Harter atheistischer Determinismus

Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 16. Jan 2014, 00:38

ice hat geschrieben:Ich bestreite ja gar nicht, dass wir es so etwas wie Freiheit gibt. Vielleicht könnten wir sie bedingte Freiheit nennen - das wäre eine Bezeichnung, mit der ich als harter Determinist einverstanden wäre.

Um Begriffe will ich mich nicht streiten, wir können gerne "bedingte Freiheit" von "unbedingter Freiheit" unterscheiden - wobei mir jedoch nicht klar ist, was "unbedingte Freiheit" überhaupt bedeuten könnte, ich halte das nach wie vor für einen leeren Begriff. Nur "bedingte Freiheit" ist mE sinnvoll.

ice hat geschrieben:Wie ich an @Vollbreit schon geschrieben habe: ich kenne und akzeptiere das "Gefühl" der Freiheit, obwohl ich vermute, dass ich vollständig determiniert bin. Es sieht zwar auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aus - aber dieses "Gefühl" der Freiheit lässt sich nicht aus der Welt schaffen. Das will ich es auch gar nicht. Ich habe auch keine Alternative für einen plausiblen Freiheitsbegriff. Ich sehe ihn wahrscheinlich genauso wie Du und andere hier: Freiheit bedeutet für mich, ohne innere und äußere Zwänge denken, entscheiden und handeln zu können. Dieser Freiheitsbegriff ist plausibel und alltagstauglich. Dass es sich dabei immer nur um eine bedingte Freiheit handeln kann, ist, denk ich, allen hier klar, oder?

Ja, aber wir sind uns erst dann völlig einig, wenn Du auf Behauptungen derart: "Freiheit ist eine Illusion" und "unbedingte Freiheit ist eine notwendige Voraussetzung für gerechtfertigte Verantwortungs-/Schuldzuweisung" im Weiteren verzichtest.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Nanna » Do 16. Jan 2014, 00:51

Ich mache mal einen Versuch, so etwas wie einen möglichen common ground zu beackern:

ice hat geschrieben:Siehst Du bei dieser Trennung von "Ich" als Kontrollorgan und Körper als Ausführungsorgan irgendein Problem?

Ich sehe darin kein Problem, sondern bin sogar absolut damit einverstanden. Ich würde so eine Explikation aber eher aus einer kompatibilistischen Ecke erwarten.

Agent hat mich mit seiner Formulierung, auf wessen Mist etwas gewachsen ist, auf eine ähnliche Überlegung gebracht: Dass vielleicht sehr relevant ist, wo man die Grenzen des Ich zieht. Wir sind uns ja einig, zumindest im Rahmen einer Arbeitshypothese, dass die Welt über die Zeit ein Geflecht ineinander verwobener deterministischer Prozesse ist. Wir sind uns - anscheinend - auch einig, dass der Ort eines deterministischen Prozesses relevant ist: Es macht einen Unterschied, ob ein deterministischer Prozess in China einen Sack Reis umfallen lässt, während ich in Deutschland in der Eisdiele sitze und über meine Eisbecherwahl nachdenke, oder ob der deterministische Prozess, der uns gerade interessiert, sich zu einem wesentlichen Teil innerhalb der Grenzen meines Ich, also physisch im für die Ich-Generierung relevanten Teil in meinem Gehirn stattfindet.

Dass das Ich nicht voraussetzungslos ist, da sind wir uns auch einig, wobei das dem Ich-Sein erstmal überhaupt keinen Abbruch tut. Ich bin wie ich bin, ob das jetzt aus reinem Zufall oder wegen kontingenter* deterministischer Prozesse so ist, ändert daran rein gar nichts, dass Ich jetzt bin und handle, entscheide, reflektiere, Gründe abwäge, etc.

Wenn wir diese beiden Beobachtungen zusammen denken, dann können wir uns eine Modellsituation vorstellen, in der ich und du (also mein Ich und dein Ich) mit aufs Atom genau denselben Ausgangsbedingungen konfrontiert sind. Da wir nicht identisch sind, wird sich schnell eine andere Dynamik der Situation ergeben, je nachdem, ob wir dich oder mich in dort hineinwerfen. Das, was in beiden Abläufen unterschiedlich ist, darf man, denke ich, auf unsere Individualität zurückführen. Wir hätten also das individuelle, das Ich-Sein (= nicht Du-Sein) sichtbar gemacht. Anders gesagt, wir sind auf unsere jeweilige Art mit derselben Situation umgegangen, wodurch unsere Ichs die Situation mitgeprägt haben. Gehen wir davon aus, dass außer unseren kontingenten deterministischen Voraussetzungen nichts und niemand uns etwas aufgezwungen hat (im Sinne von eine Waffe an den Kopf halten und "Tu dieses, tu jenes!" zu sagen), dann hätten wir dem Kompatibilismus nach frei gehandelt. Frei handeln heißt hier: Das Ich darf sein Ich-Sein ausleben und die Situation entsprechend prägen. Das würde dann eben auch Kontrolle in dem Sinne einschließen, wie du sie oben skizziert hast.

________________
* Kontingenz: Darunter verstehe ich unabhängige Entwicklungsstränge, die sich ungezielt treffen, auch wenn das Gesamtsystem determiniert ist; im Alltagsgebrauch würde man von Zufall sprechen. Der Unterschied zum Zufall ist der, dass - rein theoretisch - bei vollständigem Wissen über einen abgeschlossenen Teil der Welt, in dem eine Situation spielt, der Situationsverlauf vollständig vorausberechnet werden kann. Ich weiß kann also, wenn ich den Zustand einer Stadt um 17:00 Uhr kenne, vorausberechnen, dass Alice und Bob sich um 21 Uhr in einer Bar kennen, sich heftig verlieben und den Rest ihres Lebens gemeinsam verbringen werden. Wiederhole ich die Situation, geschieht immer wieder exakt dasselbe. Allerdings ergibt sich aus der Kenntnis über Bob (inkl. seiner unmittelbaren Vorhaben und Absichten, seiner Atomkonfiguration, seiner Lebensgeschichte, etc.) keine Schlussfolgerungen über Alice oder das anstehende Zusammentreffen. Nur in der Gesamtschau des Komplettsystems ist alles als notwendiger Verlauf erkennbar. Betrachte ich die Einzelstränge des Handelns beider Personen vor 21 Uhr, so sind sie unabhängig und treffen sich "zufällig" um 21 Uhr in der Bar. Es ist, als sprängen zwei Gummibälle aufeinander zu: Kenne ich Impuls, Richtung, Materialeigenschaften etc. eines Balls, kann ich zwar seine genaue Flugbahn vorherberechnen, aber nicht vorhersehen, dass aus einer anderen Richtung an Punkt x ein anderer Ball die Flugbahn kreuzen und mit dem ersten Ball kollidieren wird. Das weiß ich nur, wenn ich das Gesamtsystem vollständig kenne. Das Zusammentreffen ist somit kontingent, also aus Sicht von Ball 1 "zufällig".
Echter Zufall wäre im Gegensatz dazu, dass ich selbst bei vollständiger Kenntnis der Welt um 17 Uhr nicht weiß, was um 21 Uhr passieren wird und bei Wiederholung der Situation immer wieder unterschiedliche Ergebnisse erhalte. In Beispiel 2: Ich weiß nicht einmal bei vollständiger Information, ob die Bälle sich treffen werden.

