Die Mem-Theorie

Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon El Schwalmo » Fr 6. Nov 2009, 00:12

Zappa hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Das war Poppers zentrale Einsicht.

OK, dann sind wir uns in diesem Punkt einig.

schön :-)

Zappa hat geschrieben:Bei dem anderen Problem kann ich dir nicht folgen, vielleicht reden wir aneinander vorbei, setzt Du zuviel voraus oder es ist einfach zu spät.

Ich vermute, dass wir aneinander vorbei reden, allerdings auf verschiedenen Ebenen. Wie gesagt, ich befasse mich seit Jahren mit der Diskussion über Irreduzible Komplexiät und habe mich zuvor lange und intensiv mit Wissenschaftsgeschichte der Evolutionsbiologie befasst. Kann sein, dass ich deshalb (zu?) viel voraussetze.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon darwin upheaval » Fr 6. Nov 2009, 11:43

Zappa hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben: Behe behauptet beispielsweise, dass es für sein Argument keine Rolle spielt, ob die Komponenten in anderen Kontexten funktional sind.


Mmmh, und was will er dann damit belegen? Wenn Komponenten in anderen Systemen funktional sind, ist eine Rekombination durch Mutation doch leicht denkbar und wenn daraus ein Selektionsvorteil entsteht, setzt sich diese Rekombination fort und durch. Das passt doch prima in die Evolutionstheorie, oder versteh ich da was falsch?


Behe bastelt sich natürlich ein Strohmännlein und fackelt dieses dann genüsslich ab.

Früher, bevor Behe seine Terminologie der "irreduziblen Komplexität" erfand, wurde dieselbe Argumentation am Beispiel von Organen wie z. B. dem Auge bemüht. Die ging in etwa so: "Ein Auge ohne durchsichtige Haut, Konvexlinse und Glaskörper funktioniert nicht, folglich mussten alle Teile in einem Schritt entstehen, was transastronomisch unwahrscheinlich ist." Die Biologen haben aber längst darauf hingewiesen, dass Evolution so nicht funktioniert, weil aus einem lichtempfindlichen Fleck - via Funktionswechsel, über eine Brückenfunktion - Schritt für Schritt ein Linsenauge entstehen kann. Diese Tatsache völlig ignorierend argumentiert Lönnig immer noch so, wie es Paley schon vor Jahrhunderten getan hatte. Clevere Biologen wie Behe treten stattdessen einen Schritt zurück, indem sie die Evolution auf morphologischer Ebene zwar anerkennen, aber auf molekularer Ebene dieselbe Argumentation erneut präsentieren. Der Originalität wegen verpasste Behe dem Kinde nur einen neuen Namen.

Jetzt wird, um beim Auge zu bleiben, halt einfach behauptet, dass all die biochemischen Abhängigkeiten beim Sehvorgang unmöglich graduell entstanden sein konnten. Diese Argumentation ist jedoch nicht weniger daneben, weil auf molekularer Ebene genau diesen Evolutionsprinzipien gelten wie auf morphologischer. So weiß man heute beispielsweise, das fast jede Zelle lichtempfindlich ist. Das Protein Melanopsin etwa, das in retinalen Ganglienzellen der Lichtwahrnehmung dient, kommt auch in der Haut und im Gehirn vor. Andererseits können Nervenzellen auch ohne die komplizierte visuelle Signaltransduktion als Lichtrezeptoren fungieren, was sich durch entsprechende Knock-out-Experimente zeigen lässt. Folglich mussten auch die komplexen biochemischen Prozesse in den Lichtsinneszellen keineswegs "in einem Schritt" entstehen, um zumindest eine einfache Lichtwahrnehmung zu ermöglichen. Alle wesentlichen Strukturen, wie lichtsensitive Pigmente, lichtempfindliche (Nerven-) Zellen, Ionenkanäle usw. waren im Prinzip bereits vorhanden usw.

