von Jarl Gullkrølla » Di 17. Feb 2009, 13:51
Philologisch betrachtet ist diese These nur bedingt haltbar, weil man im Verlauf der Sprach- und Literaturgeschichte Skandinaviens z.B. sehen kann, dass die Entwicklung sich von einem vollkommen deterministischen Glauben hin zum personalen Götterglaube vollzog. (Jemand an der Abhandlung interessiert? Sie ist unverständlich und von einem Sechszehnjährigen, also einem früheren Ich, verfasst.) Kleines Beispiel:
Determinismus:
"Das Wort „Urðr“ ist eine sehr altertümliche Wortbildung und spricht somit eigentlich schon für sein Alter als Form des Denkens. Früher war es das Verbal-Abstraktum zum Verbum „verða“ (= werden, müssen, werden müssen). Wie schon angedeutet wirkt dieses Wort aus der Zeit der Naturvölker im germanischen Raum, die das Schicksal als eine Notwendigkeit des Werdens sahen, welche von einer mysteriösen Macht aus gesteuert wird. Es ist also ein immanentes Müssen, dem alles Werden unterliegt. Alles war für sie in einem ständigen Wechsel, eine Aufeinanderfolge von Seinszuständen. Wie die Natur selbst, in der nach jedem Sommer auch ein Winter folgt, waren diese Menschen, denn sie sahen in diesem Werden-Müssen nichts Schlimmes, sie nahmen keine Unterdrückung von eben jenen Geschehnissen wahr. Wieso auch; ein Fluss fühlt sich auch nicht von seinem ewigen Fließen und Vereisen bedrückt oder geschändet, ebenso wenig ein Baum der wächst. Und so wie der Baum über die Jahre in die Höhe wächst, tat es ihm der Mensch ohne Klagen gleich. Er war ein Teil des Werdens, eins mit der Natur und nicht von ihr gesondert.
Das Gleiche spricht auch an mancher Stelle der Edda noch aus dem Verbum „verða“ zu uns, eben in seiner Bedeutung des „(werden) müssen“. Manche Dinge geschehen, weil einen die Umstände dazu zwingen. Der eddische Mensch sah darin aber eine schicksalhafte Notwendigkeit, eben das „es hat so kommen müssen“, denn für sie gab es keinen puren Zufall, alles war Teil des Werde-Stroms. Wie in Gðr III 8: „nú verð ek siálf fyr min synia lýta“ = ‚jetzt muss ich (schicksalhaft) mich selbst rechtfertigen…’ oder in Hrbdl 29: „þø urðo þeir mik fyrri friðar at biðia“ = ‚es war ihr Schicksal( als Fügung), dass sie mich um Frieden bitten mussten…’ ." (Der Schiskalsglaube der Germanen, 2006, Aslak Fagran)
personifizerter Determinismus:
"Leggia (legen, hinlegen, festlegen) verdeutlicht ein Machterlebnis eines Menschen im Sinne eines Machen-Könnens, sozusagen als erste Erfahrung einer Naturüberlegenheit. So grenzen sie Gebiete als ihren Lebensraum ab und erschaffen Städte und Staaten (Rþl 12,10: ,,leggia garða”= Höfe anlegen). Und was sie einst schufen, bleibt auch so. Sie können in die Welt bestimmend eingreifen und nach ihrem Willen verändern und ihn ihr aufzwingen, wenn es nicht anders geht. Das war die erste Macht, die Menschen innewohnte und ihnen bewusst wurde. Mit der Zeit stieg auch das Selbstbewusstsein an und je mehr Bürger die Städte besiedelten, desto deutlicher zeigte sich auch eine Überlegenheit Einzelner heraus. So geschah es das Herrscher entstanden, die die Macht innehatten, Gesetze festzulegen und diese mit geballter Konsequenz zu forcieren.