Analog dazu ist auch mein Ich kontingent entstanden, selbst wenn das Prozessgeflecht dorthin determiniert war. Die einzelnen determinierten Stränge treffen unzielgerichtet aufeinander und man kann, kennt man die Richtung eines einzelnen oder weniger Stränge (etwa nur meine Schulllaufbahn) nicht auf den weiteren Verlauf schließen. Die anderen Stränge treten aus meiner Sicht aus dem Nichts heraus plötzlich in mein Leben, wechselwirken mit mir und verlassen mein Leben meist auch wieder, um irgendwo anders auf die Welt Einfluss zu nehmen. Daraus bildet sich mein Ich, das mit der Zeit ein charakteristisches "Eigenleben" (nicht im Sinne eines unbewegten Bewegers gemeint!) entwickelt, also beispielsweise Aktion-Reaktion-Stränge auf unerwartete Weise umbiegen, verstärken oder neutralisieren kann. Indem es das tut, hat mein Ich (der physische Bereich der Welt, der für mein Ich-Handeln und Ich-Erleben konstitutiv und irreduzibel ist) begonnen, Einfluss auf die Welt zu nehmen, auch wenn es aus der Gesamtperspektive vielleicht immer noch "nur interagierende Teilchen" sind und man die Grenze zwischen Ich und Außenwelt willkürlich finden mag (wie das im Rahmen einer menschlichen, perspektivengebundenen, diskursiven Philosophie irgendeinen Wert haben soll, bleibt mir allerdings echt schleierhaft). Ich denke, es gibt sehr gute Gründe, zwischen Ich und Nicht-Ich-Welt zu unterscheiden und den regelnden Einfluss eines Ich auf die Welt philosophisch anders zu behandeln als das Plätschern von Wasser in einem Bach.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 16. Jan 2014, 01:17

fopa hat geschrieben:Aber welche Entscheidungen sind denn "auf unserem Mist gewachsen"?

Z.B. die Beiträge hier in diesem Forum von Dir sind nicht auf meinem Mist gewachsen, meine Beiträge hier nicht auf Deinem Mist gewachsen. Deine Beiträge hier sind auf Deinem Mist gewachsen, meine auf meinem. Du bist verantwortlich für Deine Beiträge, ich für die meinen.

fopa hat geschrieben:Du verlässt wieder den konkreten Zeitpunkt. Von "hätte" kann man erst in der Retrospektive sprechen. Zu einem konkreten Zeitpunkt kennt man aber nur die Umstände, die man kennt, und kann auch nur auf Basis dieser zu einer (bewussten) Entscheidung kommen. Sieht man in diesem Moment in keinem dieser bekannten Umstände einen Zwang, was sollte dann an der Entscheidung unfrei sein können?

Man kann sich zu einem konkreten Zeitpunkt darüber irren, dass man Kontrolle über seine Entscheidung hatte. Und (eine gewisse) Kontrolle ist grundsätzliche Bedingung für eine freie Entscheidung, oder so gesagt: es muss eine eigene Entscheidung sein. Wir könnten uns nun einen genialen Hirnchirurgen (oder auch: Hypnotiseur) vorstellen, der einem eine Entscheidung induzierte und auch das Gefühl, diese Entscheidung sei eine eigene Entscheidung. Wäre es dann aber nicht.

fopa hat geschrieben:Ich versuchte bereits anzudeuten, dass diese Erkenntnis (wenn es denn eine ist) erst im Nachhinein auftreten kann (aber nicht muss!). Wenn die handelnde Person niemals erfährt, dass sie manipuliert wurde, wird sie für immer den Eindruck haben, sich frei entschieden haben zu können. Wenn der Person aber beispielsweise eine Lügengeschichte erzählt wird, die beschreibt, die Person wäre manipuliert worden, so wird die Person im Nachhinein glauben, unter Zwang gehandelt zu haben. Aber hat sie das?

Die Person kann sich irren darüber, dass sie frei entschieden/gehandelt hat. Ich sehe Dein Problem dabei nun nicht. Jemand kann auch total davon überzeugt sein, etwas zu wissen, aber dennoch kann er sich irren, ganz egal, ob er das irgendwann selber einsieht oder nicht. Einen Freiheitsbegriff, der dies bedeutete: "eine Person ist genau dann in ihrer Entscheidung und Handlung frei, wenn sie zum Zeitpunkt der Entscheidung/Handlung meint, sie sei frei" ergibt mE so wenig Sinn, wie Wissen so zu definieren: "P weiß X zum Zeitpunkt t, wenn P zu t davon überzeugt ist, X zu wissen".

fopa hat geschrieben:Um Missverständnisse zu vermeiden, schreibe ich die "Ursprungsbehauptung", die du wiedergegeben hast, noch einmal präzise:
Beh. 1a hat geschrieben:Entscheidungsfreiheit bzw. Zwang einer Entscheidung hängen ausschließlich von der zum Zeitpunkt der Entscheidung/Handlung vorhandenen Empfindung ab, nämlich ob die Entscheidung als frei oder unfrei empfunden wurde.

Demnach definiert sich Freiheit und Zwang aus der Empfindung des Subjekts zum Zeitpunkt dieser Empfindung.

Würdest Du "Wissen" analog definieren, (siehe oben)? Und/oder "Wahrheit"? Wenn nicht: warum nicht?

Es kann nun logischerweise schlicht nicht sein, dass ein beliebiges X ausschließlich davon abhängt, ob P zum Zeitpunkt t glaubt, dass X. Denn dann wäre X undefiniert, hätte keinerlei Bedeutung, wäre sinnfrei. Wenn aber X hinreichend definiert ist (damit ein X vorliegt, muss das und das und das der Fall sein; folgende notwendigen und hinreichenden Bedingungen erfüllt sein: A, B, C ...), dann ist X unabhängig davon, ob P meint, dass diesé hinreichenden und notwendigen Bedingungen erfüllt sind. P kann sich dann irren, fälschlich meinen, etwas sei der Fall gewesen, was aber nicht der Fall war.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Do 16. Jan 2014, 09:40

AgentProvocateur hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Ich bestreite ja gar nicht, dass wir es so etwas wie Freiheit gibt. Vielleicht könnten wir sie bedingte Freiheit nennen - das wäre eine Bezeichnung, mit der ich als harter Determinist einverstanden wäre.

Um Begriffe will ich mich nicht streiten, wir können gerne "bedingte Freiheit" von "unbedingter Freiheit" unterscheiden - wobei mir jedoch nicht klar ist, was "unbedingte Freiheit" überhaupt bedeuten könnte, ich halte das nach wie vor für einen leeren Begriff. Nur "bedingte Freiheit" ist mE sinnvoll.


Ich bin froh, dass wir uns auf "bedingte Freiheit" einigen können. "Unbedingte Freiheit" im Sinne von absolut frei von irgendwelchen Einflussfaktoren beim Denken, Entscheiden und Handeln kann es auch aus meiner Sicht nicht geben und ist damit ein leerer, sinnloser Begriff. Da stimmen wir vollkommen überein.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ja, aber wir sind uns erst dann völlig einig, wenn Du auf Behauptungen derart: "Freiheit ist eine Illusion" und "unbedingte Freiheit ist eine notwendige Voraussetzung für gerechtfertigte Verantwortungs-/Schuldzuweisung" im Weiteren verzichtest.


