von molosovsky » Di 6. Mär 2007, 18:30
Ich denke, bei der Beurteilung des ›magischen Denkens‹ sollte man unterscheiden, bevor man die Keule des Vorwurfes und der Ablehnung auspackt.
Wenn es um pragmatische Angelegenheiten geht, etwa um solchen Kleinkram wie das Überleben der Menschheit, angestrebte Großanstrengungen und andere Fragen übergreifender Gestaltung, hat magisches Denken in seiner ungehobelten und unmanierlichen Form aussen vor zu bleiben.
Da aber dieses magische Denken (meiner Einschätzung nach) schlicht das ›Larvenstadium‹ des erstaunlichen menschlichen Vermögens zum komplexen, abstrakten Sich-Vorstellens ist, sollte man es weniger verachten, als sich um die ›richtige‹ Kultivierung des magschen Denkens sorgen.
Kausalität, Raum und Zeit haben ihre ›Grammatik‹, mit der sich dann solche Dinge wie z.B. Intentionalität folgern lassen, und man muss die Winkelzüge dieser Grammatik derselben vorsichtig behandeln, sonst landet man bei vermeindlich ›augenfäligen‹ Folgerungen, wie z.B. dass Sonne um die Erde kreist, und dass die Erde keine Kugel sein kann, weil die Antipoden ja ins All purzeln würden.
Was die Menschen im Alltag so alles mit ihrer Fähigkeit des magischen Denkens anstellen, regt mich wenig auf; egal ob sie Glückbringer tragen, ihre Autos oder Computer wie Lebewesen benamsen und behandeln, regelmäßig Runen schubsen oder eben zu ihrem Heiland beten. Diese Art von Beweglichkeit der Phantasie kann ja immerhin die Stimmungswettermacherei bereichern, indem man z.B. seine Ängste bannt, indem man Monster ersinnt, oder seinen Hoffnungen Ausdruck verleiht, indem man Utopien formt. Immerhin geht es bei der Kommunikation der Menschen nicht nur um objektive Annäherung an ›die Wahrheit‹, sondern allergrößtenteils reden wir ja darüber, wie’s uns geht, oder wollen verstehen, wie sich andere Menschen in ihrer jeweiligen Lebenslage fühlen. — Kaum jemand gesteht seine Liebe z.B. dadurch, dass er/sie die entsprechenden bio-chemischen Vorgänge seines Organismus benennt. Vielmehr werden eben Metaphern gebraucht, die im magischen Denken gründen. Wo bliebe denn die Kunst, Poesie und der Humor, würde man das magische Denken vollends mit Argwohn belegen!
Nur wenn eben aus den jeweiligen Privatterrains herausgetreten und ausgegriffen wird, hinein in den großen Raum, dessen Kugeloberflächenbewohner wir alle gleichermaßen sind, dann haben Weihnachtsmann und Osterhase (oder auch ›die Kraft der Geschichte‹ oder ›der Aufstieg des Zivilisationsprozesses‹), politisch gesehen, ihren Mund zu halten.
Grüße
Alex / molo