Dass die IC-Argumentation bankrott ist, zeigt sich auch am "evolutionskritischen Lehrbuch" von R. Junker und S. Scherer. In der 6. Auflage wird dort zur Evolution des "Bakterienmotors" behauptet, es seien mindestens 160 simultane Mutationen erforderlich, bevor aus einer funktionalen Vorstufe eine funktionierende Flagelle werden kann. Das entspricht einer Entstehungswahrscheinlichkeit, die mehr als nur transastronomisch klein ist. Jahre vor Drucklegung des Buch hat jedoch bereits Nick Matzke im Rahmen eines Modells gezeigt, dass sich der Evolutionsweg in mindestens 11 Teilschritte zerlegen lässt, wobei jeder Einzelschritt durch die Selektion belohnt wird. Junker/Scherer räumen inzwischen ein, dass die 160 Simultanmutationen unrealistisch sind, rücken aber von Ihrem grundsätzlichen Argumentationsschema trotzdem nicht ab. Statt dessen wird ein Teilschritt in dem Modell problematisiert und abermals behauptet, es seien x Simultan-Mutationen erforderlich, ohne dass es dafür eine empirische Evidenz gäbe. Nur beträgt x jetzt vielleicht 5-10, von x=160 ist längst nicht mehr die Rede. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die IC-Argumentation auf Unwissen und auf der Ignoranz evolutionsbiologischer Prinzipien ("GIGO") beruht, Junker und Scherer haben ihn geliefert.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon ujmp » Fr 6. Nov 2009, 12:07

Nanna hat geschrieben:So leicht lassen diese Sphären sich nicht trennen, denn man ändert nicht seine komplette Denkweise, wenn man vor einem Wasserrohrbruch oder einem philosophischen Problem steht, das prinzipielle Herangehen ist im Grunde immer dasselbe.


Das ist (leider meist) nicht ganz so, bzw. kommt es auf das Ergebnis an. Bei einem Wasserrohbruch oder einem neu auftretenden Krankheitserreger kommt es darauf an, ob nach deinem Nachdenken das Problem gelöst ist, und zwar so, dass die angestrebte Lösung auch vorliegt. Funktioniert das Medikament oder nicht? Es gibt Denker, die keine Probleme lösen. In der Philosophie und besonders in der Religion geht es oft nur um das Problem, sprachlich konsistent zu bleiben. Das Problem, was dort gelöst wird, ist dann bestenfalls das des Rechtbehaltens. Es muss in den Ohren kitzlen und dem menschlichen Verstand schmeicheln, das genügt. Wahr ist was gefällt ("Konsensus") und Leute, die Wahrheit suchen, werden als Phantasten geringgeschätzt.

Das soll nichts gegen die Philosophie allgemein sagen. Die Erkenntnisfähigkeit des Menschen beruht darauf, das Gegebene anzuzweifeln und Alternativen ersinnen zu können. So kann er sich Pferde mit Flügeln vorstellen, in dem er Bestandteile von Erfahrungen in seinen Vorstellungen rekombiniert. Ohne diese Fähigkeit hätten wir wohl keine Flugzeuge. Diese Stärke kann aber zur Schwäche werden, wenn sich ein solches Denken von der Erfahrungswelt ablöst oder die Vorstellungen selbst als Realität ansieht. Zumindest kann eine solche Gedankenwelt keine brauchbaren Vorhersagen über die Erfahrunsgwelt mehr generieren. (Mit Erfahrungen meine ich natürlich intersubjektive Erfahrungen und nicht religiöse Gefühle). Das Problem des Reisens durch die Luft ist mir der Idee des fliegenden Pferdes ja noch lange nicht gelöst!

Die große Falle für intellektuelle Menschen ist die Überzeugungskraft der Plausibilität. Ich würde sagen, dass alle Irrtümer auf plausiblen Gedanken beruhen. Fehlentscheidungen, besonders welche im großen Stil, werden ja nur auf Grund von plausiblen Gedanken getroffen. Das Ergebnis wird dann gerne mit "das kann nicht sein" kommentiert (ich mach das auch immer so).
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Nanna » Fr 6. Nov 2009, 22:35

ujmp hat geschrieben:Das ist (leider meist) nicht ganz so, bzw. kommt es auf das Ergebnis an. Bei einem Wasserrohbruch oder einem neu auftretenden Krankheitserreger kommt es darauf an, ob nach deinem Nachdenken das Problem gelöst ist, und zwar so, dass die angestrebte Lösung auch vorliegt. Funktioniert das Medikament oder nicht? Es gibt Denker, die keine Probleme lösen. In der Philosophie und besonders in der Religion geht es oft nur um das Problem, sprachlich konsistent zu bleiben. Das Problem, was dort gelöst wird, ist dann bestenfalls das des Rechtbehaltens. Es muss in den Ohren kitzlen und dem menschlichen Verstand schmeicheln, das genügt. Wahr ist was gefällt ("Konsensus") und Leute, die Wahrheit suchen, werden als Phantasten geringgeschätzt.


