Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon jackle » Do 11. Jun 2009, 01:05

Mark hat geschrieben:Die ET lebt doch gerade von der immerwährenden Infragestellung !
Und in der Wissenschaft spricht man nicht vom Glauben sondern vom Wissen darüber, ob eine Theorie aktuell bereits bekannt falsifiziert wurde, bzw was nachweislich durch eine Theorie vorhersagbar wird.


Hier ist zunächst die Frage, was eine Falsifikation ist. Thomas S. Kuhn hat das Kriterium der Falsifikation in der reinen Form bestritten. Wer die ET auf allgemein akzeptierte Weise falsifizieren wollte, müsste einen Paradigmenwechsel einleiten (was Mersch tut), und das ist nur mit Schwierigkeiten und gegen unendliche Widerstände möglich, siehe Kuhn. Insbesondere wies Kuhn darauf hin, dass eine Falsifikation eines Paradigmas i.d.R. nur durch die Aufstellung eines neuen Paradigmas möglich ist. Die einfache Feststellung, dass es da Beobachtungsdaten gibt, die einem Paradigma widersprechen, reicht üblicherweise nicht. Da würden viele Wissenschaftler eher noch die Beobachtungen in Frage stellen. Kuhn weist darauf hin, dass sich Schaffer neuer Paradigmen meist dadurch auszeichnen, dass sie a) relativ neu in dem Gebiet sind und b) die bereits bekannten Widersprüche ernst nehmen (und nicht aussitzen).

Mark hat geschrieben:daß dies aber keineswegs das theoretische Gebäude der ET betrifft, welches nach wissenschaftlicher Redlichkeit eben über alle Zweifel grober Fahrlässigkeit im Umgang mit den Fakten gemäß dem aktuellen Stand der Kunst erhaben ist.


Das Central Theoretical Problem of Human Sociobiology stellt eine klare Falsifikation der ET dar. Bislang wird diese Falsifikation jedoch mit ausgesprochen "schmutzigen" (unwissenschaftlichen) Argumenten nicht akzeptiert. Man hat zuviel Angst vor Kreationismus und Sozialdarwinismus. Ferner lassen sich ja leicht intelligente Giraffen vorstellen, die sich für einen Sozialstaat menschlicher Prägung entscheiden, in welchem die Tiere mit den längsten Hälsen das Futter besorgen und die mit den kürzesten Hälsen die Nachwuchsarbeit übernehmen. Das Überleben hinge hier nicht von vererbten Vorteilen ab, sondern von sozialen Vereinbarungen. Auch diese Population würde der ET widersprechen.

Die ET benötigt nach 150 Jahren endlich eine gründliche Überarbeitung, sonst wird man Evolution nie wirklich verstehen.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon Mark » Do 11. Jun 2009, 01:28

Die Evolutionstheorie beschäftigt sich nicht mit den Folgen der menschlichen Psyche. Dafür haben wir andere Wissenschaftszweige / Theorien. Ist das so schlecht verständlich ?
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon jackle » Do 11. Jun 2009, 03:37

Mark hat geschrieben:Die Evolutionstheorie beschäftigt sich nicht mit den Folgen der menschlichen Psyche. Dafür haben wir andere Wissenschaftszweige / Theorien. Ist das so schlecht verständlich ?


Das Central Theoretical Problem of Human Sociobiology beschäftigt sich ebenfalls nicht mit der menschlichen Psyche. Dort geht es um Ressourcenbeschaffung in sozialen Gemeinschaften (= sozialer Erfolg), die heute den typischen Lebensraum moderner Menschen darstellen, und um Fortpflanzungserfolg, also um genau die Dinge, die auch bei Darwin eine Rolle spielen.

Ist das wirklich so schwer verständlich?
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon El Schwalmo » Do 11. Jun 2009, 08:23

Myron hat geschrieben:Schon die Darwin'sche Evolutionstheorie umfasst mehrere Theorien:

[ ... ]

"Darwins fünf große Evolutionstheorien:

wobei schon 'fünf' stark untertrieben ist und unter 'große' das zu verstehen ist, was nach Mayrs Auffassung aktuell gültig ist. Man kann beispielsweise zeigen, dass Darwin von 'weicher Vererbung' ausging und so gar so weit gehen, anzunehmen, dass seine Selektionstheorie ohne diese Komponente gar nicht funktioniert.

