Harter atheistischer Determinismus

Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Di 4. Feb 2014, 00:16

Vollbreit hat geschrieben:Streich die Intuition, bleib bei der Logik, das ist (in dem Fall, ich bin ein großer Freund der Intuition) der richtige Weg.

Ich fürchte, bei sprachlichen Definitionen kommen wir ohne Intuition nicht ganz aus. Logisch gesehen ist es ja vielleicht sogar schlüssig, was du dir zusammen reimst. WENN man vorher einfach mal "festgelegt = frei" definiert. Das wäre zwar logisch korrekt aber sprachlich falsch (oder zumindest unsinnig, zumindest gemäß meines Sprachempfindens). Also müssen wir da, fürchte ich, logisch und intuitiv zugleich bleiben.

Vollbreit hat geschrieben:Hau da nicht zu viel Wettkampf rein, sonst beharrst Du nachher aus Trotz auf Positionen, die Du längst überwunden hast.

Ich gebe zu, das ist vermutlich ein guter Hinweis. Eine gewisse Gefahr des sich verrennens besteht sicher. Wie ich finde aber auf beiden Seiten.

Vollbreit hat geschrieben:Also hau rein und definier Freiheit und drück Dich nicht dauernd

Ich glaube, dass eine freie Entscheidung alle drei Bedingungen erfüllen muss. Die drei in dem von dir verlinkten Text treffen meine Intuition sehr gut. Ich hatte mich mit tatkräftiger Hilfe von AgentP an eigenen Definitionen versucht, mal mit kleinen logischen Ungereimtheiten mal vielleicht nicht, glaube aber kaum, dass ich mehr als ein Äquivalent zu den aufgeführten 3 Bedingungen brauchte. Mein Schwerpunkt lag nur eher auf der ersten Bedingung, die ich gerne anders formuliere: eine Entscheidung ist dann frei, wenn sie wenigsten teilweise unabhängig ist von kausalen Faktoren. Das ist aber, wenn ich mich nicht täusche, allgemeiner und eleganter ausgedrückt durch die erste Bedingung: eine Entscheidung ist frei, wenn sie in der gleichen Situation mal so und mal anders ausfällt (womit sie dann nicht vollständig abhängig von kausalen Faktoren ist).

Bekomme ich nun eine Antwort auf die Frage, wieso Entscheidungen, die die erste Bedingung nicht erfüllen, bei dir trotzdem "frei" heißen?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Di 4. Feb 2014, 00:16

@ganimed:
Bin zeitlich etwas eingeschränkt: du erhälst morgen meine Replik (ebenso Vollbreit im Fundamentalismus-thread), aber schon mal danke für deine Antwort!
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Di 4. Feb 2014, 08:23

ganimed hat geschrieben:
Ich bin nun also an der Stelle, wo ich sehe, dass dein Freiheitsbegriff gar keine Freiheit enthält.

Das ist offensichtlich falsch und du kommst da auch mit Sprachanalyse oder Ethik nicht dahinter, das führt dich nur an der Nase herum.

Es gibt physikalische Prozesse, die unabhängig voneinander ablaufen, sie sind gegenseitig frei. Wenn du das kapiert hast, überlegst du dir, was dein Wille für ein Prozess sein mag und welchen Prozessen gegenüber er frei ist. - Dann verstehst du es.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Di 4. Feb 2014, 09:19

ganimed hat geschrieben:
Ich zitiere wieder aus dem hier: http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit
    Jemand kann nur dann anders handeln, wenn es naturgesetzlich möglich ist, dass er anderes handelt, als er es tatsächlich tut; und das ist in einer deterministischen Welt nicht möglich. Wie kann der Kompatibilist diesem Argument begegnen?

    George Edward Moore hat darauf hingewiesen, dass das Wort "können" neben dieser auch noch andere Bedeutungen hat – z.B. die, von der wir ausgehen, wenn wir einer Person eine Fähigkeit zuschreiben (Moore 1912). Diese Bedeutung von "können" lässt sich Moore zufolge so analysieren: Dass jemand X tun kann, d.h., dass er die Fähigkeit hat, X zu tun, heißt nichts anderes, als dass er X tun würde, wenn er sich dazu entschiede, X zu tun. Dies nennt man die konditionale Analyse von Können: Eine Person kann X tun (hat die Fähigkeit, X zu tun), wenn sie X tut, falls sie sich entscheidet, X zu tun. Offenbar ist dieser Analyse zufolge Anders-Handeln- oder Sich-Anders-Entscheiden-Können mit dem Determinismus vereinbar. Denn auch wenn determiniert ist, was ich tue, weil determiniert ist, wie ich mich entscheide, kann es immer noch wahr sein, dass ich etwas anderes täte, wenn ich mich anders entscheiden würde. Mit anderen Worten: Auch wenn es naturgesetzlich unmöglich ist, dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt X tue, kann es durchaus sein, dass ich zu diesem Zeitpunkt die Fähigkeit habe, X zu tun.
Mr. Moore deutet das Wort "können" sozusagen konditional. "Können" bedeutet demnach: "können wenn man sich dazu entschieden hätte".

Aber man hat sich nicht dazu entschieden, weil es in derselben Situation unmöglich ist, sich anders zu entscheiden, was ja nicht mal in Zweifel gezogen wird. Die Wenn-Bedingung ist also nicht wahr.

Doch, hier passt alles.
Man weiß ja, als Entscheidender/Urteilender nicht, wie die eigene Entscheidung, die man in der abwägenden Entscheidungsfindung eben erst noch finden musst, ausfallen wird, dazu bräuchte man eine göttliche oder allumfassende Perspektive, die man nicht hat.
Man urteilt/entscheidet also aus der Warte der stets vorläufigen Perpektive, zu der man in der Lage ist.
Ist/Wäre das All aber 100%ig determiniert, so stünde bereits beim Urknall fest, wie man sich in jeder Situation entscheiden wird (und hier sagst Du, das könne dann doch wohl keine Freiheit sein), aber die Diskrepanz zwischen dem was ich wissen kann und dem was ein göttlicher Beobachter wissen könnte (und damit mein partielles Nichtwissen), ist das was die Freiheit ermöglicht, denn nun entscheide frei ich gemäß meiner Prämissen.


ganimed hat geschrieben:Damit ist der Satz "ich könnte, wenn <irgendwas unwahres>" wertlos, denn er ist immer wahr. Ich könnte also genau so gut formulieren: "ich könnte aus eigener Kraft fliegen, wenn ich genügend große Flügel und genügend starke Muskeln hätte". Das ist zwar wahr, aber wertlos, weil die Wenn-Bedingung nicht zutrifft.
Die Wenn-BEdingung die hier gilt, ist, dass ich über eigene Prämissen verfügen muss, was in der Regel der Fall ist und dass ich keine Gottesperspektive habe, was in der Regel auch der Fall ist.

ganimed hat geschrieben:Dieser Satz beschreibt also KEINESWEGS eine Fähigkeit einer Person, wie Moore behauptet. Die Fähigkeit habe ich nur, wenn die Wenn-Bedingung stimmt. Ich kann nur anders handeln, wenn ich mich anders entscheide. Ich kann nur fliegen, wenn ich dazu alles nötige habe. ---> das übersetzt sich zu: ich kann nicht anders handeln (weil ich mich nicht anders entscheide). Ich kann nicht fliegen (weil ich nicht alles dazu nötige habe).
Du kannst Dich doch anders entscheiden. Willst Urlaub wie immer in diesem netten Hotel in Tirol machen, ga hörst Du, dass es gestern abgebrannt bist und schon entscheidest Du Dich anders. Mit der Gottesperspektive hättest Du bereits sagen können, dass Du dieses Mal nciht nach Tirol fahren wirst, weil das Hotel in 17 Tagen, durch einen Kurzschluss im Keller abbrennen wird.
So musst Du Dich halt auf die sich ändernden Bedingungen immer wieder neu eingestellen, aber nun kannst Du Deine Prämissen neu sortieren, abwägen und Plan B entwickeln.
Du bist kein erbkoordinierter doofer Fisch der bis zur physischen Erschöpfung immer wieder auf die gleichen Reize reagiert, sondern Du kannst denkend vorwegnehmen dass eine verbissene täglich neue Anreise zwecklos ist.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Di 4. Feb 2014, 10:36

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Streich die Intuition, bleib bei der Logik, das ist (in dem Fall, ich bin ein großer Freund der Intuition) der richtige Weg.

Ich fürchte, bei sprachlichen Definitionen kommen wir ohne Intuition nicht ganz aus. Logisch gesehen ist es ja vielleicht sogar schlüssig, was du dir zusammen reimst.
Mag sein, aber im Nebenthread warst Du der sprachliche Geisterfahrer, insofern würde ich an Deiner Stelle nicht darauf pochen.

ganimed hat geschrieben:WENN man vorher einfach mal "festgelegt = frei" definiert. Das wäre zwar logisch korrekt aber sprachlich falsch (oder zumindest unsinnig, zumindest gemäß meines Sprachempfindens). Also müssen wir da, fürchte ich, logisch und intuitiv zugleich bleiben.
Du hast das Recht, Dir das Leben so schwer wie möglich zu machen, ich das Recht, das nur soweit mitzutragen, wie es mir sinnvoll erscheint.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Hau da nicht zu viel Wettkampf rein, sonst beharrst Du nachher aus Trotz auf Positionen, die Du längst überwunden hast.

Ich gebe zu, das ist vermutlich ein guter Hinweis. Eine gewisse Gefahr des sich verrennens besteht sicher. Wie ich finde aber auf beiden Seiten.
Dann nimm es an, oder lass es, ich kämpfe hier nicht.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Also hau rein und definier Freiheit und drück Dich nicht dauernd

Ich glaube, dass eine freie Entscheidung alle drei Bedingungen erfüllen muss. Die drei in dem von dir verlinkten Text treffen meine Intuition sehr gut.
Okay, ich hoffe die versuchte Klarstellung in der Antwort davor hilft Dir.

ganimed hat geschrieben:Ich hatte mich mit tatkräftiger Hilfe von AgentP an eigenen Definitionen versucht, mal mit kleinen logischen Ungereimtheiten mal vielleicht nicht, glaube aber kaum, dass ich mehr als ein Äquivalent zu den aufgeführten 3 Bedingungen brauchte. Mein Schwerpunkt lag nur eher auf der ersten Bedingung, die ich gerne anders formuliere: eine Entscheidung ist dann frei, wenn sie wenigsten teilweise unabhängig ist von kausalen Faktoren.
Habe ich auch gedacht, liegt daran, dass Du Dir nicht richtig vorstellen kannst, wie denn in einer durch und durch determinierten Welt nun auf einmal – wo doch alles festgelegt ist – die Freiheit herkommen soll.
Ein (scheinbarer) Ausweg ist, irgendwie eine minimale Ausnahme zu konstruieren.