Das verdient in meinen Augen nicht das Prädikat der Wissenschaftlichkeit. In meinen Augen funktioniert Wissenschaft durchaus nach dem simplen Schema "Problem definiert - Lösung überlegt - empirisch bzw. logisch geprüft - Problem gelöst - nächstes Problem". Wenn jemand abwegige Axiome aufstellt, dann aufgedunsenes Blabla drumherumlegt, dann kann er sich meinetwegen Philosoph nennen, ich nenne das Dummschwätzerei, auch wenn es vielleicht auf einem sprachlichen Niveau ist, auf dem ich das selber nicht mehr erkenne.
Wir sind uns da wahrscheinlich im Grundsatz sogar relativ einig. Ich finde es halt lediglich wichtig, dass man sein Vokabular von vornherein so wählt, dass man exakt darlegen kann, was man meint - auch im Alltag. Die Gleichsetzung von fast sicher und ganz sicher verbietet sich meiner Meinung nach, wenn man über grundsätzliche Fragen wissenschaftlicher Theorien spricht, auch auf populärwissenschaftlicher Ebene.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon ujmp » Fr 6. Nov 2009, 23:18

Ja, mir scheint auch, das wir uns hier einig sind. Wir müssen darauf aber m.E. nicht so viel Wert legen. Ich mag auch viele Leute, mit denen ich nicht einig bin.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon platon » So 8. Nov 2009, 22:13

El Schwalmo hat geschrieben:Man kann also problemlos anerkennen, dass es irreduzibel komplexe Systeme gibt und dass die nur indirekt evolvieren können, ohne dass man anerkennen muss, dass daraus irgendetwas hinsichtlich Design folgt.

Ach ja? Und woher kommen die irreduzibel komplexen Systeme, wenn sie nicht designed sind?
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon El Schwalmo » So 8. Nov 2009, 22:40

platon hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Man kann also problemlos anerkennen, dass es irreduzibel komplexe Systeme gibt und dass die nur indirekt evolvieren können, ohne dass man anerkennen muss, dass daraus irgendetwas hinsichtlich Design folgt.

Ach ja? Und woher kommen die irreduzibel komplexen Systeme, wenn sie nicht designed sind?

daher, wo Behe einräumt, wie sie entstehen können: auf indirekten Wegen.

Falls Du Beispiele lesen möchtest:

Neukamm, M.; (Hrsg.) (2009) 'Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus. Darwins religiöse Gegner und ihre Argumentation' Göttingen, Vandenhoek & Ruprecht


darin besonders

Hemminger, H.; Beyer, A. (2009) 'Evolutionäre Entwicklungsbiologie: Schlüssel zum kausalen Verständnis der Evolution' in: Neukamm, M.; (Hrsg.) 'Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus. Darwins religiöse Gegner und ihre Argumentation' Göttingen, Vandenhoek & Ruprecht S. 134-170


oder auch

Neukamm, M.; Schneckenburger, S.; Sikorski, J. (2009) 'Was die Selektion angeblich nicht leisten kann: Diskussion von drei Paradebeispielen' in: Neukamm, M.; (Hrsg.) 'Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus. Darwins religiöse Gegner und ihre Argumentation' Göttingen, Vandenhoek & Ruprecht S. 239-301


Wenn Du den Kernpunkt betrachten möchtest, kenne ich keine bessere Arbeit als

Thornhill, R.H.; Ussery, D.W. (2000) 'A classification of possible routes of Darwinian evolution'
URL: <http://www.cbs.dtu.dk/staff/dave/JTB.html>, letzter Zugriff: 31.12.2006