Gerne verzichte ich darauf, weil mir erst im Laufe der Diskussion bewusst geworden ist, wie sehr die Begriffe "Freiheit" und "Verantwortung" zusammen hängen. Von moralischer Schuld spreche ich persönlich in meinem Umfeld zwar ungern, weil der Begriff mit "religiöser Patina" (© by @Nanna) überzogen ist, aber hier in dieser Diskussion soll das kein Problem sein.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon fopa » Do 16. Jan 2014, 09:53

Also auf eine neue Runde im lustigen Kreisdrehen :rollsmile: :rollsmilie2: :rollsmilie3:
AgentProvocateur hat geschrieben:Man kann sich zu einem konkreten Zeitpunkt darüber irren, dass man Kontrolle über seine Entscheidung hatte. Und (eine gewisse) Kontrolle ist grundsätzliche Bedingung für eine freie Entscheidung, oder so gesagt: es muss eine eigene Entscheidung sein. Wir könnten uns nun einen genialen Hirnchirurgen (oder auch: Hypnotiseur) vorstellen, der einem eine Entscheidung induzierte und auch das Gefühl, diese Entscheidung sei eine eigene Entscheidung. Wäre es dann aber nicht.
AgentProvocateur hat geschrieben:Die Person kann sich irren darüber, dass sie frei entschieden/gehandelt hat. Ich sehe Dein Problem dabei nun nicht.
Meine Frage ist: Woran macht man den "Irrtum" fest, wenn nicht an dem Empfinden, dass ein Einfluss hinderlich war für eine freie Entscheidung?
Welche objektiven Kriterien wendest du bei der Einteilung "Zwang" oder "kein Zwang" eines Einflusses an?

AgentProvocateur hat geschrieben:Einen Freiheitsbegriff, der dies bedeutete: "eine Person ist genau dann in ihrer Entscheidung und Handlung frei, wenn sie zum Zeitpunkt der Entscheidung/Handlung meint, sie sei frei" ergibt mE so wenig Sinn, wie Wissen so zu definieren: "P weiß X zum Zeitpunkt t, wenn P zu t davon überzeugt ist, X zu wissen". [...] Würdest Du "Wissen" analog definieren, (siehe oben)? Und/oder "Wahrheit"? Wenn nicht: warum nicht?
Wissen bzw. Erkenntnis muss nachvollziehbar sein, und zwar nach möglichst objektiven Kriterien. Mir ist noch nicht klar, inwiefern die Bewertung, ob ein Einfluss hinderlich für eine freie Entscheidung ist oder nicht, ein objektives Kriterium darstellen soll. Um das Beispiel mit dem Hirnchirurgen aufzugreifen: Ja, das würde man im Allgemeinen als Zwang bezeichnen - als außenstehender Betrachter! Was empfindet aber die Person? Sie empfindet ihre Entscheidungen und Handlungen als frei. Wenn wir von einem deterministischen Weltbild ausgehen, sind aber objektiv gesehen alle Einflüsse und Reaktionen wertfrei und damit qualitativ gleichwertig. Es macht qualitativ keinen Unterschied, ob eine Manipulation des Gehirns oder mediale oder gesellschaftliche Beeinflussung oder eine genetische Prädisposition oder irgendein körperliches Bedürfnis zu einer Entscheidung oder Handlung führen. Wir als betrachtende und empfindende Subjekte bewerten sie nur unterschiedlich und sehen sie als Zwänge an oder eben nicht.
Damit meine ich also nicht, dass eine Hirnmanipulation für uns gleichwertig zu einem Blick in eine Zeitung wäre. Aber objektiv betrachtet sind beides Einflüsse, die sich auf unsere Entscheidungen auswirken, auch wenn wir uns ihrer nicht bewusst werden. Die Hirnmanipulation mag quantitativ stärker sein als andere Einflüsse. Aber erst unsere Bewertung auf Basis unseres Empfindens lässt sie uns als Zwang erscheinen. Dieses subjektive Empfinden wird innerhalb einer Spezies oder einer Gesellschaft sicher oft geteilt. Aber schon wenn wir unsere westliche Welt verlassen, glauben wir Manipulationen und Zwänge festzustellen, beispielsweise religiöse Beeinflussung ("Indoktrination"). Die von uns so als unfrei betrachteten Menschen mögen sich aber als frei empfinden. Anders herum könnten sie uns als unfrei ansehen, weil wir (aus ihrer Sicht) von unseren Medien manipuliert werden. Außerirdische hätten wieder eine andere Perspektive.

Da sehe ich den Unterschied zu Wissen. Wissen lässt sich unabhängig von gesellschaftlicher oder sozialer Prägung, Moralvorstellungen oder persönlichem Empfinden nachvollziehen. Die Einteilung eines Einflusses in "Zwang" oder "nicht Zwang" kann meines Erachtens nur auf subjektivem Empfinden begründet sein - dem der entscheidenden/handelnden Person oder dem des außenstehenden Betrachters.

Bisher hast du mich zumindest noch nicht davon überzeugen können, dass es objektive Kriterien dafür gibt. Ich bin aber (glaube ich) offen dafür, mich von solchen überzeugen zu lassen. :wink:

AgentProvocateur hat geschrieben:Es kann nun logischerweise schlicht nicht sein, dass ein beliebiges X ausschließlich davon abhängt, ob P zum Zeitpunkt t glaubt, dass X.
Du formulierst eine All-Aussage. Ich hatte aber eine Existenz-Aussage behauptet.
Wenn ich behaupte, Zwang hinge ausschließlich davon ab, dass eine Person Zwang empfindet, bezieht sich diese Behauptung nur auf "Zwang" und nicht auf ein beliebiges X.
Wenn du behauptest (A), es gölte: "Folgende Aussage ist falsch: Für alle x gilt: Aus der Empfindung von x folgt x", dann ist das eine Aussage, die aber nicht äquivalent ist zu (B): Es gilt: für alle x ist die Aussage "Aus der Empfindung von x folgt x" falsch.
Erstere (A) lässt also die Existenz eines x zu, für das gilt: "aus der Empfindung von x folgt x", und behauptet die Existenz eines x, für das nicht gilt: aus der Empfindung von x folgt x. (A) ist eine Negiation einer Allaussage.
Letztere (B) ist eine Allaussage einer Negation, lässt also kein x zu, für das gilt: aus der Empfindung von x folgt x. Dies lässt sich umformulieren zu: Es gibt kein X, für das gilt: X hängt davon ab, dass eine Person X empfindet.

Dies kann ich widerlegen, indem ich ein Gegenbeispiel bringe. Beispielsweise kann das Wort "Hass" nur durch das Gefühl von Hass definiert sein. Sicher kann man aus objektiver Sicht bestimmte Muster von Hormonausschüttung und Hirnaktivität benennen, die "Hass" entsprechen. Aber ohne die subjektive Empfindung von Hass wären diese objektiven Muster aussagelos. Man könnte sie weiter als "Hass" bezeichnen, aber das wäre dann ein Begriff wie "HM#04763" und nur für wissenschaftliche Arbeitsabläufe sinnvoll. Eine Bedeutung bekommen die Muster erst durch Empfindung und - darauf aufbauend - durch Bewertung.
Damit sehe ich die Behauptung (B) als widerlegt an. Der Behauptung (A) stimme ich jedoch zu. Nur ein Konstruktivist würde sie anzweifeln.

