Über Moral und Evolution

Über Moral und Evolution

Beitragvon Twilight » Fr 27. Feb 2009, 12:57

http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/301029

Anscheinend gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ekel vor ungenießbarem Essen und der Abneigung vor unmoralischem Verhalten.
Laut einer Studie sind die Reaktionen auf diese Einflüsse identisch, was darauf hindeutet, dass sie aus einem sehr alten, grundlegenden Instinkt heraus entstanden.
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Fr 27. Feb 2009, 18:42

Twilight hat geschrieben:Anscheinend gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ekel vor ungenießbarem Essen und der Abneigung vor unmoralischem Verhalten.
Halte ich für einerseits abenteuerlich (viel hineininterpretiert) anderseits aufs höchste trivial. Warum sollte ich denn meinen Ekel vor scheußlichem Futter zwangsweise anders äußern, als meinen Ekel vor scheußlichen Bildern oder meinen Ekel vor scheußlichem Verhalten? Ekel bleibt Ekel. Und eine Erwähnung in Science ist viel Wert.
Tatsächlich erwähnenswert wäre es doch nur, wenn das Menschlein sich für unterschiedliche Ekel-Situationen auch unterschiedliche Ekelprogramme geschrieben hätte, insbesondere in der relativ kurzen Zeit in der sich "Moral-Ekel" hätte erst entwickeln können. Aber so?
Okay, für Menschen die glauben, dass der Mensch intelligent kreiert wurde, mag dies eventuell schon überraschend sein.
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon Twilight » Fr 27. Feb 2009, 20:13

Auch im verlinkten Artikel wird erwähnt, dass die Forscher vermuten, dass dem so ist. Und warum ist es so natürlich, dass unmoralisches Verhalten beim Beobachter ausgerechnet Ekel auslöst? Warum nicht vor allem Ärger? Oder etwas ganz anderes? Immerhin geht es nicht um giftige Nahrung, sondern abstraktere Werte.

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Okay, für Menschen die glauben, dass der Mensch intelligent kreiert wurde, mag dies eventuell schon überraschend sein.

Die, die es als überraschend oder zumindest erwähnenswert halten, sind Forscher, die versuchen, das Phänomen mit Evolutionsprozessen zu erklären. Also kaum IDler oder Kreationisten. Ich halte es auf jeden Fall für interessant.
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon pinkwoolf » Sa 28. Feb 2009, 00:24

Twilight hat geschrieben:Anscheinend gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ekel vor ungenießbarem Essen und der Abneigung vor unmoralischem Verhalten.

Wenn das stimmt, mache ich mir Sorgen um die Allgemeingültigkeit der Menschenrechte.

Um nur eines von vielen Beispielen anzuführen: In China isst man meines Wissens mit dem größten Vergnügen fast alles, was da kreucht und fleucht. Schlangen, uralte Schwalbennester und und ... ich bin kein Experte.
Käse hingegen ist ein Alptraum für Chinesen.

Ist es wirklich um die moralischen Werte ähnlich bestellt? Sind Mord und Raub nur in einem bestimmten kulturellen Kontext verwerflich?
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon Twilight » Sa 28. Feb 2009, 10:47

pinkwoolf hat geschrieben:Allgemeingültigkeit der Menschenrechte.

So etwas gibt es? Wie "allgemein" sollen die denn gelten?

pinkwoolf hat geschrieben:Sind Mord und Raub nur in einem bestimmten kulturellen Kontext verwerflich?

Kommt darauf an. Wir würden viele Tötungspraktiken anderer Kulturen als Mord bezeichnen und wenn der Täter sich dann noch des Eigentums des Opfers ermächtigt, empfinden wir es in der Regel als unmoralisch.
Andererseits gibt es noch Naturvölker, bei denen das Töten eines Menschen eines anderen Stammes den gleichen Stellenwert besitzt, wie hier das Töten und Schlachten einer Kuh. Sie haben dort kein Problem damit. Es hängt einfach davon ab, wie du Mord definierst.