Aber spielen wir das doch mal durch: Was würdest Du von mir halten, wenn ich sagen würde: Auf einem Planeten in der Andromeda Galaxis, bewegt sich alle paar Tage für etwa 7 Minuten etwas drei mal so schnell wie das Licht, aber nur dort. Hinter meiner Heizung ist die Schwerkraft aufgehoben und von Zeit zu Zeit schweben da Gegenstände.
In Australien hat sich ein halbes Grillhähnchen mit dem potentiellen Esser über die Gefahren der Massentierhaltung unterhalten. Ab und zu erscheint mir mein Schutzengel und gibt mir Einblicke in das Räderwerk der Natur. Sind das die gelegentlichen Ausnahmen, die Du meinst? Wenn nicht, welche meinst Du?

ganimed hat geschrieben:Das ist aber, wenn ich mich nicht täusche, allgemeiner und eleganter ausgedrückt durch die erste Bedingung: eine Entscheidung ist frei, wenn sie in der gleichen Situation mal so und mal anders ausfällt (womit sie dann nicht vollständig abhängig von kausalen Faktoren ist).
Kann es sein, dass Du da was falsch verstanden hast? Von wessen Position reden wir da genau, kannst Du noch mal den Abschnitt kurz zitieren? Danke!

ganimed hat geschrieben:Bekomme ich nun eine Antwort auf die Frage, wieso Entscheidungen, die die erste Bedingung nicht erfüllen, bei dir trotzdem "frei" heißen?

Die Antwort steht in der Antwort davor, aber gerne auch noch mal: Die göttliche Perspektive, die man einnehmen können müsste, um zu wissen, was passiert und wie mein Gegenüber sich entscheiden wird oder wie ich mich entscheiden werde, die kann man nicht einnehmen.
Es bleibt die Perspektive, die Du täglich benutzt. Wenn ich nach Rom will, was muss ich tun, um dort hinzukommen, welches ist das für meine Zwecke beste Verkehrsmittel (vielleicht wäre das monetär und zeitlich das Flugzeug, aber ich könnte schreckliche Flugangst haben oder es ökologisch bedenklich finden und mich, das wissend, anders entscheiden), da überlegt man dann, gemäß der Wahrscheinlichkeiten, dessen, wie es kommen wird und dem, was man sicher weiß, was z.B. die eigenen Befindlichkeiten und Vorlieben angeht. Will ich lieber schnell da sein oder gemütlich reisen und was sehen und erleben, ich weiß ja, warum ich nach Rom will.

Diese Sicht: Ich weiß nicht genau was kommen wird, aber ich versuche es nach bestem Wissen und Gewissen abzuchecken und nehme dabei besonders auf meine Befindlichkeiten (und die sich daraus ergebenden Prämissen) Rücksicht - Beispiel bevorstehende Operation: Wie schätze ich das Risiko ein? Was ist mir wichtig? Das gute Essen nach der OP, der Topchirurg (vielleicht unnötig beim Blinddarm, aber vielleicht wichtig beim Pankreas), Erreichbarkeit, so dass die Angehörigen mich besuchen können, die Hygienesituation, wie nett die Pflegekräfte sind... das sind ein paar mögliche Prämissen – diese Sicht, ist die, die wir zur Verfügung haben.
Begrenzte Perspektive, keine Gottesperspektive. Daraus ergibt sich: Es steht zwar fest was kommen wir, aber ich weiß nicht, was kommen wird.

Du argumentierst nun abwechselnd aus zwei Perspektiven. Wenn Du sagst: Ist doch eh alles determiniert, dann heißt das immer auch. Man weiß ja doch schon wie es enden wird. Wer weiß das? Ich nicht. Du? Gott? Vielleicht, aber glaubst Du dran und entscheidender: Redet der mit Dir?
Daraus aber nun abzuleiten, dass keine Entscheidung in Deinem Leben, einen kausalen Einfluss hätte, ist schwer zu halten. Ist Deine Entscheidung denn nicht eingebunden in den Weltverlauf? Du bist vollständig determiniert, aber in dem Moment wo Du Dich entscheidest brechen die Kausalketten alle ab? Glaubst Du das wirklich? Ein Paradies mit Engeln die Harfe spielen ist da deutlich wahrscheinlicher, findest Du nicht?
Wenn ich meinen Zündschlüssel rumdrehe, springt der Wagen an, wenn ich beruflich putze, wird der Raum, den ich putze sauberer, wenn ich eine Pizza esse, ist sie als Pizza (das was man als solche bezeichnet) weg (und als Speisebrei in meinem Magen), ich verändere ständig Welt und wenn Du mir nun sagen willst, dass ich nur Pizza essen kann, weil es Pizza gibt und weil ich Pizza mag... natürlich.
Aber meine Freiheit besteht gerade auch darin, dass ich wissen kann, was ich mag und dass es das, was ich will auch gibt und aufgrund dieser beiden Faktoren sagen kann: Mag ich, gibt es, also esse ich Pizza.

Du würdest nun daraus wieder eine Abhängigkeit konstruieren. Ich bin dann abhängig von meinen Vorlieben und davon, dass es Pizza gibt. Aber denk das mal zu Ende. Frei wäre ich also dann, wenn ich keinerlei Wünsche hätte und es nichts gäbe, worauf sich meine ohnehin nicht vorhandenen Wünsche beziehen könnten. Mit anderen Worten wenn es mich und die Welt nicht gibt.
Aber wie intuitiv richtig ist das denn?
Wünschen oder wollen heißt immer (oder zumindest oft genug) etwas in der Welt zu wollen. Den Beruf möchte ich ausüben, die Frau möchte ich heiraten, das Auto fahren, so soll mein Haus aussehen, die Fernsehsendung möchte ich sehen, das Internetforum möchte ich anklicken.... Das ist nicht sonderlich abgefahren oder esoterisch, sondern banaler Alltag, so läuft das. Deine Konstrukte einer weltbefreiten Welt sind – wenn man sich die Mühe macht die Konsequenzen zu Ende zu denken – hingehen nicht einmal denkbar. Ich weiß zumindest nicht, was eine Freiheit von sämtlichen Abhängigkeiten überhaupt sein soll. Magst Du es mal konkret erklären?
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon stine » Di 4. Feb 2014, 12:34

Die Freiheit von sämtlichen Abhängigkeiten wäre ein Flug ohne jegliche Hilfsmittel über die Klippen von Acapulco :wink: .
Das geht natürlich nicht. Gleichwohl kann ich für mich entscheiden, dass ich das gerne mal in einem Hubschrauber erleben möchte und darauf hinarbeiten, dass ich mir das leisten kann.
Ich denke, dass der Begriff "frei" noch nicht hinreichend geklärt ist in Bezug auf einen "freien Willen haben" oder das "Freisein von den Naturgesetzen". Einen freien Willen kann ich auch innerhalb der Naturgesetze haben. Wenn ich natürlich davon ausgehe, dass ich nur frei wäre, wenn ich die Schwerkraft und andere Naturgesetze überwinden könnte, dann bin ich ziemlich unfrei.
(Es soll ja schon einige gegeben haben, die wegen der Schwerkraft morgens nicht aus dem Bett gekommen sind :wink: )

LG stine
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Di 4. Feb 2014, 14:45

stine hat geschrieben:Die Freiheit von sämtlichen Abhängigkeiten wäre ein Flug ohne jegliche Hilfsmittel über die Klippen von Acapulco :wink: .

Ich würde eher sagen, von dem, was ganimed als Abhängigkeiten bezeichnet.
Wenn ich entscheide und tue, was ich will, ist das für mich kein Zeichen, das mein Wille von dem was ich will anhängig ist, sondern ich sehen das schlicht als eine sinnlose und falsche Wortverdoppelung ohne Inhalt an.

stine hat geschrieben:ch denke, dass der Begriff "frei" noch nicht hinreichend geklärt ist in Bezug auf einen "freien Willen haben" oder das "Freisein von den Naturgesetzen".

Sehe ich nicht so: Freiheit von den Naturgesetzen/oder determinierenden Regelmäßigkeiten ist nicht. Wie denn? D.h. man ist determiniert.
Freiheit der Entscheidung heißt einfach: Ohne Zwang, überlegend (abwägend, innehaltend, reflektierend) den eigenen Prämissen zu folgen.
Bei den eigene Prämissen muss man nicht wissen warum sie so sind: Man Verdi liebt, aber keinen Käse mag, gerne ans Meer fährt und Kobaltblau liebt, es reicht zu wissen, dass es so ist. Wenn ich ans Meer will, will ich ans Meer, ob das genetisch oder erworben, gewöhnlich oder exquisit ist, ist für die Prämissen unerheblich.

stine hat geschrieben:Einen freien Willen kann ich auch innerhalb der Naturgesetze haben.

Klar, Kompatibilismus, willkommen im Club.

stine hat geschrieben:Wenn ich natürlich davon ausgehe, dass ich nur frei wäre, wenn ich die Schwerkraft und andere Naturgesetze überwinden könnte, dann bin ich ziemlich unfrei.
Richtig, woraus sich die durchaus ernst zu nehmende Frage ergibt, wie sinnvoll eine solche Definition von Freiheit ist, dann dann wäre kurzerhand nichts und niemand frei. Aber gerade im Alltag gehen wir davon aus, dass das nicht der Fall ist.
Wir können Verantwortung übernehmen und wissen, dass wir es können und gehen davon aus, dass andere es auch können. Kinder und Narren ausgenommen.
Und wir sind ziemlich enttäuscht, wenn jemand unsere Erwartungen (die wir ja auch nicht grundlos in jemanden setzen) nicht erfüllt.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Di 4. Feb 2014, 23:16

ganimed hat geschrieben:Ich zitiere wieder aus dem hier: http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit
    Jemand kann nur dann anders handeln, wenn es naturgesetzlich möglich ist, dass er anderes handelt, als er es tatsächlich tut; und das ist in einer deterministischen Welt nicht möglich. Wie kann der Kompatibilist diesem Argument begegnen?

Der Kompatibilist verzichtet ja gerade auf diese Bedingung als notwendigen Bestandteil seiner Freiheitsdefinition. Ich bin mittlerweile zur Ansicht gelangt, dass man in gewissen Hinsichten Kompatibilist sein kann, insofern der Mensch oftmals nur tun können will was er will. Wenn dies die einzige Motivation ist, dann beisst sich das nicht mit dem kompatibilistischen Standpunkt. Denn die entsprechenden Handlungen wie auch der kompatibilistische Standpunkt sind ja beide mit dem Determinismus vereinbar. In anderer Hinsicht aber eben NICHT. Es gibt etliche Aspekte und Werte die nicht zu vereinbaren sind mit dem Kompatibilistischen Standpunkt: Schuld, Verantwortung, Zurechenbarkeit, Stolz, das Gefühl man könne sein Leben wirklich lenken, Autonomieansprüche, Sinnansprüche. Dann eine ganze Palette an Emotionen welche logisch gesehen nur begründet sind, falls es einen freien Willen gibt.
Mit diesem ganzen Bereich ist der Kompatibilismus nicht vereinbar. Man würde also entweder in einem "als ob" - Modus so tun als wenn alles in schönster Harmonie von statten ginge, oder ist redlich und akzeptiert, dass der Freiheitsbegriff nicht mit allen Forderungen des Menschen zu vereinbaren ist. Dann könnte man auf eine langfristige Änderung solcher Einstellungen hoffen (ob das allerdings gewünscht werden kann: in der Eigenwahrnehmung zum l'homme machine oder l'homme plante werden?), oder aber lässt solche Widersprüche einfach gelten (als ob), was die grosse Verlogenheit wäre: weiterhin Menschen als verantwortlich zu bezeichen, wäre schlicht und einfach verlogen...aber unter diesem Preis geht's nun mal nicht. Und etliche Kompatibilisten nehmen eine solche Position ein.

