Defintionen müssen nicht begründet sein, aber man hat die Wahl, anders, besser zu definieren. Da Du das nicht willst oder kannst läuft Deine Kritik hier ins Leere.Dr Fraggles hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:"Die Welt ist determiniert, also gibt es keine Verantwortung". Halte ich zwar für falsch, aber noch nicht für unlogisch.
Es ist wohl doch auch ein wenig unlogisch:
Und ich halte es für richtig und das Gegenteil für unlogisch, wobei es sich letztlich wohl um eine analytische Wahrheit handelt, beruhend auf nicht weiter begründbaren Definitionen (im Falle des Indeterminismus von der Realität zwar widerlegten, aber dennoch berechtigten Intuitionen).
Im Kompatibilismus.Dr Fraggles hat geschrieben:Zuletzt beruft sich jeder auf Prämissen die er nicht weiter begründen kann. Ich behaupte, dass Verantwortlichkeit und Determinismus unverträglich sind. Und dass dies so ist, habe ich bisher noch nirgendwo mit zwingender Begründung widerlegt gefunden.
Kein gutes Argument, denn die semantische Unverträglichkeit in einer Gesellschaftsform die auf der Idee freier Individuen beruht, ist bei weitem größer.Dr Fraggles hat geschrieben:Ich würde sogar wagen zu behaupten, dass die semantische Unverträglichkeit weit evidenter weil intuitiv angemessener ist als das Gegenteil (dass man Menschen verantwortlich macht ohne ihnen implizite ein anders-handeln-können zu unterstellen, ist meist schlicht falsch.
Doch, es ist eine Frage des logischen Schließens, in die Du recht plump Gesellschaftskritik anflechten möchtest.Dr Fraggles hat geschrieben:Erst die Einübung in philosophische Akrobatik lehrt Gegenteiliges...wobei die Emotionen seltenst in Einklang mit solchen philosophischen Rettungskonzepte zu bringen sind), welches meines Erachtens nur von pragmatischen Interessen getragen wird, u.a. vom Bestreben das Selbstbild und die Interessen vom Leben Begünstigter aufrecht zu erhalten und gesellschaftliche Praxis, sprich: deren Status quo, wie auch immer zu legitimieren (Methode: retten was noch zu retten ist, Motto: ja nicht durchscheinen lassen, dass je etwas rettungsbedürftig war). Denn eines ist offensichtlich: bei der Freiheitsfrage geht es nicht nur um Wahrheit (z.B. über die Verfasstheit des Menschen) sondern auch darum was zu gelten hat und was nicht, also um Machtfragen.
Dr Fraggles hat geschrieben:Ich kann sehr wohl feststellen, dass Moral/Gerechtigkeit nur dann wirklich überzeugen würde wenn sie einen Indeterminismus voraussetzt (dies kann ich selbst dann wenn der indeterministische Freiheitsbegriff undefinierbar ist). Zugleich kann ich feststellen, dass es keine solche Freiheit gibt und also die faktische Moral/Gerechtigkeit eine Anpassung an die realen Umstände ist, nicht mehr nicht weniger.
Dr Fraggles hat geschrieben:Das Argument kenne ich, nur ist es wenig überzeugend. "Nicht die kausale Determiniertheit als solche untergräbt ein Urteil und beraubt es seiner Autorität, sondern nur eine unangemessene kausale Determination. Es bedeutet keine Schwierigkeit einzugestehen, dass (einige) unserer Überzeugungen in angemessener Weise kausal verursacht sind und aufrechterhalten werden, und zwar so, dass sie mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Ausserdem, wenn diese Prämisse wahr wäre, bewiese sie nur, dass sich der Determinismus nicht vernünftigerweise akzeptieren lässt, nicht aber, dass er falsch wäre." (John Leslie Mackie) Ich habe Mühe zu glauben, dass du das Argument wirklich ernst nimmst weil es dermassen schwach ist.
Dr Fraggles hat geschrieben:Aber: für mich steht der indeterministische freie Wille als eine Metapher dafür, dass der kompatibilistische einfach versagt um eine fundiertere Verantwortlichkeit begründen zu können. Was determiniert ist, ist nicht wirklich (d.h. logisch) verantwortbar. Dafür steht es. Und dies impliziert nicht, dass es eine solche indeterministische Freiheit auch geben muss.
Dr Fraggles hat geschrieben:Eine kompatibilistische Freiheit findet ihre Fürsprecher bei vom Schicksal Begünstigte...keiner kann mir weismachen, dass er ihn nur aus rein vernünftig-logischen oder pragmatischen Gründen verteidigt, damit wäre dann der HEUCHLERISCH-UNBENANNTE Aspekt, die Motivationsstruktur der Kompatibilisten betreffend, benannt...HÖHÖ.
Dr Fraggles hat geschrieben:[...] das geschieht bereits dann wenn nicht anerkannt wird, dass Verantwortlichkeit und Determinismus in einem wesentlichen Sinn nicht verträglich sind.
AgentProvocateur hat geschrieben:Dr Fraggles hat geschrieben:[...] das geschieht bereits dann wenn nicht anerkannt wird, dass Verantwortlichkeit und Determinismus in einem wesentlichen Sinn nicht verträglich sind.
Nochmal: eine petitio principii muss mitnichten anerkannt werden.
Dr Fraggles hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Dr Fraggles hat geschrieben:[...] das geschieht bereits dann wenn nicht anerkannt wird, dass Verantwortlichkeit und Determinismus in einem wesentlichen Sinn nicht verträglich sind.
Nochmal: eine petitio principii muss mitnichten anerkannt werden.
