Biology Talk

Re: biology talk

Beitragvon Julia » Mo 14. Jan 2013, 02:57

Die Physik hat auch keinen NC, in der Regel, dafür liegt die Abbrecherquote bei 70%. :erschreckt:
Ich weiß ja nicht ob das bei euch auch so ist, aber uns hat man während des Studiums die ganze Zeit erzählt wir wären die Elite des Landes, als Physiker_innen sowieso und als Physikstudent_innen an einer Eliteuni erst recht. Man darf diesen Unsinn nur nicht glauben. Wir haben schon angefangen zu lachen, wenn jemand nur das Wort Elite in den Mund genommen hat und das war denke ich die Beste Art damit umzugehen.
Ich nehme es auch nicht persönlich wenn du gegen Biolog_innen wetterst, bin ja keine. :mg:
Zudem scheinst du sehr zu Pauschalurteilen zu neigen und ich halte deine Einschätzung daher für nicht sonderlich fundiert. Ich denke auch, dass du dir diese Arroganz noch nicht verdient hast und dass sie dir auch im Weg stehen wird. Arrogante Wissenschaftler_innen sind in der Regel nicht die Besten, sondern nur die Arrogantesten. Wer wirklich gut ist, kann sich die Arroganz nämlich sparen.
Benutzeravatar
Julia
 
Beiträge: 860
Registriert: Di 24. Feb 2009, 10:57

Re: biology talk

Beitragvon mat-in » Mo 14. Jan 2013, 17:23

Also mein Gefühl - nachdem ich 4 Unis von innen im Betrieb gesehen habe, zwei davon im Ausland - und mit vielen anderen Studierenden (BuFaTa und ZeFaR Vernetzung) geredet habe ist, daß an "Elite"-unis die Forschung top ist, ggf. die Materialausstattung der Praktika besser aber bei den allermeisten Professoren die Studenten sowas wie ein Störfaktor beim forschen sind...
Bin früher gerne in die Erstivorlesung für die WiWi's gegangen, weil da nach einleitendem Spiel auf dem Flügel die Studis vom Dekan erzählt bekamen, daß sie einen harten Weg vor sich haben, es nicht alle schaffen werden, aber sie dann DIE Führungselite Deutschlands sein werden. Wir wurden fast jedes Jahr - weil wir zu laut gelacht haben - rausgeworfen, aber es war jedes Jahr aufs neue lustig.
Also ja: das scheint so üblich zu sein mit dem "ihr seid die Elite". Was die Arroganz angeht bringt das beim Einwerben von Mitteln durchaus weiter, leider.
Benutzeravatar
mat-in
 
Beiträge: 1953
Registriert: Di 14. Sep 2010, 12:39

Re: biology talk

Beitragvon Julia » Mo 14. Jan 2013, 20:26

Ich sage auch nichts gegen das "Sich-verkaufen-können", das kann sicherlich hilfreich sein, die frage ist nur ob man der Selbstdarstellung dann selber auch glaubt. Wenigsten zu sich selbst sollte man doch ehrlich sein können. Ich glaube, dass Arroganz einfach das Urteilsvermögen trübt. Wenn ich mich selbst für die Schlaueste halte höre ich auf anderen zuzuhören, weil ich ja eh alles besser weiß. Auf die Art entgeht einem dann einiges an Einsicht und man verbaut sich Möglichkeiten. Ich kenne da einige, die haben schon lange das Nachdenken aufgehört weil sie meinen jeder ihrer Einfälle ist einen Nobelpreis wert. Irgendwann geraten diese Leute aber an eine Person, die sich wirklich auskennt und dann wird es haarig. Schon oft genug live erlebt und insgeheim genossen.
Benutzeravatar
Julia
 
Beiträge: 860
Registriert: Di 24. Feb 2009, 10:57

Re: biology talk

Beitragvon mat-in » Di 15. Jan 2013, 15:02

Kann man denn ohne eine solche Persönlichkeit Professor werden? Man muß doch davon auch überzeugt sein...
Benutzeravatar
mat-in
 
