Harter atheistischer Determinismus

Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Do 30. Jan 2014, 11:01

ice hat geschrieben:Wenn der Determinismus vermutlich wahr ist, dann vermute ich auch folgendes: Es gibt für jede bewusste Entscheidung/Handlung bestimmte Beweggründe, also Motive, Wünsche, Überzeugungen, Neigungen und Umstände, die alle natürlichen Gesetzen gehorchen - auch wenn wir inne halten, wohl überlegt beurteilen, reflektieren und abwägen vor einer Entscheidung/Handlung. Denn auch bewusste Gedanken, Überlegungen und Reflexionen spielen sich nicht irgendwo im luftleeren Raum ab, sondern sind im Gehirn neurobiologisch kodiert und festgelegt durch unzählige Einflussfaktoren. Aus dieser Vermutung folgt für mich, dass es keine absolute/bedingungslose Freiheit geben kann, weil jeder Mensch untrennbarer Teil der determinierten Welt ist und nicht außerhalb stehen kann.


Es ist richtig, dass der Mensch nicht außerhalb der Welt steht.
Aber es ist falsch, dass er es tun oder können müsse, um frei zu sein.
Um frei zu sein, genügt es, den eigenen rationalen Entscheidungen, ohne Zwang, zu folgen.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Do 30. Jan 2014, 11:22

Vollbreit hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Ja, da gebe ich Dir Recht. Zwang wird als etwas Negatives angesehen. Wenn innerer und äußerer Zwang wegfällt, dann fühlen wir uns frei. Was ist aber mit den anderen inneren und äußeren Einflussfaktoren, die unser Denken/Entscheiden/Handeln beeinflussen und die wir nicht als Zwang erleben? Wie geht ein Kompatibilist damit um?
Entspannt.
Irgendwelchen Einflussfaktoren unterliegen wir ja immer, bei allen Entscheidungen, sie determinieren unsere Entscheidungen. Und Freiheit und Determinismus schließen einader nicht aus.


Diese Entspanntheit habe ich offensichtlich noch nicht ganz ;-)

Vollbreit hat geschrieben:Aber konkret: Nehmen wir an, ein geschickter Verkäufer hat das Ziel Dich zu etwas zu überreden, durch das er Geld verdient.
Nun ist das, wozu er Dich „überreden“ will aber tatsächlich etwas, was Dich brennend interessiert und Du kaufst es ihm gerne ab.
Warst Du nun einem Zwang durch geschickte Manipulation ausgesetzt oder hast Du freiwillig entschieden?
Was meinst Du?


Ich würde sagen: Wenn mich etwas wirklich brennend interessiert - aus welchen Gründen auch immer - dann will ich es ja kaufen. Ich entscheide mich freiwillig, ja. Der geschickte Verkäufer muss mich nicht dazu "überreden". So gesehen bin ich keinem Zwang ausgesetzt.

Aber woher kommt dieser Wille, dieses Produkt zu kaufen? Woher kommen diese Gründe, dass mich genau dieses Produkt so brennend interessiert? Das sind die Fragen - wenn man sie verallgemeinert -, die ich mir manchmal stelle.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Do 30. Jan 2014, 12:09

ice hat geschrieben:Ich würde sagen: Wenn mich etwas wirklich brennend interessiert - aus welchen Gründen auch immer - dann will ich es ja kaufen. Ich entscheide mich freiwillig, ja. Der geschickte Verkäufer muss mich nicht dazu "überreden". So gesehen bin ich keinem Zwang ausgesetzt.