Natürlich ist auch das "Gefühl des Gezwungen-Werdens" objektiv vorhanden - in Form eines materiellen Musters im Körper/Gehirn. Ist dieses Gefühl nicht da, so auch nicht das Muster - oder umgekehrt. Wie @ujump sagte: das Ich ist der Monitor. (Ich bin noch nicht sicher, ob diese Metapher so gut ist.) Ein Gefühl und das entsprechende materielle (objektive) Muster sind kongruent - ein und dasselbe - bedingen sich gegenseitig - definieren einander - ...

AgentProvocateur hat geschrieben:Denn dann wäre X undefiniert, hätte keinerlei Bedeutung, wäre sinnfrei. Wenn aber X hinreichend definiert ist (damit ein X vorliegt, muss das und das und das der Fall sein; folgende notwendigen und hinreichenden Bedingungen erfüllt sein: A, B, C ...), dann ist X unabhängig davon, ob P meint, dass diesé hinreichenden und notwendigen Bedingungen erfüllt sind. P kann sich dann irren, fälschlich meinen, etwas sei der Fall gewesen, was aber nicht der Fall war.
Ist dieses Problem damit geklärt? Theoretisch könnte man materielle Muster für das Gefühl des "Gewungen-Werdens" identifizieren und bei Probanden feststellen oder nicht. Das Vorhandensein dieser Muster ist aber äquivalent zu der Empfindung des Probanden. Es kann also gar nicht vorkommen, dass man diese Muster feststellt, ohne dass der Proband das entsprechende Gefühl empfindet. Es ist ein und dasselbe.

Freue mich auf die nächste Runde :rollsmile: :rollsmilie2: :rollsmilie3: :computer:
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Do 16. Jan 2014, 11:27

Nanna hat geschrieben:Wir sind uns ja einig, zumindest im Rahmen einer Arbeitshypothese, dass die Welt über die Zeit ein Geflecht ineinander verwobener deterministischer Prozesse ist.


Ja, diese Arbeitshypothese habe ich als harter Determinist. Ich spreche ja von unausweichlichen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen und Kausalketten in unserer komplexen dynamischen Lebenswelt (die Quantenwelt dabei einmal ausgenommen). Deine Formulierung, die Welt sei über die Zeit ein Geflecht ineinander verwobener deterministischer Prozesse gefällt mir sehr gut.

Nanna hat geschrieben:Wir sind uns - anscheinend - auch einig, dass der Ort eines deterministischen Prozesses relevant ist: Es macht einen Unterschied, ob ein deterministischer Prozess in China einen Sack Reis umfallen lässt, während ich in Deutschland in der Eisdiele sitze und über meine Eisbecherwahl nachdenke, oder ob der deterministische Prozess, der uns gerade interessiert, sich zu einem wesentlichen Teil innerhalb der Grenzen meines Ich, also physisch im für die Ich-Generierung relevanten Teil in meinem Gehirn stattfindet.


Wobei man hier berücksichtigen/erwähnen sollte, dass auch (und vor allem) Berichte/Nachrichten über wichtige Ereignisse in entfernten Orten einen erheblichen Einfluss auf unser Denken, Entscheiden und Handeln haben können in dem Moment, wenn wir in einem Massenmedium (Buch, TV, Zeitung, Internet) darüber lesen oder von anderen Menschen davon erfahren. Solche Berichte/Nachrichten können uns über Tage/Wochen beeinflussen (zB eine Naturkatastrophe, ein AKW-Unfall, ein politisches Attentat usw.). Es ist ein faszinierender Gedanke, dass auch dieses weltweite Geflecht ineinander verwobener kontingenter Informationsprozesse über die Zeit determiniert sein könnte.

Die Frage, die ich persönlich mir in diesem Zusammenhang immer wieder stelle ist, welche von den unzählbar vielen Informationen ist so wichtig/relevant, dass ich mich damit näher auseinandersetzen sollte. Rückblickend ist es immer ein scheinbar "zufälliger" Zick-Zack-Kurs in einem uferlosen Meer an Information/Wissen. Aber genau dieser mediale/kulturelle "Zick-Zack-Kurs" ist es, der unser denkendes/reflektierendes "Ich" prägt und zu dem macht, was wir sind.

Nanna hat geschrieben:Dass das Ich nicht voraussetzungslos ist, da sind wir uns auch einig, wobei das dem Ich-Sein erstmal überhaupt keinen Abbruch tut. Ich bin wie ich bin, ob das jetzt aus reinem Zufall oder wegen kontingenter* deterministischer Prozesse so ist, ändert daran rein gar nichts, dass Ich jetzt bin und handle, entscheide, reflektiere, Gründe abwäge, etc.


Ja genau. So sehe ich das auch.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Do 16. Jan 2014, 20:47

Nanna hat geschrieben:________________
* Kontingenz: Darunter verstehe ich unabhängige Entwicklungsstränge, die sich ungezielt treffen, auch wenn das Gesamtsystem determiniert ist; im Alltagsgebrauch würde man von Zufall sprechen. Der Unterschied zum Zufall ist der, dass - rein theoretisch - bei vollständigem Wissen über einen abgeschlossenen Teil der Welt, in dem eine Situation spielt, der Situationsverlauf vollständig vorausberechnet werden kann. Ich weiß kann also, wenn ich den Zustand einer Stadt um 17:00 Uhr kenne, vorausberechnen, dass Alice und Bob sich um 21 Uhr in einer Bar kennen, sich heftig verlieben und den Rest ihres Lebens gemeinsam verbringen werden. Wiederhole ich die Situation, geschieht immer wieder exakt dasselbe. Allerdings ergibt sich aus der Kenntnis über Bob (inkl. seiner unmittelbaren Vorhaben und Absichten, seiner Atomkonfiguration, seiner Lebensgeschichte, etc.) keine Schlussfolgerungen über Alice oder das anstehende Zusammentreffen. Nur in der Gesamtschau des Komplettsystems ist alles als notwendiger Verlauf erkennbar. Betrachte ich die Einzelstränge des Handelns beider Personen vor 21 Uhr, so sind sie unabhängig und treffen sich "zufällig" um 21 Uhr in der Bar. Es ist, als sprängen zwei Gummibälle aufeinander zu: Kenne ich Impuls, Richtung, Materialeigenschaften etc. eines Balls, kann ich zwar seine genaue Flugbahn vorherberechnen, aber nicht vorhersehen, dass aus einer anderen Richtung an Punkt x ein anderer Ball die Flugbahn kreuzen und mit dem ersten Ball kollidieren wird. Das weiß ich nur, wenn ich das Gesamtsystem vollständig kenne. Das Zusammentreffen ist somit kontingent, also aus Sicht von Ball 1 "zufällig".
Echter Zufall wäre im Gegensatz dazu, dass ich selbst bei vollständiger Kenntnis der Welt um 17 Uhr nicht weiß, was um 21 Uhr passieren wird und bei Wiederholung der Situation immer wieder unterschiedliche Ergebnisse erhalte. In Beispiel 2: Ich weiß nicht einmal bei vollständiger Information, ob die Bälle sich treffen werden.