Mal ganz davon abgesehen, dass Darwins 'My Theory' (also die Selektionstheorie) heute kaum noch so vertreten wird, wie Darwin sie vertrat. Wir werden noch ein paar Jahre warten müssen, bis die modernen Befunde in eine Evolutionstheorie integriert sind, die den Namen 'Theorie' (also das Beste, was es im Bereich der Naturwissenschaften gibt) verdient.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon El Schwalmo » Do 11. Jun 2009, 08:28

jackle hat geschrieben:Das Central Theoretical Problem of Human Sociobiology

verzeih' die Frage eines Unwissenden: in meiner bisherigen Beschäftigung mit Evolutionsbiologie habe ich den Begriff 'Central Theoretical Problem of Human Sociobiology' noch nie gehört. Wo kann ich das nachlesen?
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon jackle » Do 11. Jun 2009, 11:53

El Schwalmo hat geschrieben:
jackle hat geschrieben:Das Central Theoretical Problem of Human Sociobiology

verzeih' die Frage eines Unwissenden: in meiner bisherigen Beschäftigung mit Evolutionsbiologie habe ich den Begriff 'Central Theoretical Problem of Human Sociobiology' noch nie gehört. Wo kann ich das nachlesen?


Das Original war das (daher stammt der Name):

Title: Social versus reproductive success: the central theoretical problem of human sociobiology.
Author: Vining DR
Source: BEHAVIORAL AND BRAIN SCIENCES. 1986 Mar;9(1):167-216.
Abstract: The author focuses on the challenge to fundamental tenets of human sociobiology brought by recent patterns of negative differential fertility by social class in developed countries. "The first part of this paper reviews the evidence showing an inverse relationship between reproductive fitness and 'endowment' (i.e. wealth, success, and measured aptitudes) in contemporary, urbanized societies. It is shown that a positive relationship is observed only for those cohorts who bore their children during a unique period of rising fertility, 1935-1960, and that these cohorts are most often cited by sociobiologists as supporting the central postulate of sociobiology. Cohorts preceding and following these show the characteristic inverse relationship between endowment and fertility." Next, existing models of this relationship are reviewed. "The third section asks whether the goals of sociobiology, given the violation of its fundamental postulate by contemporary human societies, might not be better thought of as applied rather than descriptive...." Extensive comments in response to the article are included (pp. 187-211). (EXCERPT)
Language: English


Seitdem gibt es zahlreiche Arbeiten, die sich damit beschäftigen, und die Gründe dafür suchen (z. B. unterschiedliches Verhütungsverhalten etc.). Allerdings ergibt sich das Phänomen aus der Beckerschen ökonomischen Theorie der Fertilität (die für Mersch nur dann ein sinnvolles Fertilitätsmodell darstellt, wenn Menschen tatsächlich verhüten können, weil sie erst dann Fertilitätsentscheidungen ökonomisch entscheiden können) fast zwanglos. In der Demografie hat das Phänomen einen eigenen Namen, nämlich demografisch-ökonomisches Paradoxon. Darüber findet man z. B. sehr viel bei Birg.

Die Darwinsche Evolutionstheorie basiert in ihrer ursprünglichen und noch heute gültigen Formulierung (z. B. den bei Mayr vorzufindenden) auf Malthus. Malthus wiederum nahm an, dass sich alle Individuen einer Population möglichst oft vermehren wollen. In die Sprache von Mersch übersetzt heißt das: Die Individuen besitzen alle ein relativ gleich hohes „Reproduktionsinteresse“. Aus diesem Grund kann man es auch in einer ET unberücksichtigt und diese rein auf die Fitness basieren lassen.