Genau das würde ich auch sagen. Dennoch war ja der Verkäufer Teil der Kausalkette, der Dich auf x erst aufmerksam gemacht hat (und ein ziemliches Interesse hatte, dass Du es kaufst). Dennoch warst Du ja frei zu entscheiden, ob Du kaufst.

ice hat geschrieben:Aber woher kommt dieser Wille, dieses Produkt zu kaufen? Woher kommen diese Gründe, dass mich genau dieses Produkt so brennend interessiert? Das sind die Fragen - wenn man sie verallgemeinert -, die ich mir manchmal stelle.
Da gibt es auch unendlich viele Antworten drauf, von Erziehung über kapitalistisches System, Gene, neurologische Grundlagen, soziale Standards plus 1000 weitere, aber relevant für die Frage nach der FREIHEIT Deiner Entscheidung sind die alle nicht, sondern nur, ob Du abwägen und reflektieren und sagen kannst: „Jawoll, will ich haben, finde ich gut, stimme ich zu.“

Dass das alles seine Geschichte hat, klar. Aber das ist der andere Arm, der des Determinismus.
Und selbst wenn alles noch so haarklein determiniert wäre: Für die Frage nach der Freiheit ist das irrelevant.
Eigentlich hast Du den Sprung schon geschafft, es muss sich nur durch Gewohnheit festigen und darum ist die Nachfrage gut.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon stine » Do 30. Jan 2014, 12:37

Oh, darf ich ausnahmsweise mal auf eines meiner Flohhupferl verweisen, weil es so gut zum Thema passt?
http://flohhupferl.de/vom-schicksal/
Keine Panik, ist keine Bezahlseite und ich brauch auch keine Werbung für mich machen :wink:

LG stine
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Do 30. Jan 2014, 12:48

@ stine:

"Inzwischen gilt längst, weil wissenschaftlich und Gehirntechnologisch überprüft, dass die Idee mit dem freien Willen eine Illusion ist." :aufsmaul:

Hömma, wozu schreiben wir uns hier die Flossen wund?
Kompromiss: Zu Risiken und Nebenwirkungen, fragen sie ihren Arzt oder Apotheker oder klicken sie hier:
http://www.psyheu.de/3958/freiheit-und-determinismus/
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Re: Harter atheistischer Determinism

Beitragvon Lumen » Do 30. Jan 2014, 13:02

Momentan zeichnet sich für mich ab, dass Harter Determinismus und Kompabilitismus zwei unterschiedliche, sich ausschließende Perspektiven sind. Erstere scheinen sich außerhalb des deterministischen Systems zu stellen, und dann zu Urteilen: freier Wille, geht nicht, da Uhrwerk. Dem stimme ich zu. Die Kompabilitisten sitzen hingegen im System und sagen dass freier Wille besteht, da bei einer Wiederholung einer Handlung durchaus andere “frei” gewählte Entscheidungen möglich sind, und sei es das Gaspedal fünf Sekunden später durchzutreten. Dem stimme ich zu. Da wendet der Harte Determinist dann ein, dass beim zurückspulen der Zeit und “replay” alles wieder genau gleich, determiniert, ablaufen würde. Das Gaspedal wird genau gleich, genau fünf Sekunden später durchgetreten. Dem stimme ich zu. Da sagt der Kompabilitist dann: “so what?”, diese Definition ( sozusagen “außer-systemisch”) von Freiem Willen sei sinnlos, denn weder können wir die Zeit zurückspulen, noch überhaupt das deterministische System in einer solchen Gesamtheit betrachten. Dem stimme ich zu.

Dieser Gegensatz lässt sich, wenn das so stimmt, nicht auflösen, da beide Perspektiven “richtig” sind. Die Frage ist, welche ist sinnvoller. Egal wie man “sinnvoll” definiert, Kompabilitismus dürfte das gewinnen. Was mich nun interessiert, stimmt die Einschätzung der Positionen so (wie man darüber urteilt ist noch was anderes)?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Do 30. Jan 2014, 16:17

Vollbreit hat geschrieben:Und selbst wenn alles noch so haarklein determiniert wäre: Für die Frage nach der Freiheit ist das irrelevant.
Eigentlich hast Du den Sprung schon geschafft, es muss sich nur durch Gewohnheit festigen.


