll, was es oben noch heißen sollte. Chance vertan.

Zu sagen, dass der Verstand nicht alles ist: Nun, welcher Denker wüsste das nicht? Die große Kunst und die dümmsten Schlager sind voll davon. Zwei Herzen, ach, in meiner Brust. Und seit 1895 Freuds Traumdeutung erschien liegt es auch der Wissenschaft vor. Gut 100 Jahre später soll das nun der Brüller sein?

Will er aber sagen, dass der Verstand nichts ist, dann gerät er in einen Selbstwiderspruch. Er appelliert an den, der laut Appell sowie nichts versteht, weil die Messe immer schon gelesen ist. Das wäre der Grabstein für Wissenschaft und Aufklärung, weil es heißt, dass der Mensch aus rationaler Einsicht eh nichts ändert.

fopa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:... weil Natur und Kultur nicht deckungsgleich sind und auch nicht denselben Mechanismen folgen, denn Ideen werden verhandelt, sind zielgerichtet, können in andere Kontexte gestellt und aufbewahrt werden, genetische Mutationen nicht.
Nicht ganz. Auch Kultur unterliegt einem evolutionären Mechanismus, der prinzipiell derselbe ist wie der in der Natur.
So weit die Gemeinsamkeiten, Tiger und und Siamkatze sind beides nur Kätzchen, aber neben den Gemeinsamkeiten gibt es noch die Unterrschiede. Das Thema “Frühstück” könnte hier relevant sein.

fopa hat geschrieben:Das was man "zielgerichtet" nennt, ist lediglich der Versuch eines Strebens in Richtung eines (lokalen) Optimums einer sich ständig verändernden Qualitätsfunktion. Das Prinzip der Evolution / Selektion wird dadurch nicht aufgehoben.
Es ist einer der Kernsätze der Evolutionstheoretiker die Ungerichtetheit der biol. Evolution zu betonen, gegen teleologische Disziplinen. Ich sehe nicht ein, dass das, wenn's dann passt, einfach mal kassiert wird.
Und wenn wir auf den Mond wollen oder ein sonst was, probieren wir nicht einfach so rum, sondern haben ein Ziel.

fopa hat geschrieben:Ebensowenig ist gewährleistet, dass das vermeintliche Ziel tatsächlich ein Optimum darstellt. Demnach können Situationen auftreten, in denen eine "gezielte" Entwicklung sich sogar vom Optimum entfernt, also eher kontraproduktiv ist.
Das ist egal, die Evolutionkennt auch kein Optimum, nur aktuelle Anpassung, so heißt es.

fopa hat geschrieben:Ein Beispiel wäre die zielgerichtete Entwicklung von Atomwaffen - die am Ende möglicherweise zur Vernichtung der Menschheit führt. Bakterien mit zufälliger Mutation wären in diesem Fall besser angepasst.
Wenn's Gott gäbe, wären Christen besser angepasst. Die Evolution naturalistischer Lesart schaut nicht auf Morgen, sondern passt sich dem aktuellen Status an. Wird es wärmer, wachsen hier Palmen, wird es kälter, wächst Fell, wer sich besser und schneller anpasst, gewinnt das Spiel, das war's. Ein Optimum erscheint da nie. Allein der Mensch kannnach einer besseren Welt streben.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Sa 11. Jan 2014, 17:52

Vollbreit hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Der springende Punkt ist dann für mich, dass ich diese inneren und äußeren Zwänge sowie den Willen als determiniert ansehe.

Bei Deiner Formulierung klingt an, dass Du das Gefühl haben könntest, es ginge nur frei oder determiniert.
Denkst Du das oder ist das meine Phatansie?


Ja, im Grunde denke ich das. Der Determinismus ist für mich logisch und konsistent. Irgendwie paradox ist für mich dabei die Tatsache, dass wir uns als bewusste Wesen trotzdem frei und verantwortlich fühlen.

Vollbreit hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Unser "Ich"-Bewusstsein ist laut Thomas Metzinger ein virtuelles Werkzeug:

"Wir sind Ego-Maschinen, natürliche Informationsverarbeitungssysteme, die im Verlauf der biologischen Evolution auf diesem Planeten entstanden sind. Das Ego ist ein virtuelles Werkzeug: Es hat sich entwickelt, weil wir mit seiner Hilfe unser eigenes Verhalten kontrollieren und vorhersagen und das Verhalten anderer verstehen konnten.
...
Wir sind Ego-Maschinen, aber wir haben keine Selbste. Wir können den Ego-Tunnel nicht verlassen, weil es niemanden gibt, der ihn verlassen könnte. Das Ego und sein Tunnel sind repräsentationale Phänomene: Sie sind nur eine von vielen möglichen Weisen, in denen bewusste Wesen ein Modell der Wirklichkeit erzeugen können. Letztlich ist subjektives Erleben ein biologisches Datenformat, also eine hochgradig spezifische Weise, Information über die Welt darzustellen, eine innere Weise des Gegebenseins, und das Ego ist lediglich ein komplexes physikalisches Ereignis - ein Aktivierungsmuster in unserem zentralen Nervensystem.
...
Wir sind selbst-lose Ego-Maschinen."