Mersch ist nun der Auffassung, dass sich bereits deshalb die ET nicht auf moderne menschliche Gesellschaften übertragen lässt (aber eigentlich auch auf viele tierische Populationen ebenso nicht). Das Reproduktionsinteresse eines Individuums kann nämlich auch nichtgenetisch (!) durch soziale Verhältnisse oder Vereinbarungen moduliert sein. Wenn z. B. ein gebildetes Paar nur einen geringen Kinderwunsch und somit vielleicht nur ein Kind hat, dann steckt der spätere Kinderwunsch dieses Kindes nicht in dessen Genen. Man kann ihn also nicht den genetischen Merkmalen zuordnen, die die Wahrscheinlichkeit für Nachkommen erhöhen oder senken (wie sich Mayr ständig ausdrückt).

Das Central Theoretical Problem of Human Sociobiology ist nun in insoweit bedeutend, als dass es zeigt, dass sich moderne menschliche Gesellschaften offenkundig nicht ET-erwartet reproduzieren. Für Mersch ist hierfür das Reproduktionsinteresse (der Kinderwunsch) der entscheidende Grund, dessen Berücksichtigung in der ET völlig fehlt. Fittere Individuen hinterlassen nämlich nur dann statistisch gesehen mehr Nachkommen als weniger fitte, wenn nicht gleichzeitig mit der Fitness ihr Reproduktionsinteresse (ihr Interesse, überhaupt Nachkommen in die Welt zu setzen, ihr Kinderwunsch) statistisch signifikant sinkt. In modernen menschlichen Gesellschaften ist dies aber der Fall.

Auf Seite 148 in „Das ist Evolution“ liefert Mayr eine sehr formale Formulierung der Darwinschen Selektionstheorie, bestehend aus 5 Tatsachen und 3 Schlussfolgerungen. Mersch weist darauf hin, dass sich die 3 Schlussfolgerungen für soziale Gemeinschaften nicht aus den 5 Tatsachen ergeben müssen, möglicherweise aber sehr wohl für Populationen, in denen sich die Individuen alle wie Einzelkämpfer verhalten. Das heißt nun nicht, dass sich soziale Gemeinschaften grundsätzlich anders verhalten und sich somit der ET entziehen, sondern dass es solche gibt bzw. solche denkbar sind. Auch das zeigt die Sozialdarwinismusproblematik der ET.

Ich finde, man hat in der Hinsicht zu viele Probleme offen gelassen (die Mersch allesamt – in völlig unideologischer Weise) ernst nimmt. Solange die ET so ist, wie sie ist, sie auf menschliche Gesellschaften entweder angeblich nicht anwendbar ist oder dort zum Sozialdarwinismus führt, bekommen die Evolutionstheoretiker ihr Problem nicht gelöst. Da wird es mehr Widersacher geben, als nur der Kreationismus. Irgendwann wird es heißen: ET? Das ist etwas für Bakterien und Viren, aber ansonsten nicht relevant.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon El Schwalmo » Do 11. Jun 2009, 12:30

jackle hat geschrieben:Das Original war das (daher stammt der Name):Source: BEHAVIORAL AND BRAIN SCIENCES. 1986 Mar;9(1):167-216.

danke, das hatte ich mir auch ergoogelt. Aber das, was ich dann noch fand, war nicht gerade ein Indiz dafür, dass das irgendwie bedeutsam sein könnte. Zumindest nicht in der Evolutionsbiologie.

[ ... ]

jackle hat geschrieben:Solange die ET so ist, wie sie ist, sie auf menschliche Gesellschaften entweder angeblich nicht anwendbar ist oder dort zum Sozialdarwinismus führt, bekommen die Evolutionstheoretiker ihr Problem nicht gelöst.

Evolutionstheorie, so wie sie in der Evolutionsbiologie üblich ist (mit Selektionstheorie als zentraler Theorie) ist auf menschliche Gesellschaften, die sich tradigenetisch entwickeln, prinzipiell nicht anwendbar. Das grenzt an einen Kategorienfehler.

[ ... ]

jackle hat geschrieben:Da wird es mehr Widersacher geben, als nur der Kreationismus. Irgendwann wird es heißen: ET? Das ist etwas für Bakterien und Viren, aber ansonsten nicht relevant.

Nein, es wird heißen, dass die Evolutionstheorie für alle Lebewesen relevant ist. Aber es gibt Systeme, die anders evolvieren.