Beiträge: 1953
Registriert: Di 14. Sep 2010, 12:39

Re: biology talk

Beitragvon Julia » Di 15. Jan 2013, 16:24

Ich denke schon. Ich kenne viele sehr unarrogante Professor_innen.
Dazu passend ist mir neulich bei der Teilnehmerliste einer Konferenz aufgefallen, dass zwar die meisten frisch gebackene PhDs den Titel PhD im Namen angegeben haben, die großen Professor_innen dagegen oft nur Vor- und Nachnamen angegeben haben. Das war jetzt eine kleine Stichprobe, aber ich werde das weiter verfolgen.
Benutzeravatar
Julia
 
Beiträge: 860
Registriert: Di 24. Feb 2009, 10:57

Re: biology talk

Beitragvon stine » Mi 16. Jan 2013, 09:09

OT:
Hi @Julia, bist du mit dem Münchner Bürgermeister Ude verwandt?
Ich kenne sonst niemanden, der den Zusatz "_innen" im täglichen Sprachgebrauch so konsequent benutzt, wie er.
Das wirkt schon manchmal eher komisch. Heutzutage, wo alle Berufsgruppen mit Menschen beiderlei (oder muss ich sagen mit Menschen vielerlei?) Geschlechts besetzt werden können, genügt mE die Nennung des Berufs, ohne den Zusatz auf das weibliche Geschlecht.
Es könnten sich sonst ein paar Exoten ausgeschlossen fühlen.

:wink: stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: biology talk

Beitragvon Julia » Mi 16. Jan 2013, 14:03

@stine: Der Gender Gap "_" schließt auch andere Geschlechtlichkeiten mit ein, keine Sorge!
Wikipedia hat geschrieben:Sie wird bei Wörtern eingefügt, welche ungewollte (Falsch-)Informationen über das soziale Geschlecht (Gender) enthalten können (beispielsweise Lehrer_innen). Es ist eine aus dem Bereich der Queer-Theorie stammende Variante des Binnen-I. Der Gender Gap soll ein Mittel der sprachlichen Darstellung aller sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten, auch jener abseits der gesellschaftlich hegemonialen Zweigeschlechtlichkeit sein. In der deutschen Sprache wäre dies sonst nur durch Umschreibungen möglich. Die Intention ist, durch den Zwischenraum einen Hinweis auf diejenigen Menschen zu geben, welche nicht in das ausschließliche Frau/Mann-Schema hineinpassen oder nicht hineinpassen wollen, wie Intersexuelle oder Transgender.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gender_Gap_(Linguistik)

stine hat geschrieben:Heutzutage, wo alle Berufsgruppen mit Menschen beiderlei (oder muss ich sagen mit Menschen vielerlei?) Geschlechts besetzt werden können, genügt mE die Nennung des Berufs, ohne den Zusatz auf das weibliche Geschlecht.

Studien haben gezeigt, dass dem nicht so ist, ich glaube da hatten wir schon eine Diskussion irgendwo hier im Forum.
Benutzeravatar
Julia
 
Beiträge: 860
Registriert: Di 24. Feb 2009, 10:57

Re: biology talk

Beitragvon mat-in » Mi 16. Jan 2013, 14:36

Muß es nicht Gap_innen lauten? wer sagt denn, daß die alle einen männlichen Gap haben :lachtot:
Benutzeravatar
mat-in
 
Beiträge: 1953
Registriert: Di 14. Sep 2010, 12:39

Re: biology talk

Beitragvon Julia » Mi 16. Jan 2013, 15:00

Hast du schon mal überlegt Komiker_in zu werden statt Wissenschaftler_in? Du hast ja offensichtlich großes Talent.
Benutzeravatar
Julia
 
Beiträge: 860
Registriert: Di 24. Feb 2009, 10:57

Re: biology talk

Beitragvon mat-in » Mi 16. Jan 2013, 18:33

Ich fürchte, dazu ist nicht ausreichend, daß nur ich über meine Witze lache... obwohl. Wenn der nächste auch drüber lacht, kann ich per Induktion beweisen, das alle lachen... *irre lacht*
Benutzeravatar
mat-in
 
Beiträge: 1953
Registriert: Di 14. Sep 2010, 12:39

Re: biology talk

Beitragvon fopa » Mi 16. Jan 2013, 19:55

Julia hat geschrieben:Hast du schon mal überlegt Komiker_in zu werden statt Wissenschaftler_in? Du hast ja offensichtlich großes Talent.
Hast DU es schon mal überlegt? Ich finde den sogenannten Gender-Gap auch ziemlich komisch. Bloß bleibt mir das Lachen irgendwie im Hals stecken - wie bei fast allen deutschen "Komikern".
Benutzeravatar
fopa
 
