Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon provinzler » Mo 17. Mär 2014, 07:44

ujmp hat geschrieben:
provinzler hat geschrieben: einer geradezu terroristisch ausufernde Bürokratie

:dielaughing: Mann, seit ihr süß!

Der Zynismus und der Hohn des Menschens, der die Mehrheit hinter sich weiß. Auch das ist nicht neu.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon Vollbreit » Mo 17. Mär 2014, 08:23

Eine ausführliche Kritik hat Dir doch Nanna angeboten, aber Du hast sie weitgehend ignoriert.
Nur zu jammern, wie schlecht die Welt doch ist, wirkt auch auf mich unreif.
Außer der Subbotschaft, ich bin ganz anders, die in Internetforen aber nun mal jeder zweite drauf hat, bietest Du da nichts an.
Kannst ja noch nachlegen.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon provinzler » Mo 17. Mär 2014, 09:27

Vollbreit hat geschrieben:Eine ausführliche Kritik hat Dir doch Nanna angeboten, aber Du hast sie weitgehend ignoriert.
Nur zu jammern, wie schlecht die Welt doch ist, wirkt auch auf mich unreif.
Außer der Subbotschaft, ich bin ganz anders, die in Internetforen aber nun mal jeder zweite drauf hat, bietest Du da nichts an.
Kannst ja noch nachlegen.


Die alte Leier ja. Wer die Art und Weise großer Teile seiner Mitmenschen scheiße findet, muss irgendwie krank oder unreif sein. Auch nicht neu. Selbstgerechter Zynismus. Auch das ist nicht neu.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon Vollbreit » Mo 17. Mär 2014, 09:50

Du bist recht schnell mit den Urteilen bei den Hand, die Du vorgibst abzulehnen, das macht die Sache etwas unglaubwürdig und lässt sie als performativen Widerspruch erscheinen.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon stine » Mo 17. Mär 2014, 10:02

Nanna hat geschrieben:Insbesondere, und da hat Vollbreit vollkommen recht, kann Freiheit nie erreicht werden, wenn sie nicht darin beginnt, innere Freiheit und Emanzipation von den Umständen zu sein. Indem du dein Wohlbefinden und deinen emotionalen Zustand abhängig machst von der Gesellschaft, dem Staat und allen, die dir angeblich reinreden, bist du verdammt abhängig von diesen Entitäten und lässt dich von ihnen deuten. Deshalb kommst du auch nicht von ihnen los, weil du in einem Kampf gegen etwas immer über deinen Gegner definiert bist, bleibst und bleiben wirst, so lange, bis du lernst, davon abzulassen und freier darin zu werden, zu entscheiden, wann du dich zu was in Opposition stellst und wann du Fünfe einfach mal gerade sein lassen kannst.

Ich finde es wieder einmal hervorragend, dass ohne oder mit Glauben, am Ende die selbe Erkenntnis steht. Nichts anderes als das Obige ist mit dem "Verzeihen" im christlichen Kontext gemeint. Wer nicht "verzeihen", sprich loslassen kann, bleibt immer Opfer seiner äußeren Umstände.
Nach dem Motto: Ich lass mir doch von meinem Nachbarn nicht sagen, welche Laune ich heute haben muss! sollte man anfangen, so zu leben, wie man leben möchte. Das umzusetzen ist ein kleiner Schritt auf einem langen Weg.

:wink: stine
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon Vollbreit » Mo 17. Mär 2014, 10:48