Und nun hast Du zwei Probleme: was willst Du mit Mersch auf dem Gebiet der Evolutionsbiologie? Der dilettiert dort doch nur. Zumindest galt das für die Menschen, die sein Fähnlein in anderen Foren hochhalten zu müssen meinten.

Und was willst Du mit Mersch auf anderen Gebieten? Da ich mich dort nicht so gut auskenne, überlasse ich das Urteil anderen Menschen.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon jackle » Do 11. Jun 2009, 13:46

El Schwalmo hat geschrieben: danke, das hatte ich mir auch ergoogelt. Aber das, was ich dann noch fand, war nicht gerade ein Indiz dafür, dass das irgendwie bedeutsam sein könnte. Zumindest nicht in der Evolutionsbiologie.


Stimmt. Beispielsweise schreibt Eckard Voland in "Die Natur des Menschen" S. 41, dass Soziobiologen mittlerweile mehrheitlich der Auffassung sind (Voland 2007: 41),
dass alle Mitglieder einer Population eine "genetische Äquipotenz" aufweisen, und der soziale und damit letztlich reproduktive Wettbewerb ohne evolutionsgenetische Folgen ist.


Aus diesem Grund greift hier auch der Kuhn'sche Hinweis: Falsifikationen werden von der Wissenschaftsgemeinschaft überhaupt nicht als Falsifikationen akzeptiert, sondern umdefiniert und damit ausgesessen. Man darf sich m. E. nicht wundern, wenn in der Bevölkerung die ET überhaupt gar nicht so sehr akzeptiert ist, wie sich das ihre Vertreter wünschen. Die Soziobiologen glauben ja selbst nicht an sie. Die obige Behauptung zur Äquipotenz stellt einen ganz klaren Ausstieg aus der ET dar. Im Grunde wird damit gesagt: Die ganze Natur ist durch Evolution entstanden, der Mensch ist jetzt jedoch daraus ausgestiegen. Wir Menschen unterliegen nicht mehr der Evolution, denn egal wie ich eine Population auch aufteilen mag, es liegt genetische Äquipotenz vor. Sorry, aber das hat für mich mit Wissenschaft nichts zu tun, sondern ist pure Ideologie und Selbstüberhöhung.


El Schwalmo hat geschrieben:Evolutionstheorie, so wie sie in der Evolutionsbiologie üblich ist (mit Selektionstheorie als zentraler Theorie) ist auf menschliche Gesellschaften, die sich tradigenetisch entwickeln, prinzipiell nicht anwendbar. Das grenzt an einen Kategorienfehler.


Warum? Wie konnte dann der Mensch entstehen? Bis wann galt die ET für den Menschen noch und ab wann genau fand der Übergang statt?

El Schwalmo hat geschrieben:Nein, es wird heißen, dass die Evolutionstheorie für alle Lebewesen relevant ist. Aber es gibt Systeme, die anders evolvieren.


Das wäre der Tod der ET.

El Schwalmo hat geschrieben:Und nun hast Du zwei Probleme: was willst Du mit Mersch auf dem Gebiet der Evolutionsbiologie? Der dilettiert dort doch nur. Zumindest galt das für die Menschen, die sein Fähnlein in anderen Foren hochhalten zu müssen meinten.


Nenne mal ein Beispiel, wo irgendjemand einen ernsthaften Einwand gegen seine Theorie oder seine Argumente vorgetragen hat. Bislang lauten alle Einwände so, wie du sie gerade vorgetragen hast, und das ist extrem unwissenschaftlich und billig. Also liefere mal Fleisch und keine Floskeln!

El Schwalmo hat geschrieben:Und was willst Du mit Mersch auf anderen Gebieten? Da ich mich dort nicht so gut auskenne, überlasse ich das Urteil anderen Menschen.


