Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon provinzler » Sa 10. Mai 2014, 18:57

Nanna hat geschrieben:In dem Fall muss man sich eben der Diskussion stellen und die Statistiken genau betrachten. Wer nur auf die Prozentzahlen schielt und dann glaubt, es wäre etwas "bewiesen", weil es in einer Statistik steht, der geht natürlich naiv an die Sache heran. Das Problem ist aber weniger, dass die Statistiken von Beliebigkeit und subjektiven Fragestellungen durchzogen wären, sondern dass nur eine Minderheit der Menschen in diesem Land genug Fachwissen hat, um eine Statistik methodisch kritisieren zu können.

Es wäre ja schon viel gewonnen, wenn mal in die Köpfe breitflächig einsickern würde, dass Statistik überhaupt keine Beweise ermöglicht. Denn man kann damit allenfalls Korrelationen errechnen, aber keine Kausalitäten herstellen. Was Statistik leisten kann(!), ist Indizien über Zusammenhänge zu liefern. Statistik kann immer nur der Ausgangspunkt für weitere Überlegungen sein.
Gerade bei Statistiken mit politischen Implikationen ist es meistens so, dass an der Berechnungsmethodik so lange rumgeschraubt wird, bis das gewünschte Ergebnis rauskommt. Die Berechnung des BIP wird z.B. immer mehr zur Farce, weil zunehmend irgendwelche Schätzungen zu Schwarzarbeit, Waffenhandel und Drogengeschäft mit reingenommen werden. Wenn die Berechnung nicht mehr auf Basis von vorhandenen Rohdaten erfolgt, sondern durch Schätzung systematisch eben nicht erfassbarer Größen, ist das hochproblematisch.
Das gleiche Problem ergibt sich mit den politischen Massageübungen an der Inflationsrate.



Nanna hat geschrieben:Anlass der Diskussion um den Wert von Statistiken war, dass Sie eine allgemeine Aussage getroffen haben und Vollbreit diese mit einer widerlegenden Statistik beantwortet hat.

Nein, denn eine Statistik kann auch für sich genommen nicht widerlegen, höchsten ein Indiz sein. Einzige Ausnahme wäre ein Gegenbeispiel für eine kategorische Aussage der Marke: "Alle Schwäne sind weiß", dann reicht ein einzelner schwarzer Schwan zur Thesenwiderlegung.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon Nanna » So 11. Mai 2014, 09:48

provinzler hat geschrieben:Es wäre ja schon viel gewonnen, wenn mal in die Köpfe breitflächig einsickern würde, dass Statistik überhaupt keine Beweise ermöglicht. Denn man kann damit allenfalls Korrelationen errechnen, aber keine Kausalitäten herstellen. Was Statistik leisten kann(!), ist Indizien über Zusammenhänge zu liefern. Statistik kann immer nur der Ausgangspunkt für weitere Überlegungen sein.

Das stimmt, wobei das alleine nicht reicht. Was eine Korrelation ist, was eine Scheinkorrelation oder eine Suppression ist, und dass ein signifikanter Zusammenhang in einer Statistik schon einen gewissen Evidenzcharakter hat, muss man auch erst mal wissen. Und dann ist es natürlich problematisch, wenn man keine Zusammenhangsmaße kennt und nicht weiß, wann man welche Maße man für was verwenden darf. Es ist nämlich auch gefährlich, wenn jemand allen Statistiken in dem Sinne misstraut, dass er standardmäßig davon ausgeht, dass sie falsch sind oder gar nicht wirklich etwas aussagen.

provinzler hat geschrieben:Gerade bei Statistiken mit politischen Implikationen ist es meistens so, dass an der Berechnungsmethodik so lange rumgeschraubt wird, bis das gewünschte Ergebnis rauskommt.

Kaum eine Statistik außerhalb der naturwissenschaftlichen Forschung hat keine politische Implikation. ;-)

provinzler hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Anlass der Diskussion um den Wert von Statistiken war, dass Sie eine allgemeine Aussage getroffen haben und Vollbreit diese mit einer widerlegenden Statistik beantwortet hat.

Nein, denn eine Statistik kann auch für sich genommen nicht widerlegen, höchsten ein Indiz sein. Einzige Ausnahme wäre ein Gegenbeispiel für eine kategorische Aussage der Marke: "Alle Schwäne sind weiß", dann reicht ein einzelner schwarzer Schwan zur Thesenwiderlegung.

Wenn Alice sagt, dass ihr die Handtasche von einem "Südländer" geklaut wurde und daraus folgert, dass "alle Ausländer Kriminelle sind", dann kann Bob sehr wohl eine Statistik präsentieren, die zeigt, dass die Kriminalitätsrate bei Ausländern/Migranten allenfalls leicht überdurchschnittlich ist, wobei die Dunkelfeldforschung (siehe Vollbreits Link) impliziert, dass das teilweise auch auf ein aggressiveres Anzeigeverhalten von Deutschstämmigen gegenüber Immigranten zurückgeht. In dem Fall darf man Alice als widerlegt ansehen.
Was du schilderst wäre der umgekehrte Fall, nämlich dass jemand aufgrund einer Statistik, die nur weiße Schwäne auflistet, folgert, dass alle Schwäne weiß sind. Da würde ein einzelner schwarzer Schwan tatsächlich die These widerlegen. Allerdings musst du mal aufpassen, in den entsprechenden Berichten steht genau deshalb meist etwas im Sinne von "es sind keine Fälle bekannt, in denen andersfarbige Schwäne gesichtet wurden".
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon provinzler » So 11. Mai 2014, 11:15

Nanna hat geschrieben:und dass ein signifikanter Zusammenhang in einer Statistik schon einen gewissen Evidenzcharakter hat, muss man auch erst mal wissen.

Wobei all diese statistischen Modelle auf Annahmen beruhen, die nur in den seltensten Fällen wirklich erfüllt sind. Die stochastische Unabhängigkeit von Ereignisse ist der häufigste Kandidat für Fehler. War übrigens eins der Hauptprobleme auf dem Weg in die Finanzkrise.
Nanna hat geschrieben:Kaum eine Statistik außerhalb der naturwissenschaftlichen Forschung hat keine politische Implikation. ;-)

Kommt drauf an wie weit man Naturwissenschaft und "politisch" definiert. (Medikamentzulassung mal als "grenzwertiges" Beispiel für beide Begriffe). Aber im Großen und Ganzen dürfte das zutreffen.

Nanna hat geschrieben:Wenn Alice sagt, dass ihr die Handtasche von einem "Südländer" geklaut wurde und daraus folgert, dass "alle Ausländer Kriminelle sind", dann kann Bob sehr wohl eine Statistik präsentieren, die zeigt, dass die Kriminalitätsrate bei Ausländern/Migranten allenfalls leicht überdurchschnittlich ist, wobei die Dunkelfeldforschung (siehe Vollbreits Link) impliziert, dass das teilweise auch auf ein aggressiveres Anzeigeverhalten von Deutschstämmigen gegenüber Immigranten zurückgeht.