Und mein Kumpel Ken drückt das so aus:
Ken Wilber hat geschrieben:„Das Auftauchen der formal-reflexiven Basisstruktur eröffnet die Möglichkeit der D-5-Selbstentwicklung: eine hochdifferenzierte, reflexive und introspektive Selbststrukturierung. Das D-5-Selbst ist nicht mehr unreflektiert an soziale Rollen und konventionelle Moral gebunden; zum ersten Mal kann es sich auf seine eigenen individuellen Prinzipien von Vernunft und Gewissen stützen (Kohlbergs postkonventionelles, Loevingers gewissenhaft-individualistisches Selbst etc.). Zum ersten Mal kann das Selbst eine mögliche (oder hypothetische) Zukunft konzipieren (Piaget) mit ganz neuen Zielen, neuen Möglichkeiten, mit neuen Wünschen (Leben) und neuen Ängsten (Tod). Es kann mögliche Erfolge und Misserfolge abwägen auf eine Art, die es sich zuvor nicht vorstellen konnte. Es kann nachts wachliegen vor Sorge oder Begeisterung über alle seine Möglichkeiten. Es wird Philosoph, ein Träumer im besten und höchsten Sinn; ein innerlich reflexiver Spiegel, staunend über seine eigene Erkenntnis. Cogito, ergo sum.
„Identitätsneurose“ bezeichnet spezifisch alle Dinge, die beim Auftauchen dieser selbstreflexiven Struktur schiefgehen können. Ist sie stark genug um sich vom Regel/Rollen-Geist freizumachen und für ihre eigenen Gewissensprinzipien einzustehen? Kann sie, wenn nötig, den Mut fassen, nach einer eigenen Melodie zu marschieren? Wird sie es wagen, selbst zu denken? Wird sie von Angst und Depressionen erfasst angesichts ihrer eigenen Möglichkeiten? Diese Dinge – die leider von vielen Theoretikern der Objektbeziehungen auf die D-2-Dimension von Trennung und Individuation reduziert werden – bilden den Kern des D-5-Selbst und seiner Identitätspathologie. Erikson (1959, 1963) hat die vielleicht definitiven Studien über die D-5-Selbstentwicklung geschrieben („Identitiät vs. Rollenkonfusion“). Hier kann nur die Beobachtung hinzugefügt werden, dass philosophische Probleme ein integraler Bestandteil der D-5-Entwicklung sind und philosophische Erziehung ein integraler und legitimer Bestandteil der Therapie auf dieser Ebene ist.“
(Ken Wilber Das Spektrum der Entwicklung in, Wilber, Engler, Brown, Psychologie der Befreiung, Scherz Verlag 1988, S.125f)
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon Nanna » Mo 17. Mär 2014, 11:44

provinzler hat geschrieben:Konfiskatorische Staatsquoten und einer geradezu terroristisch ausufernde Bürokratie sind keineswegs Grundkonstanten menschlichen Daseins.

Davon hat auch keiner gesprochen. Ich hatte über etwas Anderes gesprochen, nämlich über die Neigung des Menschen, Gruppen und Hierarchien zu bilden und Regeln aufzustellen ohne dass immer der große Rest gefragt wird, ob er eigentlich Bock hat, mit zu machen. Jeder von uns, nicht nur du, wird davon regelmäßig Opfer, und die Frage ist, ob man in der Lage ist, diese Kränkung zu überwinden und von der Welt nicht zu verlangen, dass sie einem die Umwelt schafft, die man so gerne hätte. Weder wird der Staat dir alles hinterhertragen, noch wird er dich in Ruhe lassen und dasselbe gilt für die Gesellschaft.

provinzler hat geschrieben:Es gibt rohstoffarme Länder, die mit weit niedrigeren Staatsquoten (15-20%) klarkommen (Singapur), und die sicher nicht ärmer sind. Oder haben die Deutschen da ein bestimmtes Gen, dass 80% zu pathologischen Neidhammeln macht, die dem Nachbarn nciht das Wasser zur Brotsuppe gönnen und ich bin halt die Mutation, die Pech gehabt hat?

Für das Einrichten in einer selbstzugeschriebenen Opferrolle hält sich mein Mitleid in Grenzen, ja.

Wir sind alle kleine Wichte und werden die Welt nicht fundamental verändern. Wir können Veränderungen herbeiführen, nur eben nicht auf der Skala, die du dir erhoffst, das wäre Hybris. Deshalb aber in Resignation zu verfallen, weil man die Unerreichbarkeit der eigenen Vision für die Welt erkannt hat, ist aber auch wieder eine Inversion dieser Hybris. Die Frage ist, ist man in der Lage das Kreisen um die eigenen Idealvorstellungen zu überwinden und durch einen realistischen Lebensentwurf für sich selbst (und erst mal nur für sich selbst und nicht die Gesellschaft) zu ersetzen, in dem man sich bei aller Ambition erreichbare Ziele setzt, deren Verwirklichung man dann auch konkret verfolgt? Das Hadern, Jammern und Empören hilft doch nun wirklich niemandem.

provinzler hat geschrieben:Wer die Art und Weise großer Teile seiner Mitmenschen scheiße findet, muss irgendwie krank oder unreif sein. Auch nicht neu. Selbstgerechter Zynismus. Auch das ist nicht neu.