Wenn Du es aber ganz bequem haben möchtest, reicht es vollkommen, zu behaupten, dass die Behauptung, dass man aus der Feststellung 'ein System ist irreduzibel komplex' auf 'das System kann nicht durch Mechanismen der Evolutionsbiologie evolviert sein' ein naturalistischer Fehlschluss ist. Ein System, das durch Abbau von Redundanz entstanden ist, kann zweifellos irreduzibel komplex werden. Selbst Behe hat eingesehen, dass seine Definition ein Problem hat.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Zappa » Mo 9. Nov 2009, 18:15

El Schwalmo hat geschrieben:Wenn Du es aber ganz bequem haben möchtest, reicht es vollkommen, zu behaupten, dass die Behauptung, dass man aus der Feststellung 'ein System ist irreduzibel komplex' auf 'das System kann nicht durch Mechanismen der Evolutionsbiologie evolviert sein' ein naturalistischer Fehlschluss ist. Ein System, das durch Abbau von Redundanz entstanden ist, kann zweifellos irreduzibel komplex werden. Selbst Behe hat eingesehen, dass seine Definition ein Problem hat.


Ich weiß ja nicht, ob man mit der Begriffswahl dann hier so glücklich liegt. Wenn ein System irreduzibel ist und andererseits "... durch Abbau von Redundanz entstanden ist", dann ist es für meinen Begriff nicht irreduzibel sondern durch den Abbau von Redundanz entstanden (was immer das auch ist). Das kreationistische <irreduzibel> kommt der Wortbedeutung (nicht reduzierbar, d.h. nicht durch einen - natürlich - Prozess erklärbar, auf einer isolierten Ebene stehend, emergent) doch näher.

Vielleicht sollte man den Begriff besser einfach mal aus dem Nicht-Kreationistischen Wortschatz kicken, denn er wird offenbar doppeldeutig verwendet und ist in deiner Verwendung zumindest für so Unwissende wie mich irreführend oder im besten Fall nebulös :mg:
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon El Schwalmo » Mo 9. Nov 2009, 18:22

Zappa hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Wenn Du es aber ganz bequem haben möchtest, reicht es vollkommen, zu behaupten, dass die Behauptung, dass man aus der Feststellung 'ein System ist irreduzibel komplex' auf 'das System kann nicht durch Mechanismen der Evolutionsbiologie evolviert sein' ein naturalistischer Fehlschluss [sorry, das muss genetischer Fehlschluss heißen, E.S.] ist. Ein System, das durch Abbau von Redundanz entstanden ist, kann zweifellos irreduzibel komplex werden. Selbst Behe hat eingesehen, dass seine Definition ein Problem hat.

Ich weiß ja nicht, ob man mit der Begriffswahl dann hier so glücklich liegt. Wenn ein System irreduzibel ist und andererseits "... durch Abbau von Redundanz entstanden ist", dann ist es für meinen Begriff nicht irreduzibel sondern durch den Abbau von Redundanz entstanden (was immer das auch ist).

ich weiß nicht, was Du diesem Thema schon publiziert hast und ob es etwas bedeutet, was 'für meinen Begriff' nicht irreduzibel ist.

Zappa hat geschrieben:Das kreationistische <irreduzibel> kommt der Wortbedeutung (nicht reduzierbar, d.h. nicht durch einen - natürlich - Prozess erklärbar, auf einer isolierten Ebene stehend, emergent) doch näher.

Und? Ein Begriff wird in die Diskussion eingeführt. Jeder, der sich für das Thema interessiert, kann sich informieren. Zudem sind Begriffe, wie schon Popper lehrte, Werkzeuge. Es macht keinen Sinn, aus der Etymologie den Gehalt erschließen zu wollen.

Zappa hat geschrieben:Vielleicht sollte man den Begriff besser einfach mal aus dem Nicht-Kreationistischen Wortschatz kicken, denn er wird offenbar doppeldeutig verwendet und ist in deiner Verwendung zumindest für so Unwissende wie mich irreführend oder im besten Fall nebulös :mg:

Ich denke eher, dass jemand, der in der Diskussion mitreden möchte, sich informieren sollte. Du kannst dem Gegner nicht vorwerfen, dass Du seine Position nicht kennst.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Zappa » Mo 9. Nov 2009, 18:36

El Schwalmo hat geschrieben: Es macht keinen Sinn, aus der Etymologie den Gehalt erschließen zu wollen.