Nicht ganz. Wenn Alice sagt, dass alle Ausländer Kriminelle sind, reicht wiederum ein einziges Gegenbeispiel, da brauchts gar keine Statistik. :mg:
Wenn sie der Meinung ist, dass viele Ausländer kriminell sind, dann ist deine Statistik allenfalls ein Indiz dafür einen Wahrnehmungsbias, aber noch kein Beweis. Und man geht implizit davon aus, dass bei der Erhebung der Statistik nicht geschummelt wird. Wenn beispielsweise ein hoher politischer bzw. sozialer Druck herrscht, dass die Kriminalitätsrate bei Migranten nicht höher sein darf, dann lässt ein Polizist vielleicht einige kleinere Delikte (Taschendiebstahl oder so) vielleicht eher mal untern Tisch fallen, bevor er sich Ärger einhandelt. Oder die Erfassungmethodik ist schon fragwürdig. Wir hatten ja mal woanders die Diskussion um rechts- vs. linksradikale Straftaten, wo die Statistik durch die Strafbarkeit gewisser "Propagandadelikte" auf der einen Seite massiv verzerrt ist. Überall, wo politische Implikationen vorhanden sind, sind solche Zahlen immer mit äußerster Vorsicht zu genießen. Prominente Beispiele hatte ich ja schon genannt (Inflation, BIP). Und da pack ich mich durchaus auch an die eigene Nase. Ich bin ja selber so ein Datenwühlwurm, der sich da gerne mal zu vorschnellen Schlussfolgerungen hinreißen lässt...
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon Jounk33 » So 11. Mai 2014, 18:13

Nanna,
Sie schließen also gezielt Argumente aus, weil es angenehmer ist, in der Subjektivität zu baden?

eine solche oberflächliche Fragestellung hätte ich von Ihnen jetzt nicht erwartet.
Zum Thema,
Wieso allgemeine Schlüsse ableiten ? Also ich versteh nicht was Sie damit meinen.
Also ich schreibe oft "meiner Meinung nach, ich glaube, ich denke" usw. ich scheibe selten "ich weiss es"
Wie gesagt, ich bin an persönlichen Erfahrungen eher interessiert als an Studien. Und Sie haben ja selbst zugegeben, wenn uns ein Ergebins einer Studie nicht gefällt, dann muss man schon genauer schauen wer die Studie heraus gab und wer der Auftraggeber war usw. und wenn uns das auch nicht gefällt dann muss eine andere her die das aussagt an was wir glauben, oder in die Richtung geht.
Alles was in der Gesellschaft wahr ist ist das an was wir glauben. Deshalb ist und war es für mich immer wichtiger festzustellen was in den Einzel-Menschen vor sich geht. .
Und zudem, wenn nur ein erlesener Kreis von Eingeweihte fähig sein soll Statistiken qualifiziert zu interpretieren, dann erscheint es mir nur noch richtiger mich auf sowas nicht zu verlassen, sondern lieber auf das was ich persönlich erfahre, weil dann kann man so eine Statistik auch biegen und zerren, ähnlich wie ein Fürhrungszeugnis das einem nicht gefällt.

stine,
Sehen Sie, wenn Sie als harmoniebedürftige Frau Angriffe mit Verweise auf Regeln abwehren wollen, dann sollte z.B. sicher gestellt sein, dass Menschen sich auch an Regeln halten. wenn ich z.B. meinen Gegner respektiere, dann bin ich sehr wohl an Regeln interssiert, denn als jemand mit Erfahrung im Streit weiss ich, dass ich auch respektiert werden will. Aber glauben Sie, dass eine Rotte an Regeln eines Opfers interessiert ist. ich glaube nicht.
Die Frage ist daher, warum richtet sich Gewalt, momentan, hauptsächlich an Leute die nicht wehrfähig oder nicht selbst Gewaltbereit sind ?
Ich erwähnte in meinem Eingangsbeitrag Spielfilme wie die der 80er Jahren von Stallone, also Rambo, oder Rocky.
Hier werden genau solche Typen gezeigt die vermitteln, dass es gerechtfertigte Formen der Gewalt gibt und zwar ganz konkret wenn man ein "Unrecht" verhindern will.
Als Jugendlicher hatte ich keine Probleme mit Prügeleien, das war stets eine Sache zwischen zwei. Aber seit diese Filme dann beim breiten jugendlichen Publikum eingeführt wurden hat sich die Art von Auseinandersetzung und Gewalt grundlegend geändert (meiner Meinung nach).
Ab dann kamen "Rotten" auf einem zu um einen so richtig fertig zu machen und das seltsame dabei war, die haben sich auch noch eingebildet im Recht zu sein. Also ich fand das damals wirklich seltsam und habe das lange nicht verstanden, denn eigentlich war die oberflächliche Aussage solche Filme ja Schwächere zu schützen und Aggressoren zu vernichten, aber das Ergebnis war gerade das Gegenteil. Mir wurde dann klar, dass man damit (meiner Meinung nach) erreichen wollte, dass Feine keine persönliche Rivalen mehr sein sollen sondern eben gar keine wahrgenommenen Menschen mehr, nurnoch Zustände. Man soll den Feind gar nicht kennen, man soll sich gar nicht damit auseinander setzten wer das ist. Das sind sozusagen Vorbereitungen für Krieg und Genozid. War es nicht auch z.B. so, dass überzeugte Nationalsozialisten wirklich daran glaubten, dass gewisse "Rassen-Menschen" eine grosse Bedrohung dastellen und nur deshalb zu solchen Verbrechen fähig waren, während sie paralel dazu ein ganz normales Familienleben leben könnten ?
Ich sehe halt darin eine grosse Gefahr, wenn Gewalt von Einzelmenschen in eine Masse in ganz gewisse Richtungen geleitet werden. Sie haben ja auch selbst gesagt, man braucht eine gewisse Ablenkung und darin sehen Sie gewisse Filme und PC Spiele. Aber auch das ist für mich schon ein Beleg dafür wie Gewalt in Massen kanalisiert werden kann. Und ich bin eben der Meinung, dass man vor allem junge Menschen Erfahrungen mit Gewalt machen lassen muss/soll und das von mir aus aus der Ferne (aus Sicherheitsgründen) beobachtet, damit Menschen erstens ein Gefühl dafür bekommen was Gewalt anrichten kann und zweitens man die Gewalt einer Person nicht zu fremde Zwecken ausrichten oder kanalisieren kann.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon Nanna » Mi 14. Mai 2014, 17:29

Jounk33 hat geschrieben:Und zudem, wenn nur ein erlesener Kreis von Eingeweihte fähig sein soll Statistiken qualifiziert zu interpretieren, dann erscheint es mir nur noch richtiger mich auf sowas nicht zu verlassen, sondern lieber auf das was ich persönlich erfahre, weil dann kann man so eine Statistik auch biegen und zerren, ähnlich wie ein Fürhrungszeugnis das einem nicht gefällt.

Anekdotisches Wissen, also persönliche Erfahrungen, sind im Prinzip auch kleine Statistiken, nur mit kleinerer Datenbasis, keiner Standardisierung, kompletter Intransparenz und willkürlicher Methodik. Was genau ist daran besser? Dass es sich gewohnt anfühlt? Dass man sich der Fiktion hingeben kann, etwas zu einem Thema zu wissen, das man in Wirklich eben nicht überblickt?

Die banale Erkenntnis ist meines Erachtens die: Wenn man nicht weiß, wie man allgemeine Schlüsse zieht bzw. große Datenmengen überblickt, dann wird man nicht dadurch kompetenter, dass man schlechtere Methoden wählt, mit denen man sich persönlich sicherer fühlt. Man wird kompetenter, indem man sich mit den überlegenen Methoden auseinander setzt und nicht, indem man einfordert, davon in Ruhe gelassen zu werden, weil man die Methodik nicht versteht.