Ich habe mal eine Reportage über einen Stamm gesehen, dessen Mitglieder sich (nur) mit einer Schnur um den Bauch bekleiden. Für diese Leute sind andere Leute, die das nicht tun, keine Menschen.

Menschen mögen biologisch betrachtet alle fast gleich sein. Aber einige leben noch genau so, wie vor 10.000 Jahren: Als Tiere unter anderen Tieren. Würdest du einen Wolf, der einen Rivalen tötlich verwundet, als Mörder bezeichnen? Oder einen Alpha-Löwen, der die Jungen seines Vorgängers beseitigt?
Menschenrechte sind ein kulturelles Objekt, und als solches auch nur begrenzt anwendbar. Dann nämlich, wenn trotz der Biologie der Mensch als etwas anderes als ein Tier bezeichnet wird.
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Sa 28. Feb 2009, 12:47

pinkwoolf hat geschrieben:
Twilight hat geschrieben:Anscheinend gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ekel vor ungenießbarem Essen und der Abneigung vor unmoralischem Verhalten.

Wenn das stimmt, ...
Dies ist ja m.E. genau der Trugschluß (ohne den die Forscher nicht in Science erwähnt worden wären). Nur weil beides Ekel auslöst, muss ja zwischen den Ursachen (Auslösern) kein Zusammenhang bestehen. Dies meine ich mit "abenteuerlich".
Und was "ekliges Essen" ist und was eine "eklige Tat" ist, ist natürlich eine Frage der Kultur (und des Kontextes).
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon pinkwoolf » So 1. Mär 2009, 00:56

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Und was "ekliges Essen" ist und was eine "eklige Tat" ist, ist natürlich eine Frage der Kultur (und des Kontextes).

Keine Frage, dass die Definition einer ekligen Tat im Kleingedruckten sehr unterschiedlich ausgelegt wird. Ehrenmord wäre da so ein unappetitliches Beispiel; oder Blutrache nach einem tödlichen Autounfall.

Die Tötung eines Mitmenschen ohne einen wie auch immer gearteten Anlass: wäre das vielleicht ein kleinster gemeinsamer Nenner, auf den sich alle Menschen einigen könnten?

Was mich sehr viel mehr umtreibt, ist allerdings das Problem, dass vereinzelte Mitbürger sich auf die Menschenrechte berufen, wenn sie hierzulande einen Ehrenmord rechtfertigen wollen. Bzw ihre Anwälte.

Damit kommen sie glücklicherweise meistens nicht weit. Ist es aber nicht Mord, sondern irgendein anderer Regelverstoß, dann werden religiöse Empfindlichkeiten mit Samthandschuhen angefasst.

In diesen Fällen erscheint mir der eigene kulturelle Kontext wichtiger als all die anderen, die da auch gern ein Wörtchen mitreden wollen.
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mo 2. Mär 2009, 15:23

Und wieder Engels:„Sätze, die in der Philosophie seit Jahrhunderten aufgestellt, die oft genug längst philosophisch abgetan sind, treten oft genug bei theoretisierenden Naturforschern als funkelneue Weisheit auf und werden sogar eine Zeitlang Mode.“ (Danke Pia Hut)


Veränderter Geschmack. - Die Veränderung des allgemeinen Geschmackes ist wichtiger, als die der Meinungen; Meinungen mit allen Beweisen, Widerlegungen und der ganzen intellectuellen Maskerade sind nur Symptome des veränderten Geschmacks und ganz gewiss gerade Das nicht, wofür man sie noch so häufig anspricht, dessen Ursachen. Wie verändert sich der allgemeine Geschmack? Dadurch, dass Einzelne, Mächtige, Einflussreiche ohne Schamgefühl ihr hoc est ridiculum, hoc est absurdum, also das Urtheil ihres Geschmacks und Ekels, aussprechen und tyrannisch durchsetzen.- - sie legen damit Vielen einen Zwang auf, aus dem allmählich eine Gewöhnung noch Mehrerer und zuletzt ein Bedürfniss Aller wird. Dass diese Einzelnen aber anders empfinden und "schmecken", das hat gewöhnlich seinen Grund in einer Absonderlichkeit ihrer Lebensweise, Ernährung, Verdauung, vielleicht in einem Mehr oder Weniger der anorganischen Salze in ihrem Blute und Gehirn, kurz in der Physis: sie haben aber den Muth, sich zu ihrer Physis zu bekennen und deren Forderungen noch in ihren feinsten Tönen Gehör zu schenken: ihre ästhetischen und moralischen Urtheile sind solche "feinste Töne" der Physis.


