Nanna hat geschrieben:Ich frage mich vor dem Hintergrund halt einfach, ob es hier überhaupt möglich ist, irgendetwas zu klären, oder ob man nicht ganz klar eingestehen muss, dass das hier über Dilettieren auf höchstwahrscheinlich dem physikalischen Forschungsstand und -verständnis nicht entsprechenden Grundlagen überhaupt zu etwas führen kann.
ujmp hat geschrieben:Was sagst du als Fachmann der Hermeneutik dazu?
AgentProvocateur hat geschrieben:Mein Verständnis der Quantenmechanik ist zwar extremst limitiert, aber soweit ich weiß, ist es nicht richtig, zu meinen, die Heisenbergsche Unschärferelation würde lediglich ein Messproblem und keine fundamentale Eigenschaft von Quantenphänomenen behandeln. Siehe auch Teilchen-Welle-Dualismus. (Jemand, der sich damit besser auskennt, möge mich gerne korrigieren.)
AgentProvocateur hat geschrieben:So, wie ich das verstehe, läuft das darauf hinaus, dass (zumindest viele) unsere(r) Konzepte aus dem Mesokosmos in der Quantenmechanik nicht anwendbar sind. Z.B., auf das Argument von Waismann bezogen: dass dort der Satz aus der Logik vom ausgeschlossenen Dritten nicht gilt.
Gandalf hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Mein Verständnis der Quantenmechanik ist zwar extremst limitiert, aber soweit ich weiß, ist es nicht richtig, zu meinen, die Heisenbergsche Unschärferelation würde lediglich ein Messproblem und keine fundamentale Eigenschaft von Quantenphänomenen behandeln. Siehe auch Teilchen-Welle-Dualismus. (Jemand, der sich damit besser auskennt, möge mich gerne korrigieren.)
Du liegst völlig richtig. Es ist ein Prinzip und kann weder durch rafffinierte Meßversuche, noch etwa theoretisch außer Kraft gesetzt werden
Friedrich Waismann hat geschrieben:Zu verkünden, jede Messung sei ungenau, heißt eine Banalität aussprechen. Die Tatsache, die von Heisenberg ans Licht gebracht wurde, geht in dessen viel tiefer: Nicht nur, dass es keine absolute Genauigkeit gibt – es existiert sogar eine endliche Genauigkeitsschranke und diese hängt von den experimentellen Gegebenheiten ab. Etwas genauer: Wenn ein Experiment vorgeschlagen wird, mit dem die Beweguung eines atomaren Teilchens durch Messung von Anfangslage und Anfangsgeschwindigkeit verfolgt werden soll, stellt sich jedesmal heraus, dass sich beide Messungen gegenseitig ausschließen.
(F. Waismann, Niedergang und Sturz der Kausalität, in ter Haar/Crombie, Wendepunkte in der Physik, Vieweg 1963, S.98)
Friedrich Waismann hat geschrieben:Der Fehler besteht dann darin, einem atomaren Objekt Eigenschaften wie Lage und Impuls unabhängig von der Beobachtung zuzuschreiben – als hafteten solche Eigenschaften dem Atom selbst an, gleichgültig, ob es beobachtet wird oder nicht. Sobald man diesen Standpunkt einnimmt, vermag man nicht einzusehen, dass phyiskalische Größen wie die eben genannten im Gegensatz zur herkömmlichen Physik nur insoweit Sinn haben, als die Eigenschaften, auf die sie sich beziehen, der experimentallen Beobachtung zugänglich sind. Sofern daher von der Lokalisierung oder der Geschwindigkeit eines Atoms die Rtede ist, dürfen wir die gesamte experimentelle Situation, der diese Größen entnommen sind nicht aus den Augen verlieren: Aus diesem Zusammenhang herausgelöst besitzen sie keine physikalische Bedeutung mehr.