Wenn ich wissen will, welches von zwei Autos umweltfreundlicher ist, dann setze ich mich doch auch mit Testberichten und deren Messmethoden auseinander und frage nicht drei Freunde, welches Auto sich beim Fahren besser angefühlt hat. Das mag eine nette Ergänzung sein, bringt mir aber für meine Kernfrage genau gar keinen Erkenntnisfortschritt.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon xander1 » Do 15. Mai 2014, 10:24

"Der gesunde Menschenverstand ist nur eine Anhäufung von Vorurteilen, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat."

Einstein

(passt hier halbwegs rein)
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon Vollbreit » Do 15. Mai 2014, 13:29

@ Jounk33:

Du machst m.E. einen entscheidenden Fehler, mit dem Du Deinen Ansatz verdirbst.
Ich bin selber sehr weitreichend der Meinung, dass der subjektive Standpunkt ausgesprochen wichtig ist.
Was Du aber vernachlässigst, ist aufzuzeigen, wo und warum der subjektive Standpunkt seine Stärken hat und wo er die nicht hat.

Einen echter Fehler machst Du dann, wenn Du versuchst aus Deinen privaten Erlebnissen allgemeinverbindlichen Regeln abzuleiten oder dies auch nur zu suggerieren, was Du tust oder jedenfalls so wenig trennst, dass sich der Eindruck aufdrängen muss.

Dir ging es ja um den gesellschaftlichen Umgang mit Gewalt und dazu hast Du (mindestens implizit), eine allgemeine These formuliert, die ungefähr lautet:
Wer Gewalt von früher kennt, der lehnt sie ab.
Diese These ist nun nach allem was man weiß vollkommen falsch und das Gegenteil ist richtig. Wer Gewalt kennt, wird eher selbst gewalttätig! Statistisch.

Der link über die psychologische Sichtweise der Thematik, der Dich offenbar auch nicht interessierte, hatte nichts mit Statistik zu tun, sondern erklärt den Zusammenhang (den psychopathologischen Mechanismus), warum frühere Gewalterfahrungen fast zwingend zu mehr Gewalt führen. Illustriert mit Einzelfällen, im Grunde also, das was Du hören wolltest.

Du kannst natürlich darüber reden, dass Du jemanden kennst, bei dem es anders ist. Aber was willst Du damit sagen?
Was würdest Du den Eltern raten, die ein Kind erziehen: Ein Satz „heiße Ohren“ hat noch keinem geschadet?
Dann sieht der mal wie das ist und tut das später niemandem an? Das ist völliger Bockmist.

Es gibt m.E. eine Grenze, man muss nicht alles gleich zum Missbrauch aufblasen und wenn einem Elternteil im Affekt mal die Hand ausrutscht, dann ist das etwas anderes als die Selbstverständlichkeit, die man sieht, wenn der etwas zu laute Sprössling einer Familie, von Papa einen auf den Hinterkopf kriegt, was von der gesamten anwesende Familie als so normal angesehen wurde, dass alle anderen Handlungen und Gespräche überhaupt nicht unterbrochen wurden.

Der andere Punkt ist, wenn Eltern systematisch und vorsätzlich schlagen, manchmal mit einem sadistischen Hintergrund. Das führt zu schlimmsten Verzerrungen in der Psyche des Kindes. Entgegen der durchaus verständlichen Intuition ist es nicht so, dass die, die etwas kennen und wissen (sollten), dass es mies ist (weil sie selbst darunter gelitten haben) besonders empathisch sind und gerade das ihrer Mitwelt nicht antun, es ist das genaue Gegenteil der Fall.

Geprügelte Kinder prügeln ihre Kinder, je schlimmer sie geprügelt wurden, umso wahrscheinlicher.

Kinder von Eltern die Alkoholiker sind und besonders darunter gelitten haben, sollten wissen, was Alkohol anrichten kann. Sie trinken aber besonders häufig und das nicht (nur) wegen einer genetischen Disposition.

Kinder die miterleben mussten, dass ein Elternteil den anderen betrügt und was das für schlimme Verwerfungen anrichten kann, werden nicht besonders treu und ehrlich.
Und so weiter.

Dem gesunden Menschenverstand spuckt der Wiederholungszwang in die Suppe, der ein sehr starker und unbewusster Effekt ist. Schmidbauer formulierte mal treffend: „Der Wiederholungszwang ist kein Sparringspartner.“ In der Tat ist er ein mächtiger Gegner, gerade weil das was Du schreibst im Grunde so offensichtlich und vernünftig erscheint.
Nur sind wir keine rein rationalen Wesen.

Es gibt m.E. sehr gute Gründe dafür, die subjektive Komponente zu betonen, aber warum das beim Punkt Gewalt so sein sollte, konntest Du bisher nicht darstellen.
Du hast recht: Es reicht nicht einfach auf Statistiken zu gucken, was die meisten Leute glücklich macht, das dann zu kopieren und zu erwarten, dass man dann glücklich ist.
So naiv ist aber auch kein Statistiker der Welt.

Und auch, wenn Du Statistiken kritisierst, klingt es alles andere als überzeugend, die pauschal abzubürsten, sondern auch hier mit Wissen und Bedacht dranzugehen.
Hier sind genügend im Forum, die sich gut damit auskennen, lass Dir doch helfen.
Über die Grenzen der Statistik gibt es ein schönes Buch von einem Statistikprofessor: „So lügt man mit Statistik“ von Walter Krämer.
Noch weitaus empfehlenswerter, vor allem um den Wert der statistischen Denkweise überhaupt gebührend zu erfassen und zu würdigen - aber dann auch, um die Grenzen zu sehen -, ist das wirklich lesenswerte Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ von Daniel Kahneman. Das Thema des Buches ist genau der Konflikt zwischen einem schnellen, assoziativen und kostengünstigen Denksystem, daas genauso in uns ist und seine Berechtigung hat, wie ein gründliches, langsames, aber kostspieliges Denksystem. Also genau Dein Thema (hinter dem Thema).
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon Jounk33 » Do 15. Mai 2014, 15:52

Vollbreit,
Also zunächst danke für diese qualifizierte Antwort, die endlich mal eine Gesamtaussage dastellt. Danke.

Ich konstruierte eigentlich anhand persönlicher Gespräche und Erfahrungsaustausch keine Regeln. Wenn Sie das so verstanden haben haben Sie was falsch verstanden. Was ich versuche ist höchstens mein eigenes Verhalten oder meine Einstellung zu einem thema zu regulieren, über echten Erfahrungen und Meinungen und auch Gefühle von Personen, damit ich mir ein klareres Bild einer Thematik oder eines gesellschaftlichen Problems machen kann, dabei kann ich sehr aufmerksam zuhören, wenn es sein muss Stunden.
Ich erstelle dabei aber keine Regeln oder fertige Lösungen, ich versuche lediglich Zusammenhänge zu finden und möchte dann mögliche Lösungsansätze zur Diskussion stellen. Das ist es.
Also wenn ich mich einordnen soll, dann bin ich ein sehr sehr langsamer Denker. Und meine Meinungen sind niemals in Beton gegossen.