Pinkwolf hat geschrieben:Die Tötung eines Mitmenschen ohne einen wie auch immer gearteten Anlass: wäre das vielleicht ein kleinster gemeinsamer Nenner, auf den sich alle Menschen einigen könnten?


Ich habe noch nie von einer Tötung ohne Anlass gehört. Einen zureichenden Grund gibt es für alles, auch wenn er unvernünftig sein mag. Und bei den Yakuza ist ein "plötzlicher Mord" für Bandenchefs sicher moralisch gerechtfertigt.

Bitte passe beim Zitieren etwas mehr auf, obiges Zitat hast du mir zugeschrieben! Zitat korrigiert! 1v.6,5M
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon LinuxBug » Sa 7. Mär 2009, 04:33

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Ich habe noch nie von einer Tötung ohne Anlass gehört.

Nun ja, ich sehe das ähnlich wie wenn Pia im anderen Thread (also dem, über höhere Ziele) sagt, dass sie noch nie "Streit an sich" gesucht habe. Mir stellt sich da die Frage, ob man sich damit nicht sowas wie einen falschen Schotten baut. Denn es lässt sich immer eine Motivation finden, für alles was man tut. Und bei negativen bzw. moralisch fragwürdigen Sachen, ist man halt schneller bereit die moralisch zulässigste zu finden. (Etwa wenn ich Streit beginne, dann sag ich nicht, dass ich ganz einfach mal Lust auf Streit hätte, sondern eher dass ich doch nur versucht hätte, die Diskussion durch etwas mehr Offenheit voranzubringen... oder so.) Ähnlich ist es bei Mord: Wenn ich dich aus nichtigen Gründen umbringe, dann werd ich mir das selbst nicht zu gestehen und so zurechtbiegen, dass es höheren Dingen (z.B. "Ehre") gedient hätte. (Wobei ich persönlich "Ehre" schon als "niederen" Trieb betrachten würde... )

Also ja, es kann fast gar keine Tötung ohne Anlass geben, aber das heißt ja nicht, dass jede Tötung moralisch gerechtfertigt wäre (nur dass es keinen kleinsten gemeinsamen Nenner geben wird). Obwohl mir jetzt beim durchlesen klar wird, dass eine "Tötung ohne Anlass" keinesfalls der kleinste gemeinsame Nenner sein kann. Jedenfalls nicht, wenn wir damit meinen, dass die Tötung ohne Absicht geschehen ist. (Also wenn ich durch Unaufmerksamkeit oder Ungeschicklichkeit eine Kausalkette in Bewegung bringe, die unweigerlich zum Tod eines anderen Menschen führen kann: z.B. wenn ich einen Flummi in einem Zimmer werfe, der eine Blumenkiste am Fensterbrett trifft, welches dann herunterfällt und einen Fußgänger erschlägt.)

Aber es ist immer leicht, Gegenbeispiele für einen konkreten "kleinsten gemeinsamen Nenner" zu finden. Formuliere ich einen solchen so vage, dass ich eigentlich nichts aussage, dann wäre es schon schwerer: z.B. wenn Frankl meint, dass jeder Mensch seinen Werten gegenüber verantwortlich wäre, gleich was deren Inhalt seien, bzw. wenn er es als das konstituiert, was den Menschen an sich eigentlich ausmache... (Und es tut mir leid, wenn Frankl jetzt zu OT ist, aber ein existentes Beispiel anzuführen, ist für mich leichter, als mir selbst was auszudenken.)
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon Astrella » So 8. Mär 2009, 09:52