Diese "Kontingenz" ist auch auf sehr kleinem Raum möglich, z.B. innerhalb eines Gehirnes. Deshalb kann das "Ich" eine gewisse Autonomie haben. Ein Prozess kann von einer Konstanten determiniert sein, z.B. durch konstante Energiezufuhr und dennoch in sich diskontinuierlich, also in gewissem Sinn autonom ablaufen. Man kann sich die Determiniertheit des eigenen Ichs lieber als einen Verbrennungsprozess vorstellen, als als eine Kausalkette von aneinanderstoßenden Bällen.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 16. Jan 2014, 21:27

ice hat geschrieben:Von moralischer Schuld spreche ich persönlich in meinem Umfeld zwar ungern, weil der Begriff mit "religiöser Patina" (© by @Nanna) überzogen ist, aber hier in dieser Diskussion soll das kein Problem sein.

Nur ein moralischer/ethischer Nihilist kann mE auf den Begriff "moralische Schuld" verzichten. Wenn man meinte, dass dieser Begriff nicht ohne "religöse Patina" denkbar wäre, d.h. ohne religiösen Bezug keinen Sinn ergäbe, dann folgt daraus unweigerlich moralischer/ethischer Nihilismus.

Noch weniger einsichtig ist mir, (über Pro und Contra von moralischem/ethischem Nihilismus könnte man sich ja noch streiten), wie man auf den Begriff "juristische Schuld" verzichten könnte und gleichzeitig aber Verantwortungszuweisungen für sinnvoll hält. Hat Herr Müller oder Herr Meier Frau Schmidt erstochen, ist Herr Müller oder Herr Meier juristisch schuld, d.h. verantwortlich für Frau Schmidts Tod? Anders gesagt: "juristische Schuld" und "Verantwortung" hängen eng zusammen, wenn es Zweiteres geben kann und/soll, dann auch unausweichlich Zeiteres, (weil "juristische Schuld" nichts anderes bedeutet als: "verantwortlich für einen juristisch sanktionierten Normverstoß").
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 16. Jan 2014, 22:09

fopa hat geschrieben:Meine Frage ist: Woran macht man den "Irrtum" fest, wenn nicht an dem Empfinden, dass ein Einfluss hinderlich war für eine freie Entscheidung?
Welche objektiven Kriterien wendest du bei der Einteilung "Zwang" oder "kein Zwang" eines Einflusses an?

Gegenfrage: welche objektiven Kriterien wendest Du an bei der Frage, ob eine Aussage wahr oder unwahr ist?

fopa hat geschrieben:Wissen bzw. Erkenntnis muss nachvollziehbar sein, und zwar nach möglichst objektiven Kriterien.

Welches sind dabei die möglichst objektiven Kriterien?

Ist eine Aussage schon alleine deswegen wahr, weil man (viele oder gar alle) meint, die sei wahr?

fopa hat geschrieben:Mir ist noch nicht klar, inwiefern die Bewertung, ob ein Einfluss hinderlich für eine freie Entscheidung ist oder nicht, ein objektives Kriterium darstellen soll.

Und mir ist noch nicht klar, wieso die Bewertung, dass eine Aussage wahr sei, ein objektives Kriterium für die Wahrheit der betreffenden Aussage sein soll.

fopa hat geschrieben:Um das Beispiel mit dem Hirnchirurgen aufzugreifen: Ja, das würde man im Allgemeinen als Zwang bezeichnen - als außenstehender Betrachter! Was empfindet aber die Person? Sie empfindet ihre Entscheidungen und Handlungen als frei.

Ja, und es gibt auch Personen, die ihre Aussagen als wahr ansehen/empfinden und/oder außenstehende Beobachter, die sie als wahr ansehen.

fopa hat geschrieben:Wenn wir von einem deterministischen Weltbild ausgehen, sind aber objektiv gesehen alle Einflüsse und Reaktionen wertfrei und damit qualitativ gleichwertig. Es macht qualitativ keinen Unterschied, ob eine Manipulation des Gehirns oder mediale oder gesellschaftliche Beeinflussung oder eine genetische Prädisposition oder irgendein körperliches Bedürfnis zu einer Entscheidung oder Handlung führen.

Nun, das sehen die meisten Menschen wohl anders, sie sehen es als qualitativen Unterschied an, ob ihre Entscheidung auf ihrem Mist gewachsen ist oder sonstwie entstanden sind, (was aber noch nichts nichts mit Determinismus zu tun hat).

fopa hat geschrieben:Wissen lässt sich unabhängig von gesellschaftlicher oder sozialer Prägung, Moralvorstellungen oder persönlichem Empfinden nachvollziehen. Die Einteilung eines Einflusses in "Zwang" oder "nicht Zwang" kann meines Erachtens nur auf subjektivem Empfinden begründet sein - dem der entscheidenden/handelnden Person oder dem des außenstehenden Betrachters.

Und der wesentliche Unterschied liegt jetzt wo? Inwiefern ist die Einteilung von "Wissen" und "Nicht-Wissen" und/oder "wahr" und "nicht-wahr" objektiver als die Einteilung von "Zwang" und "Nicht-Zwang", bzw.: die Einteilung zwischen "auf dem Mist von P gewachsen" und "nicht auf dem Mist von P gewachsen"?
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Noch 'ne Frage: Du behauptest doch, dass Freiheit eine Illusion sei, (oder habe ich das jetzt falsch in der Erinnerung)?

Falls nein: dann betrachte meine folgende Frage als gegenstandslos.
Falls aber ja: wie kann das sein, dass, wenn Du "Freiheit" und "Gefühl von Freiheit" als identisch ansiehst, da eine Illusion vorliegt, wie ist das zu verstehen?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 16. Jan 2014, 22:28

Nanna hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Siehst Du bei dieser Trennung von "Ich" als Kontrollorgan und Körper als Ausführungsorgan irgendein Problem?

Ich sehe darin kein Problem, sondern bin sogar absolut damit einverstanden.

Öhm, ich ganz und gar nicht. Es gibt mE kein Kontrollorgan "Ich", das den Körper (das "Ausführungsorgan") steuert. Ich halte es da mit Beckermann, der sagt: "es gibt mich, aber es gibt kein Ich".

Was genau verstehst Du unter "dem Ich"? Dein Hier-Und-Jetzt-Empfinden/Bewusstsein? Deine Erinnerungen? Deine Einstellungen, Überzeugungen, Ansichten? Deine Biografie? Deine bisherigen Erlebnisse? Oder eine Kombination daraus? Oder was sonst genau?

Nanna hat geschrieben:Dass vielleicht sehr relevant ist, wo man die Grenzen des Ich zieht.

Das allerdings ist hier auch meiner Meinung nach sehr relevant. Jedoch würde ich die Frage anders formulieren, ungefähr so: "was sehe ich als zugehörig zu mir an, was als Teil von mir und was nicht?"

Je nachdem, wie man das beantwortet, ergibt es keinen Sinn, sich lediglich als Beobachter eines unbeeinflussbaren Weltgeschehens anzusehen. Oder umgekehrt, wenn man z.B. meint, man sei lediglich sein Hier-Und-Jetzt-Bewusstsein, ergibt es keinen Sinn, anzunehmen, man könne irgendwie das Weltgeschehen beeinflussen.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Do 16. Jan 2014, 22:48

AgentProvocateur hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Siehst Du bei dieser Trennung von "Ich" als Kontrollorgan und Körper als Ausführungsorgan irgendein Problem?

