Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Die Bildgebung betreffend:
- Was genau bedeutet es denn, wenn eine Region im fMRT farblich verändert dargestellt wird? Dass es da denkt? Wieso? Steht das dran? Warum gerade da?
Es bedeutet, dass dieses Hirnareal grad aktiv ist. Gemessen wird die Sauerstoff(ent)sättigung von Blut (was Du natürlich sicher weist). Ob Aktivität = Denken ist, ist letztendlich eine philosophische Frage, grundsätzlich ist für mich als Naturalist aber Denken immer nur auf Grundlage neuronaler Aktivität denkbar. Und insofern ist es schon interessant, wann und bei welchen Aufgaben Hirnareale aktiv sind und wann nicht!
Das mag alles sein, nur die Kurzformel wo's blinkt, da denkt's, die ist einigermaßen kühn gesetzt, weil eben nicht klar ist, was Denken ist und wo es beginnt und endet, sowohl von der Intensität als auch von der Lokalisation her.
Kann man sich jetzt streiten, ob man das bei der allgemeinen (bisherigen) Irrelevanz des Ganzen vernachlässigen kann oder ob man einen Nachweis fordert.
Zappa hat geschrieben:Die Technik, die dahinter steckt ist im Übrigen äußerst komplex und die Datenauswertung sowieso. Insofern ist das Ganze recht kompliziert und fehleranfällig. Aber ansonsten könnte es ja jeder
Jepp, die Dinger sind wahre Wunderwerke der Technik. Allein das mit den verschiedenen Relaxationen zu verstehen ist nicht ganz ohne. Ich habe mal nen Artikel über die Dinger geschrieben und den wahnwitzigen Anspruch gehabt, das worüber ich schrieb zu verstehen, das war mit ner kurzen Wiki-Recherche nicht getan, aber die Mühe hat sich gelohnt. (Außer, dass ich zwei Drittel meines Beitrags dann verwerfen musste und die ganzen Mühen dann gar nicht mehr vorkamen.)
Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben: Kann man Denken überhaupt naturalistisch/empirisch festzurren? Wie?
Wenn Du mit festzurren "vollumfänglich beschreibe/begreifen" meinst, dann nicht. Denken hat immer auch eine (nicht messbare) intrasubjektive Komponenten.
Okay.
Zappa hat geschrieben:Aber die objektiven, neurologischen Grundlagen lassen sich schon erstaunlich gut messen. Ein "Gedanke" ist meiner Meinung nach ein konstantes Erregungsmuster einer spezialisierten Nervenzellgruppe. Ist die Nervenzellgruppe groß genug, ausreichend kompakt und benachbart, dann kann sie die MRT messen.
Kann sein, nur ist es eben so, dass verschiedene Wege zum gleichen Endergebnis führen können, d.h. man findet hier keine 1 zu 1 Repräsentationen. Dazu kommt, dass beim Denken immer weite Teile des Hirns aktiv sind und das was man in erhöhter Aktivität sieht gar nicht so entscheidend sein muss. Ein bisschen wie bei den Vitaminen, erst dachte man, dass von denen alles abhängt und dann entdeckte man, was es da noch alles so gibt, was relevant ist.
Zappa hat geschrieben:So ist es z.B. gelungen aus MRT Daten heraus zu lesen, welches Bild aus einer Auswahl von Bildern die Versuchsperson grad gezeigt bekommen hat. Der "Gedanke" ich sehe eine Katze, ein Auto, eine Frau kann also mit so einer Methode dargestellt und gemessen werden. Dabei ist es mir Wurscht, ob Du das als Gedanken durchgehen lässt, ich finde es schon spannend genug mit bestimmten Bildmustern assoziierte Seherscheinungen messen zu können.
Kenn ich, fand ich auch erstaunlich (falls wir dasselbe meinen, ich glaube ja), aber hast Du die Bilder mal gesehen? Ich hatte sofort die Assoziation, dass das Bilder sind, wie die, wo ein Hellseher einen Ort beschreibt, an dem sich etwas befindet. Ich glaube einzig bei dem Umriss einer Person konnte man (wenn man das Originalbild nicht kannte) erkennen, was das in etwa sein soll, der Rest war kaum oder gar nicht zu erkennen.