George Edward Moore hat darauf hingewiesen, dass das Wort "können" neben dieser auch noch andere Bedeutungen hat – z.B. die, von der wir ausgehen, wenn wir einer Person eine Fähigkeit zuschreiben (Moore 1912). Diese Bedeutung von "können" lässt sich Moore zufolge so analysieren: Dass jemand X tun kann, d.h., dass er die Fähigkeit hat, X zu tun, heißt nichts anderes, als dass er X tun würde, wenn er sich dazu entschiede, X zu tun. Dies nennt man die konditionale Analyse von Können: Eine Person kann X tun (hat die Fähigkeit, X zu tun), wenn sie X tut, falls sie sich entscheidet, X zu tun. Offenbar ist dieser Analyse zufolge Anders-Handeln- oder Sich-Anders-Entscheiden-Können mit dem Determinismus vereinbar. Denn auch wenn determiniert ist, was ich tue, weil determiniert ist, wie ich mich entscheide, kann es immer noch wahr sein, dass ich etwas anderes täte, wenn ich mich anders entscheiden würde. Mit anderen Worten: Auch wenn es naturgesetzlich unmöglich ist, dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt X tue, kann es durchaus sein, dass ich zu diesem Zeitpunkt die Fähigkeit habe, X zu tun.Mr. Moore deutet das Wort "können" sozusagen konditional. "Können" bedeutet demnach: "können wenn man sich dazu entschieden hätte".


In der sprachanalytischen Philosophie spielt oftmals eine Rolle was der alltägliche Gebrauch eines Wortes sei. Derjenige nämlich der einen davon abweichenden Gebrauch fordert, trägt die Beweislast. Moore interpretiert "können" so, dass es mit dem Kompatibilismus vereinbar ist. Aber vor allem: er behauptet, dass dies auch der alltägliche, commen-sense Gebrauch des Wortes "Können" sei. Und das ist einfach nicht richtig. Wenn ich sage, dass jemand auch anders hätte handeln können, dann meine ich nicht nur, dass er in einer bestimmten Situation andere Handlungsoptionen (also Fähigkeiten) in seinem Repertoire zur Verfügung gehabt hat (was ja durchaus nicht der Fall sein muss), sondern auch, dass er in derselben Situation (unter identischen Bedingungen) auch anders hätte wählen können. Dies entspricht zumindest der Auffassung vieler (ich behaupte: der meisten) Menschen.

Aber man hat sich nicht dazu entschieden, weil es in derselben Situation unmöglich ist, sich anders zu entscheiden, was ja nicht mal in Zweifel gezogen wird. Die Wenn-Bedingung ist also nicht wahr. Damit ist der Satz "ich könnte, wenn <irgendwas unwahres>" wertlos, denn er ist immer wahr. Ich könnte also genau so gut formulieren: "ich könnte aus eigener Kraft fliegen, wenn ich genügend große Flügel und genügend starke Muskeln hätte". Das ist zwar wahr, aber wertlos, weil die Wenn-Bedingung nicht zutrifft.

Hm...bin nicht sicher ob dein Einwand stimmt. Das Wenn bezieht sich ja nur auf die Entscheidung nicht auf die Fähigkeit (die als solche vorausgesetzt wird, wenn wir von jemandem so sprechen). Meiner Meinung nach muss das "können" in der Anwendung "jemand hätte auch anders handeln können" (um logisch stimmig zu sein), keine Willensfreiheit implizieren, sondern nur die zusätzlichen Handlungsoptionen als faktisch vorhanden gewesene unterstellen. Insofern bezieht sich das "wenn" rückblickend natürlich nie auf eine real mögliche andere Wahl. Moore will eben nur sagen: das meinen wir wenn wir "können" verwenden, insofern muss der wenn-Satz nur die Wahrheit der potentiellen Fähigkeit auch anders handeln zu können implizieren (entscheidend ist nicht, ob ich frei war zwischen Tee und Kaffee zu wählen, sondern ob es mir überhaupt möglich wäre sowohl Tee als auch Kaffee zu wählen, das ist dann gegeben wenn mich nicht generell etwas davon abhält, seien es innere oder äussere Faktoren. Dein Beispiel mit dem Fliegen ist ein Beispiel für das fehlen der diesbezüglichen Fähigkeit).

Dieser Satz beschreibt also KEINESWEGS eine Fähigkeit einer Person, wie Moore behauptet. Die Fähigkeit habe ich nur, wenn die Wenn-Bedingung stimmt. Ich kann nur anders handeln, wenn ich mich anders entscheide. Ich kann nur fliegen, wenn ich dazu alles nötige habe. ---> das übersetzt sich zu: ich kann nicht anders handeln (weil ich mich nicht anders entscheide). Ich kann nicht fliegen (weil ich nicht alles dazu nötige habe).

Wie oben geschrieben, sehe ich das anders. Moore macht hier gerade deutlich, dass es Sachen gibt zu denen wir im allgemeinen fähig sind (natürlich hat jede Person ihr eigenes Profil an Handlungsoptionen/ Fähigkeiten) und solche welche wir generell nicht können. Und diese Unterscheidung ist ja sehr plausibel. Selbst wenn man eingesteht dass der Wenn-Satz nie wahr wird (da ich mich nie anders entscheiden kann als ich es jeweils tue), bedeutet das nicht dass die behauptete Fähigkeit, das behauptete Können des dann-Satzes falsch ist (zumindest solange man nur die potentielle Fähigkeit, das Tee oder Kaffee trinken können z.B., im Auge hat...und so ist es bei Moore intendiert).

Nochmal anders formuliert: der logische Fehler ist hier, dass Aussagen mit einer nicht erfüllten Wenn-Bedingung IMMER wahr sind und deshalb jede Aussagekraft verlieren. Mit solchen Sätzen kann man keine wirkliche Fähigkeit definieren. Wenn man das könnte, dann dürfte man mit derselben Logik behaupten, dass ich fliegen kann. Eine Aussage, über die die Fliegen nur lachen können.

Moore will keine Fähigkeiten definieren, Moore sagt nur: wenn wir von jemandem sagen, dass er auch anders hätte handeln können, dann meinen wir, dass wir von ihm zu wissen meinen, dass er/sie auch andere Handlungoptionen zur Verfügung hat (angenommen jemand mag Orangensaft und Tomatensaft, und er entscheidet sich in einer Situation bei Vorhandensein von beidem für Orangensaft. Hier dürften wir im Sinne Moores zu recht sagen: er hätte auch Tomatensaft trinken können. Dein Beispiel mit dem Fliegen können ist ein Beispiel wo es dagegen unzulässig wäre so zu sprechen).

Unter dem Strich: aus meiner Sicht geht es bei Moore logisch gesehen mit rechten Dingen zu (solange man Moores Intention richtig versteht, bzw. in der Weise versteht wie ich oben). Der Fehler liegt aber darin, dass das Wort "können" eben im alltäglichen Gebrauch nicht so gebraucht wird wie es Moore darstellt.
Zudem würde ich selber den Kompatibilismus für gewisse Aspekte menschlichen Handelns als akzeptabel bezeichnen, nicht hingegen betreffs anderer Aspekte und in anderen Hinsichten.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Mi 5. Feb 2014, 00:41

Vollbreit hat geschrieben:Man weiß ja, als Entscheidender/Urteilender nicht, wie die eigene Entscheidung, die man in der abwägenden Entscheidungsfindung eben erst noch finden musst, ausfallen wird, dazu bräuchte man eine göttliche oder allumfassende Perspektive, die man nicht hat.
Man urteilt/entscheidet also aus der Warte der stets vorläufigen Perpektive, zu der man in der Lage ist.

Für die Freiheit einer Entscheidung ist es, soweit ich sehe, völlig unerheblich, ob ich kurz vorher, währenddessen, danach oder zu welchem Zeitpunkt auch immer weiß, wie ich mich entscheide oder welche Perspektive ich dabei einnehme. (Das man eine bewusste Entscheidung fällt, von der du auch etwas weißt, das benötigst du nur für die Bedingung (3) (Wie die Person handelt oder entscheidet, muss ihrer Kontrolle unterliegen.)).
Ich verstehe daher leider überhaupt noch nicht dein Argument. Moore deutet, wenn ich das richtig sehe, den Begriff "kann" im Satz "kann auch anders handeln" um und schwächt ihn ab. "kann" bedeutet für ihn nicht wirklich können, sondern nur können unter der Bedingung, dass man sich auch dafür entschieden hätte. Ich sehe nicht, was das mit dem Wissen oder der Perspektive des Entscheiders zu tun hat.

Vollbreit hat geschrieben:Die Wenn-BEdingung die hier gilt, ist, dass ich über eigene Prämissen verfügen muss, was in der Regel der Fall ist und dass ich keine Gottesperspektive habe, was in der Regel auch der Fall ist.

Ich habe das anders verstanden. Die Wenn-Bedingung ist wahr, wenn ich mich in der Situation anders entscheide und sie ist falsch, wenn ich mich in der Situation wieder gleich entscheide. Aber in beiden Fällen habe ich eigene Prämissen. Ich sehe nicht, wie ich meine Prämissen verlieren könnte. Und Moore spricht auch nicht von Prämissen. Ich vermute daher, es geht gar nicht um die Prämissen.

Vollbreit hat geschrieben:Du kannst Dich doch anders entscheiden.

Nein. Kann ich nicht. Meine Entscheidung wird durch die kausalen Faktoren determiniert, vollständig determiniert. Bei gleichen kausalen Faktoren (weil es die gleiche Situation ist) werde ich mich also jedes mal auch genau gleich entscheiden.

Vollbreit hat geschrieben:Willst Urlaub wie immer in diesem netten Hotel in Tirol machen, ga hörst Du, dass es gestern abgebrannt bist und schon entscheidest Du Dich anders.

Ach das meinst du mit anders? Ja, ich entscheide mich anders im Vergleich zu gestern, als ich noch für Tirol war (in einer anderen Situation). Und ich entscheide mich übrigens auch anders als mein Vetter Willy, der macht nie Urlaub. Und ich entscheide mich anders als ich mich vor drei Jahren im CD-Laden entschieden habe, dort habe ich nämlich keinen Urlaub gebucht, sondern eine CD gekauft. Aber meinst du solche Unterschiede wirklich? Was soll das zeigen?
Ob die heutige Entscheidung, nicht nach Tirol zu fahren, frei ist, kann ich nicht daran sehen, was Willy macht (der macht nämlich nie was). Ich kann es nur daran sehen, ob ich in exakt derselben Situation (also heute, kurz nachdem ich das mit dem Hotel hörte) immer gleich entscheide (dann hängt die Entscheidung offenbar von der Situation ab und ist nicht meine freie) oder ob ich manchmal anders entscheide (tue ich aber in einer deterministischen Welt nicht).

Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:eine Entscheidung ist dann frei, wenn sie wenigsten teilweise unabhängig ist von kausalen Faktoren.

Habe ich auch gedacht, liegt daran, dass Du Dir nicht richtig vorstellen kannst, wie denn in einer durch und durch determinierten Welt nun auf einmal – wo doch alles festgelegt ist – die Freiheit herkommen soll.
Ein (scheinbarer) Ausweg ist, irgendwie eine minimale Ausnahme zu konstruieren.

Du scheinst den Eindruck zu haben, ich sei in einer Falle, in einer verzweifelten Lage. Ich würde mich ständig fragen, wo die Freiheit herkommen soll. Und ich suchte nach einem (scheinbaren) Ausweg. Oder wie verstehe ich dich?
Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Ich glaube zu wissen, dass die Freiheit nirgendwo herkommt. Ich kann sehr gut damit leben, dass es sie gar nicht gibt, dass sie deshalb auch nicht herkommt und ich deshalb auch keine merkwürdigen Ausnahmen zu machen brauche. Vor allem, und das finde ich recht angenehm, brauche ich nicht, wie so mancher Kompatibilist, Wörter verdrehen und hinterher leugnen, dass sie verdreht seien.

Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Das ist aber, wenn ich mich nicht täusche, allgemeiner und eleganter ausgedrückt durch die erste Bedingung: eine Entscheidung ist frei, wenn sie in der gleichen Situation mal so und mal anders ausfällt (womit sie dann nicht vollständig abhängig von kausalen Faktoren ist).

Kann es sein, dass Du da was falsch verstanden hast? Von wessen Position reden wir da genau, kannst Du noch mal den Abschnitt kurz zitieren? Danke!


Ich bin nicht sicher, welchen Abschnitt du jetzt meinst? Ich zitiere mal die erste Bedingung, meinst du die?
    "1. Die Person muss eine Wahl zwischen Alternativen haben; sie muss anders handeln bzw. sich anders entscheiden können, als sie es tatsächlich tut. (Die Bedingung des Anders-Handeln- oder Anders-Entscheiden-Könnens)"

Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Bekomme ich nun eine Antwort auf die Frage, wieso Entscheidungen, die die erste Bedingung nicht erfüllen, bei dir trotzdem "frei" heißen?

Die Antwort steht in der Antwort davor, aber gerne auch noch mal: Die göttliche Perspektive, die man einnehmen können müsste, um zu wissen, was passiert und wie mein Gegenüber sich entscheiden wird oder wie ich mich entscheiden werde, die kann man nicht einnehmen.

Wieso muss man vorher wissen, wie man sich entscheidet?
Und wieso ist das eine Antwort auf die Frage, wieso eine Entscheidung, die in derselben Situation immer gleich ausfällt, frei ist? Wieso empfindest du eine Entscheidung als frei, die NICHT laut Bedingung (1) mal so aber auch mal anders ausfallen kann, sondern immer gleich ausfällt?

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du sagst: Ist doch eh alles determiniert, dann heißt das immer auch. Man weiß ja doch schon wie es enden wird. Wer weiß das? Ich nicht. Du? Gott?

Da hast du mich aber gründlich missverstanden. Wieso soll man wissen, wie schon alles enden wird? Unfug. Ich weiß nicht mehr als jeder andere. Dennoch ist, völlig unabhängig von meinem Wissensstand, meine Entscheidung determiniert, aber nicht von mir, sondern von den kausalen Faktoren.

Vollbreit hat geschrieben:Daraus aber nun abzuleiten, dass keine Entscheidung in Deinem Leben, einen kausalen Einfluss hätte, ist schwer zu halten.

Ich komme mir vor wie im Tollhaus. Auch dies ein gründliches Missverständnis. Ich habe nie gesagt, dass meine Entscheidung keinen kausalen Einfluss hätte. Natürlich ist meine Entscheidung wiederum selber ein kausaler Faktor für zahlreiche andere, folgende Ereignisse. Wenn ich überlege, ob meine Entscheidung frei ist, betrachte ich allerdings nur, von welchen Dinge meine Entscheidung abhängt. Ich betrachte nicht, welche Dinge von meiner Entscheidung abhängen, weil das für die Frage nicht von Belang ist.

Vollbreit hat geschrieben:Ich bin dann abhängig von meinen Vorlieben und davon, dass es Pizza gibt. Aber denk das mal zu Ende. Frei wäre ich also dann, wenn ich keinerlei Wünsche hätte und es nichts gäbe, worauf sich meine ohnehin nicht vorhandenen Wünsche beziehen könnten. Mit anderen Worten wenn es mich und die Welt nicht gibt. Aber wie intuitiv richtig ist das denn?

Du kommst also zu merkwürdigen, nicht intuitiven, sehr zweifelhaften Schlussfolgerungen, wenn du annimmst, dass es eine Freiheit nach meiner Definition gibt? Mich wundert das jetzt gar nicht. Diese Freiheit gibt es ja, wie ich vielleicht das eine oder andere mal erwähnte, nicht. Es ist demzufolge auch wenig sinnvoll, sich diese Freiheit, die es ja nicht geben kann in einer deterministischen Welt, dann doch irgendwie auf Biegen und Brechen vorstellen zu wollen. Ich verstehe immer noch nicht so ganz, wieso du das tust? Ich tue es nicht.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Mi 5. Feb 2014, 00:48

@ganimed:
Ergänzung: Der Satz: "Wenn er anders gewählt hätte, hätte er anders handeln können", wäre dann logisch falsch wenn das anders-gewählt-haben das anders-handeln-Können erst generiert hätte. Das ist aber nicht die Bedeutung des Satzes. Gemeint ist: wenn jemand anders gewählt hätte, wäre eine der Möglichkeit nach (potentiell) vorhandene (Handlungweise) Fähigkeit aktualisiert worden. In dieser Leseweise steht der Wenn-Teil nicht in Widerspruch zum Dann-Teil.

PS: Leute, lest meinen letzten Beitrag, dort ist alles Wesentliche in nuce enthalten. :2thumbs:
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Mi 5. Feb 2014, 01:07

ganimed hat geschrieben:Ich komme mir vor wie im Tollhaus.


Nicht nur kommt es dir so vor, denn es gibt ja keinen freien Willen (auch nicht in diesem Forum): unfrei - unverantwortlich - unzurechenbar - toll(haus) :applaus:
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Mi 5. Feb 2014, 01:27

Vollbreit hat geschrieben:Man weiß ja, als Entscheidender/Urteilender nicht, wie die eigene Entscheidung, die man in der abwägenden Entscheidungsfindung eben erst noch finden musst, ausfallen wird, dazu bräuchte man eine göttliche oder allumfassende Perspektive, die man nicht hat.
Man urteilt/entscheidet also aus der Warte der stets vorläufigen Perpektive, zu der man in der Lage ist.

Richtig, nur liesse sich diese Feststellung bestens auch als etwas anführen was, wenn auch nicht direkt gegen den freien Willen, so doch gegen dessen Werthaftigkeit spricht. Aber faktisch Wissen wir jeweils recht gut wie wir entscheiden (zumindest in welcher Bandbreite der Optionen). Je disparater die nicht antizipierten Entscheidungsmöglichkeiten wären, desto absurder auch ein freier Wille.
Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du sagst: ist doch eh alles determiniert, dann heisst das immer auch. Man weiss ja doch schon wie es enden wird. Wer weiss das? Ich nicht. Du? Gott?

Du willst aber nicht ernsthaft behaupten, dass ein epistemischer Indeterminismus einen ontologischen impliziert?! Wittgenstein meinte der epistemische Indeterminismus genüge um einen freien Willen behaupten zu können. Aber das ist Humbug. Keiner (einer findet sich immer) würde auf Grund der blossen nicht Vorhersehbarkeit eines (z.B. deterministisch chaotischen) Geschehens demselben einen freien Willen unterstellen.
Übrigens: argumentierst du für einen indeterministischen freien Willen (kommt mir so vor, auch wenn ich nicht alles genau gelesen habe) oder vertrittst du einen Kompatibilismus (das eine schliesst ja das andere aus)?

Ganimed hat geschrieben:Moore deutet, wenn ich das richtig sehe, den Begriff "kann" im Satz "kann auch anders handeln" um und schwächt ihn ab. "kann" bedeutet für ihn nicht wirklich können, sondern nur können unter der Bedingung, dass man sich auch dafür entschieden hätte.

"Kann" in Moores Beispiel bedeutet sehr wohl wirklich können, in dem Sinne, dass eine wirklich vorhandene Fähigkeit ("Können") vorliegt, welche aber erst mit einer entsprechenden Wahl aktualisiert werden würde. Insofern ist der Satz dann auch logisch durchaus korrekt, natürlich dann nicht, wenn du "nicht wirklich können" so deutest, dass erst die Wahl überhaupt erst die Fähigkeit erzeugt (dann könnte man tatsächlich jegliche Fähigkeit durch Wahl ex nihilo erzeugen...und etwas dermassen Absurdes sollte man Moore nicht unterstellen).
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am Mi 5. Feb 2014, 01:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ganimed » Mi 5. Feb 2014, 01:37

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich bin mittlerweile zur Ansicht gelangt, dass man in gewissen Hinsichten Kompatibilist sein kann, insofern der Mensch oftmals nur tun können will was er will. Wenn dies die einzige Motivation ist, dann beisst sich das nicht mit dem kompatibilistischen Standpunkt.

Du meinst also, der Kompatibilist nennt sich deshalb so, weil er das tun kann, was er nunmal gerne möchte und diese seine Wünsche mit dem Determinismus vereinbaren kann? Ich glaube, die Definition von Kompatibilist geht anders: ein Kompatibilist hält den Begriff der Freiheit vereinbar mit dem Determinismus. Es reicht also nicht, dass es ihm gut geht, wenn er tun kann was er will (Handlungsfreiheit). Er glaubt per Definition, dass sein Wille frei ist. Und er erkennt an, dass die Entscheidung vollständig determiniert ist. Beides unter einen Hut zu bringen, nichts geringeres muss er leisten.

Dr Fraggles hat geschrieben:Es gibt etliche Aspekte und Werte die nicht zu vereinbaren sind mit dem Kompatibilistischen Standpunkt: Schuld, Verantwortung, Zurechenbarkeit, Stolz, das Gefühl man könne sein Leben wirklich lenken, Autonomieansprüche, Sinnansprüche. Dann eine ganze Palette an Emotionen welche logisch gesehen nur begründet sind, falls es einen freien Willen gibt. Mit diesem ganzen Bereich ist der Kompatibilismus nicht vereinbar. Man würde also entweder in einem "als ob" - Modus so tun als wenn alles in schönster Harmonie von statten ginge, oder ist redlich und akzeptiert, dass der Freiheitsbegriff nicht mit allen Forderungen des Menschen zu vereinbaren ist.