Unglaublich, über welche Binsenweisheiten Wissenschaftler Studien erstellen.
Vermeidungsverhalten im sozialen Umgang und bei Nahrungsmitteln haben den gleichen Ursprung?
Wäre ich vorher nie drauf gekommen...
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 8. Mär 2009, 11:10

Na deshalb haben sie es ja "erforscht" :mg: (oder wollten sie nur genannte werden? Soll ja den persönlichen Marktwert deutlich steigern.)
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon Astrella » So 8. Mär 2009, 11:47

Ich vermute auch. Vielleicht hat ja jemand verzweifelt ein Thema für die Doktorarbeit gesucht...

Mimik und Gestik sind kulturell verschieden.
Zwar werden Trauer, Freude und Ärger zwar überall ähnliche Ausprägungen in der Mimik haben.
Aber gerade eine Mimik, die wir Europäer als "Ekel" interpretieren, hat in anderen Kulturkreisen (wie hier in Afrika) eher die Bedeutung von Angst und Unsicherheit.
Wie weit Kultur evolutionären Einflüssen unterliegt, steht ja noch auf einem ganz anderen Blatt.

LG
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon LinuxBug » So 8. Mär 2009, 13:46

Also ich finde das schon interessant, wenn "Binsenweisheiten" bestätigt werden... hätte ja auch anders sein können. Und jede Erkenntnis, die dazu führt bigottes Verhalten besser zu verstehen, lohnt sich näher untersucht zu werden. Soweit ich weiß, ist etwa "Ekel" eines der meistgenannten Argumente gegen Homosexualität... das z.B. behauptet, dass Homosexualität widernatürlich ist, weil es diese Reaktion wie einen alten und angeborenen Instinkt hervorruft... :/

Kennt ihr eigentlich Matt Ridley? Der erklärt anschaulich, wie man angeborene Möglichkeiten durch bestimmte Ereignisse ausgebildet werden, etwa dass Affen keine Angst vor Schlangen entwickeln, wenn sie nicht die panischen Reaktion von anderen Affen auf Schlangen kennen. Allerdings können diese Affen auf diese Weise auch nicht gegen alles eine Phobie entwickeln. Also wenn statt einer Schlange, dieselbe Reaktion auf eine Blume gezeigt wird... wenn nun dasselbe beim Menschen beobachtet wird (amerikanische Großstadtkinder, die panische Angst vor Schlangen haben, aber nicht z.B. Pistolen, obwohl sie noch keine freilebende Schlange je gesehen haben oder sehen werden, aber theoretisch jeden Tag in einem Drive-by erschossen werden könnten...)

Worauf ich hinaus will? Keine Ahnung. Vielleicht das manche Binsenweisheiten, doch nähere Untersuchung brauchen, als wir zugestehen, besonders da nicht alle Menschen gleich denken... =)
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon Astrella » So 8. Mär 2009, 15:43

Unmoralisches Verhalten, speziell eine unfaire Behandlung, ruft laut einer Studie kanadischer Forscher den gleichen Ekel hervor wie ein widerlicher Geschmack. Beides aktiviert ein evolutionär sehr altes Programm, bei dem sich das Gesicht auf eine ganz typische Weise verzerrt – die Oberlippe wird hochgezogen und die Nase gerümpft.

Ist im Grunde doch sowas von profan.
Wobei ich die Formulierung "evolutionär sehr altes Programm" für unglücklich halte, denn es bezieht sich auf die gleichartige Mimik und nicht, wie impliziert wird, auf moralische Vorstellungen.

Moralische Konzepte, so komplex sie auch sein mögen, könnten demnach aus einem grundlegenden Instinkt des Menschen entstanden sein: dem Versuch, giftige oder ungenießbare Nahrung zu vermeiden. Im Lauf der Zeit habe sich das Ekelkonzept dann auf weniger direkte Auslöser und schließlich sogar auf abstrakte Zusammenhänge ausgeweitet, schreiben die Forscher.