(Thomas Metzinger "Der Ego-Tunnel", S. 289)

Halte ich von A bis Z für falsch. Was ich bin, empfinde ich. Ich bin müde, hungrig, habe Sehnsucht, Liebeskummer, phantasiere über Beziehungen, Zukünftiges, Bedeutungen.
Wenn man das nun lieblos auf Funktionalismen runterbricht, was ist damit gewonnen? Ist das die „wahre Sichtweise“? Woher weiß Metzinger das, der kennt mich doch gar nicht? Und wenn Du sagst, dass er mich auch gar nicht meint, dann glaube ich das, aber genau das ist das Problem. Was uns einzigartig macht, ist ja unsere genau das, was Metzinger völlig durch die Lappen geht. Das, was Dich ausmacht oder eben mich.
In der Psychologie fragt man einen Menschen, was ihn – seiner Meinung nach - ausmacht, von anderen unterscheidet und diagnostiziert anhand der Antwort ob eine Ich-Schwäche vorliegt, die man sehr ernst nimmt.

Ich möchte diese ganzen „Es gibt kein Ich“-Leute immer fragen, warum sie glauben, dass Psychologen das tun.
Ein echter Ichverlust ist ein psychiatrischer Notfall, eine psychotische Episode, liegt die vor, sieht man sich manchmal berechtigt, diese Leute einzusperren, festzuschnallen oder unter schwere Medikamente zu setzen. Warum eigentlich, wenn uns Hirnforscher, Neurologen also, die nächsten beruflichen Verwandten der Psychiater erzählen, eigentlich hätten wir eh kein Ich oder keinen Willen? Dann ist doch so gesehen gar nichts passiert.
Auch einmal legen wir auf das Vorhandensein einer „intakten“ Illusion größten Wert.


Thomas Metzinger will, soweit ich ihn überhaupt verstehe, ganz allgemein verstehen, was das (Ich-)Bewusstsein genau ist und wie es funktioniert. Sein "Ego-Tunnel" ist ein plausibles allgemeines "Ich"-Konzept. Du meinst (d)ein spezielles, einzigartiges "Ich", das natürlich das wichtigere von den beiden ist. Ohne unserem intakten speziellen "Ich" sind wir, wie du richtig schreibst, nicht lebensfähig - ohne Kenntnis des "Ego-Tunnels" aber schon.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Sa 11. Jan 2014, 18:05

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Es gibt aber eine gemeinsame Struktur - ist denn das wirklich so schwer? Es ist kein Zufall, dass sie alle auf die Frage "Warum" folgen und dass sie alle "Grund" lauten.
Was heißt, so schwer? Eigentlich nicht, aber was genau ist mit dem Rückfall hinter eine einmal gewonnene Differenzierung denn aus Deiner Sicht gewonnen?

Ich hab nicht gesagt, dass man diese Differenzierung nicht vornehmen soll*. Ich hab lediglich auf das Gemeinsame hingewiesen und darauf, dass wir uns keine Welt ohne es vorstellen können. Das Gemeinsame ist, dass es mit "Weil..." beginnt. Ich meine, dass dieses Warum-Weil nicht nur irgend ein Sprachspiel ist, das man sich antrainieren kann. Es ist Denken überhaupt. Wir haben gar keine Wahl, ob wir uns de Welt deterministisch erklären wollen oder nicht - was man u.a. daran sieht, dass es praktisch keine positiven alternative Modelle gibt (würde mich freuen, wenn mir jemand das Gegenteil belegt).

*) Wenn ich sage, dass Elemente Teilmengen einer Obermenge sind, sag ich damit nicht, dass die Elemente identisch sind, dein Schluss ist logisch falsch.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Sa 11. Jan 2014, 18:22

ice hat geschrieben:Die Frage ist natürlich, was man sich unter Reflektieren vorstellt. "Wikipedia" schreibt dazu:
Wikipedia hat geschrieben:Reflexion bedeutet in der Umgangssprache, wenn auf eine geistige Tätigkeit bezogen, etwa: Nachdenken, Überlegen. In der Philosophie gibt es seit dem 17. Jahrhundert darüber hinaus fachspezifische Verwendungen des Begriffs, die sich mehr oder weniger am umgangssprachlichen Begriff orientieren und unterschiedliche Aspekte hervorheben. Im Zentrum steht dabei die Unterscheidung von auf äußere Objekte bezogenem Wahrnehmen und derjenigen geistigen Tätigkeit, die sich auf die Denk- und Vorstellungsakte selbst richtet.