Macht aber natürlich jeder (außer wenn man sich scholastikerartig in eine Begriff verrennt, S. z.B. <Engel> für die meisten Leute halt einfach geflügelte gottesnahe Wesen mit einer gewissen Raumausdehnung).

El Schwalmo hat geschrieben:Ich denke eher, dass jemand, der in der Diskussion mitreden möchte, sich informieren sollte. Du kannst dem Gegner nicht vorwerfen, dass Du seine Position nicht kennst.


Ich soll mich also durch haufenweise Literatur lesen um zu begreifen, warum deine Irreduzibilität doch irgendwie reduzibel im Sinne von herleitbar ist? Irgendwie ahne ich, dass sich mit der Zeit etwas besseres anfangen lässt, man lebt ja nur einmal ....

Vielleicht redest Du zumindest außerhalb von Fachkreisen einfach verständlich.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon El Schwalmo » Mo 9. Nov 2009, 18:44

Zappa hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben: Es macht keinen Sinn, aus der Etymologie den Gehalt erschließen zu wollen.

Macht aber natürlich jeder (außer wenn man sich scholastikerartig in eine Begriff verrennt, S. z.B. <Engel> für die meisten Leute halt einfach geflügelte gottesnahe Wesen mit einer gewissen Raumausdehnung).

ich beispielsweise nicht, genauso wenig wie alle Autoren, die ich kenne, die sich etwas intensiver mit dem befassen, über das sie schreiben.

Zappa hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Ich denke eher, dass jemand, der in der Diskussion mitreden möchte, sich informieren sollte. Du kannst dem Gegner nicht vorwerfen, dass Du seine Position nicht kennst.

Ich soll mich also durch haufenweise Literatur lesen um zu begreifen, warum deine Irreduzibilität doch irgendwie reduzibel im Sinne von herleitbar ist? Irgendwie ahne ich, dass sich mit der Zeit etwas besseres anfangen lässt, man lebt ja nur einmal ....

Vielleicht redest Du zumindest außerhalb von Fachkreisen einfach verständlich.

Mache ich doch. Aber ich weigere mich, ein Thema trivial zu machen, nur damit man es besser widerlegen kann. Das wäre doch die 'weiße Fahne'.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 03:15

El Schwalmo hat geschrieben: Mahner und Bunge schreiben zu Mem nicht viel.

Mahner, M.; Bunge, M. (2000) 'Philosophische Grundlagen der Biologie' Berlin; mult., Springer


schreiben auf S. 63 als eine Art Fazit (es geht eigentlich gar nicht um Meme, der Begriff wird eher mal so nebenher erwähnt):

Im Lichte dieser Ausführungen wird deutlich, daß der Begriff des Mems, von Dawkins (1978) als Analogie zum Genbegriff eingeführt, nur eine Metapher ist sowie ein überflüssiges Synonym für 'Idee'.

Das scheint es mir auf den Punkt zu bringen.


Etwas ausführlicher widmen sie sich den Memen in ihrem Buch "Über die Natur der Dinge. Materialismus und Wissenschaft" (2004):

"Da Ideen im Gegensatz zu Organismen weder lebendig sind noch eine eigenständige Existenz haben, sind sie weder selbstreplizierend noch evolutionsfähig."

"Ein jüngster metaphorischer Ansatz schließlich ist die Theorie der Meme: die Memetik (...). Dabei ist das Wort 'Mem' lediglich ein überflüssiges Synonym für 'Idee' (...). In Analogie zu Genen werden Ideen (Meme) als selbstreplizierende Entitäten aufgefasst, die Gehirne gleichsam als geistige Viren parasitieren und so weitergegeben werden. Die Anhänger der Memetik versprechen sich von ihrem Ansatz eine selektionstheoretische Erklärung der Weitergabe und Ausbreitung von Ideen. Die Memetik ist jedoch zum einen konzeptuell so unklar, dass sie an Sinnlosigkeit grenzt, zum anderen ignoriert sie praktisch die gesamte psychologische und sozialwissenschaftliche Forschung zur menschlichen Kommunikation (...). Idealistische Fantasien werden nicht dadurch akzeptabler, dass sie in evolutionsbiologischem Gewande daherkommen."