Dazu brauche ich keinen Forscher, Mutmaßungen kann ich auch selbst ableiten, zumal die Studie genau WAS beweist? Man zieht in unangenehmen Situationen etwa gleiche Gesichter? Suuper. Mehr nicht.
Ob die Moralvorstellungen sich evolutionär entwickelt haben oder nur tradiert sind - nix davon steht zur Debatte und die Mutmaßungen dieser Forscher werden NICHT durch die Studie gestützt.

Offenbar hat sich das Konzept des Ekels im Lauf der kulturellen und biologischen Evolution nicht nur auf konkrete Auslöser ausgeweitet, sondern auch auf Verhaltensweisen und moralische Vorstellungen, schließen die Forscher. Sie vermuten, das Vermeidungsverhalten, das mit Ekel einhergeht, habe sich bei unmoralischem Verhalten als nützlicher erwiesen als etwa die Annäherung bei einer wütenden Konfrontation: Wer sich unfair verhält, wird gemieden und so aus dem überlebenswichtigen sozialen Verbund ausgeschlossen.

Mal wieder nur Vermutungen. Und anscheinend nur auf unseren Kulturkreis gestützt.
Woanders auf der Welt neigt man vielleicht eher zur Konfrontation, vielleicht gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede.

LinuxBug hat geschrieben: Soweit ich weiß, ist etwa "Ekel" eines der meistgenannten Argumente gegen Homosexualität... das z.B. behauptet, dass Homosexualität widernatürlich ist, weil es diese Reaktion wie einen alten und angeborenen Instinkt hervorruft... :/

Soweit ich weiß, ist das meistbenannte Argument gegen Homosexualität: "Es entspricht nicht der Norm",
dicht gefolgt von "die Ausübung von homosexuellem Verhalten ist nicht religionskonform".
Das Ekelgefühl bei manchen Personen stellt sich doch erst ein, weil es "Normabweichungen" sind und man in diesen Fällen eher dazu tendiert, sich Gedanken über die praktische Umsetzung zu machen.
Wozu man doch im Normalfall eher nicht zu tun geneigt ist, ausser einer der Partner fällt anders aus dem Rahmen (andere Rasse, grosser Altersunterschied, behindert), und da dürften die "Abstossreaktionen" ähnlich sein.
Also: Lieber nix vorstellen.

Der erklärt ...anschaulich, wie man angeborene Möglichkeiten durch bestimmte Ereignisse ausgebildet werden, etwa dass Affen keine Angst vor Schlangen entwickeln, wenn sie nicht die panischen Reaktion von anderen Affen auf Schlangen kennen. Allerdings können diese Affen auf diese Weise auch nicht gegen alles eine Phobie entwickeln. Also wenn statt einer Schlange, dieselbe Reaktion auf eine Blume gezeigt wird... wenn nun dasselbe beim Menschen beobachtet wird (amerikanische Großstadtkinder, die panische Angst vor Schlangen haben, aber nicht z.B. Pistolen, obwohl sie noch keine freilebende Schlange je gesehen haben oder sehen werden, aber theoretisch jeden Tag in einem Drive-by erschossen werden könnten...)



Ich verstehe dein Beispiel nicht ganz.
Affen entwickeln durch Abgucken Phobien?
Oder: Phobien sind angeboren und man kann dem begegnen, indem man phobiefreie Vorbilder hat?
Oder: Man sollte sinnfreie Phobien durch "sinnvolle" ersetzen? Eine "Drive-by"-Phobie? Absolut alltagstauglich. :mg:
Auch in den USA werden Kinder nicht gewohnheitsmäßig abgeknallt.

Ich staune

Worauf ich hinaus will? Keine Ahnung.
:mg:
Vielleicht das manche Binsenweisheiten, doch nähere Untersuchung brauchen, als wir zugestehen, besonders da nicht alle Menschen gleich denken... =)


Alle Menschen denken nicht gleich? Potztausend.
Aber Studien und Untersuchungen und selbst Beweise werden daran nichts ändern.
Jeder zieht sich ja doch nur das heraus, was in sein Weltbild passt.