Nachdenken und Überlegen können wir also nicht nur über äußere Objekte, sondern auch über uns selbst, über unser Denken und Erkennen. Das ist dann ein selbstreflexiver Prozess. Ich frage mich da gerade, ob und wie so ein Prozess überhaupt determiniert sein kann bzw. wie man das je herausfinden könnte...
Kann er, er bezieht sich ja auch nur auf das, was er vorfindet. Aber hier spielt eben wieder das kreative Element mit hinein.
Dennoch könnte eine mir vollkommen neue Wendung schon von Beginn des Universums an determiniert gewesen sein.
Es musste so kommen, aber für mich ist es (da ich kein absolutes Wissen habe) ein fundamental neuer Gedanke. Denkbar wäre das.

ice hat geschrieben:Du hast Recht. Wir sind verantwortlich für unser Tun. Eine andere Möglichkeit ist für das praktische Zusammenleben nicht sinnvoll. Das ist neben dem "Freiheitsgefühl" das zweite Paradoxon, das ich als Determinist erkenne.
Aufgelöst wird es m.E. dadurch, dass man nicht alles weiß und statt dessen versucht es so gut wie möglich zu machen.
Oft sind wir nachher schlauer und sagen: “Na, hätte ich das vorher gewusst (, ich hätte anders gehandelt/entschieden).” Klar, wir hätten uns dann oft anders entschieden, keine Frage. Nur, wir wissen es halt nicht besser. Ver-antwortung haben wir immer, wir müssen Antworten geben, egal, wie die Umstände sind und in dieser Weise sindwir sogar, wie Sartre sagt, zur Freiheit verdammt. Schuld impliziert Vorsatz, mindestens Leichtsinn. Man darf gelegentlich erwarten, dass der andere es besser hätte wissen müssen und nehmen ihn unter Sorgfaltspflicht. Verletzt er diese, gibt es Abzüge beim sozialen Kontostand. “Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht,....” sagt der Volksmund.

ice hat geschrieben:Ja, man könnte es auch so formulieren: Der komplexe Lebensprozess verhält sich für uns wie ein musizierendes Orchester ohne Dirigent und er läuft ab wie ein Film, der ohne Regisseur entsteht.
Nein, ich glaube, Du bist in wesentlichen Teilen der Regisseur Deines Films. Mag sein, man sieht das zuerst nicht und es mag extreme Fälle guter oder schlechter Filme geben, über die zu urteilen moralisch heikel ist, aber ich bin recht sicher, dass sehr viel Projektion
in der Welt ist. Überspitzt kann man sagen, dass man immer nur in den Spiegel schaut und man sieht immer nur andere Facetten von sich.
Das schließt m.M.n. die Existenz einer objektiven oder intersubjektiven Außenwelt nicht aus.

ice hat geschrieben:Seltsam dabei ist, dass es auch keinen Komponisten oder Drehbuchautor zu geben scheint. Die Noten und Dialoge schreiben und organisieren sich von selbst. Die Musik und der Ton zum Film ertönt dann einfach - wir hören aufmerksam zu und erkennen ab und zu eine sinnvolle Melodie darin. Der „Film des Lebens“ läuft auf unserem Planeten unausweichlich ab - manchmal ohne erkennbare sinnvolle Handlung - und wir spielen darin mit - ob wir wollen oder nicht.
Auch diese Metapher hat was, klar, aber wir switchen m.E. immer hin und her, zwischen einer Rolle als Teilnehmer und Beobachter.
Aber zu viel Beobachter zu sein, ich finde, da verpasst man was vom Leben. Das Gefühl von Anderen, der Welt, dem, was andere genießen wie durch eine Glaswand getrennt zu sein, auch wenn man beim Geschehen dabei ist, ist sehr quälend. Frag mal die, denen es so geht, es gibt etliche.
Leben ist immer von Sprungbrett zu springen und loszulassen... auch wenn es noch so beschissen ist, manchmal. Aber wer die Spitzen unten kappt, kappt auch die oberen, ohne es zu wissen. Dann fehlt die Freude, was bleibt ist die Kompensation, der Triumpf. Schal und leer und irgendwie verteufelt unlebendig.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon fopa » Sa 11. Jan 2014, 18:31