Hör dir doch einfach mal selber zu und überlege dir, wie das auf dich wirkt.

stine hat geschrieben:Ich finde es wieder einmal hervorragend, dass ohne oder mit Glauben, am Ende die selbe Erkenntnis steht. Nichts anderes als das Obige ist mit dem "Verzeihen" im christlichen Kontext gemeint. Wer nicht "verzeihen", sprich loslassen kann, bleibt immer Opfer seiner äußeren Umstände.

Ja, ist faszinierend, oder?
Auch das ist ein Grund, weshalb ich vorsichtig bin, religiöse Lebensentwürfe pauschal zu disqualifizieren, weil wir, von unterschiedlichen Startpunkten aus losziehend, am Ende doch an ähnlichen oder sogar gleichen Schlussfolgerungen herauskommen, manchmal einfach nur in etwas anderen Vokabeln.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon provinzler » Mo 17. Mär 2014, 11:51

stine hat geschrieben:Nach dem Motto: Ich lass mir doch von meinem Nachbarn nicht sagen, welche Laune ich heute haben muss! sollte man anfangen, so zu leben, wie man leben möchte. Das umzusetzen ist ein kleiner Schritt auf einem langen Weg.

Was aber im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass es die angemaßten ungerechtfertigen Übergriffen und Ansprüchen auch nur im geringsten rechtfertigt. Dass unsere Gesellschaft neidgetriebene angemaßte Ansprüche auch noch organisiert per Gewaltanwendung eintreibt und von mir dabei auch noch strafbewehrt verlangt(!), dass ich diese Übergriffe und Ansprüche als "gerecht" anerkenne (siehe beispielsweise die im Steuerstrafrecht geforderte "Reue" etwa für die Wirksamkeit eine Selbstanzeige). Das ist genau die Definition von Totalitarismus.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon Nanna » Mo 17. Mär 2014, 11:57

Nein, das ist nicht die Definition von Totalitarismus.

Irritieren dich meine Versuche, dir ein Angebot zur Selbstreflexion zu geben, wirklich derart, dass du als einzigen Ausweg siehst, noch mehr fürchterliche Begriffe in einen Satz zu quetschen, um es dem bösen Staat wenigstens verbal mal so richtig zu zeigen?
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon provinzler » Mo 17. Mär 2014, 12:14

Nanna hat geschrieben:Man kann über bestimmte Formen der Organisation und des Zusammenlebens sprechen, kann Änderungen an konkreten Konventionen verlangen, aber auf der fundamentalen Ebene wird es keine Abschaffung von Gruppen und Hierarchien geben (meiner persönlichen Meinung nach wäre das auch überhaupt nicht wünschenswert, aber das ist meine spezifische Sicht), und insofern läuft ein Dauergejammer darüber irgendwann zusammen mit anderen Ungerechtigkeiten des Lebens (warum muss ich sterben? warum habe ich diese und jenen Eltern? warum bin ich nicht reich/schön/andersfarbig/andersgeschlechtlich/in anderen historischen Umständen geboren? warum bin ich krank und der Nachbar nicht?) schon auf die selbstmitleidige Schiene hinaus. Die ewige Anklage an die Gesellschaft, das Universum, etc. weil man mit der Gesamtsituation unzufrieden ist, ist meines Erachtens schon das eigene Problem.