Aber davon ab, ist das eine wirklich beeindruckende Leistung, nur muss man dennoch darauf hinweisen dürfen, dass Bilder zu sehen, von der kognitiven Leistung her, ungeheuer primitiv ist. Wir wollen nicht vergessen, wie der Anspruch da vor 10 Jahren war:
Wolf Singer hat geschrieben:Die zunehmende Verfeinerung neurobiologischer Messverfahren hat nun mehr die Möglichkeit eröffnet, auch die neuronalen Mechanismen zu analysieren, die höheren kognitiven Leistungen komplexerer Gehirne zugrunde liegen. Somit werden auch diese, auch als psychisch bezeichneten Phänomene zu objektivierbaren Verhaltensleistungen die aus der Dritten-Person-Perspektive vertraut sind und beschrieben werden können. Zu diesen mit naturwissenschaftliche Methoden untersuchbaren Leistungen zählen inzwischen auch solche, die uns bereits aus der Ersten-Person-Perspektive vertraut sind, darunter fallen Wahrnehmen, Vorstellen, Erinnern und Vergessen, Bewerten, Planen und Entscheiden, und schließlich die Fähigkeit Emotionen zu haben. Alle diese Verhaltensmanifestationen lassen sich operationalisieren, aus der Dritten-Person-Perspektive heraus objektivieren und im Sinne kausaler Verursachung auf neuronale Prozesse zurückführen. Somit erweisen sie sich als Phänomene, die in kohärenter Weise in naturwissenschaftlichen Beschreibungssystemen erfasst werden können.“
(Wolf Singer in Hirnforschung und Willensfreiheit, Hrsg. Chr. Geyer, Suhrkamp 2004, S.35)
Da liegt die Latte und ich hab sie da nicht hingehängt.
Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben: Könnte die Verfärbung nicht auch die Abwärme darstellen und der Denkprozess findet immer genau daneben statt? Warum sollte das nicht so sein?
Das ist deshalb meines Wissens nach unwahrscheinlich, da man das fMRT natürlich auch mit anderen Methoden (z.B. Nervenstimulation, postoperativen Vergleichen nach Resektion von Arealen) verglichen hat. Aber möglich ist natürlich fast alles, denn Naturwissenschaft behauptet nie fundamental die Wahrheit zu erkennen.
Was ich sagen will ist, dass der unmittelbare Zusammenhang zwischen Protonendichte und Denken zwar plausibel ist, aber nicht alles was plausibel ist, ist auch wahr.
Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Gibt es eine Normierung, die genau besagt, wie, mit welcher Sensibilität ein MRT Gerät eingestellt sein muss, um zu wissen, da denkt es, da nicht mehr/noch nicht? Sprich: Wo liegt die Untergrenze von Denken und gibt es auch eine Obergrenze?
Die Experimente sind, aufgrund der relativ niedrigen Nachweisschwelle der MRT, immer so angelegt, dass viel "an-aus" Situationen nacheinander gemessen werden müssen. Will man z.B. herausfinden, welche Areale den linken Daumen motorisch aktivieren, erfindet man ein Experiment, in dem der Proband zig mal den Daumen aktiviert, dann eine Pause macht, dann wieder aktiviert etc. pp. Das macht es schwer "Denkprozesse" darzustellen. Wenn das Gehirn nach dem ersten Mal weiß, was es nach der Pause gleich wieder denken soll, hängt es evtl. an dem Gedanken fest und dieser ist somit nicht messbar. Die Methode ist wird bereits gesagt hochkompliziert, dass können nur wenige Arbeitsgruppen gut.
Trotzdem spannend und experimentelle Daten sind allemal wertvoller, als theoretisches a priori Rumgemäkel. Meiner Meinung nach zumindest.
Das ist kein a priori Gemäkel. Hirnforschung gab es auch vorher schon, wie Du schon sagtest überschneiden sich da viele Gebiete und ich mag z.B. die Bücher von Oliver Sacks, der Neuropsychologe genannt wird, sehr gerne. Alle fanden die spannend, Mediziner und Psychologen, lange vor dem Hype.
Gemäkelt wurde, als diese aberwitzigen weltanschaulichen Ableitungen kamen (mit sagenhafter Arroganz vorgetragen) und im Moment sieht es eher so aus, dass den meisten der Zunft, die meisten kluge Forscher im besten Sinne, ihre (ehemaligen) Lautsprecher eher peinlich sind. Dabei hat der Ärgste von allen, Wolf Singer, noch am besten die Kurve gekriegt, aber die frische Generation ist längst da und man unbeirrt weiter, was ich sehr gut finde. Da will ich dann auch nichts bashen.
Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Wie ist es eigentlich um die Auflösung eines MRT Gerätes bestellt? Kann man eigentlich sagen, genau in dieser Region passiert dies und das? (In der Tat gibt es Gegenargumente, die besagen, dass mancher Forscher Feinheiten in Untersuchungen hineininterpretieren will, die unterhalb der Auflösung liegen.)
Die Auflösung ist beschränkt, örtlich und zeitlich. "Ein Gedanke" ist überhaupt nicht messbar, nur repetitive Hirnaktivitäten. Die Ortsauflösung liegt im cm-Bereich. Deswegen muss man natürlich auch mit anderen Methoden arbeiten um Ergebnisse zu bestätigen, bzw. auf zellulärer und molekularer Ebene Aussagen zu finden. Ist eine Methode von vielen, im Moment sicher etwas gehypt, da relativ neu und eindrucksvoll.
Genau, und da gibt es wirklich Auswüchse, wenn es stimmt, was behauptet wird, die gravierend sind, gerade auch um den Bereich der Auflösung.