LG
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon LinuxBug » So 8. Mär 2009, 16:44

Astrella hat geschrieben:Ich verstehe dein Beispiel nicht ganz.
Affen entwickeln durch Abgucken Phobien?
Oder: Phobien sind angeboren und man kann dem begegnen, indem man phobiefreie Vorbilder hat?
Oder: Man sollte sinnfreie Phobien durch "sinnvolle" ersetzen? Eine "Drive-by"-Phobie? Absolut alltagstauglich. :mg:

Nein. Nein (nicht die Phobie, sondern die Anlage für eine Phobie). Eigentlich nicht. Halte ich für möglich, aber nicht für sinnvoll (da es eher paranoid ist, sich bei jedem vorbeifahrenden Auto zu fürchten, dass man erschossen wird).

Astrella hat geschrieben:Auch in den USA werden Kinder nicht gewohnheitsmäßig abgeknallt.

Wollte ich auch nicht behaupten, nur dass die Wahrscheinlichkeit erschossen zu werden ungleich größer ist, als eine echte Schlange außerhalb eines Zoos zu treffen. (Wobei ich das jetzt gar nicht belegen könnte... vielleicht sollten wir uns besser fragen, wieso wir keine Angst vor Autos haben. :^^: )

Astrella hat geschrieben:Aber Studien und Untersuchungen und selbst Beweise werden daran nichts ändern.
Jeder zieht sich ja doch nur das heraus, was in sein Weltbild passt.

Nun, ich ändere meine Meinung auch, wenn ich mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen konfrontiert werde (wobei ich da auch versuche möglichst kritisch vorzugehen...), und ich gehe ja nicht davon aus, dass man alle Menschen zu einer Sichtweise überzeugen kann... aber wenn ich meine Theorien nicht nur auf persönliche Erfahrung, Einschätzungen, Vorurteile und dergleichen basieren muss, sondern auch andere Sichtweisen kennen lerne, fällt es mir leichter andere zu verstehen und eine konstruktive Diskussion zu führen. Wenn etwas wissenschaftlich untersucht wird, fällt es leichter zu sagen, was ist und was nicht (auch wenn man die Schlussfolgerungen von den Autoren einer Studie nicht immer annehmen muss oder sollte).

Astrella hat geschrieben:Soweit ich weiß, ist das meistbenannte Argument gegen Homosexualität: "Es entspricht nicht der Norm",
dicht gefolgt von "die Ausübung von homosexuellem Verhalten ist nicht religionskonform".

Kann sein. Zur Religionskonformität kann ich leider nichts sagen, da ich in keinem allzu gläubigen Umfeld lebe und ich auch sonst nicht mit solch engstirnigen Ansichten konfrontiert werde.

Astrella hat geschrieben:Das Ekelgefühl bei manchen Personen stellt sich doch erst ein, weil es "Normabweichungen" sind und man in diesen Fällen eher dazu tendiert, sich Gedanken über die praktische Umsetzung zu machen.
Wozu man doch im Normalfall eher nicht zu tun geneigt ist, ausser einer der Partner fällt anders aus dem Rahmen (andere Rasse, grosser Altersunterschied, behindert), und da dürften die "Abstossreaktionen" ähnlich sein.

hm... ehrlich gesagt, kann ich auch dazu kaum was sagen. Mir sind diese Reaktionen eher fremd... war noch nie sehr auf sexuelle Normen bedacht... und mein soziales Umfeld ist da wie gesagt ziemlich tolerant... (Jedenfalls ist es mir noch nie in den Sinn gekommen, irgendetwas als unnatürlich zu betrachten, als abnorm oder unmoralisch... außer vielleicht das sinnlose Abschlachten anderer Menschen...)
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 8. Mär 2009, 17:27

Astrella hat geschrieben:Aber Studien und Untersuchungen und selbst Beweise werden daran nichts ändern.
Jeder zieht sich ja doch nur das heraus, was in sein Weltbild passt.
Im Großen und Ganzen: ja, Ausnahmen "mögen diese Regel bestätigen".
Die meisten filtern schon so rechtzeitig, dass sie ihr weltbild nicht so schnell ändern müssen.