Ja, vielleicht habe ich den Sprung zum Kompatibilimus schon geschafft. Im Alltag bin ich das schon immer gewesen und werde es auch weiterhin sein - nur mein reflektierendes Nachdenken über diese Frage verunsichert mich noch von Zeit zu Zeit, weil ich überzeugter Determinist bin. Wahrscheinlich muss sich bei mir die kompatibilistische Position wirklich erst durch Gewohnheit festigen.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Do 30. Jan 2014, 16:33

stine hat geschrieben:Oh, darf ich ausnahmsweise mal auf eines meiner Flohhupferl verweisen, weil es so gut zum Thema passt?
http://flohhupferl.de/vom-schicksal/


Dein Bild vom Wasserfall gefällt mir gut, weil es die komplexe Dynamik unseres Lebens sehr schön veranschaulicht...

"Wenn unser Leben also ein determinierter Wasserfall wäre und wir als kleine Tröpfchen unser Schicksal in die Hand nehmen könnten, dann würden wir sehr wohl darüber entscheiden, ob wir uns treiben lassen wollen oder einen kleinen Umweg machen möchten. Das Ziel wäre vielleicht vorherbestimmt, aber der Weg dorthin könnte beliebig variiert werden."

... nur Deiner Interpretation kann ich nicht ganz zustimmen. Ich denke, dass auch unsere tagtäglichen konkreten Entscheidungen schon festgelegt sind und unser Lebensweg nicht variiert werden kann. Ich bin aber kein Fatalist, wie ich weiter vorne im Thread schon betont habe, sondern einfach überzeugter Determinist, der sich von seinem Leben überraschen lassen will ;-)
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Re: Harter atheistischer Determinism

Beitragvon ice » Do 30. Jan 2014, 17:56

Lumen hat geschrieben:Momentan zeichnet sich für mich ab, dass Harter Determinismus und Kompabilitismus zwei unterschiedliche, sich ausschließende Perspektiven sind. (...)
Dieser Gegensatz lässt sich, wenn das so stimmt, nicht auflösen, da beide Perspektiven “richtig” sind. Die Frage ist, welche ist sinnvoller. Egal wie man “sinnvoll” definiert, Kompabilitismus dürfte das gewinnen. Was mich nun interessiert, stimmt die Einschätzung der Positionen so (wie man darüber urteilt ist noch was anderes)?


Ich finde momentan auch, dass Kompatibilismus die "richtigere" und "sinnvollere" Perspektive ist - alleine schon deshalb, weil mir die beiden gekoppelten Begriffe Freiheit und Verantwortung im Alltag als wichtig erscheinen. Das alleine wäre für mich schon ein Grund, mich mit der kompatibilistischen Position anzufreunden.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon stine » Do 30. Jan 2014, 19:52

ice hat geschrieben:...sondern einfach überzeugter Determinist, der sich von seinem Leben überraschen lassen will ;-)
Du glaubst also an das/dein "Schicksal"?

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Re: Harter atheistischer Determinism

Beitragvon AgentProvocateur » Do 30. Jan 2014, 20:31

Lumen hat geschrieben:Was mich nun interessiert, stimmt die Einschätzung der Positionen so [...]?

Meiner Ansicht nach ja.

Nur ein kleiner Einwand zu diesem: "diese Definition ( sozusagen “außer-systemisch”) von Freiem Willen sei sinnlos, denn weder können wir die Zeit zurückspulen, noch überhaupt das deterministische System in einer solchen Gesamtheit betrachten." Das sind an der Stelle her mE eher nebensächliche Einwände, der Haupteinwand ist der: der Inkompatibilist tut so, als ob man nicht Teil des hypothetischen determinierten Systemes sei, sondern ein außenstehender Zeuge eines Weltgeschehens, auf das man keinen Einfluss nehmen könne, (was eine ziemlich merkwürdige Annahme für einen Naturalisten/Materialisten ist). Dazu nochmal das Zitat von Dennett:

Like many before him, Harris shrinks the me to a dimensionless point, "the witness" who is stuck in the Cartesian Theater awaiting the decisions made elsewhere. That is simply a bad theory of consciousness. [Zitat Harris:] "I, as the conscious witness of my experience, no more initiate events in my prefrontal cortex than I cause my heart to beat.