Tja mit der Argumentation, wäre es auch völlig unangebracht, sich gegen Kriegstreiber, Folter oder ähnliches zur Wehr zu setzen. Denn auch die gibt es seit die Menschheit existiert.
Mit meinem eigenen Leben komme ich so im Großen und Ganzen ganz gut klar. Aber wenn jemand versucht ungerechtfertigte Ansprüche gegen mich oder andre gewaltsam zu exekutieren, dann werde ich sauer. Und noch angepisster werde ich, wenn das dann noch moralisch verbrämt wird, und das Ganze mit moralischen Anschuldigungen garniert und mich noch mit einem "selber schuld" verhöhnt. Ich kann diese Lügen schlichtweg nicht mehr hören...
Nanna hat geschrieben:Ich finde, es gehört dazu, auch in der Lage zu sein, einfach mal "C’est la vie!" sagen zu können, ohne deshalb alles Gegebene automatisch gut oder richtig zu finden.

Ja, der schöne Satz: "Akzeptiers einfach, weil das ist halt so/machen alle so", der immer dann kommt, wenn die Aufforderung kommt ungerechtfertigte Ansprüche gewaltsam zu exekutieren doch zu begründen und rechtzufertigen, und zwar ohne Berufung auf Dogmatik. Mit deiner Logik könnte eine religiöse Mehrheit dich als Ketzer aufhängen, weil das in der Gesellschaft dann nun mal so Konvention ist. Würdest du dann auf dem Weg zu Galgen, auch noch "C'est la vie" sagen?
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon Vollbreit » Mo 17. Mär 2014, 12:18

Dann lass uns doch über Sinn, Unsinn und Herleitung voon Konventionen reden, ist doch eh das Metathema der beiden Threads hier und sicher ergiebig.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon provinzler » Mo 17. Mär 2014, 12:24

Nanna hat geschrieben:Nein, das ist nicht die Definition von Totalitarismus.

Irritieren dich meine Versuche, dir ein Angebot zur Selbstreflexion zu geben, wirklich derart, dass du als einzigen Ausweg siehst, noch mehr fürchterliche Begriffe in einen Satz zu quetschen, um es dem bösen Staat wenigstens verbal mal so richtig zu zeigen?

Argumentum ad hominem.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon Vollbreit » Mo 17. Mär 2014, 12:27

Nee, ist einfach ne Frage.
Machst Du nun mit, oder willst Du weiter Verdun spielen?
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon provinzler » Mo 17. Mär 2014, 12:36

Vollbreit hat geschrieben:Dann lass uns doch über Sinn, Unsinn und Herleitung voon Konventionen reden, ist doch eh das Metathema der beiden Threads hier und sicher ergiebig.

Dabei ist das relativ einfach. Konventionen sind solange zulässig, solange sie auf der freiwilligen Vereinbarung aller Beteiligten beruht und die grundlegenden Rechte des Individuums unberührt lassen (u.a. also auch beispielsweise auf die Anwendung von Gewaltmaßnahmen verzichtet wird und Dritte durch eine Vereinbarung nicht geschädigt werden). Staat verletzt aber fast immer diese Grundsätze. Hier werden regelmäßig Vereinbarungen oder Konventionen oder Übereinkünfte von bestimmten Gruppen dafür verwendet, Dritte, die nicht zugestimmt haben systematisch schlechter zu stellen. Hierbei bedient man sich des hinterhältigen rhetorischen Tricks, dass aus der puren Existenz und Anwesenheit eine fiktive Zustimmung zu den Entscheidungsmechanismen unterstellt wird. Selbst wenn ich mir im bayrischen Wald ein Stück Land kaufe, und mich dort als Einsiedler nur von wild wachsenden Beeren ernähre, bin ich sicher, dass das die GEZ nicht abhalten wird, das als Haushalt zu definieren und mich zu drangsalieren. Noch wahrscheinlicher wird man mich allerdings pathologisieren, entmündigen und zwangspsychatrieren, weil mein Verhalten "nicht normal" ist.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon Vollbreit » Mo 17. Mär 2014, 13:28

provinzler hat geschrieben:Dabei ist das relativ einfach. Konventionen sind solange zulässig, solange sie auf der freiwilligen Vereinbarung aller Beteiligten beruht und die grundlegenden Rechte des Individuums unberührt lassen (u.a. also auch beispielsweise auf die Anwendung von Gewaltmaßnahmen verzichtet wird und Dritte durch eine Vereinbarung nicht geschädigt werden).
Vielleicht ist es dann doch nicht sooo einfach (obwohl ich dieser Konvention weitgehend zustimmen würde), denn die Frage nach der Zulässigkeit von Konventionen ist eben selbst wieder eine Konvention und man findet im Grunde keinen objektivierbaren ersten Punkt, bei dem man das Spiel beginnen lassen kann. Sei es bei der Frage, wem warum was zusteht, oder wer wie mit wem verkehren sollte.