Wenn ich z.B. einem Hundehasser zuhöre und Tage später einem Hundebesitzer dann verstehe ich z.B. eine Beissstatistik oft klarer.
Also wenn ich eine Statistik oder eine Studie zu Rate ziehe dann oft erst nachdem ich verschiedene Meinungen dazu gehört habe und natürlich vorher auch eine eigene habe und dann kann ich auch meist nachvollziehen wenn sich meine eigene Meinung ändert.
Mal ehrlich, es passiert oft wenn sich Meinungen ändern, aber das auch bewusst wahr zu nehmen und sich einzugestehen fällt oft schwer, weshalb es allgemein schwer ist seine Meinung zu revidieren oder wenigstens zu überprüfen. Der grösste Feind dabei ist man oft selbst. wenn man aber bewusst durch echte Erfahrungen anderer ein klareres bild einer Problematik erlangen kann, dann kann man auch seine Meinung und auch seine Haltung dazu ohne innere Konflikte einstellen.

Wenn Eltern systematisch Gewalt gegen ihre Kinder anwenden, dann kann man nicht mehr von Gewalt sprechen sondern von Vergewaltigung. Sobald jemand Gewalt erfährt der sich nicht wehren kann oder will oder darauf nicht vorbereitet ist, ist das Vergewaltigung und krankhaft. Sowas MUSS unterbunden werden.
Aber ich widerspreche Ihnen in dem Punkt, dass mit erfahrener Vergewaltigung (jedweder Art) ein Nacharmungszwang die Regel ist. Wie Opfer von Vergewaltigungen darauf reagieren und was die Spätfolgen sind scheint , meiner Erfahrung nach, vollkommen unterschiedlich zu sein. Manche verdrängen und verabreiten solche Sachen viel besser und leichter als andere. Wie das geschieht und wie ein Mensch aus solcher Situationen heraus später im sozialen Umgang ist kommt auch sehr auf viele andere Faktoren an. Z.b. wie anerkannt jemand im Berufsleben oder in de Schule ist, mit was er sich geistig oder auch körperlich beschäftigt usw. Also Fehlverahlten mit Nacharmungszwang zu erklären halte ich für eine gewagte Theorie. Ich finde das haben Sie jetzt nicht sonderlich ausreichend begründet.
Vor allem witzig finde ich die Idee, dass Kinder von Ehebrechern in der Regel selbst nicht treu sein können. zumal es ja auch z.B. Leute gibt die offen fremd gehen und deshalb sich nicht trennen oder streiten.
Was kommt als nächstes ? Kinder von Homoehen werden selbst mal Homosexuel ?

Also wenn ich mal sehe was meine Eltern so waren/teilweise sind und dann auf mich blicke, so sehe ich doch sehr grosse und signifikante Unterschiede, vor allem wenn man das nur mal anhand des Fehlverhaltens und Suchtverhaltens ablesen will. Also ich kann wirklich sagen, dass ich da ganz andere Blödheiten an den Tag lege als meine Eltern.
Das selbe sehe ich auch bei den aller meisten Bekannten.

Ich sehe im Gegeteil auch im richtigen Umgang mit Gewalt einen Teil des Reifens und Erwachsenwerdens. Ich halte eher Leute deren Gewaltpotenzial immer unterdrückt wurden für gefährlich, weil die sich eben nicht ausreichend den Konsequentzen der Gewalt bewusst sind. Und wie gesagt und ich finde es schade, dass Sie darauf nicht eingegangen sind, weil es ein wichtiger Punkt ist, jemand dessen gewaltpotenzial eineserseits unterdrückt wird kann man anderseits im Gewaltverhalten kanalisieren und auf etwas bestimmtes fokusieren. Ich weiss dummer Vergleich, aber so ähnlich wie beim Hunde scharf machen.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon Jounk33 » Do 15. Mai 2014, 16:26

Nanna,
Ich habe mir im Jahre 2006 einen Toyota Prius gekauft, wegen der tollen Umweltstatistik, habe aber später erst erfahren, dass die Herstellung des Akkus so umweltschädlich ist, dass man das Fahrzeug mehrere 100.000 km fahren muss damit das ausgeglichen ist. zudem haben alle Testberichte mal wieder mit dem Kraftstoffverbrauch gelogen, denn das was ich später selbst (langfristig) gemessen habe lag da sehr viel höher.
Was ist nun der Fehler dabei gewesen ?
1. Ich war unfähig Statistiken richtig zu lesen ?
2. Ich hatte einfach nur Pech, dass ich die Statistik mit der Akkuherstllung zu spät bemerkt habe ?

Ne, es wäre vielleicht in der Tat besser gewesen ich hätte mit drei oder vier Besitzer dieses Fahrzeugtyps vorher geredet. Dann ist das aber immer so eine Sache ob man denen auch vertrauen kann. aber kann man Testberichten vertrauen ? Oder, wenn ich so denke wie Sie, muss ich dann z.B. bei der Angabe des Verbrauchs gut und gerne 20% hinzurechnen, weil ich eigentlich wissen sollte, dass die alle bei dem Wert lügen ?
Und dann eine Frage, was sind genau "überlegene" Methoden. Das klingt aber schon wieder ein bisschen faschistoid, meinen Sie nicht auch ? Welche Statistik sagt, dass man mit Statistiken die Wahrheit errechenen kann ? Wer sagt, dass Statistiken ausbüffeln und lesen überlegen sein soll ?
Ist also jemand der keine "überlegene" Methoden versteht, oder andere Methoen anwendet, die Sie nicht als überlegen sehen, nicht berechtigt eine eigene Meinung zu haben, muss der sich dann denen anpassen die überlegene Methoden erfinden und verstehen ? Und muss dann so jemand zwangsläufig immer im Irrtum sein ?
Das einschalten eines komplizierten Analysengeräts z.B. wenn ich das nicht verstehe, bin ich deshlab unkultivierter als jemand der das gelernt hat ?
Ich hoffe Sie verstehen zumindest wie subjektiv Sie gerade argumentieren.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon Vollbreit » Do 15. Mai 2014, 20:55

Jounk33 hat geschrieben:Also wenn ich eine Statistik oder eine Studie zu Rate ziehe dann oft erst nachdem ich verschiedene Meinungen dazu gehört habe und natürlich vorher auch eine eigene habe und dann kann ich auch meist nachvollziehen wenn sich meine eigene Meinung ändert.
Wieso eigentlich? Ob Hundebisse, Impfen, Kitas, Todesstrafe oder Leberwurst, immer steht eine kleine Gruppe extremer Befürworter und Gegner einer großen Gruppen moderateren und einer noch größeren von Desinteressierten gegenüber.
Und was hilft es Dir, wenn Dir jemand erzählt, er sei Zeuge einer Hundeattacke gewesen, während jemand anders Stein und Bein schwört, gerade "Kampfhunde" seien an sich liebe Tiere? Beides kann ja stimmen.