Wenn ich mich recht erinnere, haben Verhaltensforscher "schon alles" bezüglich Angst von Primaten vor Schlangen "entdeckt", ich sehe den Zusammenhang aber absolut nicht.
Denn im "Ekelfall" haben ja die beiden Forscher ja nur "entdeckt", dass wenn subjektiv ungenießbares Essen gesehen wird und subjektiv ungenießbares Verhalten gesehen wird, dies Ekel hervorruft und der Mensch so primitiv (oder sparsam ? oder intelligent?) ist, für Ekel nur ein Subprogramm "Ekel" zu haben. Ich sehe hier jetzt nicht die Möglichkeit, dass dies irgendwas beweist oder widerlegt.
Es gibt meines Wissens auch nur ein Subprogramm "Angst", beide können natürlich in unterschiedlicher Stärke aktiviert werden. Bei leichter Angst und leichtem Ekel werden halt nicht alle Register gezogen, aber Angst bleibt Angst und Ekel bleibt Ekel, egal was die Angst oder was den Ekel hervorruft? Und?

Ich sehe aber die Möglichkeit, dass dadurch ein anderer wissenschaftlicher Bericht über den heutigen Wissenschaftsmenschen bestätigt wird, dass es immer wichtiger wird, seinen Namen bei möglichst vielen wissenschaftlichen Publikationen unterzubringen (Namedropping anderer Art), relativ unabhängig vom Wert dieser einzelnen Publikationen. :mg:
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon LinuxBug » So 8. Mär 2009, 17:50

1von6,5Milliarden hat geschrieben:ich sehe den Zusammenhang aber absolut nicht.

Gab es auch nicht wirklich. :ops:

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Und?

Wenn ich weiß, worauf meine Angst basiert, kann ich mich auch fragen, ob diese Angst begründet ist. Wenn ich weiß, dass nicht alles, was ich als eklig empfinde, auch das Gefühl des Abstoßes verdient, kann ich versuchen, mich "kraft meines Verstandes" davon zu distanzieren.

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Ich sehe aber die Möglichkeit, dass dadurch ein anderer wissenschaftlicher Bericht über den heutigen Wissenschaftsmenschen bestätigt wird, dass es immer wichtiger wird, seinen Namen bei möglichst vielen wissenschaftlichen Publikationen unterzubringen (Namedropping anderer Art), relativ unabhängig vom Wert dieser einzelnen Publikationen. :mg:

Ich habe immer noch die Hoffnung, dass im rationalen Diskurs auch noch irgendwo auf die Qualität geachtet wird... :aengstlich:
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 8. Mär 2009, 18:02

LinuxBug hat geschrieben:Wenn ich weiß, worauf meine Angst basiert, kann ich mich auch fragen, ob diese Angst begründet ist. Wenn ich weiß, dass nicht alles, was ich als eklig empfinde, auch das Gefühl des Abstoßes verdient, kann ich versuchen, mich "kraft meines Verstandes" davon zu distanzieren.
Klar, hat nur nichts mit dem Bericht zu tun.
Wenn ich weiß, dass eine durchschnittliche Spinne in einer durchschnittlichen deutschen Stadt im Durchschnitt 0,00 % der Menschen frisst, die seine Wege kreuzen, könnte man(n/frau) überlegen ob das Subprogramm "Angst" wirklich abgespult werden muss.
LinuxBug hat geschrieben:
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Ich sehe aber die Möglichkeit, dass dadurch ein anderer wissenschaftlicher Bericht über den heutigen Wissenschaftsmenschen bestätigt wird, dass es immer wichtiger wird, seinen Namen bei möglichst vielen wissenschaftlichen Publikationen unterzubringen (Namedropping anderer Art), relativ unabhängig vom Wert dieser einzelnen Publikationen. :mg:

