pinkwoolf hat geschrieben:Mark hat geschrieben:Das finde ich etwas irritierend : Was genau (am besten mal ein konkretes Beispiel) wäre denn an einer Systematik zur Untersuchung von Geisteswissenschaft brauchbar und sinnvoll, obwohl es NICHTS mit der Systematik der Naturwissenschaft zu tun hat ??
Das finde ich nun wieder irritierend.
Weil sich ein täglich erfahrbares Phänomen wie z.B. die Freude an ästhetisch gelungenen Kunstwerken nicht mit den Mitteln der Naturwissenschaft aufdröseln lässt, soll man gar nicht erst versuchen, darüber irgendwelche Aussagen zu machen?
Ein konkretes Beispiel? Die Voßsche Homerübersetzung:
"Hurtig mit Donnergepolter entrollt ihm der tückische Marmor."
Es geht um Sisyphos. Wieso klingt das so ... passend? Da wäre einmal der Rhythmus. Dann die Lautmalerei mit den vielen "o"s und "r"s.
In einem anderen Zusammenhang könnten die "o"s aber auch romantische Gefühle wiedergeben ("O sole mio"); und was den Rhythmus angeht - schließlich ist die ganze Odyssee in Hexametern geschrieben, auch wenn es um die treue Ehegattin geht.
Letztlich hat man nichts Konkretes, Eindeutiges in der Hand; und trotzdem klingt die Zeile besser als:
"Und wieder verlor er den Griff, und der Felsklotz donnerte zu Tal."
Na und ? Eine Versmaß- und Stilmittel-Analyse ist streng wissenschaftlich, genauso wie die Effekte die beim Leser idR hervorgerufen werden wissenschaftlich bekannt sind.
Nur weil man es hier mit einem Thema zu tun hat, bei dem man - das Qualia-Scheinproblem lässt grüssen - nicht wirklich etwas festes über die Wirkung von Texten beim Menschen aussagen kann, weil man ja dann gedachterweise auch über jeden menschlichen Geist alles nötige aussagen können müsste, bedeutet das nicht, daß nicht trotzdem nur mit wissenschaftlicher Methode auch brauchbare Ergebnisse zu erlangen sind !
Es fehlt der Beweis, daß ohne wissenschatliche Methode irgendeine Art überprüfbare Erkenntnis zu erreichen ist ! Was hilft es dem Germanisten in seiner Abschlußklausur, wenn er vollkommen subjektiv von seinen erlebten Gefühlen beim Lesen eines Stücks berichtet, aber nicht all die von seinen Lehrfach verbreiteten wissenschaftlichen Methoden anwendet, um den Text auch intersubjektiv zu analysieren und reproduzierbare Erkenntnisse darüber zu schaffen ?
Wie gesagt : nur insofern man das wissenschaftlich macht, macht es auch Sinn, alles andere ist schmückendes Beiwerk-Gefasel bzw subjektives Berichten. Da mag es sein, daß manchen garnichtmehr auffällt, daß es garnicht um dieses künstlerische Gefasel geht, wenn man Reproduzierbares schaffen möchte. Es geht immer nur um die Wissenschaft. Es gab mal einen Künstler, der behauptet hatte, Kunst ist nur infosern sinnvoll, als sie auch in der Lage ist Reproduzierbares zu schaffen, und hat dann als Ausdruck dessen seine Werke hunderttausendfach kopiert und verschenkt... Ist Kunst denn nicht sinnlos, wenn sie es nicht schafft bei möglichst vielen das gleiche hervorzurufen ? Sonst wird das doch zufällig/beliebig ! Was für einen Sinn macht Kunst, die zufällig wirkende Wirkungen beim "Konsumenten" zu haben scheint ? Läuft es nicht darauf hinaus etwas zu schaffen, das Erkenntnis schafft ? Kunst und Wissenschaft sind sich nicht so spinnefeind, wie viele Leute glauben machen wollen. Sie entspringen demselben Geist ! Und unterliegen derselben Logik zur Erkenntnis !
Und da gibt es keine Honigmilch-Parallelwelt aus der die künstlerischen Wellen zu uns herüberschwappen, und aus der die positiven Kunstenergieen transzendieren und unsere Thetane beseelt ! Es gibt keinen Kunst-Zauber ! Weil es garkeinen Zauber gibt. Du bist in der Beweispflicht, nicht ich.