Genau so sehe ich das auch. Es klingt vermutlich fies, aber ich glaube im Grunde auch, dass die Kompatibilisten nicht redlich sind, sondern sich selber (und damit uns) etwas vorgaukeln.

Dr Fraggles hat geschrieben:Hm...bin nicht sicher ob dein Einwand stimmt. Das Wenn bezieht sich ja nur auf die Entscheidung nicht auf die Fähigkeit

Ahh. Ich musste lange darauf herumdenken und habe deine Ausführung bestimmt 10 mal gelesen. Aber ich glaube, ich habe das jetzt verstanden. Und Moores Formulierung bzw. die in dem Artikel hatte ich dann wohl falsch verstanden. Ich danke dir sehr. Mit "können" meint Moore also einfach nur wieder die Handlungsfreiheit. Ich kann "anders handeln" sobald ich mich dazu entscheide, auch wenn ich mich nicht dazu entscheide, können könnte ich.

Du sagst dann, dass Moore logisch korrekt ist und lehnst seine Position nur deshalb ab, weil sein "können"-Begriff nicht dem alltäglichen Begriff entspricht?
Ich sehe das etwas anders. Ich finde, dieses "Können" benutzen wir auch so im Alltag, als ein "ich könnte, wenn ich wollte".

Dr Fraggles hat geschrieben:Moore macht hier gerade deutlich, dass es Sachen gibt zu denen wir im allgemeinen fähig sind (natürlich hat jede Person ihr eigenes Profil an Handlungsoptionen/ Fähigkeiten) und solche welche wir generell nicht können.

Ich finde immer noch, dass Moore Unsinn redet, auch wenn man sein "wenn" so interpretiert, wie du es vorschlägst.

Ich hole aus. Stellen wir uns die Entscheidung, Orangensaft statt Tomatensaft zu trinken mal vor.
Es gäbe kausale Faktoren, von denen immer nur einer wirkt. K1 bringt mich dazu, Orangensaft zu trinken. K2 bringt mich dazu, Tomatensaft zu trinken. K3 ist explizit "ich bin gar nicht fähig, Tomatensaft zu trinken".

Und nun passiert also folgendes: ich sehe Orangensaft und Tomatensaft, es wirkt in mir der Faktor K1 und ich entscheide mich für Orangensaft.

Ich als Inkompatibilist sage nun: Die Entscheidung war durch K1 determiniert. Die Entscheidung war deshalb nicht frei.

Moore sieht es anders und sagt: Die Entscheidung war zwar durch K1 determiniert, aber das interessiert nicht. Wichtig ist nur, dass NICHT K3 Schuld daran ist, dass ich Orangensaft trank. Ich war fähig Tomatensaft zu trinken, also hat K3 nicht als kausaler Faktor gewirkt, also war die Entscheidung frei.

Was meinst du? Habe ich das so richtig verstanden?
Wenn ja, ist das nicht albern, was Moore da für ein Freiheitskriterium bemüht? Wieso ist es wichtig, wodurch eine Entscheidung determiniert wird? Ob durch K1 oder K3, spielt doch keine Rolle. Oder? Wichtig ist doch nur, dass die Entscheidung determiniert wird. Im Grunde fehlt jetzt bei Moore doch also genau das, was ich von Vollbreit auch nicht bekomme: eine Antwort, wieso er "nicht von K3 determiniert" mit "frei" gleichsetzt.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Dr Fraggles » Mi 5. Feb 2014, 02:28

ganimed hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Ich bin mittlerweile zur Ansicht gelangt, dass man in gewissen Hinsichten Kompatibilist sein kann, insofern der Mensch oftmals nur tun können will was er will. Wenn dies die einzige Motivation ist, dann beisst sich das nicht mit dem kompatibilistischen Standpunkt.

Du meinst also, der Kompatibilist nennt sich deshalb so, weil er das tun kann, was er nunmal gerne möchte und diese seine Wünsche mit dem Determinismus vereinbaren kann? Ich glaube, die Definition von Kompatibilist geht anders: ein Kompatibilist hält den Begriff der Freiheit vereinbar mit dem Determinismus. Es reicht also nicht, dass es ihm gut geht, wenn er tun kann was er will (Handlungsfreiheit). Er glaubt per Definition, dass sein Wille frei ist. Und er erkennt an, dass die Entscheidung vollständig determiniert ist. Beides unter einen Hut zu bringen, nichts geringeres muss er leisten.

Nein, das verstehst du falsch. Der Kompatibilist setzt den Determinismus voraus (wohl weil zu viel gegen den Indeterminismus spricht), behauptet aber, dass seine Definition von Freiheit damit vereinbar ist. Der Freiheitsbegriff des Kompatibilisten ist nicht derselbe wie der des Indeterministen! Das muss man schon klar sehen, ansonsten man mit Notwendigkeit bei Widersprüchen endet. Ich frage mich ob Vollbreit das verstanden hat...
Der Freiheitsbegriff des Kompatibilisten besagt nur soviel: es gibt Formen des Determiniertseins welche als Zwang bezeichnet werden und es gibt Formen des Determiniertseins welche als frei bezeichnet werden. D.h. die Scheidelinie verläuft nicht wie beim Indeterminismus zwischen determiniert und nicht-determiniert, sondern zwischen Zwang und nicht-Zwang. Das was nicht unter Zwang geschieht wird als durch den freien Willen verursacht bezeichnet. Aber: sich nicht von Wörtern in die Irre führen lassen!!!

Dr Fraggles hat geschrieben:Es gibt etliche Aspekte und Werte die nicht zu vereinbaren sind mit dem Kompatibilistischen Standpunkt: Schuld, Verantwortung, Zurechenbarkeit, Stolz, das Gefühl man könne sein Leben wirklich lenken, Autonomieansprüche, Sinnansprüche. Dann eine ganze Palette an Emotionen welche logisch gesehen nur begründet sind, falls es einen freien Willen gibt. Mit diesem ganzen Bereich ist der Kompatibilismus nicht vereinbar. Man würde also entweder in einem "als ob" - Modus so tun als wenn alles in schönster Harmonie von statten ginge, oder ist redlich und akzeptiert, dass der Freiheitsbegriff nicht mit allen Forderungen des Menschen zu vereinbaren ist.

Genau so sehe ich das auch. Es klingt vermutlich fies, aber ich glaube im Grunde auch, dass die Kompatibilisten nicht redlich sind, sondern sich selber (und damit uns) etwas vorgaukeln.

Zunächst muss man die Wörter im Auge behalten: wie gesagt, die Kompatibilisten bezeichnen zwar gewisse Entscheide als durch den "freien Willen" verursacht, meinen aber damit nur, dass die Determinanten nicht zur Kategorie derjenigen gehören welche man unter "Zwang" subsummiert. Welche Determinanten nun zur einen bzw. zur anderen Kategorie gehören ist umstritten. Formal könnte man sagen: Determinanten welche ich als zu meinem Ich gehörig erachten tue (welche zu meiner Natur gehören) sind frei, jene die nicht zu meinem Ich gehören sind zwanghaft (äusserer Zwang durch Erpressung, innerer Zwang durch eine Zwangserkrankung als extreme Beispiele).

Dr Fraggles hat geschrieben:Hm...bin nicht sicher ob dein Einwand stimmt. Das Wenn bezieht sich ja nur auf die Entscheidung nicht auf die Fähigkeit

Ahh. Ich musste lange darauf herumdenken und habe deine Ausführung bestimmt 10 mal gelesen. Aber ich glaube, ich habe das jetzt verstanden. Und Moores Formulierung bzw. die in dem Artikel hatte ich dann wohl falsch verstanden. Ich danke dir sehr. Mit "können" meint Moore also einfach nur wieder die Handlungsfreiheit. Ich kann "anders handeln" sobald ich mich dazu entscheide, auch wenn ich mich nicht dazu entscheide, können könnte ich.
Du sagst dann, dass Moore logisch korrekt ist und lehnst seine Position nur deshalb ab, weil sein "können"-Begriff nicht dem alltäglichen Begriff entspricht?
Ich sehe das etwas anders. Ich finde, dieses "Können" benutzen wir auch so im Alltag, als ein "ich könnte, wenn ich wollte".

Ja, so verwendet es Moore (wie mir scheint). Handlungsfreiheit dann im Sinne des ganzen Spektrums der mir potentiell zur Verfügung stehenden Handlungsweisen in einer gegebenen Situation (jemand der nur eine Handlungsweise zur Verfügung hätte um in einer bestimmten Situation zu handeln, hätte selbst wenn er anders gewählt hätte, nicht anders handeln können...um es etwas paradox zu sagen). Es geht bei Moore um potentiell vorliegende Handlungsmöglichkeiten, welche einer Entscheidung zu Grunde liegen (Entscheiden macht ja nur Sinn, wenn unterschiedliche Handlungsweisen mir zur Verfügung stehen).
Ich meine schon, dass wir oftmals "hätte anders können" im Sinne des Indeterminismus verwenden. Sei es, dass wir jemandem einen Vorwurf machen, etwas bereuen etc. Jemand der an den Determinismus "glaubt" mag da aber mit leicht gefärbten Brillen an die Sache herangehen. Gut möglich, dass es auch nicht einheitlich verwendet wird. Bei Moore und anderen ist die Frage wie es faktisch gebraucht wird aber nicht sekundär, sondern bildet gerade einen Stützpfeiler der Legitimation des Kompatibilismus (wenn man sowieso schon unter "anders können" - also Freiheit - das versteht was der Kompatibilismus versteht...).

Dr Fraggles hat geschrieben:Moore macht hier gerade deutlich, dass es Sachen gibt zu denen wir im allgemeinen fähig sind (natürlich hat jede Person ihr eigenes Profil an Handlungsoptionen/ Fähigkeiten) und solche welche wir generell nicht können.

Ich finde immer noch, dass Moore Unsinn redet, auch wenn man sein "wenn" so interpretiert, wie du es vorschlägst.
Ich hole aus. Stellen wir uns die Entscheidung, Orangensaft statt Tomatensaft zu trinken mal vor.
Es gäbe kausale Faktoren, von denen immer nur einer wirkt. K1 bringt mich dazu, Orangensaft zu trinken. K2 bringt mich dazu, Tomatensaft zu trinken. K3 ist explizit "ich bin gar nicht fähig, Tomatensaft zu trinken".

Da würde ich schon mal korrigieren wollen: es wirkt nie nur einer, nie. Das ist eine starke Behauptung, aber mit Sicherheit richtig bezogen auf eher banale Entscheidungen. Aber ist nur ein Einwand am Rand: unwesentlich.

Und nun passiert also folgendes: ich sehe Orangensaft und Tomatensaft, es wirkt in mir der Faktor K1 und ich entscheide mich für Orangensaft.
Ich als Inkompatibilist sage nun: Die Entscheidung war durch K1 determiniert. Die Entscheidung war deshalb nicht frei.
Moore sieht es anders und sagt: Die Entscheidung war zwar durch K1 determiniert, aber das interessiert nicht. Wichtig ist nur, dass NICHT K3 Schuld daran ist, dass ich Orangensaft trank. Ich war fähig Tomatensaft zu trinken, also hat K3 nicht als kausaler Faktor gewirkt, also war die Entscheidung frei.