Ich habe immer noch die Hoffnung, dass im rationalen Diskurs auch noch irgendwo auf die Qualität geachtet wird...
Ganz im ernst, darüber gibt es wissenschaftliche Abhandlungen und diese sind nicht unbedingt geeignet eine positive Stimmung zu verbreiten (auch wenn es schlimmeres gibt). Und natürlich könnte diese Arbeit aber auch eine von den "wertlosen" sein, sie befriedigt aber meine Skepsisneigung und fällt dadurch unter
Astrella hat geschrieben:Jeder zieht sich ja doch nur das heraus, was in sein Weltbild passt.
:mg:
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon stine » So 8. Mär 2009, 22:00

Astrella hat geschrieben:Das Ekelgefühl bei manchen Personen stellt sich doch erst ein, weil es "Normabweichungen" sind und man in diesen Fällen eher dazu tendiert, sich Gedanken über die praktische Umsetzung zu machen.
Wozu man doch im Normalfall eher nicht zu tun geneigt ist, ausser einer der Partner fällt anders aus dem Rahmen (andere Rasse, grosser Altersunterschied, behindert), und da dürften die "Abstossreaktionen" ähnlich sein.
Also: Lieber nix vorstellen.
Diese Frage stellt sich mir in der Tat: Warum ekelt es mich bei der Vorstellung verschiedener, abartiger oder andersgearteter Sexualpraktiken? Weil ich hochsensibel bin?
Oder weil ich prüde bin? Weil ich eine Frau bin?
Oder ist es es von der Natur vorgesehen sich zu ekeln, weil so etwas lieber zu unterlassen ist?
Ich glaube eher das Letztere ist der Fall, auch wenn es heutzutage von vielen bestritten wird, um sich selber etwas schön zu reden. Es kann nichts verrückt genug sein. Mediale Schädigung, nenne ich das.

LG stine
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Re: Über Moral und Evolution

Beitragvon Astrella » So 8. Mär 2009, 22:46

Hi Stine,

stine hat geschrieben:Diese Frage stellt sich mir in der Tat: Warum ekelt es mich bei der Vorstellung verschiedener, abartiger oder andersgearteter Sexualpraktiken? Weil ich hochsensibel bin?
Oder weil ich prüde bin? Weil ich eine Frau bin?
Oder ist es es von der Natur vorgesehen sich zu ekeln, weil so etwas lieber zu unterlassen ist?
Ich glaube eher das Letztere ist der Fall, auch wenn es heutzutage von vielen bestritten wird, um sich selber etwas schön zu reden. Es kann nichts verrückt genug sein. Mediale Schädigung, nenne ich das.


Wa?
Ich meinte es eigentlich so, das Ekelgefühl (wenn mann es denn fühlt) kommt eher daher, DASS man es sich vorstellt.
Ich finde sie Vorstellung von GV bei einem homosexuellen Paar per se nicht abstossender als bei Herrn und Frau Nachbar, nur ist ein heterosexuelles Paar eben noch alltäglicher und Otto Normalverklemmt macht sich über deren Sexualleben eher Null Gedanken.
Bei einem Homopaar (nehme ich mal jetzt ganz simpel an) fragt es sich doch: "Was und wie genau treiben die das eigentlich?", blitzartig schiessen ihm dann wahrscheinlich irgendwelche "unhygienischen" Varianten durchs Hirn und fertig ist der Salat, samt Ekel, auch wenn er all die Weil zuhause mit seiner Frau nix anderes treibt.

Oder ist es es von der Natur vorgesehen sich zu ekeln, weil so etwas lieber zu unterlassen ist?


Nö, sehe ich absolut nicht so.

Sich vor bestimmten Dingen zu ekeln ist anerzogen.
Mein zweijähriger Sohn spielt gerne und hingebungsvoll mit seinem Häufchen (wenn ich ihn denn lassen würde).
Anderswo essen sie Spinnen oder lebende Maden und so´n Zeug.
Was wir ekelig finden ist eine kulturelle Sache.

LG
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