provinzler hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:
Nein monokausal siehst Du es nicht, nur selektiv.
Inwiefern selektiv?
Ich kann versuchen meine Eindruck zu erklären:
Du weißt in der Regeln wohl meistens, dass die meisten Dinge viele Ursachen haben. Beispiel hier waren Depressionen und Scheidungen.
Von einem Slow-Virus, über genetische Disposition, Erziehung, Selbstaggression, erlernte Hilflosigkeit, Mangel an Sonnenlicht, Bewegung, Omega-3-Fettsäuren, Lithium, Serotonin, Dopamin und Noradrenalin, das natürlich munter wechselwirkend plus all dem, was ich jetzt vergessen habe, reicht das Spektrum.
Ich will nicht ausschließen, dass gute Sozialsysteme Menschen in den Selbstmord treiben können, ich sehe nur den Zusammenhang noch nicht und damit das glaubwürdiger wird, müsste die Tendenz ja so sein, dass je besser das Sozialsystem funktioniert, um so größer die Selbstmordrate ist und ich weiß nicht, ob die Statistiken das hergeben.
Ich komme mir nur etwas blöd dabei vor, Dir hier was zu erklären, was Du sehr gut selbst weißt.
provinzler hat geschrieben:Fakt ist, dass für die eigene Bindungsfähigkeit eine gesunde Bindung an eine oder mehrere feste Bezugspersonen in sehr jungen Jahren ist.
Sicher, aber Leute die da Defizite haben sind eher solche, die gar nicht erst heiraten, sich nicht mal richtig darauf festlegen lassen, dass sie jetzt in einer „festen“ Beziehung sind.
Und wie gesagt, auch für Scheidungen gibt es mehr als einen Grund.
provinzler hat geschrieben:Das sind im Normalfall ein oder auch beide Elternteile, können aber auch Großeltern, Onkel, Tante oder (deutlich) ältere Geschwister sein. Ist dieser Zug einmal abgefahren (bzw. das fragliche Zeitfenster vorüber) kommt es nur sehr selten vor, dass dieser Schaden noch reparabel ist. Und das Tragische: Bindungsunfähige Eltern geben automatisch ihre Unfähigkeit auch an ihre eigenen Kinder weiter, weil sie ihnen nicht die feste Bindung geben können, die dafür notwendig ist.
Das ist alles richtig, nur haben sie oft nicht mal Kinder, weil ihnen das schon wieder zu bindend.
provinzler hat geschrieben:Und wie eine Ganztageskinderkrippe das auch nur annähernd irgendwie leisten können soll, ist mir nicht plausibel.
Ich bin persönlich auch kein Freund von Kinderkrippen, halte sie manchmal für die zweitbeste Lösung, in einigen – ich glaube sehr wenigen Fällen – ist es gut, wenn Kinder mal von den teilnahmlosen, desinteressierten und überforderten Eltern wegkommen.
Und leider scheint es ja so zu sein, dass ausgerechnet die, die die Unterstützung brauchen könnten, drauf pfeifen und lieber die Kohle kassieren.
Nur, wenn ich dann zwischen den Zeilen lese und ahne, wie paradiesisch es doch früher in der guten alten Zeit gewesen sein muss, dann frage ich mich und die anderen dann auch, wann diese gute alte Zeit gewesen sein soll. In der Zeit als Papa Patriarch war? Hat meine Oma erlebt. Mit reichlich Geschwistern gesegnet wurde die ganze Bande in ihre Zummer gesperrt und musste still sein, wenn der Vater, der Herr im Haus, nach Hause kam, weil der Ruhe wollte und sein Wille war Gesetz. Meine Oma fand das nicht schön.
Oder die Zeit der schwarzen Pädagogik, als es noch richtig auf die Fresse gab, wenn man nicht parierte? Der spießige Muff der 50er. Danke, da kenne ich auch Leute, die mich davon kuriert haben, dadurch, dass sie Zeitzeugn waren. Selbst die Landromantik hat mir Peter Handke mit „Wunschloses Unglück“, der Geschichte seiner Mutter, die sich, weil ein wenig zu anders und nicht ins Dorf passend, das Leben nahm, genommen. Die heile Familie, vielleicht hat es sie im Biedermeier gegeben, aber ich vermute in Zeiten von harter Arbeit, Kindersterblichkeit, Tuberkulose, Diphterie, industrieller Revolution und so hielt es es auch damit in Grenzen, den Einfluss der Bürgertums schätzt Du ja ohnehin geringer als ich ein.
provinzler hat geschrieben:Hohe Scheidungsraten in Ländern mit hoher Fremdbetreuungsquote sprechen nicht gerade gegen die genannte These. Dass es andre Treiber auch gab/gibt steht auch außer Frage.
Klar, ich sehe auch manches kritisch in Skandinavien, nicht zuletzt, dass man die Männer ein wenig kastriert hat (für mich einer der besten Beiträge dazu stammt von Elizabeth Debold, einer Feministein, Schülerin von Carol Gilligan und von Andrew Cohen, einem etwas umstrittend spirituellen Lehrer: „Was ist nur aus den Wikingern geworden“ oder so ähnlich heißt der. Leider ist ausgerechnet das Heft mit dem Beitrag verschollen). Aber ich vermute mal, es gibt wenige Länder auf der Welt, wo die Mehrzahl der Menschen lieber wohnen würde, als in Skandinavien.