Jounk33 hat geschrieben:Mal ehrlich, es passiert oft wenn sich Meinungen ändern, aber das auch bewusst wahr zu nehmen und sich einzugestehen fällt oft schwer, weshalb es allgemein schwer ist seine Meinung zu revidieren oder wenigstens zu überprüfen. Der grösste Feind dabei ist man oft selbst. wenn man aber bewusst durch echte Erfahrungen anderer ein klareres bild einer Problematik erlangen kann, dann kann man auch seine Meinung und auch seine Haltung dazu ohne innere Konflikte einstellen.
Das ist schön, wenn Du das kannst, aber auch aufrichtig gemeinte Erfahrungsberichte können ja für Dich unbrauchbar oder falsch sein.
Um sich ernsthaft für subjektive Einstellungen stark zu machen, muss man glaube ich die Kritik kennen.
Du musst doch wissen, wo man sich überall vertun kann, was statistische Ausrutscher sind, wo ungerechtfertigt Kausalbezüge gestrickt werden und so weiter, um Deinem „Dennoch“ Gewicht zu verleihen.

Jounk33 hat geschrieben:Wenn Eltern systematisch Gewalt gegen ihre Kinder anwenden, dann kann man nicht mehr von Gewalt sprechen sondern von Vergewaltigung.
Nein, denn Vergewaltigung meint penetrierende Formen sexuellen Missbrauchs.

Jounk33 hat geschrieben:Sobald jemand Gewalt erfährt der sich nicht wehren kann oder will oder darauf nicht vorbereitet ist, ist das Vergewaltigung und krankhaft.
Nein, weder, noch. Es wertet eigenwillige Thesen nicht auf, wenn man die mit eigenwilligen Begriffen erklärt.

Jounk33 hat geschrieben:Sowas MUSS unterbunden werden.
Aber ich widerspreche Ihnen in dem Punkt, dass mit erfahrener Vergewaltigung (jedweder Art) ein Nacharmungszwang die Regel ist. Wie Opfer von Vergewaltigungen darauf reagieren und was die Spätfolgen sind scheint , meiner Erfahrung nach, vollkommen unterschiedlich zu sein.
Bis zu einem gewissen Punkt, ja.
Vor allem bei chronischem Missbrauch definitiv nein.

Jounk33 hat geschrieben:Manche verdrängen und verabreiten solche Sachen viel besser und leichter als andere.
Dazu muss man ein Trauma von chronischem Missbrauch unterscheiden, das ist ein Hauptthema des Psycholinks.

Jounk33 hat geschrieben:Wie das geschieht und wie ein Mensch aus solcher Situationen heraus später im sozialen Umgang ist kommt auch sehr auf viele andere Faktoren an. Z.b. wie anerkannt jemand im Berufsleben oder in de Schule ist, mit was er sich geistig oder auch körperlich beschäftigt usw.
Ja.

Jounk33 hat geschrieben:Also Fehlverahlten mit Nacharmungszwang zu erklären halte ich für eine gewagte Theorie. Ich finde das haben Sie jetzt nicht sonderlich ausreichend begründet.
Ich könnte das aber ausreichend begründen, die Frage ist, ob und inwieweit Dich das interessiert.

Jounk33 hat geschrieben:Vor allem witzig finde ich die Idee, dass Kinder von Ehebrechern in der Regel selbst nicht treu sein können.
Das habe ich so nicht gesagt.

Jounk33 hat geschrieben: zumal es ja auch z.B. Leute gibt die offen fremd gehen und deshalb sich nicht trennen oder streiten.
Was kommt als nächstes ? Kinder von Homoehen werden selbst mal Homosexuel ?
Das folgt nicht aus dem, was ich sagte.

Jounk33 hat geschrieben:Also wenn ich mal sehe was meine Eltern so waren/teilweise sind und dann auf mich blicke, so sehe ich doch sehr grosse und signifikante Unterschiede, vor allem wenn man das nur mal anhand des Fehlverhaltens und Suchtverhaltens ablesen will. Also ich kann wirklich sagen, dass ich da ganz andere Blödheiten an den Tag lege als meine Eltern.
Das selbe sehe ich auch bei den aller meisten Bekannten.
Darum geht es nicht.
Ich sagte nicht das jedes Verhalten blind kopiert wird, sondern, dass Eindrücke unter dem Einfluss wiederholter Spitzenaffekte zu signifikanten Veränderungen in der Psyche führen.

Jounk33 hat geschrieben:Ich sehe im Gegeteil auch im richtigen Umgang mit Gewalt einen Teil des Reifens und Erwachsenwerdens. Ich halte eher Leute deren Gewaltpotenzial immer unterdrückt wurden für gefährlich, weil die sich eben nicht ausreichend den Konsequentzen der Gewalt bewusst sind.
Das ist eine eher veraltete These.

Jounk33 hat geschrieben:Und wie gesagt und ich finde es schade, dass Sie darauf nicht eingegangen sind, weil es ein wichtiger Punkt ist, jemand dessen gewaltpotenzial eineserseits unterdrückt wird kann man anderseits im Gewaltverhalten kanalisieren und auf etwas bestimmtes fokusieren. Ich weiss dummer Vergleich, aber so ähnlich wie beim Hunde scharf machen.
Man hat nicht unbedingt ein bestimmtes Gewaltpotential. Jeder Mensch ist aggressiv, der eine mehr, der andere weniger, doch es gibt verschieden Abfuhrmöglichkeiten für Aggression. Außerdem verraucht die auch wieder, selbst wenn man sie nicht auslebt.
Wenn Menschen chronisch aggressiv sind, sind die bereits schwer gestört, meistens durch das, was ich erwähnte, eigene Erfahrungen chronischer Gewalt.
Wenn es Menschen sind, die sich kontrollieren können, dann kann man sie für bestimmte Lebensbereich einsetzen, in denen Aggression vielleicht ein Vorteil ist.
Oft ist es aber ein Irrtum, dass Söldner, Boxer oder Leute vom SEK besonders aggressiv sind oder sein müssen.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon Jounk33 » So 18. Mai 2014, 09:21

Vollbreit,
Ja, es ist ja gerde deshalb so wichtig mehrere Meinungn zu hören und auch die detailierte Argumentation dazu um eine Thematik besser verstehen zu können. Wenn ich. z.b. in einer Statistik sehe, dass sich ein Problem immer mehr in diese oder jene Richtung bewegt, dann weiss ich aber nicht warum das so ist und welche Motivationen dahinter stecken, ich kann das höchstens vermuten und das ist dann die Situation in der zu Massenvorurteilen kommen kann. Wenn dann noch jemand Prominetes sich hinstellt und sagt, es ist so, dann werden aus eventuell falschen Vermutungen Wahrheiten, weil es dann jeder glaubt. Bei sowas möchte ich dann aber nicht mitmachen, ich will es von Menschen persönlich hören, am besten unter 4 Augen, was sie bewegt, wie sie das sehen und warum und all die Hintergründe dazu.

Sie und wahrscheinlich sehr viele Sprachwissenschaftler und Soziologen reduzieren doch den Begriff der Vergewaltiung auf den gewalttätigen erzwungenen Geschlechtsverkehr.
Ich hingegen sehe darin alle Formen der Gewalt die sich gegen wehrunfähige, oder wehrunwillige oder unvorbereitete Opfer richtet, ich könnte sogar soweit gehen und auch psychische Gewalt gegen Wehrlose dazu zählen, aber das scheint ein anderes Thema zu sein.
Man kann aber den Geschlechtsverkehr sehr gut als Beispiel zu rate ziehen um nochmal meine These zu verdeutlichen.
Geschlechtsverkehr ist Gewalt. Aber solange alle Beteiligten sich dem aussetzen wollen ist das sogar gesund, weil es dann auch jeden (mehr oder weniger) befriedigt.
Bei anderen Formen der Gewalt, also bei einer Schlägerei scheint das gesellschaftlich anders gesehen zu werden. Da ist es dann nicht mehr eine Privatsache wenn zwei sich gewollt prügeln, da wird das als gefährlich eingestuft.