provinzler hat geschrieben:Staat verletzt aber fast immer diese Grundsätze. Hier werden regelmäßig Vereinbarungen oder Konventionen oder Übereinkünfte von bestimmten Gruppen dafür verwendet, Dritte, die nicht zugestimmt haben systematisch schlechter zu stellen.
Man muss nicht allen Konventionen zustimmen, also nicht jeder.

provinzler hat geschrieben:Hierbei bedient man sich des hinterhältigen rhetorischen Tricks, dass aus der puren Existenz und Anwesenheit eine fiktive Zustimmung zu den Entscheidungsmechanismen unterstellt wird. Selbst wenn ich mir im bayrischen Wald ein Stück Land kaufe, und mich dort als Einsiedler nur von wild wachsenden Beeren ernähre, bin ich sicher, dass das die GEZ nicht abhalten wird, das als Haushalt zu definieren und mich zu drangsalieren. Noch wahrscheinlicher wird man mich allerdings pathologisieren, entmündigen und zwangspsychatrieren, weil mein Verhalten "nicht normal" ist.
Warum drehst Du denn gleich so durch? Ich finde den Wunsch im Wald zu wohnen recht nachvollziehbar und manche Ärgernisse ärgern mich auch, aber Nichtschwimmer finanzieren auch Schwimmbäder mit und Nichtleser Bibliotheken, dafür ist man ja Teil einer Solidargemeinschaft. Nicht dass ich das immer alles verstehe und super finde, aber mal sorum gefragt: Wenn hier alles so fürchterlich ist, wo ist es denn dann gut?
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon provinzler » Mo 17. Mär 2014, 13:38

Nanna hat geschrieben:Weder wird der Staat dir alles hinterhertragen, noch wird er dich in Ruhe lassen und dasselbe gilt für die Gesellschaft.

Klar und wenn die Meute mal wieder besonders geil drauf ist, fremde Völker zu überfallen oder Minderheiten zu vergasen, wird man mich zwingen mitzumachen oder zu sterben (gut die Freiheit zum Suizid hab ich noch als Desertions-Alternative. Soll ich mich dafür auch noch bei den kriegsgeilen Arschlöchern bedanken?). Ich persönlich werde davon wohl zum Glück verschont bleiben, weil Greise nicht so versessen auf Schützengräben sind. Was aber nichts daran ändert, dass die Arschlöcher sich derart "Rechte" weiterhin vorbehalten.
Zuletzt geändert von provinzler am Mo 17. Mär 2014, 13:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon provinzler » Mo 17. Mär 2014, 13:41

Vollbreit hat geschrieben:Man muss nicht allen Konventionen zustimmen, also nicht jeder.

Nein, sondern nur denen die unter Gewaltanwendung exekutiert werden.
Vollbreit hat geschrieben: aber Nichtschwimmer finanzieren auch Schwimmbäder mit und Nichtleser Bibliotheken, dafür ist man ja Teil einer Solidargemeinschaft. Nicht dass ich das immer alles verstehe und super finde, aber mal sorum gefragt: Wenn hier alles so fürchterlich ist, wo ist es denn dann gut?

Das ist die hierzulande gepflegte Vergwaltigung des Begriffs der Solidarität. Das was du schilderst ist eine gewaltsam exekutierte Privilegienwirschaft, in der besonders einflussreiche Gruppen sich auf Kosten andrer Privilegien verschaffen. Mit Solidarität hat das nix zu tun.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon stine » Mo 17. Mär 2014, 16:34

provinzler hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Nach dem Motto: Ich lass mir doch von meinem Nachbarn nicht sagen, welche Laune ich heute haben muss! sollte man anfangen, so zu leben, wie man leben möchte. Das umzusetzen ist ein kleiner Schritt auf einem langen Weg.