Das gleiche vereint „leggia“ in sich, wenn z.B. in Vsp 20, 9 von den schicksalsbestimmenden Nornen gesprochen wird, die „hinlegten“ (løgdo) und was sie so hinlegten war „løg“ = „Gesetz“. Sie legen Menschen ein Schicksal auf und dieses ist nun bestimmend für dessen ganzes Leben. Auffallend ist, dass das Schicksal in dieser Weise immer nur passivisch von Menschen empfangen wird und immer nur leidend erfahren wird. Gegen diese Festsetzungen einer höheren Macht kann man sich nicht wehren und man meint nichts gegen diese Unterdrückung tun zu können.
Dazu gibt es ja auch noch die „örløg“, die „Urfestlegung“. Weise, wie in der Grípisspá, können sie voraussagen, aber trotzdem bleibt sie der Veränderung entrückt.
Es gibt noch weitere Sinnbilder für „leggia“, wie das des Schicksalsfadens („örløgþáttr“), die aber jeweils nur das sowieso schon Bekannte verdeutlichen und es für den menschlichen Verstand greifbarer machen, weswegen ich nicht weiter auf sie eingehen werde." (Der Schiskalsglaube der Germanen, 2006, Aslak Fagran)
Götterglaube:
"Dem Naturdenken der älteren germanischen Urvölker steht nun das Machtdenken der Kultur- und Staatsmenschen gegenüber. Auch diesem liegt immer noch eine dynamische Sicht der Dinge zu Grunde, welche aber im Gegensatz zum „vanischen“ Denken eine von Außen wirkende ist. Weil der Mensch die Grenzen seines Wirkens spürte, fühlte er sich in seinem eigenen Machtbereich eingeschränkt und vor allen Dingen unterdrückt. Er gelangte daher zu der Auffassung, dass die Welt nicht im Einklang sein kann, denn wenn schon seiner Macht ein größere entgegensteht, muss ja ein Gegeneinander der Mächte bestehen. Aber mächtiger als alle Mächte ist immer noch die „Transzendenz der Schicksalsgewalt“ - was man auch an Háv 63 heraushört - die alles Wollen (und alles, was als solches vorgestellt wird) in schicksalhaftes Sollen umwandelt. Dies verdeutlicht die Verbitterung und den Pessimismus des eddischen Menschen oder auch einfach nur ihren Realismus. Sie leben in einer Welt, in der Schuld nur weiterer Schuld folgt und man nichts dagegen tun kann, weil alles so gewollt ist. Aber so sehr sie das merkten, konnten sie sich nicht vorstellen, dass da einfach nur eine Macht ist, sondern, da es immer Menschen waren die ihnen Gesetze gaben, ein Machtwirker. Sie begannen alles zu personifizieren. So werden zum Beispiel die Begriffe des „vanischen“ Denkens zur Verdeutlichung in den „asischen“ Kreis gehoben. Aus Urðr wird eine Norne, eine Schicksalsverwalterin, also völlig sinnentfremdet. Der Weltenbaum Yggdrasil wird zu Heimdall. Aber auch Götter wurden geschaffen. Allen voran wohl Odin, die Personifizierung des schenkenden Schicksals, was man wohl am meisten in Hyndlaliod 2 an dem fünffachen „gefa“ merkt. Das Neue bei ihm ist, dass er angebetet wurde, was vorher noch nie üblich war. Aus dem wechselbaren Schicksal, das niemand beeinflussen kann, wurde somit ein – für den Verstand besser zu verarbeitender – launenhafter Gott den man immer zu besänftigen versucht. Und so kann man Odin zürnen wenn er dem Feind gewährte, was man selbst haben wollte oder ihm danken eine glorreiche Schlacht geschlagen zu haben, denn Odin ist ein Gott der Fürsten und Krieger und ist im Zusammenhang mit dem Schicksal der Bauern nie erwähnt." (Der Schiskalsglaube der Germanen, 2006, Aslak Fagran)
Allgemein ist es mir immer wieder verwunderlich für mich zu sehen, dass doch immer wieder zu solchen Atavismen kommt, wie hier eben:
Determinismus --> Polytheismus --> Monotheismus (wie monotheistisch Christentum wirklich ist, ist an anderer Stelle zu klären) --> [Aberglaube] --> Determinismus (wenn die Brights-Bewegung siegt)