Und ein anderer wesentlicher Punkt in der Diskussion ist der: der Inkompatibilist schafft es traditionell nicht, ein plausibleres und besseres Freiheitskonzept als der Kompatibilist zu präsentieren. Er behauptet meist unbegründet ("ist doch klar/selbstverständlich" etc. sind keine Begründungen) nur, das Freiheitskonzept der Kompatibilisten sei unzureichend, da würde was fehlen oder so was in der Art. Was aber wenig beeindruckend ist, solange der Inkompatibilist es nicht schafft, ein besseres und plausibleres (und logisch mögliches) Freiheitskonzept als der Kompatibilist darzulegen. Das ist der wunde Punkt beim Inkompatibilismus.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 30. Jan 2014, 20:45

ice hat geschrieben:Wenn der Determinismus vermutlich wahr ist, dann vermute ich auch folgendes: Es gibt für jede bewusste Entscheidung/Handlung bestimmte Beweggründe, also Motive, Wünsche, Überzeugungen, Neigungen und Umstände, die alle natürlichen Gesetzen gehorchen - auch wenn wir inne halten, wohl überlegt beurteilen, reflektieren und abwägen vor einer Entscheidung/Handlung. Denn auch bewusste Gedanken, Überlegungen und Reflexionen spielen sich nicht irgendwo im luftleeren Raum ab, sondern sind im Gehirn neurobiologisch kodiert und festgelegt durch unzählige Einflussfaktoren. Aus dieser Vermutung folgt für mich, dass es keine absolute/bedingungslose Freiheit geben kann, weil jeder Mensch untrennbarer Teil der determinierten Welt ist und nicht außerhalb stehen kann.

Selbstverständlich. Das ist nun keine Vermutung, sondern folgt aus der Prämisse Determinismus.

ice hat geschrieben:Diesen Gedanken habe ich ständig im Hinterkopf - und darin liegt für mich vielleicht auch die Illusion/die Täuschung/das Paradoxon, wenn ich mir dann sage, dass ich trotzdem ein bedingt freies Wesen bin, das relativ frei denken, entscheiden und handeln kann.

Ich habe nun noch nicht verstanden, wo da eine Illusion, eine Täuschung, ein Paradoxon wäre. Du meinst, Du bist in der Lage dazu - zumindest in bestimmten Situationen - eigene, reflektierte Entscheidungen zu treffen. Nun, da wird man sich wohl unbestritten das ein oder andere Mal auch irren, aber was hat das mit Determinismus zu tun? Und: wenn die Fähigkeit, in einigen Situationen eigene, wohldurchdachte und reflektierte Entscheidungen zu treffen, nicht Willensfreiheit ist und/oder noch nicht hinreichend für Willensfreiheit ist: was ist sonst Willensfreiheit oder was muss zusätzlich noch hinzukommen? Und wenn das Willensfreiheit ist: was hat Determinismus damit zu tun, inwiefern schränkt Determinismus diese Fähigkeit ein oder macht sie gar von Vorneherein unmöglich?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 30. Jan 2014, 21:07

ice hat geschrieben:Ja, da gebe ich Dir Recht. Zwang wird als etwas Negatives angesehen. Wenn innerer und äußerer Zwang wegfällt, dann fühlen wir uns frei. Was ist aber mit den anderen inneren und äußeren Einflussfaktoren, die unser Denken/Entscheiden/Handeln beeinflussen und die wir nicht als Zwang erleben? Wie geht ein Kompatibilist damit um?

Wieso und inwiefern sollte man äußere Einflussfaktoren als grundsätzliches Problem für Willensfreiheit ansehen, wieso sollten äußere Einflussfaktoren Willens- und/oder Handlungsfreiheit grundsätzlich negativ beeinflussen? Das erscheint prima facie erst mal sehr unplausibel.