Was aber im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass es die angemaßten ungerechtfertigen Übergriffen und Ansprüchen auch nur im geringsten rechtfertigt. Dass unsere Gesellschaft neidgetriebene angemaßte Ansprüche auch noch organisiert per Gewaltanwendung eintreibt und von mir dabei auch noch strafbewehrt verlangt(!), dass ich diese Übergriffe und Ansprüche als "gerecht" anerkenne (siehe beispielsweise die im Steuerstrafrecht geforderte "Reue" etwa für die Wirksamkeit eine Selbstanzeige). Das ist genau die Definition von Totalitarismus.

Ich verstehe, was du meinst. Es wurde aber auch schon mehrfach erwähnt, dass es eine gewisse Grundordnung geben muss. Es sind halt mal nicht alle Menschen gleichermaßen am Gemeinwohl interessiert. Inwieweit du die juristische "Reue" verinnerlichen möchtest, das liegt doch letztlich an dir selbst.
Was die "Sau" betrifft, die jede Woche neu durchs Dorf getrieben wird, das ist Journalismus, Einschaltquote und verkaufte Internetseite oder Printmedium. Das hat mit Politik gar nichts zu tun, sondern ist freier Journalismus einer freien Gesellschaft.
So sieht nämlich die "echte Freiheit" aus.

LG stine
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon Nanna » Mo 17. Mär 2014, 18:58

provinzler hat geschrieben:Tja mit der Argumentation, wäre es auch völlig unangebracht, sich gegen Kriegstreiber, Folter oder ähnliches zur Wehr zu setzen. Denn auch die gibt es seit die Menschheit existiert.

Du verdrehst mein Argument etwas, aber im Prinzip gilt auch hier, dass es recht unwahrscheinlich ist, dass in absehbarer Zeit eine Ära anbricht, in der es keine Ungerechtigkeit mehr gibt - schon deshalb, weil es im Detail nicht so trivial ist, sich auf einen Gerechtigkeitsbegriff zu einigen, den alle akzeptieren. Und auch bei Folter würde ich nicht jede Empörung hören wollen, weil Empörung nicht allein dadurch hilfreich ist, dass sie Folter zum Ziel hat.

provinzler hat geschrieben:Mit meinem eigenen Leben komme ich so im Großen und Ganzen ganz gut klar. Aber wenn jemand versucht ungerechtfertigte Ansprüche gegen mich oder andre gewaltsam zu exekutieren, dann werde ich sauer.

Die Frage, die sich da aufdrängt, ist eben nur: wann ist ein Anspruch gerechtfertigt und wann nicht? So wie ich das sehe, möchtest du im wesentlichen selbst bestimmen, wann das der Fall ist, und damit ist halt im wahrsten Sinne des Wortes kein Staat (= organisierte Gesellschaft) zu machen, weil da jeder nach Gutdünken entscheiden kann, was Andere von ihm erwarten dürfen und was nicht.

provinzler hat geschrieben:Und noch angepisster werde ich, wenn das dann noch moralisch verbrämt wird, und das Ganze mit moralischen Anschuldigungen garniert und mich noch mit einem "selber schuld" verhöhnt. Ich kann diese Lügen schlichtweg nicht mehr hören...

Niemand hat dich verhöhnt. DAS ist jetzt wirklich in deinem Kopf passiert.

Ich fordere dich in diesem Punkt hin und wieder gerne heraus, weil ich glaube, dass du davon profitieren kannst, deine eigene, in diesem Punkt sehr schmale und unheimlich emotionalisierte Sicht zu hinterfragen und vielleicht eines Tages durch eine gelassenere, innerlich freiere Haltung zu ersetzen. Ich mag dich nämlich wirklich und es schmerzt, zu sehen, wie leicht dich dieses Thema aus dem Gleichgewicht bringt.

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Ich finde, es gehört dazu, auch in der Lage zu sein, einfach mal "C’est la vie!" sagen zu können, ohne deshalb alles Gegebene automatisch gut oder richtig zu finden.