Ich sehe darin kein Problem, sondern bin sogar absolut damit einverstanden.

Öhm, ich ganz und gar nicht. Es gibt mE kein Kontrollorgan "Ich", das den Körper (das "Ausführungsorgan") steuert. Ich halte es da mit Beckermann, der sagt: "es gibt mich, aber es gibt kein Ich".

Das sind eigentlich nur Wortspiele. Selbstverständlich steuert das Bewusstsein den Körper. Welches Organ steuert den Körper mehr: die Lunge, ein Fuß oder das Gehirn? Da gibt es Unterschiede, es ist nicht alles ein und dasselbe. Auch innerhalb des Gehirnes ist nicht alles ein und dasselbe. Klar, viele Dinge laufen darin unbewusst ab, nicht alles wird vom Bewusstsein gesteuert. Ein Menge meiner Handlungen entscheide ich aber bewusst. Mein Ich bin ich. Ich steuere meinen Arm - und nicht umgekehrt.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Nanna » Do 16. Jan 2014, 23:57

AgentProvocateur hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Siehst Du bei dieser Trennung von "Ich" als Kontrollorgan und Körper als Ausführungsorgan irgendein Problem?

Ich sehe darin kein Problem, sondern bin sogar absolut damit einverstanden.

Öhm, ich ganz und gar nicht. Es gibt mE kein Kontrollorgan "Ich", das den Körper (das "Ausführungsorgan") steuert. Ich halte es da mit Beckermann, der sagt: "es gibt mich, aber es gibt kein Ich".

Mir fällt auf, dass ich da wirklich zu unpräzise war und sich das in der Form nicht halten lässt.

Ich würde das Ich in diesem engeren Kontext als den bewusst reflektierenden Teil des Gehirns verstehen, das die Entscheidungen trifft, oder, um es etwas determinismuskompatibler zu sagen, in dessen Grenzen die verschiedenen Ursachen zusammenlaufen und sich im Rahmen der Informationsverarbeitung des Gehirns zu einem neuen Impuls vereinigen, der dann als Steuerungssignal an den Rest des Körpers weitergegeben wird. Denn auch wenn Empfindungen im Zeh natürlich den Entscheidungsprozess durch vielfache Rückkopplungen beeinflussen, darf man sicherlich sagen, dass die wesentliche Arbeit irgendwo im Kopf stattfindet und das Gehirn für die Entscheidungsfällung wesentlich relevanter ist als der Zeh.

Ist vielleicht auch nicht besonders glücklich ausgedrückt, aber mehr geht heute nicht mehr. ;-)

AgentProvocateur hat geschrieben:Was genau verstehst Du unter "dem Ich"? Dein Hier-Und-Jetzt-Empfinden/Bewusstsein? Deine Erinnerungen? Deine Einstellungen, Überzeugungen, Ansichten? Deine Biografie? Deine bisherigen Erlebnisse? Oder eine Kombination daraus? Oder was sonst genau?

Ich würde es als eine Kombination ansehen. Das bewusste Ich-Erleben + biografisch und genetisch erworbene Individualität (siehe mein Gedankenexperiment mit den beiden Personen in identischen Ausgangssituationen).

AgentProvocateur hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Dass vielleicht sehr relevant ist, wo man die Grenzen des Ich zieht.

Das allerdings ist hier auch meiner Meinung nach sehr relevant. Jedoch würde ich die Frage anders formulieren, ungefähr so: "was sehe ich als zugehörig zu mir an, was als Teil von mir und was nicht?"

Je nachdem, wie man das beantwortet, ergibt es keinen Sinn, sich lediglich als Beobachter eines unbeeinflussbaren Weltgeschehens anzusehen. Oder umgekehrt, wenn man z.B. meint, man sei lediglich sein Hier-Und-Jetzt-Bewusstsein, ergibt es keinen Sinn, anzunehmen, man könne irgendwie das Weltgeschehen beeinflussen.

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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Fr 17. Jan 2014, 10:21

AgentProvocateur hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Von moralischer Schuld spreche ich persönlich in meinem Umfeld zwar ungern, weil der Begriff mit "religiöser Patina" (© by @Nanna) überzogen ist, aber hier in dieser Diskussion soll das kein Problem sein.

Nur ein moralischer/ethischer Nihilist kann mE auf den Begriff "moralische Schuld" verzichten. Wenn man meinte, dass dieser Begriff nicht ohne "religöse Patina" denkbar wäre, d.h. ohne religiösen Bezug keinen Sinn ergäbe, dann folgt daraus unweigerlich moralischer/ethischer Nihilismus.


Es hat zwar mAn nicht viel mit diesem Thema zu tun ("Moral/Ethik" ist zwar ein interessantes aber ausuferndes Thema, mit dem ich mich noch nicht besonders intensiv beschäftigt habe) und schon gar nicht will ich mit Dir darüber streiten, deshalb nur kurz: Wenn Du mit moralischen/ethischen Nihilismus meinst, dass es nichts gibt, was mich verbindlich dazu verleiten könnte moralisch zu handeln bzw. einer Moral zu folgen, dann bin ich kein moralischer/ethischer Nihilist. Natürlich habe ich bei meinem Denken, Entscheiden und Handeln bewusste und unbewusste Bewertungsprinzipien, die mir eine Richtung vorgeben. Diese ganz persönlichen Bewertungsprinzipien sind in meinem individuellen Leben so und nicht anders entstanden und haben - im Gegensatz zu religiösen moralischen Bewertungsprinzipien/Regeln/Gebote - keinen allgemein gültigen Wahrheitsanspruch. Deshalb benutze ich das Wort "moralische Schuld" nicht gerne, weil es mich an die religiös verstandenen Bewertungsprinzipien/Regeln/Gebote erinnert. Selbstverständlich sage ich im Alltag öfters "Du bist schuld, weil das oder das geschehen ist" - aber da meine ich "Schuld" eher als Ursache.

AgentProvocateur hat geschrieben:Noch weniger einsichtig ist mir, (über Pro und Contra von moralischem/ethischem Nihilismus könnte man sich ja noch streiten), wie man auf den Begriff "juristische Schuld" verzichten könnte und gleichzeitig aber Verantwortungszuweisungen für sinnvoll hält. Hat Herr Müller oder Herr Meier Frau Schmidt erstochen, ist Herr Müller oder Herr Meier juristisch schuld, d.h. verantwortlich für Frau Schmidts Tod? Anders gesagt: "juristische Schuld" und "Verantwortung" hängen eng zusammen, wenn es Zweiteres geben kann und/soll, dann auch unausweichlich Zeiteres, (weil "juristische Schuld" nichts anderes bedeutet als: "verantwortlich für einen juristisch sanktionierten Normverstoß").