Ich kenne mich auch in Biologie besser aus als du. Aus diesem Grund kann ich Merschs Argumente auch sehr gut nachvollziehen. Selbst seine Beschreibung der Melodienevolution bei den Lappenstaren ist biologisch plausibler als die von Richard Dawkins. Überhaupt fällt in diesem Zusammenhang auf: Biologen versuchen ständig die ET auf Bereiche außerhalb der Biologie auszuweiten. Beispiele sind Sozialdarwinismus und Memetik. Die Memetik ist ganz klar von der Genetik getragen, man redet von Replikatoren etc. Die Soziobiologie ist ein weiterer Fall. Hier wird in biologischen Kategorien gedacht. Bislang sind diese Versuche jedes Mal daneben gegangen. Umso erstaunlicher die noch immer vorhandene Arroganz der Biologen bzgl. ET. Sie glauben, sie könnten mit ihrer engen Sicht ausweiten, aber keine Impulse von Außen entgegennehmen, das wäre angeblich Dilettantismus von ahnungslosen Außenstehenden. Wie groß der wissenschaftliche Schaden ist, den sie sich dadurch selbst zufügen, ist ihnen wohl noch nicht aufgefallen.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon jackle » Do 11. Jun 2009, 14:07

El Schwalmo hat geschrieben: Aber das, was ich dann noch fand, war nicht gerade ein Indiz dafür, dass das irgendwie bedeutsam sein könnte. Zumindest nicht in der Evolutionsbiologie.
(...)
Evolutionstheorie, so wie sie in der Evolutionsbiologie üblich ist (mit Selektionstheorie als zentraler Theorie) ist auf menschliche Gesellschaften, die sich tradigenetisch entwickeln, prinzipiell nicht anwendbar. Das grenzt an einen Kategorienfehler.


Nehmen wir einmal als einfaches Beispiel den IQ. Gemäß US-Wikipedia schätzt man heute den genetischen Anteil beim IQ für Erwachsene auf etwa 75%.
http://en.wikipedia.org/wiki/Heritability_of_IQ

Wir halten also fest: IQ ist etwas, was der Evolution unterliegen kann. Er beruht maßgeblich auf den Genen. Der Ausdruck tradigenetisch passt in diesem Fall irgendwie nicht.

Ferner wurde beobachtet, dass in den Industrienationen seit einiger Zeit eine negative Korrelation zwischen IQ und Fortpflanzungserfolg besteht. Das ist Teil des Central Theoretical Problems of Human Sociobiology.

Schließlich wurde beobachtet, dass der mittlere IQ in den Industrienationen bis etwa 1990 kontinuierlich anstieg, seitdem aber fällt.

http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/hintergrund/253016.html

Ist das etwas, was mit ET und Darwin zu tun haben könnte? Und ist das etwas, was einem zum Denken geben könnte (z. B. das erstaunliche Resultat, dass der mittlere IQ der Deutschen von 1981 bis jetzt von 107 auf etwa 98 abgesunken ist)?

Und bitte nicht wieder irgendeine billige Polemik. Das hier ist eine Website für Menschen mit einem naturalistischen und nicht marxistischen Weltbild. Ich zähle hier nur ganz einfach Fakten auf, die jedem Menschen frei zugänglich sind.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon El Schwalmo » Do 11. Jun 2009, 14:21

jackle hat geschrieben:Ich kenne mich auch in Biologie besser aus als du.

komisch, auf diese Idee kam ich bisher gar nicht. Woran könnte das wohl liegen?
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon jackle » Do 11. Jun 2009, 14:56

El Schwalmo hat geschrieben:
jackle hat geschrieben:Ich kenne mich auch in Biologie besser aus als du.

komisch, auf diese Idee kam ich bisher gar nicht. Woran könnte das wohl liegen?


Man kann das allein daran erkennen, dass du Sätze von dir gibst, die biologisch gesehen falsch sind, z. B. diesen hier:

Evolutionstheorie, so wie sie in der Evolutionsbiologie üblich ist (mit Selektionstheorie als zentraler Theorie) ist auf menschliche Gesellschaften, die sich tradigenetisch entwickeln, prinzipiell nicht anwendbar. Das grenzt an einen Kategorienfehler.