Vollbreit hat geschrieben:Mir ist nicht klar, was Roth überhaupt sagen will.
[...]
sagen, dass der Verstand nicht alles ist
[...]
sagen, dass der Verstand nichts ist
Ich habe den Text nicht gelesen (keine Zeit, sry). Aber aus den Zitaten ziehe ich den Schluss, dass er sagen will, wozu der Verstand in der Lage ist und wozu nicht. Seine Aussage ist, dass der Verstand nicht in der Lage ist, sich über Emotionen hinwegzusetzen, was im allgemeinen Sprachgebrauch der Vernunft zugeschrieben wird. Nach Roth ist der Verstand lediglich eine Art Feinmechaniker-Werkzeugkasten, mit dem unser Gehirn Lösungen für Probleme bzw. Aufgaben findet, die unsere Gefühle in Auftrag geben und am Ende evaluieren und ggf. gutheißen.

Vollbreit hat geschrieben:
fopa hat geschrieben:Das was man "zielgerichtet" nennt, ist lediglich der Versuch eines Strebens in Richtung eines (lokalen) Optimums einer sich ständig verändernden Qualitätsfunktion. Das Prinzip der Evolution / Selektion wird dadurch nicht aufgehoben.
Es ist einer der Kernsätze der Evolutionstheoretiker die Ungerichtetheit der biol. Evolution zu betonen, gegen teleologische Disziplinen. Ich sehe nicht ein, dass das, wenn's dann passt, einfach mal kassiert wird.
Und wenn wir auf den Mond wollen oder ein sonst was, probieren wir nicht einfach so rum, sondern haben ein Ziel.
Verstehe nicht recht, was du meinst. Sicher haben wir ein Ziel, und wir können auch zielgerichtet handeln. Nur ist fraglich, erstens ob wir uns auch in Richtung unseres Ziels entwickeln und zweitens, ob wir am Ziel angelangt tatsächlich besser angepasst sind.

Vollbreit hat geschrieben:Das ist egal, die Evolutionkennt auch kein Optimum, nur aktuelle Anpassung, so heißt es.
Mathematisch gesprochen ist die Anpassung eine Selektion nach Anwendung einer Qualitätsfunktion. Diese Qualitätsfunktion besitzt selbstverständlich Extrema. (Maximum="Optimum").

Vollbreit hat geschrieben:Die Evolution naturalistischer Lesart schaut nicht auf Morgen, sondern passt sich dem aktuellen Status an. Wird es wärmer, wachsen hier Palmen, wird es kälter, wächst Fell, wer sich besser und schneller anpasst, gewinnt das Spiel, das war's. Ein Optimum erscheint da nie. Allein der Mensch kannnach einer besseren Welt streben.
Nein. Auch außerhalb des Menschen gibt es in der Natur zukunftorientiertes, also zielgerichtetes Handeln (Vorrathaltung von Eichhörnchen) - weil sich dieses Verhalten im Selektionsprozess bewährt hat. Ob sich unser "zielorientiertes" Denken und Handeln, das im Grunde auch bloß Stochern im Nebel ist, im zukünftigen Selektionsprozess bewähren wird oder nicht, können wir nicht wissen. Wir können nur mutmaßen und uns derart verhalten, dass wir uns davon den größten Vorteil versprechen.
Der Mensch ist mit seinem teleologischen Verhalten also in keiner Weise von der natürlichen Evolution abgekoppelt. Ob sein teleologisches Verhalten ihn zu einer besseren Anpassung führt, ist ungewiss.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Sa 11. Jan 2014, 18:45

ice hat geschrieben:Ja, im Grunde denke ich das. Der Determinismus ist für mich logisch und konsistent. Irgendwie paradox ist für mich dabei die Tatsache, dass wir uns als bewusste Wesen trotzdem frei und verantwortlich fühlen.
Kann ich sehr gut verstehen, weil ich lange Zeit auch gedacht habe, Freiheit und Determinismius schlössen einander aus.
Bleibt man konsequent dabei zu definieren, was Freiheit für einen selbst bedeutet (wobei die üblichen Fallstricke Willkür und Zufall heißen), für einen Kompatibilisten heißt es gemäß eigener Prämissen entscheiden zu können und frei von inneren und äußeren Zwängen zu sein (eine Definition, die man nicht teilen muss, man sollte hingegen angeben, was man swlbst unter Freihet versteht, wennman eine anderen Freiheitsbegriff bevorzugt).
Wenn ich weiß, dass ich nach meinen Prämissen entscheiden kann aber eine allwissendesWesen dennoch sagen könnte, wie ich mich entscheide, dann tut das intuitiv zwar weh, ist aber logsich widerspruchsfrei (da ich nicht allwissend bin und auf der Basis dessen, was mir möglich ist, sorgsam abwäge. Falls die Entscheidung wichtig ist).