(ebd. S.101f)
Friedrich Waismann hat geschrieben:Und das bedeutet, dass das Wirken der Kausalität auf dieser Eben eine Ende hat. Nicht, dass es dadurch zu einer Widerlegung des Kausalitätspirnzips im streng logischen Sinne käme. Vielmehr wird dem Laplaceschen Programm einfach der Boden entzogen, und zwar dadurch, dass sich die ihm zugrunde liegenden Voraussetzungen als unzutreffend erweisen: Der Zustand der Teilchen im Weltall lässt sich nicht einmal prinzipiell mit hinreichender Genauigkeit ermitteln. Kurz, was sich herausgestellt hat, ist dies: Das Gegenwärtige ist nicht erkennbar (wenigstens nicht vollständig), so dass sich aus den verfügbaren Daten keine zwingenden Schlüsse auf die Zukunft ziehen lassen. Ob man hiervon Sturz der Kausalität oder vom Ende des Substanzbegriffs sprechen will, ist reine Geschmackssache.
(ebd. S.103)
ujmp hat geschrieben:Gandalf hat geschrieben:Du liegst völlig richtig. Es ist ein Prinzip und kann weder durch rafffinierte Meßversuche, noch etwa theoretisch außer Kraft gesetzt werden
Du vermehrst nur den Nebel. Was heißt denn "es ist ein Prinzip"? Es ist eine physikalische Gegebenheit! - Genau so, wie man keine Temperatur unterhalb des absoluten Nullpunktes messen kann oder wie keine Geschwindigkeit schneller als Licht gemessen werden kann, weil es das eben nicht gibt!
Vollbreit hat geschrieben:Die Schlussfolgerungen sind:Friedrich Waismann hat geschrieben:Und das bedeutet, dass das Wirken der Kausalität auf dieser Eben eine Ende hat. Nicht, dass es dadurch zu einer Widerlegung des Kausalitätspirnzips im streng logischen Sinne käme. Vielmehr wird dem Laplaceschen Programm einfach der Boden entzogen, und zwar dadurch, dass sich die ihm zugrunde liegenden Voraussetzungen als unzutreffend erweisen: Der Zustand der Teilchen im Weltall lässt sich nicht einmal prinzipiell mit hinreichender Genauigkeit ermitteln. Kurz, was sich herausgestellt hat, ist dies: Das Gegenwärtige ist nicht erkennbar (wenigstens nicht vollständig), so dass sich aus den verfügbaren Daten keine zwingenden Schlüsse auf die Zukunft ziehen lassen. Ob man hiervon Sturz der Kausalität oder vom Ende des Substanzbegriffs sprechen will, ist reine Geschmackssache.
(ebd. S.103)
Vollbreit hat geschrieben:Die Quantenwelt ist vollkommen kontraintuitiv, so dass die betreffenden Fachleute zwar statistisch mit diesen Ereignissen rechnen können, aber sie verstehen auch nicht mehr als wir.
Vollbreit hat geschrieben:3) Gerade der Szientismus, mit seiner Objektivierungstendenz, wird hier ausgehebelt.
Vollbreit hat geschrieben: b) geht damit die Möglichkeit flöten, es könne ein deterministisches Universum geben.
Da klemme ich jetzt irgendwo zwischen Baum und Borke.AgentProvocateur hat geschrieben:Diesen Schlussfolgerungen kann ich nicht zustimmen. Waismann hat hier einen kleinen, aber mE wesentlichen Punkt unterschlagen: im Mesokosmos spielen Quanteneffekte so gut wie keine Rolle, (Stichwort: Dekohärenz). Daher müssen wir unsere Konzepte im Mesokosmos nicht aufgeben.
Das sehe ich auch so, es ist ja ganz offensichtlich der Fall, da nahezu alle unsere Erkenntnisse von quantenphysikalischen und Fragen der großen Geschwindigkeit oder maximalen Gravitation unbelastet sind.AgentProvocateur hat geschrieben:Die Konzepte "Welle", "Teilchen", "Substanz" und "Satz vom augeschlossenen Dritten" mögen zwar auf Quantenebene nicht sinnvoll anwendbar sein, aber das macht sie nicht auch für den Mesokosmos untauglich.
Ja, es passt halt alles nicht sonderlich gut zusammen, ist für sich aber brauchbar.AgentProvocateur hat geschrieben:Das wäre so, als wie wenn man sagen würde: Quantenmechanik und die Allgemeine Relativitätstheorie sind miteinander unvereinbar, also müssen wir die aufgeben, das ist deren Ende.