Siehe oben: es ist eben die Frage welche Determinanten wir dem Ich zurechnen wollen und welche nicht. Oben sagte ich, dass Handlungen auf Grund innerer oder äusserer Zwänge auch für den Kompatibilisten nicht mehr als frei bezeichnet werden können. K3 könnte dann deine Wahl bestimmen wenn es hiesse: "Tomatensaft oder Leben!" (o.k., vielleicht könntest du es dann immer noch nicht, aber entscheidend ist, dass du es gemäss deinen Neigungen und Wünschen freiwillig nicht tun würdest).
Aus Sicht des Kompatibilisten ist das durchaus vernünftig und selbst der Determinist könnte einer solchen Unterscheidung vielleicht irgendetwas abgewinnen, nur würde er nicht unter Zwang erfolgte Handlungen nicht augenwischerisch als durch den freien Willen verursacht bezeichnen. Wenn du klar im Bewusstsein behälst, dass der Kompatibilist andere Kriterien bei der Unterscheidung von frei/unfrei verwendet als der Indeterminist, erscheint dir auch einiges weniger unplausibel (natürlich immer nur innerhalb des kompatibilistischen Bezugrahmens).

Was meinst du? Habe ich das so richtig verstanden?
Wenn ja, ist das nicht albern, was Moore da für ein Freiheitskriterium bemüht? Wieso ist es wichtig, wodurch eine Entscheidung determiniert wird? Ob durch K1 oder K3, spielt doch keine Rolle. Oder? Wichtig ist doch nur, dass die Entscheidung determiniert wird. Im Grunde fehlt jetzt bei Moore doch also genau das, was ich von Vollbreit auch nicht bekomme: eine Antwort, wieso er "nicht von K3 determiniert" mit "frei" gleichsetzt.

Ja, im grossen ganzen glaube ich schon (falls ich dich richtig verstanden habe :/ ).
Es spielt aber eine verdammt grosse Rolle ob ich durch K1 oder K3 eine Handlung ausführe (wobei K3 für mich nur Sinn macht wie ich's oben expliziert habe, also als etwas was mir eine Handlung von innen oder aussen aufzwingt). Selbst im Strafrecht wird solches berücksichtigt: ob ich in trunkenem Zustand oder nüchtern etwas tue, spielt in der Gewichtung einer Tat eine Rolle. Ebenso ob ich durch eine Kleptomanie zum Diebstahl verleitet wurde oder nicht. Ich sage ja: diese Unterscheidungen können auch für den Deterministen eine gewisse Rolle spielen, aber niemals im Sinne einer Scheidung in frei/unfrei (welche kompatibilistische Unterscheidung in meinen Augen Heuchelei ist). Für den Indeterministen spielt die Unterscheidung von unterschiedlichen Determinanten grundsätzlich keine Rolle (ob da dennoch auf einer zweiten Ebene differenziert wird - möglicherweise - wobei philosophische Indeterministen sehr selten anzutreffen sind).
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon ujmp » Mi 5. Feb 2014, 06:51

ganimed hat geschrieben:Wieso ist es wichtig, wodurch eine Entscheidung determiniert wird? Ob durch K1 oder K3, spielt doch keine Rolle. Oder? Wichtig ist doch nur, dass die Entscheidung determiniert wird. Im Grunde fehlt jetzt bei Moore doch also genau das, was ich von Vollbreit auch nicht bekomme: eine Antwort, wieso er "nicht von K3 determiniert" mit "frei" gleichsetzt.

Wenn die Entscheidung von K2 abhängt, dann weil diese Entscheidung frei gegenüber K3 und außerdem frei gegenüber K4, K5,...,Kn ist. Wenn n gegen unendlich geht, geht die Abhängigkeit von K2 relativ gegen null. K1 aber ist der Wille. Wenn du Willensfreiheit möchtest, möchtest du nichts anderes, als dass dein Wille dein Handeln determiniert - und das kann der Wille. Er ist nicht immer frei, aber er kann frei sein und unter für ihn günstigen Bedingungen ist er es auch.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Mi 5. Feb 2014, 10:23

ganimed hat geschrieben:Für die Freiheit einer Entscheidung ist es, soweit ich sehe, völlig unerheblich, ob ich kurz vorher, währenddessen, danach oder zu welchem Zeitpunkt auch immer weiß, wie ich mich entscheide oder welche Perspektive ich dabei einnehme.
Ja, für die Freiheit der Entscheidung schon.
Aber für den Strang der Argumentation, die sich auf den Determinismus bezieht und der sagt: „Aber das kann doch keine Freiheit sein, wenn alles schon fest steht“, ist es erheblich, denn: Das weiß ja niemand. Du nicht, ich nicht, kein Supercomputer, kein Laplacescher Dämon. Kurz: Er könnte sein, dass alles feststeht (Ontologie), aber es ist sicher, dass niemand weiß, was passiert (Erkenntnistheorie).

ganimed hat geschrieben:(Das man eine bewusste Entscheidung fällt, von der du auch etwas weißt, das benötigst du nur für die Bedingung (3) (Wie die Person handelt oder entscheidet, muss ihrer Kontrolle unterliegen.)).
Ich verstehe daher leider überhaupt noch nicht dein Argument. Moore deutet, wenn ich das richtig sehe, den Begriff "kann" im Satz "kann auch anders handeln" um und schwächt ihn ab. "kann" bedeutet für ihn nicht wirklich können, sondern nur können unter der Bedingung, dass man sich auch dafür entschieden hätte. Ich sehe nicht, was das mit dem Wissen oder der Perspektive des Entscheiders zu tun hat.
Man kann auch etwas tun und sich nicht dazu entschieden haben, z..B. wenn ein Reflex ausgelöst wird, der autonom vom Willen verläuft. Bei bestimmten Fischen ist es so, dass sie simpelste Programme ausführen und auf bestimmte Schlüsselreize zig mal nacheinander reagieren, bis zur Erschöpfung. Freiheit sieht anders aus.

ganimed hat geschrieben:Ich habe das anders verstanden. Die Wenn-Bedingung ist wahr, wenn ich mich in der Situation anders entscheide und sie ist falsch, wenn ich mich in der Situation wieder gleich entscheide. Aber in beiden Fällen habe ich eigene Prämissen. Ich sehe nicht, wie ich meine Prämissen verlieren könnte. Und Moore spricht auch nicht von Prämissen. Ich vermute daher, es geht gar nicht um die Prämissen.
Du meinst Moores konditionale Analyse.
Hier geht es einmal um die prinzipielle Fähigkeit. Ich trinke gerade beim Schreiben eine Tasse Kaffee.
Ich könnte, wenn ich wollte, aufstehen, in die Küche gehen und mir Kaffee kochen. Ich tue es aber nicht (entscheide mich dagegen), da ich noch weiteren Kaffee in der Kanne habe. (Ich könnte aber dennoch neuen Kaffee kochen, wenn ich mich dazu entscheiden würde.)
Es kann durchaus sein, dass ich nachher tatsächlich noch mal frischen Kaffee koche und wenn das Universum determiniert ist, dann steht bereits fest, ob ich das tun werde, wann das sein wird und dass möglicherweise exakt in dem Moment mein Telefon klingen wird und draußen ein Hund bellt. Aber ich weiß nicht, ob und wann das passieren wird, Du weißt es auch nicht, ein Supercomputer und der Laplacesche Dämon wissen es auch nicht.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Du kannst Dich doch anders entscheiden.

Nein. Kann ich nicht. Meine Entscheidung wird durch die kausalen Faktoren determiniert, vollständig determiniert. Bei gleichen kausalen Faktoren (weil es die gleiche Situation ist) werde ich mich also jedes mal auch genau gleich entscheiden.
Ja.
Wenn man im Gedankenexperiment die Zeit zurück dreht, wirst Du aufgrund der Prämissen, die zum Zeitpunkt t1 für Dich gegolten haben und der äußeren Faktoren zum Zeitpunkt t1, immer wieder gleich entscheiden. Wo ist das Problem?
Ein Wunder wäre, wenn exakt dieselben inneren und äußeren Bedingungen zu zwei unterschiedlichen Entscheidungen führen würde.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Willst Urlaub wie immer in diesem netten Hotel in Tirol machen, ga hörst Du, dass es gestern abgebrannt bist und schon entscheidest Du Dich anders.
Ach das meinst du mit anders? Ja, ich entscheide mich anders im Vergleich zu gestern, als ich noch für Tirol war (in einer anderen Situation). Und ich entscheide mich übrigens auch anders als mein Vetter Willy, der macht nie Urlaub. Und ich entscheide mich anders als ich mich vor drei Jahren im CD-Laden entschieden habe, dort habe ich nämlich keinen Urlaub gebucht, sondern eine CD gekauft. Aber meinst du solche Unterschiede wirklich? Was soll das zeigen?
Es soll zeigen, dass zusätzliche Informationen (= weitere/veränderte Prämissen) - die Du eben noch nicht hattest – Deine Entscheidung verändern, sobald Du von ihnen erfährst, sie hast.

Klingt völlig banal, verweist aber konstant auf den Umstand, dass wir eben nicht über eine Gottesperspektive verfügen, die genau wüsste, was passiert.
Mit der Gottesperspektive würdest Du Deiner Frau auf die Frage: „Sollen wir dieses Jahr im Oktober wieder nach Tirol in das schöne Hotel fahren?“ entgegen können: „Schatz, das würde ich auch schrecklich gerne, aber es wird dort im August einen Kabelbrand im Keller aufgrund eines Kurzschlusses geben und bis Oktober sind die Renovierungsarbeiten noch nicht fertig, das schaffen die erst zum 13. Dezember.“
Tatsächlich würde es aber so laufen, dass Du sagst: „Ja prima, machen wir“ und ihr irgendwann im August bestürzt zur Kenntnis nehmen müsstet, dass das nette Hotel vor wenige Tagen abgebrannt ist. Aber in einer determinierten Welt steht das alles jetzt schon fest, auch schon zu Napoleons Zeiten, auch schon beim Urknall... es weiß nur keiner was davon.
Tatsächlich erhalten wir Informationen immer Häppchenweise und entscheiden auf dem Boden unseres gegenwärtigen Wissens. Das was wir wissen, wägen wir dann ab ud entscheiden auf der Basis all unserer gegenwärtigen Kenntnisse. Das ist die Freiheit von der die Kompatibilisten sprechen, mehr braucht es ihrer Ansicht nach nicht (um frei zu sein), weniger darf es nicht sein.

ganimed hat geschrieben:Ob die heutige Entscheidung, nicht nach Tirol zu fahren, frei ist, kann ich nicht daran sehen, was Willy macht (der macht nämlich nie was).
Nein, das erkennst Du daran, ob Du, bei Abwägung aller Vor- und Nachteile dahin fahren willst.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:eine Entscheidung ist dann frei, wenn sie wenigsten teilweise unabhängig ist von kausalen Faktoren.