ice hat geschrieben:Thomas Metzinger will, soweit ich ihn überhaupt verstehe, ganz allgemein verstehen, was das (Ich-)Bewusstsein genau ist und wie es funktioniert. Sein "Ego-Tunnel" ist ein plausibles allgemeines "Ich"-Konzept. Du meinst (d)ein spezielles, einzigartiges "Ich", das natürlich das wichtigere von den beiden ist. Ohne unserem intakten speziellen "Ich" sind wir, wie du richtig schreibst, nicht lebensfähig - ohne Kenntnis des "Ego-Tunnels" aber schon.
Ich glaube Du hast das was mich von Metzinger trennt exakt erfasst.
Ich glaube ihm sofort, dass er will, was Du beschreibst und dass er eben durch den Rekurs aufs Allgemeinste das Ich verfehlt.
Nicht die Regeln, die uns gemeinsam sind, machen ein Ich aus, sondern mindestens auch die Einzigartigkeiten von Dir und mir. Das, was man gerade nicht sieht ohne genau Dich oder mich zu meinen und zu kennen.
Metzingers Buch wird so richtig wie interessant sein, nur eben in ganz wesentlichen Teilen unvollständig und das ist keine Bagatelle. Es ist die Frage, ob in uns allen, die immer und allen gleichen Programme ablaufen und das allein beschreibt eigentlich wenig von dem, was uns ausmacht – und anmacht.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Sa 11. Jan 2014, 18:53

ujmp hat geschrieben:Wir haben gar keine Wahl, ob wir uns de Welt deterministisch erklären wollen oder nicht - was man u.a. daran sieht, dass es praktisch keine positiven alternative Modelle gibt (würde mich freuen, wenn mir jemand das Gegenteil belegt).
Ja, unser Denken zwingt uns es kausal zu tun, meinen viele.
Kann aber sein, dass der Stress der Befunde, die in kein einfaches Kausalitätsschema passen wollen, diesen Durchbruch erzwingt. Ist ein schwieriges Thema.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 11. Jan 2014, 18:58

fopa hat geschrieben:Bloß wäre es schön gewesen, wenn du zusätzlich deinen kompatibilistischen Freiheitsbegriff sauber definiert hättest. Das hat aber nun @Vollbreit getan. (Ich vermute, das entspricht auch deinen Vorstellungen.)

Ja, ich dachte, das wäre klar.

fopa hat geschrieben:Es macht auch in einer Diskussion wenig Sinn, Konzepte, die man selbst für unplausibel hält, für nicht-definierbar zu erklären. Das sind nämlich zwei unterschiedliche Eigenschaften.

Ja, und siehe unten.

fopa hat geschrieben:Zurück zum Freiheitsbegriff. Um von nun an Missverständnisse zu vermeiden, versuche ich einmal, zwei Freiheitsbegriffe zu definieren - egal, ob man glaubt, diese Freiheit existiere real oder nicht.
Def.: Mit Frht_a sei die Fähigkeit bezeichnet, unter identischen inneren und äußeren Umständen unterschiedliche Entscheidungen treffen zu können (PAP).
Satz: Frht_a ist gleichbedeutend mit der Fähigkeit, Entscheidungen (zumindest zu einem gewissen Grad) unabhängig von inneren und äußeren Umständen treffen zu können
Def.: Mit Frht_b sei eine Situation bezeichnet, in der die inneren und äußeren Umstände derart sind, dass eine Entscheidung oder eine Handlung den Wünschen, Bedürfnissen oder dem Bestreben der entscheidenden bzw. handelnden Person nicht zuwider läuft.

Ich hoffe, ihr seid mit diesen Definitionen einverstanden.

Ja, bloß ist mein Einwand hier immer noch, dass PAP entweder ein leeres Konzept ist, oder aber, wenn man es ausbuchstabiert, nicht plausibel wird, wieso PAP eine notwendige Vorsaussetzung für Freiheit sein soll. PAP kann nicht einfach bedeuten, dass eine Entscheidung (zufällig und/oder irrational) so oder so ausfällt, um PAP mit Inhalt zu füllen, daher wäre es notwendig zu zeigen, wie es denkbar ist, rationale Entscheidungen zu treffen, die so oder so ausfallen können, (falls man zustimmt, dass Freiheit nicht einfach auf Irrationalität hinauslaufen soll). Mit anderen Worten: 1. wie man sich die Rolle von Indeterminismus dabei vorstellen kann und 2. erklären zu können, inwiefern eine solche Rolle unverzichtbar für einen gehaltvollen Begriff von Freiheit ist.