Das ist für mich schoin nachvollziehbar, wenn es um jenes genaue Bild geht, was Waissman ja anspricht. Es geht ja nicht darum, ob wir erkennen können ob dahinten ein Auto steht, das war nie Thema seines Aufsatzes.AgentProvocateur hat geschrieben:Wie er nun auf die starke Aussage "Das Gegenwärtige ist nicht erkennbar" kommt, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Doch, schon. Bis dahin kann man immer noch sagen, dies sei alles eine Frage der Zeit und der Technik.AgentProvocateur hat geschrieben:Dass jedoch das Gegenwärtige nicht vollständig erkennbar ist, scheint mir wiederum eine recht unstrittige Aussage zu sein. Und dass man keine zwingenden (ich nehme mal an, er meint: unfehlbare) Schlüsse auf die Zukunft ziehen kann, scheint mir auch recht trivial zu sein. Was aber nichts mit Quantenmechanik zu tun hat.
Kommt m.E. wieder stark darauf an, wie marginal oder gravierend man die Folgen findet. Können wir ja noch drüber reden.AgentProvocateur hat geschrieben:Es folgt nun weder ein "Sturz der Kausalität" noch das "Ende des Substanzbegriffes".
Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Die Quantenwelt ist vollkommen kontraintuitiv, so dass die betreffenden Fachleute zwar statistisch mit diesen Ereignissen rechnen können, aber sie verstehen auch nicht mehr als wir.
Intuition nicht dasselbe wie Verständnis und deshalb kann man natürlich etwas Kontraintuitives sehr wohl verstehen.
Weil man ja hier nicht viel weiter kommt. Man kann sich ausuchen, ob das seit 50 oder 100 Jahren nichts Entscheidendes mehr zugekommen ist, wenn nicht, möchte ich wenigstens erklärt haben, warum ich ein totaler Ignorant bin.Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:3) Gerade der Szientismus, mit seiner Objektivierungstendenz, wird hier ausgehebelt.
Wieso grade das Programm, dass "mit seiner Objektivierungstendenz" diese Dinge herausgefunden hat "hier ausgehebelt" wird ist mir unklar.
Doch, im Grunde bedeutet es genau das.ujmp hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben: b) geht damit die Möglichkeit flöten, es könne ein deterministisches Universum geben.
Indeterministisch bedeutet aber nicht regellos, das kannst du dir wieder abschminken wenn du das denkst.
Ja, ich weiß.ujmp hat geschrieben:Quantenmechanische Objekte verhalten sich statistisch ziemlich vorhersehbar, und zwar objektiv.
Schon klar, spannender wäre zu wissen, wann genau der Apfel vom Baum fällt und welcher. Da geht es dann schon mehr in die Feinheiten.ujmp hat geschrieben:Die klassische Mechanik erlaubt gerade wegen dieser statistischen Verlässlichkeit so exakte Vorhersagen und beweist sie dadurch. Wenn du beobachtest, wie ein Apfel vom Baum fällt, ist es komplett unerheblich, was das Elektron Erwin grad in ihm treibt, weil es nur eines unter Milliarden ist.
Vollbreit hat geschrieben:Doch, im Grunde bedeutet es genau das.ujmp hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben: b) geht damit die Möglichkeit flöten, es könne ein deterministisches Universum geben.
Indeterministisch bedeutet aber nicht regellos, das kannst du dir wieder abschminken wenn du das denkst.
Was ist denn geregelt und indeterminiert?
ujmp hat geschrieben:Du vermehrst nur den Nebel. Was heißt denn "es ist ein Prinzip"? Es ist eine physikalische Gegebenheit! - Genau so, wie man keine Temperatur unterhalb des absoluten Nullpunktes messen kann oder wie keine Geschwindigkeit schneller als Licht gemessen werden kann, weil es das eben nicht gibt!
Vollbreit hat geschrieben:1) Auch Quantenphysiker wissen nicht, wovon sie reden.
Die Quantenwelt ist vollkommen kontraintuitiv, so dass die betreffenden Fachleute zwar statistisch mit diesen Ereignissen rechnen können, aber sie verstehen auch nicht mehr als wir.
Vollbreit hat geschrieben:2) Dieses Gebiet ist m.E. so wichtig, dass man es – auch in einigen Bereichen des philosophsicen Diskurses – nicht ignorieren kann.
Vollbreit hat geschrieben:3) Gerade der Szientismus, mit seiner Objektivierungstendenz, wird hier ausgehebelt.