Beiträge: 283
Registriert: Fr 14. Dez 2012, 09:37

Re: biology talk

Beitragvon Julia » Mi 16. Jan 2013, 22:18

fopa hat geschrieben:Bloß bleibt mir das Lachen irgendwie im Hals stecken

Ja, da kann einem schon ganz schön mulmig werden, wenn Privilegien abgebaut werden sollen.
Benutzeravatar
Julia
 
Beiträge: 860
Registriert: Di 24. Feb 2009, 10:57

Re: biology talk

Beitragvon mat-in » Fr 18. Jan 2013, 18:36

Julia hat geschrieben:
fopa hat geschrieben:Bloß bleibt mir das Lachen irgendwie im Hals stecken

Ja, da kann einem schon ganz schön mulmig werden, wenn Privilegien abgebaut werden sollen.
Ich finde sowas hat seine Grenzen. Nicht da, wo ich mich persönlich in meiner "Authorität als Mann" :lachtot: getroffen fühle, sondern da wo es sinnlos wird, den Text kaputt und unleserlich_innen macht. Wir unterhalten uns nun mal in einem Sprachraum mit drei Geschlechter, und ich finde spätestens bei Mond_in hört es dann auf. Wer den/die/das Mond eine/n anderen_innen Geschlecht geben möchte kann ja die Sprache wechseln_innen.
Mag aber auch an den Geschicht_innen liegen, die ich so erlebt habe: Da stimmt man(n) in einem Uni-Gremium *für* die Einrichtung einer Frauenbibliothek, weil man der Argumentation folgt, daß Frauen einen Rückzugsraum brauchen um unbeläßtigt von männlichen Komilitonen die ständig anbaggern zu lernen und man dort Frauenliteratur hinstellen kann folgt. Dann schlägt man die Einrichtung einer Männerbibliothek vor, damit man dort unabgelenkt von kurzen Röcken im Sommer und angebaggert werden lernen kann und in die man Männerliteratur stellt. Und was bekommt man von genau diesen Frauen_innen zu hören? Beißenden Spott, daß Männer sowas nicht nötig haben und was man denn da für Literatur außer "einer Jahresausgabe irgend eines Tittenmagazins" hinstellen möchte, Männer lesen doch eh nichts ohne Bilder.

Wenn sich ein Geschlecht nicht angesprochen oder ausgeschlossen fühlt, man eine Berufsbezeichnung ändert, usw. finde ich das sogar gut. Aber sobald Texte unleserlich werden und man dann im Zuge der Antidiskriminierung nicht mal merkt, daß man selbst gerade diskriminiert vom feinsten und auf eine Art und Weise auf die man sicher selbst noch nie behandelt wurde... dann hörts auf. Der/die/dasjenige kann sich dann das "Gendering" in einen Gap seiner_innen Wahl stecken. :explodieren:
Benutzeravatar
mat-in
 
Beiträge: 1953
Registriert: Di 14. Sep 2010, 12:39

Re: biology talk

Beitragvon Julia » Fr 18. Jan 2013, 20:01

Jörg von Scienceblogs hat hier mal ein paar Studien verlinkt, da war glaube ich auch eine erwähnt, die sich mit dem Leseverstehen beschäftigt hat.
http://scienceblogs.de/diaxs-rake/2010/ ... r-sprache/

Und ja, auch Frauen können sexistisch sein, es ist eine Fehlannahme dass Sexismus etwas wäre, dass nur von Männern ausgeht, das glauben aber oft genau die, welche auch Feminismus als einen Kampf von Frauen gegen Männer interpretieren, irgendwie kommen die aus diesem Lagerdenken einfach nicht raus. :kopfwand:
Dabei gibt es viele Männer, die deutlich feministischer sind als Stine zum Beispiel.
Benutzeravatar
Julia
 