Äußere Einflussfaktoren können die Willensfreiheit und/oder Handlungsfreiheit erhöhen, man denke z.B. an in einer Situation wesentliche Informationen, die eine informierte Entscheidung erst möglich machen. Oder, Beispiel bezüglich Handlungsfreiheit: Katrin sei eine begeisterte Schwimmerin, leider gibt es bei ihr in der Nähe kein Schwimmbad, so kann sie ihrer Leidenschaft nicht frönen. Nun wird jedoch eines in ihrer Nähe gebaut und daraufhin geht sie oft dort schwimmen. Der Bau des neuen Schwimmbades hat also Katrins Verhalten beeinflusst. Was Katrin nicht bedauert, sondern gut findet. Wieso sollte der Bau des neuen Schwimmbades nun eine Freiheitseinschränkung für Katrin bedeuten?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Do 30. Jan 2014, 21:08

stine hat geschrieben:
ice hat geschrieben:...sondern einfach überzeugter Determinist, der sich von seinem Leben überraschen lassen will ;-)
Du glaubst also an das/dein "Schicksal"?


Mit Schicksalsgläubigkeit hat das mE weniger zu tun, weil ich mich als atheistischer Determinist von göttlicher Vorsehung und Fügung abgrenze. Es gibt für mich eben keine Instanz, ob Gottheit, Dämon oder eine andere Schicksalsmacht, die irgendwie in den Lebensprozess eingreifen könnte oder die diesen Lauf der Dinge absichtsvoll geplant, kontrolliert oder in Gang gesetzt hat. Für mich bleibt der Verlauf dieses natürlichen Prozesses offen, ungewiss und überraschend. Das gilt auch für mein individuelles Leben.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Do 30. Jan 2014, 21:19

AgentProvocateur hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Diesen Gedanken habe ich ständig im Hinterkopf - und darin liegt für mich vielleicht auch die Illusion/die Täuschung/das Paradoxon, wenn ich mir dann sage, dass ich trotzdem ein bedingt freies Wesen bin, das relativ frei denken, entscheiden und handeln kann.

Ich habe nun noch nicht verstanden, wo da eine Illusion, eine Täuschung, ein Paradoxon wäre. Du meinst, Du bist in der Lage dazu - zumindest in bestimmten Situationen - eigene, reflektierte Entscheidungen zu treffen. Nun, da wird man sich wohl unbestritten das ein oder andere Mal auch irren, aber was hat das mit Determinismus zu tun?


Weil der Prozess, eigene und reflektierte Entscheidungen zu treffen, vielleicht auch determiniert sein kann.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und: wenn die Fähigkeit, in einigen Situationen eigene, wohldurchdachte und reflektierte Entscheidungen zu treffen, nicht Willensfreiheit ist und/oder noch nicht hinreichend für Willensfreiheit ist: was ist sonst Willensfreiheit oder was muss zusätzlich noch hinzukommen? Und wenn das Willensfreiheit ist: was hat Determinismus damit zu tun, inwiefern schränkt Determinismus diese Fähigkeit ein oder macht sie gar von Vorneherein unmöglich?


Der Determinismus schränkt weder die Willensfreiheit ein noch macht er sie unmöglich. Der Wille könnte aber determiniert sein. Ich kann zwar tun was ich will, aber nicht wollen, was ich will - frei nach Schopenhauer.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ice » Do 30. Jan 2014, 21:37

AgentProvocateur hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Ja, da gebe ich Dir Recht. Zwang wird als etwas Negatives angesehen. Wenn innerer und äußerer Zwang wegfällt, dann fühlen wir uns frei. Was ist aber mit den anderen inneren und äußeren Einflussfaktoren, die unser Denken/Entscheiden/Handeln beeinflussen und die wir nicht als Zwang erleben? Wie geht ein Kompatibilist damit um?

Wieso und inwiefern sollte man äußere Einflussfaktoren als grundsätzliches Problem für Willensfreiheit ansehen, wieso sollten äußere Einflussfaktoren Willens- und/oder Handlungsfreiheit grundsätzlich negativ beeinflussen? Das erscheint prima facie erst mal sehr unplausibel.


Da hast Du mich missverstanden. Ich habe von inneren und äußeren Einflussfaktoren geschrieben, die unser Denken/Entscheiden/Handeln beeinflussen und die wir nicht als Zwang erleben, also eben nicht als negativ ansehen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Äußere Einflussfaktoren können die Willensfreiheit und/oder Handlungsfreiheit erhöhen, man denke z.B. an in einer Situation wesentliche Informationen, die eine informierte Entscheidung erst möglich machen.