Seitdem das Suverän einer Regierungseinheit entpersonifiziert wurde, konzentriert sich die Haupttätigkeit nicht mehr auf Beherrschung der Körper sondern auf Optimierung. Gesellschaftpolitisch bedeutet das aber, es wird in die finstersten Winkel des Privaten eingedrungen um eine Optimierung erst zu ermöglichen. Regulierungen finden daher auch in den privatesten Bereichen statt und umfasst auch Dinge wie Sexualverhalten und Gesundheit, sowie Psychologie, als Werkzeuge um Optimierungen durchzusetzen.
So z.B. was sexuel abartig ist entscheidet nunmehr keine einzelne Person mehr, sondern Tabelle und Statistik. Ebenso, wer oder was gesund ist, und auch wer normal und wer psychisch krank ist.
Das alles scheint auf den ersten Blick sogar wünschenswert, da man hier Willkür eines Einzelenen ausschliessen kann. Jedoch gebe ich zu bedenken, dass die grössten Verbrechen der jüngsten Geschichte eben auf dieser Art von biologischer Optimierung basierten. Was das alles im Einzelenen ist kann sich hier jeder selbst denken.
Ich bleibe daher bei meiner Grundthese, dass man durch Regulierung der individuellen Gewalt erst die Gewalt kanalisieren und zu ganz bestimmten Zwecke gegen ganz bestimmte "Feinde" entfesseln kann, weil die Motivation dabei keine individuelle mehr ist sondern nunmehr eine kollgetive. So kann sich jeder Einzelene dann nurnoch schwer dem Sog einer solcher Gewaltentfesslung entziehen.
Dass z.B. viele (68er Schule) Soziologen behaupten, Gewaltüberspitzungen seien wohl ein Problem der Erziehung und des sozialen Umfeldsi, sehe ich als eine Art Ausrede dafür, dass man eben diese spontane Ausbrüche von Gewalt auf z.B. Minderheiten und Wehrlose nicht in den Griff bekommt, auch nicht mit den fortschrittlichsten Untesuchungen und Studien, sondern eher verheimlichen will, dass gerade diese Art von Gewaltunterdrückung der freien und individuellen Gewalt zu diesen unkontrollierten Gewaltausbrüchen führt.
Es ist gerade der, der seine Aggressivität "kontrolliert" (in Sinne des gesetzlich erlaubten) einsetzt jemand der anfällig ist für Gewaltkanalisierung, während der der seiner unkontrollierten Gewalt freien Lauf gegen Wehrlose lässt das eigentliche Opfer dieser Gewaltunterdrückung, weil er damit nicht zurecht kommt, dass bei ihm irgendwas nicht erwünscht ist.
So nach dem Motto, lass Deine Fäuste solange in der Tasche bis wir Dir es sagen Du sollst sie raus holen....das klappt eben nicht bei jedem, ich würde sogar sagen eher bei den Weingsten. Es ist dann eher umgekehrt. Wer gesellschaftlich anerkannt ist, der hat wahrscheinlich auch weniger Probleme damit wenn seine Gewalt eingegrenzt wird, solange er weiss, dass er irgendwo einen Auslass dafür legitimiert bekommt. Aber wie gesagt, hier sehe ich die Ursache für Faschismus.
Ich persönlich halte z.B. einen Scharfrichter für unheimlicher der seines Amtes überzeugt waltet aber zuhause dann der liebste und tollste Daddy ist den man sich vorstellen kann. Woher kommt eine solche Kaltblütigkeit eventuell Unschuldige hinzurichten ? Wer oder was legt dann da bei dem den Schlater um ?

Falls das nun eine veraltete These sein soll, ist mir das nicht bewusst, weil ich meine Thesen niergendwo ablese, sondern durch eigene Erfahrungen und Gespräche aus anderen Meinungen konstruiere.
Dann muss das aber nicht bedeuten, dass so eine alte These nicht zutrifft, nur weil sie irgendwo so ähnlich mal beschrieben und von irgendwem als falsch erkannt wurde.

Zum Schluss, möchte ich mich dafür entschuldigen, wenn ich aus falsch verstandenen Aussagen von Ihnen falsche Schlussfolgerungen konstruiert haben könnte.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon Vollbreit » Mo 19. Mai 2014, 10:50

@ Jounk33:

Die Strategie Statistiken kategorisch zurückzuweisen, weil sie fehlerhaft sein könnten, zugunsten von Einzelmeinungen, die bei den von Dir angesprochenen Sachverhalten mit Sicherheit fehlerhafter sind, erschließt sich mir nicht.

Wenn es darum geht, nicht Aussagen über das was wahr ist zu finden, sondern über das was Menschen motiviert, ist das was anderes, aber dann finde ich die Beispiele unpassend. Auch dass Statistiken immer manipuliert seien ist ein pauschaler Vorwurf, der so als Generalverdacht natürlich nicht entkräftet werden kann.

Er unterstellt, das Statistiken immer interessengeleitet sind, Einzelpersonen aber nicht. Das ist fragwürdig.


Die These Geschlechtsverkehr sei als solcher schon Gewalt, ist mindestens unglücklich formuliert, wenn nicht falsch.
Wenn Du aufgrund der misslungenen Begrifflichkeit dann einvernehmliche Kuschelsex und eine Schlägerei gleichsetzt, begehst Du einen Fehler. Das wird auch nicht nur als gefährlich eingestuft, sondern eine Hirnblutung ist gefährlich, kann man dran sterben.

Wem wäre denn geholfen, wenn ein Vergewaltiger noch selbst bestimmen könnte – statt Statistik oder Gesellschaft – ob sein Verhalten normal ist?
Oder soll jemand im akuten Wahn bestimmen, ob er als normal gilt?

Gegen alberne Biologismen habe ich einen eigenen Thread aufgemacht, aber was hat das damit zu tun – mehr als die Assoziation, dass dort wo irgendwer bestimmt immer auch Willkür walten könnte –, dass man sich gegen Serienvergewaltiger als Gesellschaft schützen können sollte?

Die These scheint zu sein: Um eine falsche Entscheidung zu vermeiden, lieber keine Entscheidung.

Dass es Massenphänomene gibt, unter denen das Individuum in einen Strudel der Gewalt gerät, würde ich nicht bestreiten, aber damit kann man nicht rumspielen, da niemand weiß, wie sich so eine Situation entwickelt. Da kann also wenig staatlich gelenkt werden, selbst wenn man wollte.

Jounk33 hat geschrieben:Dass z.B. viele (68er Schule) Soziologen behaupten, Gewaltüberspitzungen seien wohl ein Problem der Erziehung und des sozialen Umfeldsi, sehe ich als eine Art Ausrede dafür, dass man eben diese spontane Ausbrüche von Gewalt auf z.B. Minderheiten und Wehrlose nicht in den Griff bekommt, auch nicht mit den fortschrittlichsten Untesuchungen und Studien, sondern eher verheimlichen will, dass gerade diese Art von Gewaltunterdrückung der freien und individuellen Gewalt zu diesen unkontrollierten Gewaltausbrüchen führt.
Das müsstest Du belegen, ansonsten ist das eben einfach Deine Meinung, die Du ja haben und äußern darfst, aber ich kann mich dieser unbelegten These nicht anschließen.