Ich habe ja von moralischer Schuld gesprochen und nicht von juristischer Schuld, die es selbstverständlich gibt/geben muss, weil es gesellschaftlich verhandelte allgemeine ethische Regeln/Normen/Gesetze gibt.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Fr 17. Jan 2014, 15:42

ice hat geschrieben:Was mir wichtig ist, dass ich dabei Determinist bleiben kann, weil ich denke/vermute, dass der Determinismus in unserer mesokosmischen Lebenswelt zu 100% richtig ist.
Das ist eine darüber hinausgehende Frage. Schwer zu sagen. Wenn man den Kompatibilismus mal verstanden hat, liegt die Schwierigkeit eigentlich darin, sich vorzustellen, wie es freien Willen in einer nicht determinierten Welt geben kann, denn jeder Zufall sorgt ja eigentlich dafür, dass der Wille in seiner Freiheit eingeschränkt ist, zumindest die Handlung.
Dennoch glaube ich nicht an eine komplett determinierte Welt, was aber wiederum davon abhängt, was man unter Determinismus versteht.


AgentProvocateur hat geschrieben:Es gibt mE kein Kontrollorgan "Ich", das den Körper (das "Ausführungsorgan") steuert. Ich halte es da mit Beckermann, der sagt: "es gibt mich, aber es gibt kein Ich".

Was genau verstehst Du unter "dem Ich"? Dein Hier-Und-Jetzt-Empfinden/Bewusstsein? Deine Erinnerungen? Deine Einstellungen, Überzeugungen, Ansichten? Deine Biografie? Deine bisherigen Erlebnisse? Oder eine Kombination daraus? Oder was sonst genau?


Ich finde da Ich ist u.a. diese Kontrollinstanz und es ist die Frage, wie womit sich ein Ich, wie umfassend identifiziert.
Kann jemand in kohäreter Weise von sich und seine Einstellungen berichten, wozu u.a. gehört zu wissen, wer man ist, was man will, wie man es erreicht, was man für ein Bild von sich und von für das eigene Leben bedeutsamen anderen hat, so spricht man in der Psychologie von einm intakten Ich.

Zwar ist auch diese Einteilung willkürlich, aber die empirischen Korrelationen finde ich bedeutsam und es ist ja fast philosophisch zu fordern, dass, wer einen Begriff benutzt auch, in etwas wissen (sagen können) sollte, was er bedeutet.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Fr 17. Jan 2014, 17:48

Vollbreit hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Was mir wichtig ist, dass ich dabei Determinist bleiben kann, weil ich denke/vermute, dass der Determinismus in unserer mesokosmischen Lebenswelt zu 100% richtig ist.
Das ist eine darüber hinausgehende Frage. Schwer zu sagen. Wenn man den Kompatibilismus mal verstanden hat, liegt die Schwierigkeit eigentlich darin, sich vorzustellen, wie es freien Willen in einer nicht determinierten Welt geben kann, denn jeder Zufall sorgt ja eigentlich dafür, dass der Wille in seiner Freiheit eingeschränkt ist, zumindest die Handlung.
Dennoch glaube ich nicht an eine komplett determinierte Welt, was aber wiederum davon abhängt, was man unter Determinismus versteht.


@AgentProvocateur hat eine Definition von Determinismus vorgeschlagen, der ich zustimmen kann: "Eine Welt ist dann determiniert, wenn alle Ereignisse in ihr (hypothetisch) eindeutig auf einen vorherigen Weltzustand und auf (Natur)-Gesetzmäßigkeiten zurückgeführt werden können."

Und @Nanna hat oben sehr gut formuliert: "Wir sind uns ja einig, zumindest im Rahmen einer Arbeitshypothese, dass die Welt über die Zeit ein Geflecht ineinander verwobener deterministischer Prozesse ist." Er hat auch meiner Ansicht nach richtig darauf hingewiesen, dass "Zufälle" im Alltag kontingente Prozesse sind: "Kontingenz: Darunter verstehe ich unabhängige Entwicklungsstränge, die sich ungezielt treffen, auch wenn das Gesamtsystem determiniert ist. (...)"

Ich denke, dass auch ein objektiver Quantenzufall (falls es ihn überhaupt gibt) in unserer Alltagswelt überhaupt keine Auswirkungen bzw. keinen Einfluss hat und es daher wirklich keinen Zufall gibt. Deshalb ist meine Arbeitshypothese, dass das Gesamtsystem "Lebenswelt" mit all den vernetzten komplexen dynamischen Prozessen darin vollständig und unausweichlich determiniert ist.

Dieser harte Determinismus ist nun mit dem freien Willen kompatibel, wie ich im Laufe dieser Diskussion erkannt habe. D.h. es gibt eine bedingte Freiheit in unserem Wollen, Denken, Entscheiden und Handeln. Oder anders ausgedrückt: es gibt für uns bewusst lebende Lebewesen einen (bedingt) freien Willen und (bedingt) freie Gedanken-, Entscheidungs- und Handlungsfreiheit, obwohl die Welt determiniert ist.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Fr 17. Jan 2014, 21:53

ice hat geschrieben:Dieser harte Determinismus ist nun mit dem freien Willen kompatibel, wie ich im Laufe dieser Diskussion erkannt habe. D.h. es gibt eine bedingte Freiheit in unserem Wollen, Denken, Entscheiden und Handeln. Oder anders ausgedrückt: es gibt für uns bewusst lebende Lebewesen einen (bedingt) freien Willen und (bedingt) freie Gedanken-, Entscheidungs- und Handlungsfreiheit, obwohl die Welt determiniert ist.

Ja, und das ist glaube ich eine recht dauerhaft gültige Erkennis, egal, wie es um die wahre Natur des Determinismus bestellt ist.
Insofern hat sich der Thread gelohnt.

Der Rest ist vermutlich tatsächlich eine Glaubensfrage, hängt m.E. schwer davon ab, woraus das Universum besteht, als was sich dieses Materie/Energie-Konglomerat letzten Ende erweisen wird.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 17. Jan 2014, 23:52

Nanna hat geschrieben:Ich würde es als eine Kombination ansehen. Das bewusste Ich-Erleben + biografisch und genetisch erworbene Individualität (siehe mein Gedankenexperiment mit den beiden Personen in identischen Ausgangssituationen).

Aber Du würdest Dein "Ich" als sozusagen unabhängig von Deinem Körper ansehen, richtig?

Nanna hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Das allerdings ist hier auch meiner Meinung nach sehr relevant. Jedoch würde ich die Frage anders formulieren, ungefähr so: "was sehe ich als zugehörig zu mir an, was als Teil von mir und was nicht?"

Je nachdem, wie man das beantwortet, ergibt es keinen Sinn, sich lediglich als Beobachter eines unbeeinflussbaren Weltgeschehens anzusehen. Oder umgekehrt, wenn man z.B. meint, man sei lediglich sein Hier-Und-Jetzt-Bewusstsein, ergibt es keinen Sinn, anzunehmen, man könne irgendwie das Weltgeschehen beeinflussen.

Was wäre deine Antwort?

Nun, die ist wohl eher vielschichtig. Ich möchte dazu erst mal auf dieses Papier verweisen. Was man gemeinhin als "ich" (mE nicht als "Ich") ansieht, ist demnach kontextabhängig, es gibt keine kontextunabhängige Antwort darauf. Ich fand dieses Papier sehr erhellend, das deckt sich sehr mit meiner Auffassung.
Zuletzt geändert von AgentProvocateur am Sa 18. Jan 2014, 00:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 18. Jan 2014, 00:06

ice hat geschrieben:Selbstverständlich sage ich im Alltag öfters "Du bist schuld, weil das oder das geschehen ist" - aber da meine ich "Schuld" eher als Ursache.