Als Naturalist kann man die Memetik nur ablehnen.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 03:29

El Schwalmo hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:BTW: Wie kann man denn Allsätze überhaupt beweisen, wenn man so starke Kriterien anlegt?

gar nicht. Das war Poppers zentrale Einsicht.


Naja, die war im Grunde etwas ausgefuchster.

Normalerweise stellen Wissenschaftler eine Theorie auf, aus der sich bestimmte Aussagen ableiten (deduzieren) lassen. D.h.
T => A

Beispiel: Aus der allgemeinen Relativitätstheorie folgt, dass Licht in einem bestimmten Maße von der Sonne gekrümmt wird (Raumkrümmung). Das könnte man dann überprüfen, und zwar nicht nur den Fakt, sondern auch das Ausmaß der Krümmung. Wie man heute weiß, stimmen die Vorhersagen der Relativitätstheorie extrem genau mit den Beobachtungen überein.

Das Besondere ist nun: Eine Bestätigung von A ist zwar ein guter Beleg für T, aber kein Beweis. Ein Nichteintreffen von A stellt dagegen eine Widerlegung von T dar. Dies liegt an der Asymmetrie der Deduktion.

Komplizierter ist die Theorienbildung (Abduktion), d.h. der umgekehrte Schritt. Schon William von Baskerville wusste in "Der Name der Rose" zu berichten: "Weil das Schlussfolgern von den Wirkungen auf die Ursachen eine so schwierige Sache ist, dass allein Gott der Richter sein kann."

Es könnten ja mehrere Theorien existieren, die die gleichen Wirkungen prognostizieren. Dann ist nicht klar, welche richtig ist (kann nur Gott entscheiden :mg:). Beispiel: Eine Frau im Mittelalter benimmt sich wie irre. (= Wirkungen). Es stellt sich die Frage nach den Ursachen. T1 könnte sein: Die Frau ist eine Hexe, die vom Teufel befallen ist. T2 dagegen: Sie hat zu viel mutterkornverseuchtes Getreide gegessen.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Atanar » Fr 13. Nov 2009, 21:49

Selbst wenn man keinen absoluten Wahrheitsgehalt feststellen kann, kann man immer noch abstufungen in der Wahrscheinlichkeit vornehmen. Nach heutigem Kenntnisstand ist das mit dem Teufel sehr unwahrscheinlich :lupe:
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon ostfriese » Sa 14. Nov 2009, 22:47

El Schwalmo hat geschrieben:
platon hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Du konntest nur zeigen 'Diese Stoffportion Kupfer leitet den elektrischen Strom'.

Du meine Güte, ein Philosoph versucht zu erfassen, was Naturwissenschaft ist. Das muss ja schief gehen.

jede Wette: Du bist kein Naturwissenschaftler.

Und falls doch: Wissenschaftstheorie ist für Wissenschaft das, was die Grammatik für einen Muttersprachler bedeutet. Du kannst stolz jubeln: mein Leben lang gesprochen, Null Schnallung von Grammatik, und jeder hat mich verstanden!

Aber Du fällst jämmerlich auf den Bauch, wenn Du meinst, Du könntest einem Linguisten was von Grammatik erzählen.

Hab lange keine Foren-Diskussion mehr gelesen noch mich beteiligt (selbstverordnete Abstinenz), aber was mich wieder anfixen könnte, das sind solche eleganten und finalen Konter. Danach jedenfalls regte sich der Unterlegene nicht mehr -- eine Maus, die der Katze nicht länger als Spielzeug dienen will.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 15. Nov 2009, 11:10

ostfriese hat geschrieben:Hab lange keine Foren-Diskussion mehr gelesen noch mich beteiligt (selbstverordnete Abstinenz), aber was mich wieder anfixen könnte, das sind solche eleganten und finalen Konter. Danach jedenfalls regte sich der Unterlegene nicht mehr -- eine Maus, die der Katze nicht länger als Spielzeug dienen will.
Wäre doch nett, wenn die Droge funktionieren würde. :2thumbs:
Tu er, mach er, schreib er doch wieder mit :computer:
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Boris » Fr 20. Nov 2009, 03:01

jackle hat geschrieben:...