Und um auch das vielleicht ein bisschen abzukürzen: einige (naturalistische) Inkompatibilisten stellen sich das ungefähr so vor, (ein anderes Modell von PAP ist mir bisher noch nicht untergekommen): Gegeben eine bestimmte Situation S, in der eine Person P eine Entscheidung trifft. Nun gäbe es in S diese möglichen Entscheidungen: E1, E2, ... (etc.). Nun gäbe es im Gehirn eine Art indeterminierten Zufallsgenerator, der aus der Menge der möglichen Alternativen eine zufällig herausgreife und diese dann an eine nachgordnete determinierte Entscheidungsinstanz übergäbe, die diese Alternative dann bewerte und ggf. umsetze oder aber eine neue Alternative vom Alternativengenerator anfordere und diese bewerte etc. Mit diesem Modell übergeht man zwar den Rationalitätseinwand, außerdem ist es möglich, dass sich in S unterschiedliche Entscheidungen ergeben, jedoch ist - zumindest mir - prima facie nicht einsichtig, wieso sich in diesem Modell eine höhere (oder gar erst eine "echte") Freiheit von P ergeben sollte, denn das sich dabei unterschiedliche Entscheidungen in S ergeben könnten, hängt rein vom Zufall ab, aber nicht von P.

Außerdem: da steckt mE eine unplausible metaphysische Annahme drin, die sich konkret so äußert: es sind problemlos zwei identische (prinzipiell ununterscheidbare) Welten denkbar, eine determinierte mit Pd und eine indeterminierte mit Pi, die in allen Situationen genau gleich denken, handeln und entscheiden. Sie unterschieden sich nur in der (nicht prüfbaren) Annahme, dass Pd einen determinierten Alternativengenerator im Gehirn hätte und Pi einen indeterminierten Alternativengenerator, der zufällig/indeterminiert diesselbe Alternativenfolge erzeugen würde, wie der in Pd's Hirn. Dann wäre Pd, obwohl mit Pi identisch, von Pd ununterscheidbar, unfrei und Pi frei. Was mich stört, denn Ununterscheidbares halte ich für identisch, es ist für mich schwer vorstellbar, wie gelten kann, dass Pd, obgleich mit Pi identisch, unfrei sei, aber Pi frei.

fopa hat geschrieben:Die logische Aussage ist lediglich, dass das Gefühl nicht den tatsächlichen Fall impliziert.

Darauf können wir uns einigen.

fopa hat geschrieben:In der Situation Frht_b ist das Gefühl, Entscheidungen treffen zu können, logisch identisch mit der Fähigkeit, Entscheidungen treffen zu können. Denn wenn wir uns zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht frei gefühlt haben, hat die Situation Frht_b nicht vorgeherrscht (A=>B). Anders herum (B=>A), gesetzt, Situation Frht_b herrschte zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vor, so können wir auch nicht das Gefühl einer freien Entscheidung gehabt haben.
Wenn du anderer Ansicht bist, möchte ich dich bitten, mit ein Gegenbeispiel aufzuzeigen, das diese Aussage widerlegt.

Aber ein Gegenbeispiel (gegen (B=>A) ) habe ich doch aber oben bereits gebracht, das Beispiel mit dem Hypnotiseur?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 11. Jan 2014, 19:10

Vollbreit hat geschrieben:Und damit sind wir im Grunde genau an der Stelle, auf die ich immer hinaus wollte: Gesetzt, der Mann ist hypnotisiert und irrt sich in der Annahme, es sei sein Wunsch gewesen, die Schuhe auf den Tisch zu stellen.

Das war eigentlich nur mein Punkt hier: es ist möglich, dass sich jemand irrt bezüglich seiner Annahme, seine Entscheidung sei wesentlich auf ihn selber zurückführbar, auf seinem Mist gewachsen, auch dann, wenn er selber das nicht einsehen will. Wie will man so etwas entscheiden, besonders in Grenzfällen? Naja, so wie man andere Fragen auch entscheidet, dabei kommt es aber nicht (nur) auf eine Mehrheitsmeinung, sondern auf Argumente an. Und Grenzfälle sind oft schwierig, viele unserer Begriffe sind unscharf, decken ein Kontinuum zwischen dem einen und dem anderen Extrempol ab.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon fopa » Sa 11. Jan 2014, 19:43

AgentProvocateur hat geschrieben:Ja, bloß ist mein Einwand hier immer noch, dass PAP entweder ein leeres Konzept ist, oder aber, wenn man es ausbuchstabiert, nicht plausibel wird, wieso PAP eine notwendige Vorsaussetzung für Freiheit sein soll.
Aber es ist doch nicht Aufgabe des Deterministen, den unplausiblen Freiheitsbegriff Frht_a (PAP) auszubuchstabieren und plausibel zu machen, wenn er ihn für unplausibel hält. Diese Aufgabe obliegt denjenigen, die diese Willensfreiheit behaupten. Der Determinist kann nur feststellen, dass der unplausible Freiheitsbegriff Frht_a (PAP) landläufig etabliert ist und versuchen, sich davon abzugrenzen, indem er behauptet, dieser Freiheitsbegriff sei mit dem Determinismus unvereinbar.