Jounk33 hat geschrieben:Es ist gerade der, der seine Aggressivität "kontrolliert" (in Sinne des gesetzlich erlaubten) einsetzt jemand der anfällig ist für Gewaltkanalisierung, während der der seiner unkontrollierten Gewalt freien Lauf gegen Wehrlose lässt das eigentliche Opfer dieser Gewaltunterdrückung, weil er damit nicht zurecht kommt, dass bei ihm irgendwas nicht erwünscht ist.
Das klingt nun für mich wieder wie ein Versuch, aus Tätern Opfer zu machen.
Man darf von seinen Mitmenschen erwarten, dass sie ihre Affekte kontrollieren können, so funktioniert nun mal jede Form der Gesellschaft.
Selbst in Terrorregimen und der organisierten Kriminalität, wo offene Gewalt Teil des Systems ist, geht es nicht jeder gegen jeden vor sich.

Jounk33 hat geschrieben:So nach dem Motto, lass Deine Fäuste solange in der Tasche bis wir Dir es sagen Du sollst sie raus holen....das klappt eben nicht bei jedem, ich würde sogar sagen eher bei den Weingsten. Es ist dann eher umgekehrt. Wer gesellschaftlich anerkannt ist, der hat wahrscheinlich auch weniger Probleme damit wenn seine Gewalt eingegrenzt wird, solange er weiss, dass er irgendwo einen Auslass dafür legitimiert bekommt. Aber wie gesagt, hier sehe ich die Ursache für Faschismus.
Ich persönlich halte z.B. einen Scharfrichter für unheimlicher der seines Amtes überzeugt waltet aber zuhause dann der liebste und tollste Daddy ist den man sich vorstellen kann. Woher kommt eine solche Kaltblütigkeit eventuell Unschuldige hinzurichten ? Wer oder was legt dann da bei dem den Schlater um ?
Rein psychologisch ist das einfach eine Abspaltung. Man kennt den Mechanismus und kann ihn recht detailliert erklären. Natürlich drückt das Wort nicht die Verwunderung bis zum Entsetzen darüber aus, die/das man haben kann, wenn man mit der Banalität des Bösen konfrontiert ist. Himmlers schnulzige Briefe an seine Ehefrau und zugleich die Verantwortung für millionenfachen Mord, wo der Mensch als Mensch nicht mehr vorkommt, sondern nur noch ein Stückgut, ein logistisches Problem ist.
Wir können schlecht damit umgehen, dass Menschen wie Himmler oder Hitler in anderen Kontexten ganz normale Reaktionen zeigten und jemand wie Du oder sein könnten.
Für uns ist es einfach das Bild der abscheulichen Bestie zu zeichnen, die auch privat bellend auf allen Vieren geht und rohes Fleisch frisst. Aber so ist es nicht und der „Schalter“ ist die Abspaltung, vor allem eine spezielle Art der Spaltung, in der kognitive Inhalte bewusst sind, d.h. diese Menschen sind nicht wahnsinnig, sie wissen, was sie tun, andererseits wird die emotionale Bedeutung dessen, was sie machen nicht erfasst, geleugnet, abgespalten, so dass das, was sie tun als nicht weiter schlimm von ihnen selbst erlebt werden kann.
Da kann es zu Einstellungen kommen, wie: „Ich tu das auch nicht gerne, aber es muss halt getan werden.“ Und psychologische Experimente erweisen in (un)schöner Regelmäßigkeit, dass anständige Menschen unter dem Einfluss minimaler scheinbarer Legitimierung bereit sind (viele, nicht alle) Ähnliches zu tun, konträr zu den Einstellungen, die sie eigentlich haben.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon provinzler » Di 20. Mai 2014, 08:04

Jounk33 hat geschrieben:Und zudem, wenn nur ein erlesener Kreis von Eingeweihte fähig sein soll Statistiken qualifiziert zu interpretieren, dann erscheint es mir nur noch richtiger mich auf sowas nicht zu verlassen, sondern lieber auf das was ich persönlich erfahre, weil dann kann man so eine Statistik auch biegen und zerren, ähnlich wie ein Fürhrungszeugnis das einem nicht gefällt.

Es bleibt natürlich jedem selbst überlassen, auf welcher Grundlage man Entscheidungen trifft. Statistiken können dabei manchmal hilfreich sein, manchmal kontraproduktiv. In jedem Fall ist eine Prüfung hinsichtlich interner Logik und Konsistenz notwendig. Das kann noch so ziemlich jeder. Wenn jemand beispielsweise Datenreihen zu Vergleichszwecken heranzieht, bei deren Erstellung permanent an der Berechnungsmethodik herumgeschraubt wurde, ist das Ergebnis für die Tonne. Inflationsraten von heute, sind mit Inflationsraten auf den 70ern nicht vergleichbar, weil sie komplett anders berechnet werden. Ob besser oder schlechter sei mal dahin gestellt. Aber wenn sich jemand hinstellt und beide Zahlen miteinander vergleicht, kann nur Unfug rauskommen. Für die USA gibts da eine Seite namens Shadowstats die bestimmte Größen nach alten Verfahren versucht zu berechnen (Arbeitslosigkeit, Inflation etc.)
Man sieht dann sehr gut, wie ausgeprägt alle Verfahrensänderungen die Tendenz haben, das politisch gewollte Ergebnis zu liefern.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon provinzler » Di 20. Mai 2014, 08:14

Nanna hat geschrieben:Anekdotisches Wissen, also persönliche Erfahrungen, sind im Prinzip auch kleine Statistiken, nur mit kleinerer Datenbasis, keiner Standardisierung, kompletter Intransparenz und willkürlicher Methodik.

Wenn ich mir die Datenbasis so mancher "wissenschaftlichen" Untersuchung anschaue, wäre ich da fast geneigt das Gegenteil anzunehmen. Das ist manchmal geradezu abenteuerlich, auf welch lachhafter Datenbasis da teilweise aufgebaut wird. Was bei der Akademikerfabrikationsmaschinerie (Diplomarbeiten) noch egal sein mag, weil da der größte Teil eh für immer ungelesen in irgendwelchen Aktenschränken verstaubt, ist beispielsweise bei der Medikamentzulassung schon ein nicht unerhebliches Problem bisweilen.

Nanna hat geschrieben:Wenn ich wissen will, welches von zwei Autos umweltfreundlicher ist, dann setze ich mich doch auch mit Testberichten und deren Messmethoden auseinander und frage nicht drei Freunde, welches Auto sich beim Fahren besser angefühlt hat. Das mag eine nette Ergänzung sein, bringt mir aber für meine Kernfrage genau gar keinen Erkenntnisfortschritt.

Ja, aber letztlich beruht auch das auf Vertrauen, solange du die Messungen nicht selber durchführst. Du siehst die Wahrheit immer nur durch die Brille desjenigen, der dir seine Meinung verkaufen will. Diesen Problem kriegst du alls Endrezipient nicht wirklich weg...
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon provinzler » Di 20. Mai 2014, 08:17

Vollbreit hat geschrieben:Der link über die psychologische Sichtweise der Thematik, der Dich offenbar auch nicht interessierte, hatte nichts mit Statistik zu tun, sondern erklärt den Zusammenhang (den psychopathologischen Mechanismus), warum frühere Gewalterfahrungen fast zwingend zu mehr Gewalt führen. Illustriert mit Einzelfällen, im Grunde also, das was Du hören wolltest.