Damit hast du den Biologismusvorwurf akzeptiert und dich der Soziologie unterworfen. Es ist aufgrund der hohen Spezialisierung in menschlichen Gesellschaften sogar einmal der Verdacht geäußert worden, sozialer Erfolg könne stärker auf Genen beruhen als in Urgesellschaften (selbst Emile Durkheim äußerte sich indirekt in diese Richtung), da Menschen sehr stark in die Berufsfelder drängen dürften, deren Tätigkeiten ihnen besonders leicht fallen. Der Erfolg eines überragenden Konzertpianisten dürfte z. T. auch auf genetischen Merkmalen beruhen.

Beim IQ werden deine Aussagen ohnehin von der Mehrheit der Wissenschafter nicht akzeptiert.

Aber ich sehe schon, ich argumentiere hier wieder, während du nur Polemik von dir gibst. Wenn das so weitergeht, steht meine Aussage fest: ET ist eine Religion, da sie mit religösen Mitteln verteidigt wird.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon El Schwalmo » Do 11. Jun 2009, 15:03

jackle hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
jackle hat geschrieben:Ich kenne mich auch in Biologie besser aus als du.

komisch, auf diese Idee kam ich bisher gar nicht. Woran könnte das wohl liegen?


Man kann das allein daran erkennen, dass du Sätze von dir gibst, die biologisch gesehen falsch sind, z. B. diesen hier:
Evolutionstheorie, so wie sie in der Evolutionsbiologie üblich ist (mit Selektionstheorie als zentraler Theorie) ist auf menschliche Gesellschaften, die sich tradigenetisch entwickeln, prinzipiell nicht anwendbar. Das grenzt an einen Kategorienfehler.

Damit hast du den Biologismusvorwurf akzeptiert und dich der Soziologie unterworfen.

ich sehe eher, dass Du Dich als Banause geoutet hast.

Wenn Du mich ganz ehrlich fragst, scheinst Du und Deine Konsorten eine Art Pendant zu Lopez, Friebe und dem GOM-Projekt zu sein.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon folgsam » Do 11. Jun 2009, 15:08

El Schwalmo hat geschrieben:Wenn Du mich ganz ehrlich fragst, scheinst Du und Deine Konsorten eine Art Pendant zu Lopez, Friebe und dem GOM-Projekt zu sein.



Also ähnlich wie diverse Kritiker der einsteinschen Relativitätstheorie.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon El Schwalmo » Do 11. Jun 2009, 15:11

jackle hat geschrieben:Aber ich sehe schon, ich argumentiere hier wieder, während du nur Polemik von dir gibst. Wenn das so weitergeht, steht meine Aussage fest: ET ist eine Religion, da sie mit religösen Mitteln verteidigt wird.

was 'argumentierst' Du denn eigentlich? Du redest von ET und sprichst dann von IQ und bezeichnest das noch als 'einfaches Beispiel'. Unter solchen Prämissen kann nichts Vernünftiges herauskommen.

BTW, auf dem BrightsBlog war auch jemand unterwegs, der das Mersch-Fähnlein hochhalten zu müssen meinte. Warst Du das?
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon smalonius » Do 11. Jun 2009, 15:22

jackle hat geschrieben:Die Darwinsche Evolutionstheorie basiert in ihrer ursprünglichen und noch heute gültigen Formulierung (z. B. den bei Mayr vorzufindenden) auf Malthus. Malthus wiederum nahm an, dass sich alle Individuen einer Population möglichst oft vermehren wollen. In die Sprache von Mersch übersetzt heißt das: Die Individuen besitzen alle ein relativ gleich hohes „Reproduktionsinteresse“. Aus diesem Grund kann man es auch in einer ET unberücksichtigt und diese rein auf die Fitness basieren lassen.
Das Problem ist hier das "wollen".

Wenn ein Rüde eine läufige Hündin bespringt, dann nicht eines "Reproduktionsinteresses" wegen, sondern aus Geilheit. Tiere wollen vögeln - und da ist das "wollen" sogar angebracht. Daß mit dem Vögeln dann die Kinder kommen, ist nur geschickt von der Natur so eingerichtet. Nachkommen zu zeugen, liegt bildlich gesprochen vielleicht "im Interesse der egoistischen Gene", es liegt aber bestimmt nicht im Interesse der Individuen.