Vollbreit hat geschrieben:a) wird einem Laplaceschen Programm der Boden entzogen
Vollbreit hat geschrieben:b) wird dem Reduktionismus auf eine physikalistische Letztausdeutung hin der Boden entzogen.
Vollbreit hat geschrieben:Dass der weitere konsequente Reduktionsschritt auf die Ebene der Quantenphysik dann verweigert wird, liegt m.E. daran, dass er nicht mehr ins erwartete ideologische Muster passt. Man kann es drehen und weden wie man will, auf dieser Ebene ist es mit der Exaktheit vorbei.
Vollbreit hat geschrieben:Andererseits ist es m.E. eine Konsequenz der Willensfreiheitsdiskussion, dass der Determinismus den freien Willen nicht nur nicht verhindert, sondern im Gegenteil sogar erst ermöglicht. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist das auch Deine Position, meine ist es jedenfalls. Unklar ist mir, wieweit Deiner Meinung nach der Determinismus reichen muss, damit ein freier Wille ermöglicht ist. Muss er total sein, oder reicht auch ein weitreichender Determinismus.
Wie gesagt, es geht nicht um die Frage, ob Willkür oder Zufall den freien Willen ermöglichen, sondern darum, inwieweit der von uns beiden als möglich angenommen freie Wille durch eine geringen Indeterminismus verhindert würde.
Denn ein totaler Determinismus ist bei dieser Darstellung tatsächlich in Gefahr. Er mag über Statistik wieder gerade gebogen werden, aber hier wird es doch insgesamt brisant.
Vollbreit hat geschrieben:Das ist für mich schoin nachvollziehbar, wenn es um jenes genaue Bild geht, was Waissman ja anspricht. Es geht ja nicht darum, ob wir erkennen können ob dahinten ein Auto steht, das war nie Thema seines Aufsatzes.AgentProvocateur hat geschrieben:Wie er nun auf die starke Aussage "Das Gegenwärtige ist nicht erkennbar" kommt, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Vollbreit hat geschrieben:Drewermann hat die Kausalität an anderer Stelle, am Beispiel von Skinners Tauben, auch mal als bessere Gewohnheit kritisiert, selbstwidersprüchlich fand ich daran, dass ja auch dies wieder ein Argument war, was – wie anders, wenn nicht mit guten Gründen und also kausal? – überzeugen wollte.
Schön formuliert und alles weitere finde ich auch.Gandalf hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:b) wird dem Reduktionismus auf eine physikalistische Letztausdeutung hin der Boden entzogen.
Das ist richtig. Quantensysteme sind nicht das Ergebnis der 'Summe' ihrer Teilchen, sondern das 'Produkt' ihrer Beziehungen. Das sollte uns aber nicht daran hindern einem universellen Wirklichkeitssimulator zu konstruieren, der Produkte (Wirklichkeiten) simulieren können sollte. Was die Möglichkeit mit einschließt, das wir bereits in einem solchen leben.
Im Sinne, wie oben, für mich ist ein wesentlicher Bestandteil des Szientismus die Behauptung man könne alles auf die Ebene der Physik reduzieren.Gandalf hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:3) Gerade der Szientismus, mit seiner Objektivierungstendenz, wird hier ausgehebelt.
Inwiefern?
Und für sie darf es ja auch egal sein.Gandalf hat geschrieben:Man muss keine Astrophysik studiert haben, um zu begreifen, das es einen Unterschied im Weltbild macht, ob man annimmt das die Sonne um die Erde kreist oder umgekehrt (was für den Bauern oder einen Ingenieur regelmäßig "wurscht" ist)
Ich hab gerade keinen da, aber ich achte demnächst mal drauf.Gandalf hat geschrieben:Nimm einen 50 Euro Schein her, kippe ihn vor Deinen Augen hin und her während Du auf den "silbernen Aufkleber" rechts schaust. Was siehst Du? Welche Analogien fallen Dir dazu ein?
Was soll das denn heißen, dass das Turing-Prinzip universell angewendet werden kann?Gandalf hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:a) wird einem Laplaceschen Programm der Boden entzogen
Es ist (noch) strittig ob das Turing-Prinzip universell angewendet werden kann. Roger Penrose sagt nein. David Deutsch sagt ja (Ich endiere zu Letzterem)
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