AgentProvocateur hat geschrieben:
fopa hat geschrieben:Anders herum (B=>A), gesetzt, Situation Frht_b herrschte zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vor, so können wir auch nicht das Gefühl einer freien Entscheidung gehabt haben.
Wenn du anderer Ansicht bist, möchte ich dich bitten, mit ein Gegenbeispiel aufzuzeigen, das diese Aussage widerlegt.
Aber ein Gegenbeispiel (gegen (B=>A) ) habe ich doch aber oben bereits gebracht, das Beispiel mit dem Hypnotiseur?
Ist das so? Waren irgendwelche inneren oder äußeren Umstände zum Zeitpunkt der Handlung des Hypnotisierten gegen dessen (momentane!) Wünsche oder Bedürfnisse gerichtet? Das lässt sich leider nicht objektiv nachprüfen.
Vollbreit hat geschrieben:Aber wichtiger: Wenn der aufrichtig denkt, dass es sein Wunsch ist und jeder der Zeugen des Experiments meint, er müsse sich irren, dann kann der das dennoch weiterhin fühlen und denken, die anderen wollten ihn veräppeln. Die Mehrheit würde sagen, dass der Mann sich irren muss, aber was besagt das schon?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 11. Jan 2014, 19:44

ujmp hat geschrieben:Worauf ich hinaus wollte war eigentlich, dass wir uns gar nichts anderes vorstellen können, als dass Dinge einen Grund haben. Oder anders gesagt: Wie denn sonst, wenn nicht determiniert?

Der Begriff "Grund" hat wohl einen Bedeutungswandel erfahren. Früher (z.B. zu Leipniz Zeiten) wurde "Grund" synonym zu "Ursache" verwendet, heute unterscheidet man wohl (oft) so: Ursache = kausales Ereignis, das eine Wirkung hervorruft, Grund = Beweggrund für Handlungen, (mit Beweggründen werden Handlungen erklärt). Allerdings ist der Begriff "Grund" sehr vielschichtig und kann durchaus immer noch synonym zu "Ursache" verwendet werden, das ergibt sich dann wohl aus dem Kontext.

Aus "alles hat einen Grund/eine Ursache" (Kausalität) folgt übrigens nicht Determinismus, dieser ist die weitergehende Annahme, dass jeder Weltzustand genau einen Nachfolger hat. Beispiel: nehmen wir an, aus A folge immer entweder B oder C. Das wäre dann kausal, aber nicht determiniert.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Sa 11. Jan 2014, 19:47

fopa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Mir ist nicht klar, was Roth überhaupt sagen will.
[...]
sagen, dass der Verstand nicht alles ist
[...]
sagen, dass der Verstand nichts ist
Ich habe den Text nicht gelesen (keine Zeit, sry). Aber aus den Zitaten ziehe ich den Schluss, dass er sagen will, wozu der Verstand in der Lage ist und wozu nicht. Seine Aussage ist, dass der Verstand nicht in der Lage ist, sich über Emotionen hinwegzusetzen, was im allgemeinen Sprachgebrauch der Vernunft zugeschrieben wird.
Ja, das könnte man so deuten.
Dagegen steht der ganze Freud, der genau da ansetzt, die (neurotisch verdrängte) Triebhaftigkeit, die genau deshalb neurotisch verdrängt ist, weil der Verstand die Triebe unterjocht und damit das tut, was er angeblich nicht kann, wieder freizulegen.
Wer Freud nicht mag, kann unter Affekt- oder Impulskontrolle dasselbe finden.
Keine Impulskontrolle zu haben, finden wir ziemlich daneben bis pathologisch und zu behaupten das gäbe es gar nicht macht einfach einsam.

fopa hat geschrieben:Nach Roth ist der Verstand lediglich eine Art Feinmechaniker-Werkzeugkasten, mit dem unser Gehirn Lösungen für Probleme bzw. Aufgaben findet, die unsere Gefühle in Auftrag geben und am Ende evaluieren und ggf. Gutheißen.
Ja, alles in allem großer Mist.
Wozu Schulen, Aufklärung, (Hirn)Forschung wenn wir doch nur nackte Affen sind?
Wer das glaubt, sollte manipulieren, nicht aufklären.

