stine hat geschrieben:Und bist du schon mal in einer Großstadt U-Bahn gefahren?
Hast du gesehen, WER sich wirklich fortpflanzt?
Ich fahre täglich in der Großstadt U-Bahn - nun, was ich geschrieben habe, ist die
Theorie der sexuellen Selektion, aber wenn es keine nennenswerte Selektion gibt, sammeln sich Mutationen an. Das bedeutet, dass in einer so verwöhnten Spezies wie der menschlichen, sich auch mal Mutanten fortpflanzen. Und je länger der dekadente Zustand aufrechterhalten wird, desto eher sieht man diese Mutanten.
Übrigens kenne ich aber auch das Kleinstadtleben und will die Großstadt diesbezüglich in Schutz nehmen: Die wahren inzestuösen Mutanten sieht man eher im Kaff, in der Großstadt sind die Menschen bei weitem attraktiver.
stine hat geschrieben:Ich denke, dass die meisten Menschen einfachheitshalber auf das Verfügbare zurückgreifen und das Ideal nur noch in ihrem Kopf haben. Und dadurch passiert sexuelle Selektion zugunsten des Durchschnitts.
Nein, sie entfällt einfach. Selektion bedeutet, dass selektiert wird - wenn genommen wird, was da ist, wird gar nicht selektiert. Der Zustand ist zwar noch nicht für die ganze Spezies erreicht, aber leider bereits bei vielen.
stine hat geschrieben: Es wird auch künftig Zahnspangen und Schönheitsoperationen geben und die Kinder werden sich in der Schule quälen müssen. Das Ideal ist zu weit von dem entfernt, was wirklich verfügbar ist. Heißt aber unterm Strich, dass die Theorie der sexuellen Selektion, die "Verbesserung" betreffend, eine Theorie bleiben wird.
Wieso "bleiben"? Sie ist bei jeder Spezies
Fakt, die Menschen haben nur viel Selektion umgehen können und leben langen genug, um sich zu paaren.
xander1 hat geschrieben:Solche Dauerangiftungen müssen ja kommen. Schließlich ist man hier in einem Internetforum. Ich habe gar nicht viel zur sexuellen Evolution geschrieben, sie nicht beschrieben, wieso sollte ich da das Prinzip nicht verstanden haben? Bzw. wie wolltest du das erkannt haben?
Wenn ich dich angegiftet hätte, hätte ich nicht diplomatisch "nicht ganz" geschrieben und insgesamt eine härtere Formulierung gefunden.
Mittlerweile bin ich in diesem Forum aber schon zufrieden, wenn biologische Phänomene als relevant für die Gesellschaft erkannt werden - und das hast du geleistet (hier ist das selten genug, weswegen du das schon fast als Lob betrachten kannst). Nein, angegiftet habe ich dich nicht.
xander1 hat geschrieben:Meine Frage zielt darauf ab, inwieweit mit welchen Parametern diese Theorie praktische Relevanz hat, bzw. wie viel Prozent erfolgreich ist das subjektive Schönheitsempfinden eines Menschen, bzw. noch verständlicher geschrieben: Wenn Durchschnitts-Person A Person B vom anderen Geschlecht 100% schön findet, wie viel Prozent sind im Durchschnitt (weil Durchschnittsperson) von diesen 100% auf den Fortpflanzungs- und Überlebensfaktor der zukünftigen Generationen relevant. Oder anders gefragt: Wie gut funktioniert die sexuelle Evolution bei dem durchschnittlichen Menschen?
Wie gesagt: Das Durchschnitts-Schönheitsempfinden ist deswegen Durchschnitt, weil es die meisten besitzen - richtig? Wieso besitzen es die meisten? Weil sie es geerbt haben - wieso haben sie es geerbt? Weil ihre Vorfahren es ihnen vererbt haben - wieso diese und keine anderen Präferenzen? Weil andere Präferenzen selektiert wurden und es nicht vorteilhaft ist, von Feuer sexuell angezogen zu werden (beispielsweise). Das bedeutet, dass das, was der Durchschnitt schön findet, Präferenzen sind, die auch mit Fitness korrelieren. Einen Spielraum gibt es aber natürlich immer, es werden also nie 100% von 100% sein. Das ist aber auch nachvollziehbar, da Selektion nur durch Diversität erfolgen kann - also durch das Vorhandensein einer Auswahl. Das bedeutet, auch wenn wohl der Durchschnitt lange Beine schön findet, wird es eine Variation im Kriterium der Haarfarbe geben (weil die Haarfarbe keinen Selektionsfaktor darstellt - blond ist weder vorteilhaft noch nachteilhaft, ebenso wie rot und brünett).