Beiträge: 860
Registriert: Di 24. Feb 2009, 10:57

Re: biology talk

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 18. Jan 2013, 20:54

Julia hat geschrieben:Jörg von Scienceblogs hat hier mal ein paar Studien verlinkt, da war glaube ich auch eine erwähnt, die sich mit dem Leseverstehen beschäftigt hat.
http://scienceblogs.de/diaxs-rake/2010/ ... r-sprache/

Aber diese Studien beziehen sich zum Großteil auf Stellenausschreibungen. Wiewohl ich weder dem Binnen-I noch dem Gender-Gap (_) etwas angewinnen kann, den das halte ich weder für irgendwie hilfreich, noch für verständnisfördernd und für ein falsches Verständnis darüber, wie mE Sprache funktioniert, (der Unterschied zwischen Genus und Sexus wird dabei nicht berücksichtigt), würde ich bei Stellenausschreibungen eine Ausnahme machen wollen. (Z.B: Professor [m/w]).

Meiner Ansicht nach funktioniert Sprache so: "Student" ist eine generische Bezeichung sowohl für Studentinnen als auch für männliche Studenten, d.h. geschlechtsneutral - auf das biologische/soziale Geschlecht bezogen. Wiewohl das grammatikalische Geschlecht (Genus) "männlich" ist. "Studentin" ist eine Bezeichnung für einen weiblichen Studenten. Eine analoge Bezeichnung für einen männlichen Studenten gibt es nicht, hier muss man explizit die Eigenschaft "männlich" hinzufügen, wenn man eine Information über das biologische/soziale Geschlecht mitliefern möchte.

Der Plural "die Studenten" ist gleichfalls (biologisch/sozial) geschlechtsneutral, wiewohl der Plural im Deutschen immer grammatikalisch weiblich ist.

Mir will nicht recht einleuchten, warum hier jeweils das biologische/soziale Geschlecht hervorgehoben/genannt werden woll. Es gibt viele Situationen, in denen das einfach egal ist.

Meiner persönlichen Erfahrung nach (wohlgemerkt: nur anekdotische Evidenz) gibt es hier übrigens einen kulturellen Unterschied zwischen Ex-Westdeutschland und Ex-Ostdeutschland. Eine westdeutsch sozialisierte Frau würde demnach, wenn man sie nach ihrem Beruf fragt, nicht sagen: "ich bin Arzt, (Ingenieur etc.)", sondern: "ich bin Ärztin, (Ingenieurin etc.)". Eine ostdeutsch sozialisierte Frau sagt jedoch oft: "ich bin Arzt, (Ingenieur etc.)".

Zusammengefasst: die sogenannte geschlechtsneutrale Sprache ist mE unnötig, denn das biologische/soziale Geschlecht ist oft einfach nur unwichtig, Generika sind mE schon geschlechtsneutral und macht Sprache mE auch unnötig kompliziert.

Nehmen wir mal an, wir wollten fragen: "wer ist der beste Arzt im Krankenhaus X?" Meiner Ansicht nach ist diese Frage nicht geschlechtsspezifisch, daher könnte die Antwort mE problemlos z.B. "Frau Schmidt" lauten. Wenn man aber in dieser Frage "Arzt" nicht als generisch ansieht, sondern als ausschließlich auf das (biologisch/sozial) männliche Geschlecht bezogen, wie könnte man dann diese Frage formulieren, so dass sie nicht zu kompliziert wird und verständlich bleibt?
Benutzeravatar
AgentProvocateur
 
Beiträge: 731
Registriert: Di 13. Nov 2007, 01:46

Re: biology talk

Beitragvon Julia » Fr 18. Jan 2013, 21:53

AgentProvocateur hat geschrieben:Wiewohl ich weder dem Binnen-I noch dem Gender-Gap (_) etwas angewinnen kann, den das halte ich weder für irgendwie hilfreich, noch für verständnisfördernd und für ein falsches Verständnis darüber, wie mE Sprache funktioniert, (der Unterschied zwischen Genus und Sexus wird dabei nicht berücksichtigt), würde ich bei Stellenausschreibungen eine Ausnahme machen wollen. (Z.B: Professor [m/w]).