Habe ich auch gedacht, liegt daran, dass Du Dir nicht richtig vorstellen kannst, wie denn in einer durch und durch determinierten Welt nun auf einmal – wo doch alles festgelegt ist – die Freiheit herkommen soll.
Ein (scheinbarer) Ausweg ist, irgendwie eine minimale Ausnahme zu konstruieren.

Du scheinst den Eindruck zu haben, ich sei in einer Falle, in einer verzweifelten Lage. Ich würde mich ständig fragen, wo die Freiheit herkommen soll. Und ich suchte nach einem (scheinbaren) Ausweg. Oder wie verstehe ich dich?
Nein, Du hast glaube ich nicht das Gefühl, dass Du falsch liegen könntest und suchst den Fehler weiterhin bei den Kompatibilisten, das ist mir schon klar. Das tendenziell Unangenehme ersparst Du Dir weiterhin, nämlich zu schauen, wie weit Dich Dein (nicht vorhandener) Freiheitsbegriff trägt.
Du verkennst m.E. auch, dass Du die Freiheit gegen die Du bist, dennoch definieren musst.

ganimed hat geschrieben:Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Ich glaube zu wissen, dass die Freiheit nirgendwo herkommt. Ich kann sehr gut damit leben, dass es sie gar nicht gibt, dass sie deshalb auch nicht herkommt und ich deshalb auch keine merkwürdigen Ausnahmen zu machen brauche. Vor allem, und das finde ich recht angenehm, brauche ich nicht, wie so mancher Kompatibilist, Wörter verdrehen und hinterher leugnen, dass sie verdreht seien.
Wenn für Dich die Sache so klar ist: Warum diskutierst Du hier?
Wenn Du meinst Du hättest die besseren Argumente, warum machst Du nicht kurzen Prozess und schreibst sie hin?

Es wäre vollkommen überzeugend, wenn Du folgendes schreiben würdest.
1) Der Kompatibilismus ist falsch und zwar wegen des Freiheitsbegriffs der Kompatibilisten.
2) Der Freiheitsbegriff der Kompatibilisten ist folgender: „…“ (Daran könnten Kompatibilisten erkennen, dass Du weißt, worüber Du redest, was m.E. bislang nicht der Fall ist.)
3) Falsch daran ist …, statt dessen müsste ein besserer (umfassenderer, revidierter, ganz anderer) Freiheitsbegriff so lauten: … . Ende.

Das wäre cool. Linke, Rechte, Aufwärtshaken, k.o..

Dir ist aber 1) der Freiheitsbegriff der Kompatibilisten erkennbar unklar, 2) Du verfügst über keinen alternativen, modifizierten Freiheitsbegriff und Dir ist 3) noch nicht einmal ganz klar, dass und warum es nicht reicht einfach nur dagegen zu sein („an Freiheit glaube ich ja eh nicht“), sondern dass und warum man dennoch benennen können muss, was genau es ist, gegen das man da ist.

Analogie zu 3: Wenn man gegen Folter ist, dann klingt das erst mal gut, aber man muss dann schon sagen können, was genau denn noch nicht oder doch schon Folter ist/ausmacht.
Genauso verhält es sich mit anderen Begriffen, inklusive der Freiheit.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Das ist aber, wenn ich mich nicht täusche, allgemeiner und eleganter ausgedrückt durch die erste Bedingung: eine Entscheidung ist frei, wenn sie in der gleichen Situation mal so und mal anders ausfällt (womit sie dann nicht vollständig abhängig von kausalen Faktoren ist).

Kann es sein, dass Du da was falsch verstanden hast? Von wessen Position reden wir da genau, kannst Du noch mal den Abschnitt kurz zitieren? Danke!


Ich bin nicht sicher, welchen Abschnitt du jetzt meinst? Ich zitiere mal die erste Bedingung, meinst du die?
    "1. Die Person muss eine Wahl zwischen Alternativen haben; sie muss anders handeln bzw. sich anders entscheiden können, als sie es tatsächlich tut. (Die Bedingung des Anders-Handeln- oder Anders-Entscheiden-Könnens)"

Diese Formulierung ist nicht falsch, aber missverständlich. Klar braucht man Alternativen zwischen denen man sich entscheiden kann, sonst liegt Zwang vor.
Das heißt aber nicht, dass wenn man die Uhr zurückdrehte, der Mensch sich jedesmal anders entscheiden würde.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Bekomme ich nun eine Antwort auf die Frage, wieso Entscheidungen, die die erste Bedingung nicht erfüllen, bei dir trotzdem "frei" heißen?

Die Antwort steht in der Antwort davor, aber gerne auch noch mal: Die göttliche Perspektive, die man einnehmen können müsste, um zu wissen, was passiert und wie mein Gegenüber sich entscheiden wird oder wie ich mich entscheiden werde, die kann man nicht einnehmen.

Wieso muss man vorher wissen, wie man sich entscheidet?
Das muss man nicht. Ich will nur sagen, da man nicht die Gottesperspektive einnehmen kann, entscheidet man qua der Prämissen, die man aktuell zur Verfügung hat.

ganimed hat geschrieben:Und wieso ist das eine Antwort auf die Frage, wieso eine Entscheidung, die in derselben Situation immer gleich ausfällt, frei ist?
In derselben Situation hat man immer dieselbe Prämissen zur Verfügung und man ist immer derselbe Mensch mit denselben Einstellungen: Jede andere Entscheidung wäre eine Willkürentscheidung, da die Prämissen und Umstände ja identisch sind.

ganimed hat geschrieben:Wieso empfindest du eine Entscheidung als frei, die NICHT laut Bedingung (1) mal so aber auch mal anders ausfallen kann, sondern immer gleich ausfällt?
Bedingung 1 meint nur, dass man Alternativen vorfinden muss. Wo man keine Wahl hat, liegt keine Entscheidungsfreiheit vor, sondern Zwang.

Das heißt nicht, dass die freie Entscheidung (die genau dann frei ist, wenn sie rational: innehaltend, abwägend, nachdenkend, getroffen wird), einmal gefallen und identischen Bedingungen noch mal anders fallen könnte, denn das wäre irrational.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du sagst: Ist doch eh alles determiniert, dann heißt das immer auch. Man weiß ja doch schon wie es enden wird. Wer weiß das? Ich nicht. Du? Gott?

Da hast du mich aber gründlich missverstanden. Wieso soll man wissen, wie schon alles enden wird? Unfug. Ich weiß nicht mehr als jeder andere.
Ja, bestimmte Teil des determinierten Ganzen. Jene, die genau Dich ausmachen.

ganimed hat geschrieben:Dennoch ist, völlig unabhängig von meinem Wissensstand, meine Entscheidung determiniert, aber nicht von mir, sondern von den kausalen Faktoren.
Und wer bestreitet das? Kompatibilisten gewiss nicht, denn der Kompatibilismus ist die Position, dass Freiheit UND Determinismus vereinbar sind.
Du meinst immer noch, Kompatibilisten würden bestreiten, dass die Welt determiniert ist oder das der Determinismus irgendwie keinen Einfluss hätte, aber da verwechselst Du sie möglicherweise mit den Libertariern – von denen das behauptet wird – und das sind Inkompatibilisten.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Daraus aber nun abzuleiten, dass keine Entscheidung in Deinem Leben, einen kausalen Einfluss hätte, ist schwer zu halten.

Ich komme mir vor wie im Tollhaus. Auch dies ein gründliches Missverständnis. Ich habe nie gesagt, dass meine Entscheidung keinen kausalen Einfluss hätte. Natürlich ist meine Entscheidung wiederum selber ein kausaler Faktor für zahlreiche andere, folgende Ereignisse. Wenn ich überlege, ob meine Entscheidung frei ist, betrachte ich allerdings nur, von welchen Dinge meine Entscheidung abhängt. Ich betrachte nicht, welche Dinge von meiner Entscheidung abhängen, weil das für die Frage nicht von Belang ist.
Und genau hier liegt der Fehler. Du deutest Freiheit passiv, aber Freiheit nimmt man sich, ist ein aktiver Vorgang, bedarf eines Wesens, das überhaupt weiß, dass es will und was es will.
Und Du konstruierst ziemlich blödsinniges Zeug. Mein Wille ist abhängig von meinem Wollen oder meinen Prämissen und darum unfrei. Nein.
Wittgenstein hat das mal für den Begriff des Wissens durchexerziert. „Ich habe Hunger.“ ist kein Unterschied zu „Ich weiß, dass ich Hunger habe.“ Dieses „Ich
weiß“ stellt nur eine leere Verdoppelung dar. Wenn Du sagst: „Ich habe Hunger und will was essen.“, so ist damit alles gesagt.
Wenn Du nun langatmige Nebensätze einfügst „... aber ich weiß, dass mein Hunger eigentlich auf eine Reaktion der Glukoserezeptoren zurückzuführen ist und mein Wollen ja eigentlich kausal davon abhängt, dass diese Rezeptoren irgendwo mein Hungerareal triggern“, dann zeigt das, dass Du biologisch informiert bist, aber was ändert es an Deinem Wollen? Was damit nur immer wieder gezeigt wird, ist, dass es Kausalketten gibt, aber das bestreitet ja niemand.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich bin dann abhängig von meinen Vorlieben und davon, dass es Pizza gibt. Aber denk das mal zu Ende. Frei wäre ich also dann, wenn ich keinerlei Wünsche hätte und es nichts gäbe, worauf sich meine ohnehin nicht vorhandenen Wünsche beziehen könnten. Mit anderen Worten wenn es mich und die Welt nicht gibt. Aber wie intuitiv richtig ist das denn?

Du kommst also zu merkwürdigen, nicht intuitiven, sehr zweifelhaften Schlussfolgerungen, wenn du annimmst, dass es eine Freiheit nach meiner Definition gibt?
Verbessere es einfach.

ganimed hat geschrieben:Mich wundert das jetzt gar nicht. Diese Freiheit gibt es ja, wie ich vielleicht das eine oder andere mal erwähnte, nicht.
Welche jetzt?

ganimed hat geschrieben:Es ist demzufolge auch wenig sinnvoll, sich diese Freiheit, die es ja nicht geben kann in einer deterministischen Welt,
Grundfalsch, immer wieder.
Was sollen wir nun machen, das geht nun vermutlich noch Monate so weiter. Schlag mal was vor.
Du trittst da fürchterlich auf der Stelle und verweigerst eine echte Definition eines Freiheitsbegriffs, dem Du zustimmen kannst, sondern versuchst ständig – bei einem erkennbaren Missverstehen des ganzen Komplexes – die Fehler der anderen zu finden.
Ich sehe aber deutlich, dass und wo es bei Dir hapert, dass Du Dir davon die gute Laune nicht verderben lässt und ist schön, aber irgendwann dann auch ermüdend.

ganimed hat geschrieben:dann doch irgendwie auf Biegen und Brechen vorstellen zu wollen. Ich verstehe immer noch nicht so ganz, wieso du das tust? Ich tue es nicht.

Vor der psychologischen Motivforschung, wäre vielleicht ein Eingehen auf die Argumente mal einen Versuch wert.