Diese statistischen Fragen sind aber keine, die ein Biologe zufriedenstellend beantworten kann. Analogie: Zuletzt wurde ich von einem Physiker gefragt, ob es eine lineare Beziehung zwischen Anzahl geänderter Nukleinsäuren und Schwere der Mutation gibt - kurz: nein.
Wieso? Weil eine Punktmutation allein schon bedeuten kann (wenn z.Bsp. nonsense), dass ein Protein zu kurz wird und eine ellenlange Insertion gar nichts verursachen kann. So verhält es sich auch mit Präferenzen: Mag sein, dass man jemanden schön findet, mag sein, dass die meisten Gründe dafür durchschnittlich sind - aber wie die Gewichtung liegt (zwischen "klug" und "blond"), ist unterschiedlich. Deswegen kann man der Theorie keine objektiven Zahlen zuordnen.
xander1 hat geschrieben:Weil ich denke mir: Angenommen man zeugt ein Kind mit einer 100% optimalen Frau, im subjektiven Maß optimal. Wäre nicht eine 90%ig optimale auch ok? Bringen die 10% mehr wirklich mehr?
Was steckt genau hinter dieser Frage? Stehst du selbst vor der Wahl, dich für eine Frau zu entscheiden, die dir nur zu 90% zusagt? Hat sie Makel, bei denen du hoffst, dass du jemanden findest, der sie nicht hat? Bei so einem Problem, wird dir die Biologie nicht helfen - tut sie bei mir auch nicht. Ich persönlich habe für mich entschieden, dass ich dann zufrieden bin, wenn auch objektive Makel für mich bedeutungslos sind. Mit anderen Worten: Subjektiv werden auch 99% nie gut genug sein. Manche geben sich trotzdem damit zufrieden und resignieren, werden faul, alt und suggerieren sich selbst, dass sie glücklich sind.
xander1 hat geschrieben: Ich vermute, dass es wenig Unterschied macht ob 90% oder 100%. (By the way - ich habe deinen Post gelesen, vielleicht verstehst du meine Frage nicht und denkst deshalb, dass ich die sexuelle Selektion nicht verstanden hätte.)
Das habe ich erwartet, da du offensichtlich doch Interesse für die Biologie zeigst. Mal sehen, ob ich deine Frage in deinem Sinne verstanden habe.
xander1 hat geschrieben:Das was du in deinem letzten Post geschrieben hast beschreibt Mechanismen, aber meine Frage des Themas zielt darauf ab, in welchen Relationen diese Mechanismen stattfinden, was hat einen wie großen Anteil in den Mechanismen und Zusammenhängen. Was ich bereits sagen kann, ist dass das heute wohl kein Schwein weiß, erst Recht nicht wissenschaftlich, weil man schätzen muss. Aber vielleicht gibts Studien aus dem Tierreich.
Du meinst, ob man Mäuse gefragt hat, ob sie einem längeren Schwanz eher Vorlieb genommen haben als einer spitzeren Nase? Nein, mir ist soetwas nicht bekannt, ich glaube auch nicht, dass man solche Studien jemals veranstaltet hat. Auch wenn unsere Präferenzen zum Großteil ererbt sind, spielen auch viele andere Sachen eine Rolle - und in welchem Verhältnis diese Präferenzen sind, ist auch eine individuelle Frage. Der Verstand ist ein dynamisches Konstrukt, da kann einer Präferenz kein Prozentsatz zugeordnet werden. Und manchmal verändern sich Präferenzen auch: Frauen bevorzugen (statistisch) eher männliche Typen (Machos) in ihrer Fruchtbaren Phase, während sie in unfruchtbaren und schwangeren Phasen eher nachgiebigere, treue Typen bevorzugen (Nestbauer).
Eine Rolle spielt auch der Drang: Ein etwas älteres (zugegeben) Triebmodell betrachtet die Triebe hydraulisch: Je weniger Triebbefriedigung erfolgt, desto weniger groß muss der eigentliche Reiz sein (mein Biologielehrer in der 6. hat es damals in etwa so ausgedrückt: "Wenn Druck auf der Leitung ist, knallst du auch eine alte Schabracke und bist zufrieden." - Anmerkung: Er war selbst ein alter, verheirateter Knacker), um eine Handlung zu provozieren.
Das System ist also dynamisch - selbst bei ein und derselben Person.
xander1 hat geschrieben:Ganz ohne Verstand gehts nicht, und deshalb ist die Menschliche Sexuelle Selektion auch nicht nur emotional getrieben.
Manche sehen das so, andere nicht. Eine Affinität zur Intelligenz kann aber auch emotional begründet sein - falls du das meinst.