Ansonsten ist natürlich richtig, was Du sagst, man legt einfach verschiedene Ergebnisse übereinander, aber auch da muss man sehen, dass einiges routiniert gut, einiges super gelingt (die Lyse nach Schlaganfällen sind heute zum Teil sehr gut), aber z.B. bei Hirnschrittmachern hast Du analoge Probleme. Was man so sieht sind natürlich immer die sensationellen Erfolge I(z.B. Bei Parkinson), doch die allgemeine Praxis sieht einfach sehr durchwachsen aus. Was neurodegenrative Erkrankungen angeht (Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Chorea Huntington), da sieht es einfach sehr mau aus. Was dementielle Erkrankungen angeht, wissen wir erschreckend wenig, Erkrankungen der Abteilung selbst erarbeitet (Korsakoff-Syndrom und Morbus Prick), da kann man eh nichts machen.
Die transkranielle Magnetstimulation (TMS), da habe ich auch mal was recherchiert, fand ich sehr interessant, aber es gab da einmal physikalische Probleme, ein Feld ist eben ein Feld und für ene gezielte Stimulation muss man punktuell vorgehen, was dann etwas damit verbessert wurde, dass man durch sich überlagernde Phasen mehr Tiefe erreichen konnte, aber eigentlich (zuletzt hatte das Team um Spitzer daran gearbeitet) hat das alles überhaupt keinen Erfolg gehabt, mein letzter Stand ist, dass die Veränderungen extrem kurzzeitig stattfinden und dann wieder verlöschen. Leider, der Ansatz war mir sympathisch.
Wie gesagt, Licht und Schatten, auch hier.
Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Aber wenn die Hirne doch ziemlich verschieden sind, wie kommt es dann, dass wir so genaue Aussagen über diese und jene Bereiche manche können? Wenn es an räumlich ähnlichen Stellen (identische kann es kaum geben) bei zwei Menschen im Bild rot leuchtet, haben die dann beide dieselben Gedanken, wenn es einmal eine emotionale-linkshändige Geigerin ist und ein anderes Mal ein systemisch-rechtshändiger Fußballer? Warum?
Eine einfache Methode wäre z.B. jemanden zunächst zu messen, der kein Klavier spielen kann. Dann bringt man ihm Klavier bei und kann dann i.d.T. in der MRT innerhalb von Wochen messen, welche Hirnanteile größer werden, also offenbar u.a. für die Fingermotorik zuständig sind. An diese Hirnarealen kann man dann weiter rumexperimentieren. Noch einmal: Komplexe Materie und einfache Antworten sind meist die falschen.
Ja, aber Klavier ist ja nicht nur Fingermotorik. Für jeden echten Klavierspieler ist das der unwichtigste Aspekt.
Aber ich weiß was Du meinst und stimme Dir insofern zu, dass es ein komplexes Geschehen ist, also aus meiner Sicht gerade kein Grund für Schnellschüsse und die gemacht zu haben, ist meine Hauptkritik.
Zappa hat geschrieben:Zum Rest: Ich denke die Methode ist zu beschränkt um Aussagen zu komplexen Verhaltensmustern machen zu können. Natürlich ist es spannend nach Unterschieden zwischen Dopaminrezepotoraktivitäten von Alkoholikern und Nichtalkoholikern zu schauen (diesmal mit PET), aber das gesamte Trinkverhalten ist zu komplex um auf einen Rezeptor reduziert zu werden. D.h. aber nicht, dass der Rezeptor keine Rolle spielt!
Ja, auch hier Zustimmung.
Aber alle psychischen Abläufe sind so unendlich komplex, dass man viel weniger darüber weiß, als oft gesagt wird.
Nicht einmal der scheinbar so eindeutige Zusammenhang zwischen Depression und Serotonin ist ordentlich geklärt und obwohl man heute weiß, dass hinter den Studien ein handfester Betrug steht, gibt man das Zeug unbeirrt weiter.
Deshalb ist es eher umgekehrt, hier gibt es nicht viel zu streiten, weil einfach nicht viel da ist.
Eine echte Alternative zur Psychotherapie auf psychopharmakologischer Basis gibt es schlicht nicht, man teilt sich einfach die Kuchen, wie eh und je.
Innerhalb der Psychofraktion gab es tüchtigen Streit, auch hier ist lustigerweise der Ausgang des Streits ein vollkommen anderer, als in der Öffentlichkeit erzählt wird.
Neu und erfreulich ist allerdings, dass es immer mehr Richtungen gibt, die den Intellekt umgehen und dennoch Erfolge haben.
Aber bei der Aufteilung Neurologie/Psychiatrie und Psychologie hat sich nicht viel getan und die mit Abstand besten Ergebnisse haben die psychodynamischen Ansätze zu verzeichnen, in dem man heute einen großen Teil der schweren Persönlichkeitsstörungen gut und manchmal hervorragend therapieren kann. Die Welt hat insbesondere Otto Kernberg dafür zu danken.