Danke für den Link. Den werd ich mir später noch zu Gemüte führen. Bin grade eh so ein bisschen aufm Psychologietrip.

Vollbreit hat geschrieben:Kinder die miterleben mussten, dass ein Elternteil den anderen betrügt und was das für schlimme Verwerfungen anrichten kann, werden nicht besonders treu und ehrlich.
Und so weiter.

Letztlich eine Neuauflage der alten Heuristik "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm", oder?
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon provinzler » Di 20. Mai 2014, 08:23

Jounk33 hat geschrieben:Vor allem witzig finde ich die Idee, dass Kinder von Ehebrechern in der Regel selbst nicht treu sein können. zumal es ja auch z.B. Leute gibt die offen fremd gehen und deshalb sich nicht trennen oder streiten.

Es hat niemand gesagt, dass sie nicht treu sein können. Es wurde lediglich gesagt, dass sie es mit höherer Wahrscheinlichkeit nicht sind.

Jounk33 hat geschrieben:Ich sehe im Gegeteil auch im richtigen Umgang mit Gewalt einen Teil des Reifens und Erwachsenwerdens. Ich halte eher Leute deren Gewaltpotenzial immer unterdrückt wurden für gefährlich, weil die sich eben nicht ausreichend den Konsequentzen der Gewalt bewusst sind. Und wie gesagt und ich finde es schade, dass Sie darauf nicht eingegangen sind, weil es ein wichtiger Punkt ist, jemand dessen gewaltpotenzial eineserseits unterdrückt wird kann man anderseits im Gewaltverhalten kanalisieren und auf etwas bestimmtes fokusieren. Ich weiss dummer Vergleich, aber so ähnlich wie beim Hunde scharf machen.

Eigentlich geht es nicht um das Kanalisieren von Gewalt, sondern der zugrundeliegenden Aggression. Aggressionen kann man auch ohne Gewalt abbauen, und auch das ist ein erlernbarer Prozess. Eins der Problem mit der Gewalterfahrung in der Familie ist ja, dass Kinder im täglichen Leben eben nicht sehen, wie jemand seine Aggressionen gewaltfrei abbaut, sondern nur die Kanalisierung dieser Aggressionen in offene Gewalt kennen. Was wir häufig sehen, wird von unserem Unterbewusstsein als "normal" eingestuft...
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon provinzler » Di 20. Mai 2014, 08:28

Vollbreit hat geschrieben: Außerdem verraucht die auch wieder, selbst wenn man sie nicht auslebt.

Das ist auf die Dauer aber auch nicht wirklich gesund. Das berühmte "alles in sich reinfressen". Entscheidend ist, ob man Wege findet, seine Agression auszuleben, ohne dadurch Nachteile zu erleiden. Ob man sich nen Boxsack kauft, Holz hackt oder bissige Briefe schreibt die man nie abschickt, ist dann eher Geschmackssache.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon Vollbreit » Di 20. Mai 2014, 20:11

provinzler hat geschrieben:Danke für den Link. Den werd ich mir später noch zu Gemüte führen. Bin grade eh so ein bisschen aufm Psychologietrip.
Mach mal.
Wenn Du irgendwas damit anfangen kannst, empfehle ich Dir die DVD „Psychoanalyse für Nicht-Psychoanalytiker“. Ist keine dröge Einführung in das Denken Freuds, sondern eine Einführung in die modernsten Formen der Psychotherapie, äußerst lohnenswert.
Darüber hinaus ist speziell für Dich der Kahneman sicher sehr interessant, weil er Psychologie und Wirtschaft verknüpft. „Schnelles Denken, langsames Denken“ ist ein sehr gutes Buch.

provinzler hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Kinder die miterleben mussten, dass ein Elternteil den anderen betrügt und was das für schlimme Verwerfungen anrichten kann, werden nicht besonders treu und ehrlich.
Und so weiter.
Letztlich eine Neuauflage der alten Heuristik "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm", oder?
Irgendwo ja.
Das findest Du in dem link erläutert.

provinzler hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Außerdem verraucht die auch wieder, selbst wenn man sie nicht auslebt.

Das ist auf die Dauer aber auch nicht wirklich gesund. Das berühmte "alles in sich reinfressen". Entscheidend ist, ob man Wege findet, seine Agression auszuleben, ohne dadurch Nachteile zu erleiden.
Muss nicht. Sicher ist es besser Holz zu hacken als durchzudrehen. Aber Aggressionen können gemildert werden. Das ist dann wirklich spannend.
Und die Abreaktion hat sich nicht als Mittel erwiesen um ruhiger zu werden, sie macht viel mehr noch wütender.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon provinzler » Mi 21. Mai 2014, 20:03

Vollbreit hat geschrieben:Und die Abreaktion hat sich nicht als Mittel erwiesen um ruhiger zu werden, sie macht viel mehr noch wütender.

Speziell das Mittel sich über nie abgeschickte Briefe abzureagieren funktioniert eigentlich ganz gut und wurde von einigen bekannten Persönlichkeiten praktiziert (Abraham Lincoln etwa, oder auch Mark Twain). Vielleicht funktioniert das auch nur bei Cholerikertypen, deren Wut zwar mitunter schnell aufflammt, aber auch schnell wieder abebbt. Man kann sich da richtig in Rage schreiben. Aber erfahrungsgemäß hält dieser Zustand (sofern nicht weiter Öl von außen nachgegossen wird) nicht lange an. Deswegen is ja die Voraussetzung, dass man die BRiefe nicht abschickt und auch niemanden lesen lässt, sich höhchstens selber noch mal nach 1-2 Jahren zu Gemüte führt.
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Re: Gesellschaftlicher Umgang mit Gewalt

Beitragvon Nanna » Do 22. Mai 2014, 09:09

Ich bin nicht sicher, ob das das ist, was mit Abreagieren gemeint ist. Solche Briefe verbalisieren ja normalerweise die Wut über erlittene Verletzungen gegenüber dem Anderen und sind dadurch in meinen Augen eher eine imaginierte Aussprache. Unter dem klassischen Abreagieren würde ich verstehen, sich einen Abend lang mit einem Ballerspiel zuzudröhnen, auf einen Boxsack einzudreschen, in den Wald zu gehen und rumzubrüllen, oder auch wahllos andere Leute anzupöbeln oder anderweitig zu provozieren und ihnen zu schaden. Das sind aber Verhaltensweisen, die im Gegensatz zu deinem Beispiel mit dem Brief überhaupt nichts an der zugrundeliegenden Situation klären und überhaupt Sachen sind, die einem nicht helfen, runter zu kommen, sondern mit denen man sich noch reinsteigert. Klar, das geht mit Briefen auch, aber da die Mitteilung gegenüber dem Anderen, dass er einen verletzt hat, etwas Klärendes und Kathartisches besitzt, hat man da wesentlich bessere Chancen, die eigene Sichtweise zu ändern und nach dem Schreiben das Thema ad acta zu legen, als wenn man eine Stunde lang sinnlos im Wald einen Baum angeschrien hat.
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