Sobald Sex nicht mehr zwangsläufig mit Nachkommenschaft einhergeht - so wie beim modernen Menschen -, ändern sich die Verhältnisse. Das geht erst seit 50 Jahren; mal sehen, was evolutiv daraus wird.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon jackle » Do 11. Jun 2009, 15:27

El Schwalmo hat geschrieben: was 'argumentierst' Du denn eigentlich? Du redest von ET und sprichst dann von IQ und bezeichnest das noch als 'einfaches Beispiel'. Unter solchen Prämissen kann nichts Vernünftiges herauskommen.


Ich habe die letzten 3 Beiträge nun "gemeldet". Ich finde das ganz schlimm, wie hier systematisch eine sachliche Diskussion kaputt gemacht wird. Ich darf noch einmal daran erinnern, dass das "Central Theoretical Problem of Human Sociobiology" ein ernsthaftes offenes Problem in der Soziobiologie ist, welches allerdings von vielen Soziobiologen "ausgesessen" wird. Eckard Voland erwähnt in einem seiner Bücher (ohne klarzustellen, ob er sich der Meinung anschließt oder nicht), dass die Mehrheit der Soziobiologen von einer genetischen Äquipotenz in menschlichen Gesellschaften ausgehe, sodass (nun von mir frei übersetzt) man das Central Theoretical Problem of Human Sociobiology ignorieren könne (es hätte keine negativen Folgewirkungen). Das hätte nicht nur erstaunliche Folgewirkungen für die ET, sondern auch bemerkenswerte gesellschaftspolitische Auswirkungen. Denn das hieße ja, dass zwischen der Menge an Menschen, die einen Hochschulabschluss erreichen und denjenigen, die ohne Schulabschluss bleiben, eine genetische Äquipotenz besteht. Die Erlangung von Bildung und darauf aufbauend von sozialem Erfolg und Einkommen würde also nicht einmal statistisch signifikant mit irgendwelchen Genen und damit originär individuellen Eigenschaften korrelieren. Fehlender sozialer Erfolg wäre damit in erster Linie auf soziale Benachteiligung zurückzuführen. Ob ich einen Hochschulabschluss oder keinen Schulabschluss erreiche, wäre eine Folge des sozialen Umfeldes und nicht einmal statistisch signifikant mit genetischen Merkmalen in Zusammenhang zu bringen. Das wäre ein geradezu unglaublicher Skandal.

Ich fordere alle Teilnehmer noch einmal eindringend auf, auf sachliche und belegte Beiträge sachlich und belegt zu antworten. Das, was hier betrieben wird, ist der Stil des Vatikans. Wenn man keine Argumente hat, mit einer solch billigen Polemik zu kommen, ist eine Schande.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon jackle » Do 11. Jun 2009, 15:33

smalonius hat geschrieben:
jackle hat geschrieben:Die Darwinsche Evolutionstheorie basiert in ihrer ursprünglichen und noch heute gültigen Formulierung (z. B. den bei Mayr vorzufindenden) auf Malthus. Malthus wiederum nahm an, dass sich alle Individuen einer Population möglichst oft vermehren wollen. In die Sprache von Mersch übersetzt heißt das: Die Individuen besitzen alle ein relativ gleich hohes „Reproduktionsinteresse“. Aus diesem Grund kann man es auch in einer ET unberücksichtigt und diese rein auf die Fitness basieren lassen.
Das Problem ist hier das "wollen".

Wenn ein Rüde eine läufige Hündin bespringt, dann nicht eines "Reproduktionsinteresses" wegen, sondern aus Geilheit. Tiere wollen vögeln - und da ist das "wollen" sogar angebracht. Daß mit dem Vögeln dann die Kinder kommen, ist nur geschickt von der Natur so eingerichtet. Nachkommen zu zeugen, liegt bildlich gesprochen vielleicht "im Interesse der egoistischen Gene", es liegt aber bestimmt nicht im Interesse der Individuen.

Sobald Sex nicht mehr zwangsläufig mit Nachkommenschaft einhergeht - so wie beim modernen Menschen -, ändern sich die Verhältnisse. Das geht erst seit 50 Jahren; mal sehen, was evolutiv daraus wird.