"Nicht berücksichtigt" ist falsch, würde ich sagen, es wird gezeigt, dass trotz aller Behauptungen, derart wie du sie in deinem Post gemacht hast, die Wahrnehmung der Menschen eben eine andere ist.
Es geht weniger darum, wie Sprache funktioniert, sondern wie Menschen funktionieren.
Ein paar Beispiele aus dem Post von Jörg:
Schneider und Hacker ließen 1973 für “Sex-role imagery and use of the generic man.” 306 Soziologie-Studenten Photographien aus Magazinen einschicken, die für ein Buch als Illustrationen für Kapitel wie “Culture”, “Population”, “Race and Minority Groups” oder “Social Theory” dienen sollten. Eine andere Gruppe erhielt Titel wie “Social Man”, “Industrial Man” oder “Urban Man”. 64% der letzten Gruppe schickten Photos mit Männern ein, während nur 50% der ersten Gruppe dies taten. Das ist jetzt auf deutsch etwas schlecht zu übersetzen, da “Man” in der zweiten Gruppe hier eben (angeblich) statt “Mensch” stehen sollte.

Eine ähnliche Studie führte Linda Harrison durch, die Schüler Bilder malen ließ zu Begriffen, die wie im obigen Sinn “man” enthielten, oder stattdessen “human” oder “person”; oder aber explizit “men and women” oder “they”. Im Fall eins malten männliche wie weibliche Schüler deutlich mehr Männerfiguren.

Pincus und Pincus ließen 104 SchülerInnen und LehrerInnen Statements vorlesen die männliche Konstruktionen beinhalteten (“Our forefathers believed in religious freedom.”). In der Diskussion ergab sich, dass diese unabhängig vom Alter als sich auf Männer beziehend empfunden wurden.

Moulton, Robinson und Elias ließen ihre KandidatInnen kurze Erzählungen zu Personen schreiben, über die in vorgelegten Sätzen etwas ausgesagt wurde. Entweder war in diesem Satz ein (his) oder ein neutrales Pronomen. Im Falle des (his) hätte dieses aber auch als neutrales Pronomen verstanden werden sollen, also wie in “A starting student will feel lonely in (his) starting courses.”. Trotzdem schrieben die meisten hier über männliche Studenten.


Ich habe dazu auch mal deutsche Studien ausgegraben:
In der feministischen Linguistik wird angenommen, daß maskuline Bezeichnungen, die generisch benutzt werden (Bezeichnungen von Personen beiderlei Geschlechts durch die maskuline Form, wie z.B. die Wissenschaftler, die Studenten), weibliche Personen weniger vorstellbar oder sichtbar machen als männliche Personen. Verschiedene experimentelle Untersuchungen konnten diese Annahme für den englischen Sprachraum bestätigen. Für die deutsche Sprache existieren dagegen bislang sehr wenige Studien zu dieser Frage. Es werden vier Experimente vorgestellt, die untersuchen, ob unterschiedliche Sprachversionen - ,Beidnennung‘ (Studentinnen und Studenten), ,Neutral‘ (Studierende), ,Generisches Maskulinum‘ (Studenten) und “Großes I“ (StudentInnen) - den gedanklichen Einbezug von Frauen beeinflussen. Über alle Experimente hinweg zeigte sich, daß bei Personenreferenzen im generischen Maskulinum ein geringerer gedanklicher Einbezug von Frauen zu beobachten war als bei alternativen Sprachformen wie der Beidnennung oder dem “Großen I“ (z.B. seltenere Nennungen von beliebten weiblichen Persönlichkeiten oder von politischen Kandidatinnen für das Amt des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin der BRD).

Quelle: Psychologische Rundschau, 2001, Jg. 52, Nr. 3, S.131-140
Benutzeravatar
Julia
 
Beiträge: 860
Registriert: Di 24. Feb 2009, 10:57

Re: biology talk

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 18. Jan 2013, 22:23

Julia hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wiewohl ich weder dem Binnen-I noch dem Gender-Gap (_) etwas angewinnen kann, den das halte ich weder für irgendwie hilfreich, noch für verständnisfördernd und für ein falsches Verständnis darüber, wie mE Sprache funktioniert, (der Unterschied zwischen Genus und Sexus wird dabei nicht berücksichtigt), würde ich bei Stellenausschreibungen eine Ausnahme machen wollen. (Z.B: Professor [m/w]).

