Mal ganz vorsichtig möchte ich mich dann doch gegen die Suggestion wehren, als gehe die fehlende Motivation fürs schulische Lernen vor allem auf die Kappe der schlechten Lehrer. Wohl in keinem anderen Land der Erde genießen die Pädagogen einen derart schlechten Ruf, und es ist einfach zu bequem, wenn man als Schüler schon vorher weiß, dass man mäßige Resultate im Zweifelsfall auf unfähige Pauker schieben und dafür noch verständnisvolles Kopfnicken ernten kann.
Ein Schüler, der für ein Jahr in den USA war, hat mir die Augen für den feinen Unterschied geöffnet, der den Lehrer dort zum Freund und hier zum Feind der Schüler macht. Während hier manch obercooler Schüler nach dem Pausenende noch seelenruhig seine Zigarette zu Ende raucht, bevor er dann betont lahmarschig in die Klasse trabt und die Lehrkraft zu irgendeiner Ermessensreaktion zwingt, braucht sich sein amerikanische Kollege um derlei Geplänkel überhaupt nicht zu sorgen. Er notiert einen Strich, und nach dem dritten muss der betroffene Schüler automatisch den gesamten Halbjahreskurs wiederholen. Folge: Niemand kommt zu spät zum Unterricht!
Während jenseits des Atlantiks sabotagefreudige Schüler der Obhut eines social workers übergeben werden, haben deutsche Lehrer in Härtefällen überhaupt keine wirksamen Maßnahmen zur Verfügung. Gerade den emotional verwahrlosten Schülern kommt man mit "Verweisen" nicht bei, denn ihre Eltern kümmern sich in der Regel einen Scheiß oder wissen lange schon selbst nicht mehr weiter...
Einer Schule, die hierzulande auf strikte und bedingungslos einzuhaltende Regeln setzte, liefe die Kundschaft in Scharen davon (mit einem gewissen Recht, denn für die flankierende soziale Betreuung gibt's ja keine öffentlichen Mittel). Lehrer sollen gefälligst in jedem Einzelfall ihr pädagogisches Einfühlungsvermögen walten lassen; aber so geraten sie unweigerlich in die Rolle von Schüler-Kontrahenten. Wo nämlich keine klaren Grenzen existieren, werden sie täglich neu erforscht und ausgereizt.