Warst du nicht derjenige, dem ich erst unlängst erklären musste, dass es auch beim Hermaphroditismus zu einer Mischung von Genen kommt? Also hänge dich nicht so weit mit Halbwissen aus dem Fenster.

Was du dort vorträgst, ist eine völlig haltlose Vereinfachung der Verhältnisse in der Natur. Einige Vogelmännchen bauen ihren Weibchen gigantische Luxusnester, um sie anzulocken. Da ist nicht nur reine Geilheit im Spiel, sondern ganz viele Dinge. Mersch fasst diese Antriebe (wie viele andere Autoren, z. B. Maturana) unter dem Namen "Reproduktionsinteresse" zusammen. Auch er beschreibt klar, dass der Sexualtrieb wohl der stärkste biologische Antrieb ist, dies dann umzusetzen. Aber ich erwähnte doch oben schon die Beckersche Theorie und Merschs Auffassung dazu. Wieso kommst du nun mit diesem simplen Einwand, wo das Thema doch oben schon viel facettenreicher diskutiert wurde????
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon El Schwalmo » Do 11. Jun 2009, 15:34

jackle hat geschrieben:Ich fordere alle Teilnehmer noch einmal eindringend auf, auf sachliche und belegte Beiträge sachlich und belegt zu antworten. Das, was hier betrieben wird, ist der Stil des Vatikans. Wenn man keine Argumente hat, mit einer solch billigen Polemik zu kommen, ist eine Schande.

und ich fordere Dich, der Du meinst, Dich in Evolutionsbiologie besser auszukennen als ich, eindringlich dazu auf, so zu posten, dass man das auch merkt.

Übrigens, Dein Drücken auf die Tränendrüse kenne ich vom GOM-Projekt her zu Genüge.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon jackle » Do 11. Jun 2009, 15:40

smalonius hat geschrieben: Sobald Sex nicht mehr zwangsläufig mit Nachkommenschaft einhergeht - so wie beim modernen Menschen -, ändern sich die Verhältnisse. Das geht erst seit 50 Jahren; mal sehen, was evolutiv daraus wird.


Ja und genau da meint eben Mersch, dass sich die Verhältnisse so ändern, dass die ET geändert werden muss. Er ist in diesem Punkte kein Spinner, der die Relativitätstheorie kritisiert, sondern eher jemand wie Einstein selbst, der behauptet, unter bestimmten Bedingungen treffe Newton nicht mehr zu und müsse deshalb geändert werden.

Das einzige was er tut ist die ET so zu verallgemeinern, dass sie auch wieder für menschliche Gesellschaften zutreffend ist. Seine Aussage: Die jetzige Entwicklung ist katastrophal (man kann also die nächsten 50 Jahre schon vorhersehen), und sie wird maßgeblich dadurch verursacht, dass in modernen menschlichen Gesellschaften der Fortpflanzungserfolg nicht mehr nur durch Geilheit und Fitness bestimmt wird, sondern maßgeblich vom Reproduktionsinteresse, welches beherrschbar und damit ökonomisch bewertbar geworden ist.

Ist das eigentlich wirklich so schwer zu verstehen? Das sind alles Behauptungen, für die es hervorragende empirische Belege gibt.
Zuletzt geändert von jackle am Do 11. Jun 2009, 15:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ist der Evolutionsglaube eine Religion?

Beitragvon jackle » Do 11. Jun 2009, 15:43

El Schwalmo hat geschrieben: und ich fordere Dich, der Du meinst, Dich in Evolutionsbiologie besser auszukennen als ich, eindringlich dazu auf, so zu posten, dass man das auch merkt.


Lesen kannst du also auch nicht. Ich schrieb, dass ich mich in Biologie besser auskenne, dazu zählt für mich auch die Soziobiologie, die du gar nicht zu kennen scheinst, da dir selbst das "Central ... Biology" unbekannt war, was dort zur Allgemeinbildung gehört.

Du bringst weiterhin kein einziges Argument, was dich in irgendeiner Weise als kompetent in der Sache erweisen könnte. Nur Polemik, nur heiße Luft. :kopfwand:
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