"Nicht berücksichtigt" ist falsch, würde ich sagen, es wird gezeigt, dass trotz aller Behauptungen, derart wie du sie in deinem Post gemacht hast, die Wahrnehmung der Menschen eben eine andere ist.
Es geht weniger darum, wie Sprache funktioniert, sondern wie Menschen funktionieren.

Ja, in Ordnung. Aber man muss auch die Frage stellen: warum funktionieren Menschen so?

Meine Vermutung (!) ist erst mal folgende: das liegt mE auch zu einem großen Teil daran, dass es bisher große feministische Bemühungen zur "sprachlichen Gleichstellung der Geschlechter" gab. Aber die Frage für mich wäre dann die, ob das überhaupt prima facie ein sinnvolles Anliegen ist.

Bitte verstehe mich nicht falsch. Es geht mir nicht darum, irgendwas offensiv gegen Dich vertreten zu wollen, Dich und/oder Deine Meinung unfair angreifen zu wollen oder gar den Feminismus an sich diskreditieren zu wollen, es geht mir nicht um ein schwarz-weiß-Denken oder um ein Gruppendenken oder so.

Aber ich meine, die Frage, ob es tatsächlich sinnvoll ist, in der Alltagssprache möglichst nach biologischem/sozialem Geschlecht zu unterscheiden, sollte erst mal beantwortet werden, das ist mE eine sinnvolle Frage. Ich meine nun, dass das eigentlich nicht sinnvoll ist, es ist mE z.B. völlig egal, ob der beste Arzt im Krankenhaus X eine Frau oder ein Mann ist, (ebenso, wie es auch egal ist, ob der blaue Augen oder eine dunkle Haut- oder Haarfarbe oder eine Sehschwäche/Brille hat), ich wüsste auch nicht, wofür das eine Bedeutung haben sollte, wieso man das biologische/soziale Geschlecht besonders hervorheben sollte.

Die empirischen Untersuchungen dazu sind in diesem Falle leider auch nicht besonders hilfreich. Die Frage wäre mE erst mal, worauf man hinauswill, welches Ziel man hat. Wenn man, so wie ich, meint, dass es schlicht keine Rolle spielt, welches biologische/soziale Geschlecht die Person X hat, dann gibt es auch keinen Grund mehr, dieses biologische/soziale Geschlecht sprachlich besonders hervorheben/betonen zu wollen.
Benutzeravatar
AgentProvocateur
 
Beiträge: 731
Registriert: Di 13. Nov 2007, 01:46

Re: biology talk

Beitragvon Nanna » Fr 18. Jan 2013, 22:50

Das ist auch mein Problem mit dem Binnen-I oder der Anrede als "Studentinnen und Studenten", dass nämlich dadurch dauernd die Botschaft reproduziert wird, dass es zwei Geschlechter gibt und diese so verschiedene Eigenschaften nach sich ziehen, dass zwanghaft zwischen beiden unterschieden werden muss. Die Frage ist, ob man dadurch die Spaltung zwischen den Geschlechtern nicht eher noch verstärkt und Rollenbilder vertieft (zeigt sich auch daran, dass Transsexuelle und ähnlich zwischen den Geschlechtern Hängende sich in schöner Regelmäßigkeit darüber beklagen, nicht mit eingeschlossen zu sein). Mit dem Terminus "Studierende" bin ich sprachlich absolut unzufrieden, aber zumindest ist es eine geschlechtsneutrale Kollektivbezeichnung, die den Status von "Menschen die studieren" und nicht "Männer, die studieren, und Frauen, die studieren" hervorhebt. Nur geht das halt nicht überall. Was soll man zu Ärzten oder Politikern sagen?
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: biology talk

Beitragvon Julia » Sa 19. Jan 2013, 09:27

Nanna hat geschrieben:Das ist auch mein Problem mit dem Binnen-I oder der Anrede als "Studentinnen und Studenten", dass nämlich dadurch dauernd die Botschaft reproduziert wird, dass es zwei Geschlechter gibt

Ich verstehe das Argument, allerdings ist die Botschaft, dass es mehr als nur ein Geschlecht gibt, welches eben oft nicht als neutral aufgefasst wird, schon ein Fortschritt, würde ich sagen. Wenn ich von Wissenschaftler_innen spreche, dann empfinde ich das nicht als trennend, in dem Sinn, dass ein männlich definierter Wissenschaftler etwas anderes ist als ein weiblich definierter, sondern ich weiße darauf hin, dass auch nicht-männliche Wissenschaftler_innen gemeint sind und mache sie damit sichtbar. Ich denke das bewirkt etwas in den Köpfen.