Du kommst weiter, wenn Du Dich dem Freiheitsbegriff widmest.
Das sieht dann so aus, dass Du Freiheit für Dich definieren und dazu stehen musst.
Wenn Du Dir eine Definition leihst, ist das in Ordnung, aber formulier sie mit eigenen Worten um, so das Du wirklich weißt, wovon die Rede ist und nicht nur copy & paste machst. Dann können wir gerne weiter machen, den Weg der Kritik und der vermeintlichen Fehlersuche an meinen Ausführungen, gehe ich mit Dir nicht mehr weiter, weil Du da ziemlich blind umherirrst und Dich im Detail verhedderst, ohne Erkenntnisfortschritt. Das bringt Dir erkennbar nichts, mich langweilt es und ich fühl mich mindestens so komfortabel mit meiner Sichtweise.
Auf weitere Fehlersuche werde ich nicht mehr reagieren, auf eine Bestimmung des Freiheitsbegriffs sehr gerne, die Wahl liegt bei Dir.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Mi 5. Feb 2014, 10:43

Dr Fraggles hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Man weiß ja, als Entscheidender/Urteilender nicht, wie die eigene Entscheidung, die man in der abwägenden Entscheidungsfindung eben erst noch finden musst, ausfallen wird, dazu bräuchte man eine göttliche oder allumfassende Perspektive, die man nicht hat.
Man urteilt/entscheidet also aus der Warte der stets vorläufigen Perpektive, zu der man in der Lage ist.

Richtig, nur liesse sich diese Feststellung bestens auch als etwas anführen was, wenn auch nicht direkt gegen den freien Willen, so doch gegen dessen Werthaftigkeit spricht.
Was verstehst Du unter der Werthaftigkeit des freien Willens? Kann ich mir momentan nichts drunter vorstellen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Aber faktisch Wissen wir jeweils recht gut wie wir entscheiden (zumindest in welcher Bandbreite der Optionen). Je disparater die nicht antizipierten Entscheidungsmöglichkeiten wären, desto absurder auch ein freier Wille.
Weil?

Dr Fraggles hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du sagst: ist doch eh alles determiniert, dann heisst das immer auch. Man weiss ja doch schon wie es enden wird. Wer weiss das? Ich nicht. Du? Gott?
Du willst aber nicht ernsthaft behaupten, dass ein epistemischer Indeterminismus einen ontologischen impliziert?!
Nein, die Behauptung ist, dass eine Unkenntnis des Ganzen, bei einer Kenntnis von Teilen, es uns ermöglicht frei, gemäß dessen, was wir aktuell für richtig, wahr und gut halten, abwägend und rartional zu entscheiden.

Dr Fraggles hat geschrieben:Wittgenstein meinte der epistemische Indeterminismus genüge um einen freien Willen behaupten zu können. Aber das ist Humbug. Keiner (einer findet sich immer) würde auf Grund der blossen nicht Vorhersehbarkeit eines (z.B. deterministisch chaotischen) Geschehens demselben einen freien Willen unterstellen.
M.W. Argumentiert Wittgenstein gar nicht so, kannst Du mal zitieren, woraus Du das ableistest.

Dr Fraggles hat geschrieben:Übrigens: argumentierst du für einen indeterministischen freien Willen (kommt mir so vor, auch wenn ich nicht alles genau gelesen habe) oder vertrittst du einen Kompatibilismus (das eine schliesst ja das andere aus)?
Ich bin Kompatibilist.
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon stine » Mi 5. Feb 2014, 11:22

Vollbreit hat geschrieben:„Ich habe Hunger.“ ist kein Unterschied zu „Ich weiß, dass ich Hunger habe.“ Dieses „Ich
weiß“ stellt nur eine leere Verdoppelung dar. Wenn Du sagst: „Ich habe Hunger und will was essen.“, so ist damit alles gesagt.
Wenn Du nun langatmige Nebensätze einfügst „... aber ich weiß, dass mein Hunger eigentlich auf eine Reaktion der Glukoserezeptoren zurückzuführen ist und mein Wollen ja eigentlich kausal davon abhängt, dass diese Rezeptoren irgendwo mein Hungerareal triggern“, dann zeigt das, dass Du biologisch informiert bist, aber was ändert es an Deinem Wollen? Was damit nur immer wieder gezeigt wird, ist, dass es Kausalketten gibt, aber das bestreitet ja niemand.

Nettes Beispiel weil es zeigt, dass man nach der Feststellung des Hungergefühls frei entscheiden kann, etwas zu essen, eine ganz bestimmte Mahlzeit einzunehmen oder noch abzuwarten, bis der Körper seine Reserven angreift. Also wenn das kein freier Wille ist?

LG stine
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Mi 5. Feb 2014, 12:01

Dr Fraggles hat geschrieben:Nein, das verstehst du falsch. Der Kompatibilist setzt den Determinismus voraus (wohl weil zu viel gegen den Indeterminismus spricht), behauptet aber, dass seine Definition von Freiheit damit vereinbar ist. Der Freiheitsbegriff des Kompatibilisten ist nicht derselbe wie der des Indeterministen! Das muss man schon klar sehen, ansonsten man mit Notwendigkeit bei Widersprüchen endet. Ich frage mich ob Vollbreit das verstanden hat...

Ist mir vollkommen klar, weswegen ich mit fast so ausdauernder Hartnäckigkeit wie AgentProvocateur immer und immer und immer und immer und immer wieder frage, bitte, flehe, drohe und hoffe eine Definition von Freiheit von einem Inkompatibilisten zu erhalten.

Ausnahmslos alle Diskussionen über den freien Willen, in denen der Freiheitsbegriff der Kompatibilisten kritisiert wird, scheiterten letztlich daran, dass kein alternativer Freiheitsbegriff von Seiten der Kritiker vorgelegt wurde.

Hast Du einen parat?

(Persönlich und optional:

Da ich selbst mal ein Inkompatibilist – wenn auch der pro Willensfreiheit Fraktion - war, kenne ich die Probleme. Intuitiv widerstrebt einem der etwas dröge Freiheitsbegriff der Kompatibilisten. Nimmt man sich dann mal vor wirklich ernst zu machen und zu bestimmen was eigentlich fehlt, läuft es meistens – eigentlich immer, so auch bei mir – auf die Zutaten Zufall und/oder Willkür hinaus.

So weit, so gut. Nur, warum genau nun der Zufall oder die Willkür die Freiheit vergrößern, konnte ich nicht erklären. Mit der Willkür ist man recht schnell durch, sie hat meistens eine affektive Komponente und wird von Kants Bemerkung gekillt, dadurch sei man lediglich ein Sklave(!) seiner Triebe und momentanen Affekte, heute würde man sagen man sei ohne Impulskontrolle der Umwelt ausgeliefert, die Borderline-Störung als Gipfel der Freiheit... wer Borderliner kennt, weiß, da ist was schief, aber schon argumentativ ist Kant überzeugend.
Ist es eine irrationale Willkür des Schlussfolgerns wird es noch wirrer. Ich freue mich seit Monaten auf einen tollen Kinofilm, nun läuft der endlich, ich gehe hin, im letzten Moment gehe ich in einen doofen Schmachtfetzen, langweile mich zu Tode, könnte das wenigstens mit Bier und Bratwurst kompensieren, aber statt dessen wähle ich auch da übersüßte Limo und salziges Popcorn, denn ich bin ja so schön frei. Ist das ein Gewinn an Freiheit, wenn das passiert, was ich eigentlich nicht mag?
Also Genickbruch der Willkür: tot, vergraben, Ende.

Bleibt der etwas hartnäckigere Zufall. Meine Freiheit ist dann irgendwie davon abhängig, dass irgendwo im Universum die Naturgesetze mal kurz ausfallen oder sich verschieben oder so etwas. Nun, könnte sein, dass so etwas wirklich passiert, also das, was wir als Konstanten ansehen gar nicht konstant bis in alle Ewigkeit ist... aber was genau wäre damit eigentlich in Sachen Freiheit gewonnen?
Bleiben wir wieder beim Kinobeispiel, Agent hat da schöne Beispiele geliefert: gesetzt, wir hätten einen Zufallsgenerator im Kopf, der dann und wann unsere getroffenen Entscheidungen, auch nach einem Zufallsmodus, steuert. Wann der Zufall auftritt weiß man nicht, wie, auch nicht.
Wieder freue ich mich auf den Film, stehe in der Schlange, der Zufall will jedoch dass ich statt dessen aufs Kinoklo renne und 2 Stunden die Hände unter kaltes Wasser halte. Vergrößert das irgendwie meine Freiheit? Wenn jetzt gerade auf einem Planeten in der Andromeda Galaxis für 17 Minuten die Schwerkraft ausfällt, inwiefern vergrößert das meine Freiheit?
Wenn in Russland ein Forscher jetzt gerade Säure und Base zusammenschüttet und die nicht zu Salz und Wasser reagieren, sondern im Labor nur ein dumpfes Lachen ertönt, inwiefern vergrößert das meine Freiheit?
Kurz: Inwiefern soll a) etwas, was mich entweder nicht betrifft oder wenn doch, dann b) das geschieht, was ich ausdrücklich (gemäß meiner aus meinen Prämissen, rational gefolgerten Schlüsse = kompatibilistische Sicht der Freiheit) nicht will, meine Freiheit vergrößern, ermöglichen, begründen?

Mir widerstrebte damals zwar der Kompatibilismus, aber auf genau diese Fragen habe ich auch nach intensivem Überlegen und mit Agents Hilfe, der mir zeigte, dass mein intuitiver Freiheitsgewinn keiner war, einfach keine Antwort gewusst.
Meine intuitive Gewissheit, ließ sich damit nicht rational bestätigen und das Beste was man in dem Fall tun kann, ist die eigenen Prämissen noch mal zu überdenken. So bin ich mit dem Kompatibilismus eine stabile Vernunftehe eingegangen.)
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Re: Harter atheistischer Determinismus

Beitragvon Vollbreit » Mi 5. Feb 2014, 12:11

stine hat geschrieben:Nettes Beispiel weil es zeigt, dass man nach der Feststellung des Hungergefühls frei entscheiden kann, etwas zu essen, eine ganz bestimmte Mahlzeit einzunehmen oder noch abzuwarten, bis der Körper seine Reserven angreift. Also wenn das kein freier Wille ist?
Exakt!
Und nur der Mensch (bzw. ein rationales und diskurives Wesen) kann aktiv beschließen, den Hunger zu ignorieren und zu sagen: "Nee ich muss noch abnehmen, die Bikinifigur" oder sich, freiwillig und bewusst, zu einer Fastenkur entschließen (und das ist was anderes, als wenn ein Tier dem es schlecht geht, einige Zeit nicht frisst).

Dass es Gründe gibt zu einer Bikinifigur kommen zu wollen oder man sich natürlich nicht grundlos zu einer Fastenkur entschließt, das ist schon sehr aktiv und bewusst, es passiert einem nicht einfach so, ist ja klar, aber das ändert ja nichts daran, dass ich beschließen kann, zu fasten.
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