Mein übliches Gegenbeispiel dazu ist dieses: angenommen, A hasste C derart, dass A C töten wolle. Nun befänden sich A und C in einer U-Bahn-Station, nahe des Gleises. A schubste nun, mit der Absicht, C zu töten, einen unbeteiligten Passanten B auf C, so dass C unter die einfahrende U-Bahn geräte und stürbe. Was wäre in dem Falle die direkte kausale Ursache für C's Tod? Doch wohl B, B wäre kausal verantwortlich für C's Tod. Wäre B nicht auf C gefallen, dann wäre C nicht unter die U-Bahn geraten, (wenn wir andere Umstände mal ausklammern, dass z.B. C gestolpert wäre und so unter die U-Bahn geraten wäre).

Ist aber nun B moralisch verantwortlich für C's Tod, weil B die direkte kausale Ursache war? Oder ist A moralisch verantwortlich für C's Tod, weil A zwar nicht die direkte kausale Ursache für den Tod von C war, aber B mit voller Absicht so geschubst hat, dass B auf C fiel, und C daraufhin starb?

Soll man hier nur die kausale Verantwortung (= direkte Ursache) in Betracht ziehen (also B und nicht A für verantwortlich halten) oder besser die moralische Verantwortung (also A für verantwortlich und B nicht für verantwortlich halten)?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Lumen » Sa 18. Jan 2014, 00:49

Jerry Coyne: Free Will: Three Easy Pieces

Jerry Coyne hat geschrieben:a. Doesn’t determinism preclude you from ever changing your mind? Answer: No, for changing your mind can occur via deterministic influences of the environment on your brain. Watching a lifelong smoker whom you love die of cancer, for example, may be a powerful impetus for you to quit smoking. Humans are evolved to reason (think of our brain as a computer, even though, dear readers, I am perfectly aware of the differences between brains and human-constructed computers), and we can process inputs into outputs which are generally adaptive. So you can change your output in light of different inputs. What I maintain is that you cannot by your own conscious will alone change your mind, for that presumes a “ghost you” that can affect how your brain processes information. Nor can you ever be able to truly choose either of two alternatives at a given moment in time.

b. Doesn’t determinism preclude us from reasoning about problems and arriving at conclusions? Answer: No, for the same reason given above. Our brains, as Daniel Dennett has told us repeatedly in his books on compatibilism (I disagree with his compatibilism but agree with much of the other stuff in his “pro-free-will” books) are very complex meat computers that have evolved to process a variety of inputs before giving an output—a decision. And those brains have evolved to arrive, in general, at outputs that are good for our well being: “good” decisions. Some people have better onboard computers than others, and those people are called “smarter” or “deeper thinkers”, although they are that way through no effort of their own. So, yes, you can reason and arrive at rational conclusions, which is exactly what computers do when they arrive at outputs after absorbing a lot of information (think chess-playing computers).


Ich selbst tendiere zum Komabitibitismus, habe aber keine festen Überzeugungen dazu. Zumindest fand ich die Argumentation von Dennett über Minsky und auch Pinker bislang überzeugend, also Computational Theory of Mind als Wegweiser, bzw. Society of Mind
Zuletzt geändert von Lumen am Sa 18. Jan 2014, 01:04, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 18. Jan 2014, 00:59

Hallo fopa.

fopa hat geschrieben:Also auf eine neue Runde im lustigen Kreisdrehen :rollsmile: :rollsmilie2: :rollsmilie3:

Ja.

Ich hatte nun weiter oben dies gesagt:

AgentProvocateur hat geschrieben:Es kann nun logischerweise schlicht nicht sein, dass ein beliebiges X ausschließlich davon abhängt, ob P zum Zeitpunkt t glaubt, dass X.

Ich habe nochmal darüber nachgedacht und möchte das komplett zurückziehen, das war völlig falsch. Ein einfaches Gegenbeispiel dazu ist: "P glaubt, dass der Rotwein gut schmeckt.", (es ist unplausibel, sich vorzustellen, dass sich P dabei irrt). Allgemeiner gesagt: alle Geschmacksurteile, alle ästhetischen Urteile sind Gegenbeispiele für meine Behauptung.

Die Frage wäre nun wohl, ob "Zwang" (ein für Freiheit wesentlicher, d.h. diese einschränkender Zwang) in dieselbe Kategorie fällt wie ästhetische Urteile, also ob sich P darüber irren kann, ob aktuell ein Zwang vorliegt oder nicht.

Nehmen wir mal ein Beispiel: Franz sei 50 Jahre alt und (nur mit kurzen Unterbrechungen) seit 30 Jahren im Gefängnis. Nun stehe seine Entlassung aus dem Gefängnis kurz bevor, aber Franz will gar nicht aus dem Gefängnis entlassen werden, er hat hier seine Kontakte, an die er sich gewöhnt hat und er traut es sich nicht zu, in "Freiheit" sein weiteres Leben zu führen, der Gedanke macht ihm Angst. Will Franz im Gefängnis bleiben? Ja, das will er ganz fest. Ist Franz deswegen, weil er das will, freiwillig, aus freiem Willen im Gefängnis, ist es seine freie Entscheidung, im Gefängnis zu bleiben?

Noch ein Beispiel: Karla sei heroinabhängig, wie auch immer sich das ergab. Heute ist es nun so, dass Karla unbedingt einen Schuss Heroin haben will, nichts anderes begehrt sie mehr als das.

Und noch ein Beispiel: Frieda unterschreibt einen Vertrag bei einem Notar, der Notar versichert ihr, dass alles in Ordnung sei; Frieda vertraut dem Notar, ein Notar ist immerhin eine Vertrauensperson und Frieda kann sich nicht um alles kümmern, wozu gibt es auch Notare und die dazugehörigen Gesetze? Der Vertrag stellt sich jedoch im Nachhinein als sehr nachteilig für Frieda heraus, sie zahlt drauf, der Notar und der Vertragspartner haben sich jedoch rechtlich abgesichert, eine Gesetzeslücke ausgenutzt, so dass Frieda auf ihrem Schaden sitzen bleibt.

Haben nun Franz, Karla und Frieda jeweils freie Entscheidungen getroffen? Alle 3 seien nun der Überzeugung, das sei zum Zeitpunkt der Entscheidung der Fall gewesen, aber ist das tatsächlich auch so? Es erscheint erst mal unplausibel, dass die 3 frei waren, oder?

Harry Frankfurt hat dazu diesen Lösungsvorschlag gemacht: es gibt nach Frankfurt Wünsche erster Ordnung (Franz will im Gefängnis bleiben, Karla will ihr Heroin, Frieda will den Vertrag unterschreiben) und Wünsche zweiter Ordnung (Franz würde, wenn er das könnte, lieber nicht im Gefängnis sein, kann das aber nicht realisieren; Karla würde gerne von ihrer Heroinsucht wegkommen, schafft es aber nicht; Frieda würde, wenn sie mehr Informationen hätte, den Vertrag nicht unterschreiben wollen).

(Der Einwand gegen diesen Vorschlag von Frankfurt ist übrigens nun der: wenn es Wünsche zweiter Ordnung gibt, dann auch Wünsche dritter Ordnung usw. usf., was auf einen infiniten Regress hinauslaufen müsse.)
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