Ja, der schöne Satz: "Akzeptiers einfach, weil das ist halt so/machen alle so", der immer dann kommt, wenn die Aufforderung kommt ungerechtfertigte Ansprüche gewaltsam zu exekutieren doch zu begründen und rechtzufertigen, und zwar ohne Berufung auf Dogmatik. Mit deiner Logik könnte eine religiöse Mehrheit dich als Ketzer aufhängen, weil das in der Gesellschaft dann nun mal so Konvention ist. Würdest du dann auf dem Weg zu Galgen, auch noch "C'est la vie" sagen?

Ich würde an die Menschlichkeit der Richter und die Gesellschaft appellieren, würde mit den Menschenrechten argumentieren, würde sicherlich auch verzweifeln, aber ich hoffe doch inständig, dass ich die innere Stärke finden würde, dem Impuls zu widerstehen, auf Beschimpfungen mit Gegenbeschimpfungen zu antworten. Und auf dem Galgen zu stehen, "C’est la vie!"zu sagen und wie Sokrates mit einem Lächeln zu gehen, vielleicht mich innerlich auch an (Achtung, Antitheisten, jetzt wird's gefährlich!) Lk 23,34 ("Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.") orientieren, wäre doch echt mal ein Abgang mit Stil.

provinzler hat geschrieben:Klar und wenn die Meute mal wieder besonders geil drauf ist, fremde Völker zu überfallen oder Minderheiten zu vergasen, wird man mich zwingen mitzumachen oder zu sterben (gut die Freiheit zum Suizid hab ich noch als Desertions-Alternative. Soll ich mich dafür auch noch bei den kriegsgeilen Arschlöchern bedanken?). Ich persönlich werde davon wohl zum Glück verschont bleiben, weil Greise nicht so versessen auf Schützengräben sind. Was aber nichts daran ändert, dass die Arschlöcher sich derart "Rechte" weiterhin vorbehalten.

Du bist Teil dieser Gesellschaft und kannst aktiv daran mitwirken, dass sie so einen Weg nicht geht. Wenn du dich natürlich entscheidest, dass dich das alles nicht angeht und dich alle in Ruhe lassen sollen, bleiben am Ende wirklich nur die Idioten und Arschlöcher übrig, die um die gesellschaftliche Macht kämpfen.

provinzler hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Dann lass uns doch über Sinn, Unsinn und Herleitung voon Konventionen reden, ist doch eh das Metathema der beiden Threads hier und sicher ergiebig.

Dabei ist das relativ einfach. Konventionen sind solange zulässig, solange sie auf der freiwilligen Vereinbarung aller Beteiligten beruht und die grundlegenden Rechte des Individuums unberührt lassen (u.a. also auch beispielsweise auf die Anwendung von Gewaltmaßnahmen verzichtet wird und Dritte durch eine Vereinbarung nicht geschädigt werden).

Das ist eine Metakonvention, die man über Konventionen haben kann, und sicherlich eine gute. In der Realität sieht es damit aber nicht so einfach aus, denn diese Konvention flächendeckend umzusetzen, bringt den Großteil der Menschen an intellektuelle, entwicklungspsychologische (siehe Vollbreits Erklärungen), perspektivische (unterschiedliche Interpretationen der Metakonvention), bildungstechnische, teils auch zeitliche Grenzen, die eine Überforderung bedingen, die zur Regression auf klassischer konventionelle Verhaltensweisen führen würden.

Hinzu kommen diejenigen, die an reziproken Beziehungen ohnehin nie interessiert sind und sie auch nicht verstehen können (3. Stufe der Moralentwicklung oder drunter; hab mich mal etwas eingelesen ;-) ). Diese Menschen sind oft nur in der Lage ausbeuterische Beziehungen zu führen. Gegen diese Leute müsstest du ironischerweise Gewalt anwenden, um deine Konvention durchzusetzen, was dich direkt in den performativen Selbstwiderspruch zur Forderung nach Gewaltverzicht führen würde. Du könntest also entweder zusehen, wie die Gesellschaft aus Überforderung den Bach runtergeht und sich nach einem politischen, sicher auch gewalttätigen Machtgerangel wieder ein stabiler Zustand einpendelt, oder du wärst selbst derjenige, der scheibchenweise Gewaltanwendung und weitergehende Regelungen einführen würde, um Problemherde einzudämmen.