Etwas ausführlicher widmen sie sich den Memen in ihrem Buch "Über die Natur der Dinge. Materialismus und Wissenschaft" (2004):

[i]"Da Ideen im Gegensatz zu Organismen weder lebendig sind noch eine eigenständige Existenz haben, sind sie weder selbstreplizierend noch evolutionsfähig."
...


"Im Gegensatz zu Organismen" - Evolution als Exklusiv-Domäne der Biologie? So gesehen ist es natürlich klar, daß die Mem-Theorie abzulehnen ist...
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon El Schwalmo » Fr 20. Nov 2009, 06:10

Boris hat geschrieben:"Im Gegensatz zu Organismen" - Evolution als Exklusiv-Domäne der Biologie? So gesehen ist es natürlich klar, daß die Mem-Theorie abzulehnen ist...

die Mem-Theorie ist abzulehnen, weil sie lediglich eine nicht weiter relevante Analogie zur Genetik darstellt und nur den Begriff 'Idee' verdoppelt.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon Zappa » Fr 20. Nov 2009, 17:42

El Schwalmo hat geschrieben:die Mem-Theorie ist abzulehnen, weil sie lediglich eine nicht weiter relevante Analogie zur Genetik darstellt und nur den Begriff 'Idee' verdoppelt.


Beide Argumente finde ich nicht hinreichend:

1. Die Mem-Theorie ist insofern eine relevante Variante, weil sie dem genetischen Denkmodell ein neues Feld eröffnet.
2. Im Begriff der Idee ist nicht die spezifische Art und Weise der "Ideenselektion" und "Ideenreplikation" enthalten.

Insofern halte ich die Mem-Theorie schon für interessant. D.h. natürlich nicht, dass sie sich am Ende als wahr herausstellt.
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Re: Die Mem-Theorie

Beitragvon El Schwalmo » Fr 20. Nov 2009, 20:01

Zappa hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:die Mem-Theorie ist abzulehnen, weil sie lediglich eine nicht weiter relevante Analogie zur Genetik darstellt und nur den Begriff 'Idee' verdoppelt.


Beide Argumente finde ich nicht hinreichend:

1. Die Mem-Theorie ist insofern eine relevante Variante, weil sie dem genetischen Denkmodell ein neues Feld eröffnet.

ich sehe keinen Sinn in einer Analogie. Was ist eigentlich 'das genetische Denkmodell'? Soll ich Dir ein paar Details der modernen Molekulargenetik posten und Du zeigst mir dann, wo Du das im Mem-Modell sinnvoll einbaust? Beispielsweise das Operon? Oder Introns und Exons? Oder Schalter?

Zappa hat geschrieben:2. Im Begriff der Idee ist nicht die spezifische Art und Weise der "Ideenselektion" und "Ideenreplikation" enthalten.

Und? Was repliziert sich an einem Mem, was einem Gen entspricht? Welcher Selektionsdruck herrscht auf ein Mem, das dem auf ein Allel entspricht? Kennst Du heterozygote Meme? Kannst Du mir sagen, wie sich die Entfernung von Memen auf dem Memträger auf die Trennung beim Crossing Over auswirkt? Wahlweise kannst Du auch einräumen, dass eine Analogie das schwächstmögliche Argument ist.

Zappa hat geschrieben:Insofern halte ich die Mem-Theorie schon für interessant. D.h. natürlich nicht, dass sie sich am Ende als wahr herausstellt.

Mir scheint, dass Memetik, in etwa wie Soziobiologie und Evolutionäre Psychologie, heutzutage die Rolle der Psychoanalyse spielen. Hauptsache interessant, der Rest ist weniger wichtig.

Und was sollte an der Memetik 'wahr' sein? Bestenfalls ist sie eine adäquate Beschreibung. Für was eigentlich? Ich vermute Ideen.
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