Auch neutrale Begriffe haben oft einen Bias: das Kind, die Person oder der Mensch sind auch eher männlich. Formale Neutralität garantiert nicht, dass es keine stereotypen Assoziationen gibt, übrigens auch in die andere Richtung, das würde für Sichtbarmachung statt Neutralisierung sprechen.

Das fand ich auch interessant:
Verständlichkeit und Lesbarkeit. Wie steht es nun mit der angeblich schlechteren Verständlichkeit von geschlechtsneutralen oder geschlechtergerechten Formulierungen im Vergleich zum „generischen Maskulinum“? Auch zur Beantwortung dieser Frage gibt es eine Reihe von Studien, von denen ich stellvertretend eine auswähle, die methodisch sehr sorgfältig ist. Braun et al. (2007) ließen drei Gruppen von Versuchspersonen drei verschiedene Versionen einer Packungsbeilage für ein Medikament lesen: die erste verwendete das „generische Maskulinum“ (z.B. Diabetiker, Patienten), die zweite neutrale Formen oder Beidnennungen (Personen, Diabetikerinnen und Diabetiker) und die dritte das Binnen-I (DiabetikerInnen, PatientInnen). In jeder der drei Gruppen waren gleichviele Männer und Frauen. Die Forscherinnen erhoben dann erstens, wie gut die Versuchspersonen sich an den Inhalt des Gelesenen erinnern (ein objektives Maß für die Verständlichkeit) und zweitens, wie „verständlich“ und „lesbar“ die Versuchspersonen den Text fanden (ein subjektives Maß für die Verständlichkeit).

Beim Erinnerungstest waren im direkten Vergleich der Geschlechter die Erinnerungsleistungen der Männer bei der Beidnennung besser als die der Frauen, die der Frauen war beim „generischen Maskulinum“ und beim Binnen-I besser als die der Männer. Die Effekte waren aber relativ schwach und innerhalb der Geschlechtergruppen auch nicht signifikant.

Bei der subjektiven Bewertung sah es anders aus: Während die Frauen alle drei Textfassungen im wesentlichen als gleichermaßen verständlich und lesbar werteten, bewerteten die Männer die Fassung mit dem „generischen Maskulinum“ (die sie objektiv am schlechtesten verstanden hatten) am besten.

Mit anderen Worten: Geschlechtergerechte Sprache hat keinen negativen Einfluss auf die Verständlichkeit und Lesbarkeit von Texten. Wohl aber hat sie einen Einfluss auf die Einbildung männlicher Leser.

http://www.scilogs.de/wblogs/blog/sprac ... men/page/2

Und zu den Studierenden:
http://www.scilogs.de/wblogs/blog/sprac ... tudierende
Benutzeravatar
Julia
 
Beiträge: 860
Registriert: Di 24. Feb 2009, 10:57

Re: biology talk

Beitragvon stine » Sa 19. Jan 2013, 13:19

Julia hat geschrieben:Wenn ich von Wissenschaftler_innen spreche, dann empfinde ich das nicht als trennend, in dem Sinn, dass ein männlich definierter Wissenschaftler etwas anderes ist als ein weiblich definierter, sondern ich weiße darauf hin, dass auch nicht-männliche Wissenschaftler_innen gemeint sind und mache sie damit sichtbar. Ich denke das bewirkt etwas in den Köpfen.

Und wie sprichts du das " _ " aus?
Es geht ja hier auch um die Alltagssprache und nicht nur um den geschriebenen Text. Sagst du "Wissenschaftlergapinnen"?
Ansonsten müsstest du es so sagen wie Herr Ude, der stets von seinen "lieben Münchnern und Münchnerinnen" spricht. Es gibt dann aber keinen Gap.
(Die Erstnennung der Männer hat man übrigens sowieso schon lange abgeschafft. Siehe: Sehr geehrte Damen und Herren! :wink: )

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

VorherigeNächste

Zurück zu Wissenschaft

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 10 Gäste

cron