Ja, natürlich können äußere Einflussfaktoren die Willensfreiheit und/oder Handlungsfreiheit erhöhen. Das zweifle ich ja nicht an. Auf was ich hinaus wollte, ist, dass diese unzähligen inneren und äußeren Einflussfaktoren im Rahmen des gesamten Lebensprozesses determiniert sind. Aber Vollbreit, der sehr entspannt mit dem Determinismus umgeht, hat mich schon überzeugt, dass Determinismus und Freiheit einander nicht ausschließen. Ich muss mich nur noch an diesen Gedanken gewöhnen...
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 30. Jan 2014, 22:01

ice hat geschrieben:Der Determinismus schränkt weder die Willensfreiheit ein noch macht er sie unmöglich. Der Wille könnte aber determiniert sein.

Verstehe ich nicht. Wir gehen doch von einer determinierten Welt aus, in einer determinierten Welt ist alles determiniert; was ich will, ist ein Teil der Welt, also voraussetzungsgemäß ebenfalls determiniert. Und?

ice hat geschrieben:Ich kann zwar tun was ich will, aber nicht wollen, was ich will - frei nach Schopenhauer.

Den Spruch habe ich noch nie verstanden. Es gibt hier wohl 2 Lesarten: 1. "ich will nicht, was ich will" oder 2. "ich habe keinen Einfluss darauf, was ich will". Nach der ersten Lesart ist der Satz trivialerweise falsch, so falsch wie "ich tue nicht, was ich tue" oder "es gibt nicht das, was es gibt".

Nach der 2. Lesart aber ist er erklärungsbedürftig. Nun muss man wohl berücksichtigen, dass Schopenhauer unter "Wille" etwas anderes verstand als man heute darunter versteht, (nach Schopenhauer gibt es einen "Weltwillen"). Wenn wir aber das beiseite lassen: wieso sollte das wahr sein und was hat das mit Determinismus zu tun?

Nehmen wir an, Fritz habe gerade sein Abitur gemacht und auf die Frage hin, was er weiter tun will, würde er sagen: "weiß ich noch nicht, muss ich mir erst überlegen". Und man fragte ihn später nochmal und er sagte: "habe ich mir nun überlegt: ich will erst mal ein Jahr im Ausland verbringen und dann weiter schauen". Anscheinend hatte Fritz dann doch sehr Einfluss auf das, was er wollte, wieso sollte man hier annehmen, dass Fritz darauf keinen Einfluss hatte?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Do 30. Jan 2014, 22:04

Vollbreit hat geschrieben:D ist richtig.

Beantwortest Du denn nun auch die Frage nach dem möglicherweise relevanten Unterschied des Urteilens von Tieren und Menschen?

Relevant in Bezug worauf?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Do 30. Jan 2014, 22:49

Ich bin sicher, wenn Du zurückblätterst, kommst Du selbst drauf.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Do 30. Jan 2014, 23:19

AgentProvocateur hat geschrieben:
ice hat geschrieben:Ich kann zwar tun was ich will, aber nicht wollen, was ich will - frei nach Schopenhauer.

Den Spruch habe ich noch nie verstanden. Es gibt hier wohl 2 Lesarten: 1. "ich will nicht, was ich will" oder 2. "ich habe keinen Einfluss darauf, was ich will". Nach der ersten Lesart ist der Satz trivialerweise falsch, so falsch wie "ich tue nicht, was ich tue" oder "es gibt nicht das, was es gibt".

Nach der 2. Lesart aber ist er erklärungsbedürftig. Nun muss man wohl berücksichtigen, dass Schopenhauer unter "Wille" etwas anderes verstand als man heute darunter versteht, (nach Schopenhauer gibt es einen "Weltwillen"). Wenn wir aber das beiseite lassen: wieso sollte das wahr sein und was hat das mit Determinismus zu tun?


Schopenhauer könnte auch gemeint haben, dass man keinen Einfluss auf die das Individuum determinierenden Kausalketten hat.
Das ist nach gängigem Weltbild richtig, aber für die Frage nach der Freiheit meiner augenblicklichen Entscheidung nicht relevant.
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