Beim großen Rest (~60 - 80%) der Bevölkerung, der recht konventionell unterwegs ist ("traditionalists" bei MBTI, konventionelle Moralstufen bei Wilber, Loevinger, Kohlberg etc.) wirst du aber auch auf Probleme stoßen, weil auch hier die Abstraktionsfähigkeit, den Anderen in die Simulation eigenen Verhaltens einbeziehen zu können, nicht vollentwickelt ist, wenn keine Konventionen (Kultur, Mentalität, Religion) da sind, die Orientierung geben. Auch diese Leute werden von deiner relationalen Konvention überfordert sein und nicht verstehen können, warum denn keiner da ist, der für Recht und Ordnung sorgt und "was für den kleinen Mann tut".

Der letzte Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist der, dass es historisch meist schlimmer war als heute. Gauck hat vermutlich Recht damit, dass wir heute im besten Deutschland leben, das es je gab. Insofern bin ich immer etwas irritiert, wenn neben all den Fehlern und Ungemütlichkeiten des Staates die Erfolgsgeschichte, die die Menschheit in der Entwicklung der Gesellschaftsorganisation durchgemacht hat, nicht gewürdigt wird.

In der Realität reicht es halt nicht aus, dass man hehre Grundsätze entwickelt hat, man braucht auch ein System, mit dem man diese Grundsätze implementieren kann. Und da kommt man selten drumherum, sich auch mal die Hände schmutzig zu machen.

provinzler hat geschrieben:Selbst wenn ich mir im bayrischen Wald ein Stück Land kaufe, und mich dort als Einsiedler nur von wild wachsenden Beeren ernähre, bin ich sicher, dass das die GEZ nicht abhalten wird, das als Haushalt zu definieren und mich zu drangsalieren. Noch wahrscheinlicher wird man mich allerdings pathologisieren, entmündigen und zwangspsychatrieren, weil mein Verhalten "nicht normal" ist.

Ach... müsste man ausprobieren. Und selbst wenn: auch als Einsiedler wärst du Teil der Gesellschaft, ein verschrobenes zwar, aber halt doch eines. Damit einher gehen Rechte und Pflichten, und das ist so, weil du Mitglied der Gesellschaft bist, nicht, weil du dich irgendwann mal dazu entscheiden hast und den Disclaimer unterschrieben hast. Du wirst da nicht gefragt, genausowenig, wie du gefragt wurdest, ob du geboren werden wolltest, ob du Mitglied deiner Familie, deiner direkten Umgebung (Dorf, Stadtviertel) sein wolltest oder ob dir das Klima in Deutschland besonders gefällt. So ist es halt. Sorry, kann ich nichts dran ändern, das ist irgendwo Teil der conditio humana, so geht's einem halt, wenn man Mitglied dieser Spezies ist. Dein Ärger darüber wird nicht nur nichts ändern, er wird dich auch eher hindern als befähigen, wenigstens in bestimmten Bereichen Veränderungen herbeizuführen und er wird dich unglücklicher machen als irgendjemand anderen. Da ist die Frage, einfach um deiner selbst willen, ob du es schaffst, mit etwas, wenigstens ein klein bisschen, Milde auf diese Umstände zu sehen und dich damit selber befreist (Ergänzung zu stine: beim Vergeben geht es nicht um den Anderen, der einem etwas angetan hat, zu befreien, sondern darum, sich selbst von der Last der ewigen Beschäftigung mit dem Geschehenen frei zu machen).

Und ich sage dir das wirklich in aller Freundschaft.
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Re: Gleichheitssucht und Freiheitsangst

Beitragvon stine » Mo 17. Mär 2014, 19:28

Nanna hat geschrieben: (Ergänzung zu stine: beim Vergeben geht es nicht um den Anderen, der einem etwas angetan hat, zu befreien, sondern darum, sich selbst von der Last der ewigen Beschäftigung mit dem Geschehenen frei zu machen).
Hatte ich doch so geschrieben. War das so undeutlich formuliert?

:o0: stine
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