fopa hat geschrieben:Verstehe nicht recht, was du meinst. Sicher haben wir ein Ziel, und wir können auch zielgerichtet handeln. Nur ist fraglich, erstens ob wir uns auch in Richtung unseres Ziels entwickeln und zweitens, ob wir am Ziel angelangt tatsächlich besser angepasst sind.
Man kann für ein Radrennen trainieren mit dem Ziel es zu gewinnen und nicht mal unter die ersten 10 kommen, aber das heißt ja nciht, dass man das Ziel nicht hatte.
Und ein Ziel zu haben – was man sich selbst setzt – heißt ja nicht angepasst zu sein. Gut angepasst ist man im Hauptfeld, als Sieger ist man herausragend.

fopa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das ist egal, die Evolutionkennt auch kein Optimum, nur aktuelle Anpassung, so heißt es.
Mathematisch gesprochen ist die Anpassung eine Selektion nach Anwendung einer Qualitätsfunktion. Diese Qualitätsfunktion besitzt selbstverständlich Extrema. (Maximum="Optimum").
Anpassung ist im sozialen Kontext etwas, was man von negativen (oder als negativ empfundenen) Außenseitern verlangt. Ansonsten will doch niemand Stangenware haben.
Biologisch mag das sinnvoll sein, aber für Dich und mich heißt das erst mal gar nichts. Wenn Du heute noch lebst, bist Du angepasst genug.

fopa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Allein der Mensch kannnach einer besseren Welt streben.
Nein. Auch außerhalb des Menschen gibt es in der Natur zukunftorientiertes, also zielgerichtetes Handeln (Vorrathaltung von Eichhörnchen) - weil sich dieses Verhalten im Selektionsprozess bewährt hat.
Ja, aber das ist ein Automatismus wie der Nestbau oder das Spinnennetz. Die Zuschreibung, dass Edhörnchen, Vogel oder Spinne das tun, um ihre Gene weiterzugeben oder nicht zu verhungern sind Interpretation von uns, Spinnen wissen nicht mal, dass sie Gene haben.
Wenn dem Menschen die Vorräte verschimmeln, sucht er nach Ursachen dafür und versucht bewusst etwas zu ändern, bei der biologischen Evolution ist das viel ungerichteter, die Wesen sterben oder wenn sie zufällig durchkommen, machen sie im nächsten Jahr alles genauso. Natürlich gibt es auch hier graduelle Unterschiede, Tiere sind mitunter lernfähig, aber doch noch anders als wir.

fopa hat geschrieben:Ob sich unser "zielorientiertes" Denken und Handeln, das im Grunde auch bloß Stochern im Nebel ist, im zukünftigen Selektionsprozess bewähren wird oder nicht, können wir nicht wissen.
In die Zukunft schauen kann wohl keiner, aber wir sind ja nicht unwissend was unsere Geschichte angeht. Und ehrlich gesagt, haben wir das gar nicht schlecht gemacht.

fopa hat geschrieben:Wir können nur mutmaßen und uns derart verhalten, dass wir uns davon den größten Vorteil versprechen.
Nein, wir können auch einfach nett sein oder faul oder sonst was. Eine Stoßrichtung der neuen Kritik am Naturalismus besagt, dass diese ganzen “das tust du doch nur, weil du in Wirklichkeit dazu determiniert bist, den größten Gewinn aus allem zu ziehen” metaphysisch vollkommen aufwendig ist und insgesamt nicht sehr überzeugend.
Wir wollen und wir wissen manchmal was wir wollen. Das ist das Motiv. Den metaphysischen Rest kam man mit Ockhams Messer rasieren.
Auch aus der Spieltheorie kann man wieder aussteigen, wenn man denn meint überhaupt einsteigen zu müssen.

fopa hat geschrieben:Der Mensch ist mit seinem teleologischen Verhalten also in keiner Weise von der natürlichen Evolution abgekoppelt. Ob sein teleologisches Verhalten ihn zu einer besseren Anpassung führt, ist ungewiss.
Besser und schlechter kennt “die Evolution” nicht, auch das zu behaupten gehört zum Standardrepertoire der Evolutionsbiologen. Es seien, so heißt es, rein menschliche Erfindungen. Stimmt auch, so gesehen, als Kategorie, an der man sich orientieren sollte, ist das eine rein menschliche Zuschreibung.
Ich sehe Dich ja gar nicht als vernagelten Evolutionsbiologen (und nicht alle Evolutionsbiologen als vernagelt, im Gegenteil), aber wenn man konsistent bleibt, bleibt oft nicht viel über, ich will das nur verdeutlichen.
Zum Ausgleich werden dann so Mischargumentation eingesetzt, ein wenig Logik hier, etwas Statistik da, hier mal ein empirischer Befund, da ein Kausalzusammenhang und oft ist das ein ungenießbarer Einheitsbrei. Muss man nicht mögen.
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