Wenn jemand, dann setzt der Kompatibilist seine Freiheitsvorstellung willkürlich (die Begründung ist dann mehr oder weniger ein nachträgliches ad-hoc Geschäft). Es geht beim Kompatibilismus doch um nichts anderes als eine Setzung, die nachträglich mit Hängen und Würgen begründet wird.
Dr Fraggles hat geschrieben:Ich würde sagen, dass der inkompatibilistische Freiheitsbegriff über Jahrtausende hinweg eine (unreflektierte) Intuition war, die unsere Idee von Verantwortlichkeit stützte bzw. überhaupt erst begründete. Selbst das deutsche Strafrecht bezieht sich auf das Konzept der Schuld. Das wäre meine Begründung für die Gültigkeit des inkompatibilistischen Freiheitsbegriffes als der massgebenden: dass Verantwortlichkeit auf der Intuition von Freiheit im inkompatibilistischen Sinn gründet, eine Intuition welche verständlich ist wenn auch im rationalen Durchdenken als nicht begründbar erscheint. Dass dem so ist, dürfte nur schwer zu widerlegen sein und solange der Kompatibilist das nicht kann (und da reichen semantische Uminterpretierungen bei weitem nicht aus), muss er seine eigene Position als aus der Not geborene Setzung ansehen, die dann im ad-hoc (bzw. Hauruck) Verfahren zu legitimieren versucht wird.
Meine Übersetzung:alles in allem erscheint uns die experimentelle Literatur bislang darauf hinauszulaufen, dass die meisten Leute kompatibilistische Intuitionen haben und dass vermeintlich inkompatibilistische Anworten auf ein Missverstehen darüber, was Determinismus tatsächlich ist, zurückführbar sind. Jedoch sind diese Resultate lediglich temporär, da andere Studien momentane Theorien umwerfen könnten. ("Experimentelle Literatur" bezieht sich dabei auf Studien der sogenannten "experimentellen Philosophie", weitere Studien dazu kannst Du hier finden.)[...] the balanced evidence from the experimental literature seems to us to be, so far, in favor of the view that most people have compatibilist intuitions; and that apparent incompatibilist answers can be explained away as the result of a misunderstanding of what determinism really is. However, these results are merely temporary, since other studies can overthrow current theories.
Dr Fraggles hat geschrieben:Meine Position ist folgende: ohne freien Willen keine Verantwortlichkeit oder Schuldfähigkeit. Der freie Wille im Sinne so oder anders handeln können in derselben Situation ist jedem verständlich (das zu bezweifeln scheint mir absurd). Dass es rational nicht begründet werden kann, ist eine ganz andere Sache und hat mit der Verständlichkeit der Idee nichts zu tun (etwas kann verständlich sein, ohne deshalb auch rational stimmig begründet werden zu können).
Dr Fraggles hat geschrieben:Ich behaupte nun, dass diese Idee das Mass für wirkliche Schuldfähigkeit ist. Ohne solche gibt es keine `wirkliche` Verantwortung.
Dr Fraggles hat geschrieben:Was für eine Verantwortung gibt es dann aber? Ich würde sagen, dass die kompatibilistische Differenzierung in Handlungen wo der freie Wille wirkte und anderen wo er nicht wirkte, völlig vernachlässigbar ist. Im Grunde ist es einerlei ob man solche Differenzierungen macht, denn unfrei ist jede Handlung gleichermassen.
Dr Fraggles hat geschrieben:In der Strafpraxis hätte dies zur Folge, dass man gänzlich Abstand nehmen würde vom Schuldstrafrecht und der Vergeltungsidee als Funktion der Strafe. Einzig der Schutz der Gesellschaft wäre noch die massgebende Straffunktion.
Dr Fraggles hat geschrieben:In diesem Kontext erwiese sich natürlich auch die kompatibilistische Unterscheidung als völlig überflüssig (ob er in anderen Bereichen relevant wäre und inwiefern, wäre zu prüfen), zumindest was die Bestrafung betrifft (selbst der Strafbegriff müsste in diesem Kontext eigentlich aufgehoben werden und durch Ideen von Resozialisierungsmassnahmen oder ähnlichem ersetzt werden). Dass dies schwierig ist umzusetzen liegt übrigens daran, dass noch heute die meisten Menschen, wenn auch unreflektiert von einem anders-handeln-können ausgehen (und besonders bei schweren Verbrechen einfach nicht in der Lage zu sein scheinen zu akzeptieren, dass hier auch nur determiniertes Geschehen vorliegt: wer täte sich nicht schwer mit dem Gedanken Hitler oder andere Massenmörder oder überhaupt Mörder nicht zu bestrafen sondern zu resozialisieren).
Dr Fraggles hat geschrieben:Der Kompatibilismus bedient solche Intuition natürlich indirekt, aber nur in seinen Folgen und damit für den von Intuitionen Geleiteten am massgebenden Ort: Bestrafung als Vergeltung. Dem Unbedarften wird es scheinen als sei alles beim alten geblieben, was natürlich keinesfalls der Fall ist, aber wegen kompatibilistischer Semantik-Trickserei keinem wirklich bewusst zu werden braucht.
Vollbreit hat geschrieben:@ Dr Fraggles:
Du stehst, glaube ich, vor folgendem, Dir unauflösbar erscheinenden Konflikt.
Freiheit macht in Deinen Augen nur dann Sinn, wenn jederzeit ein „Ich kann/könnte auch anders“ gilt.
Da im Kompatibilismus alles determiniert gedacht ist, meinst du, das auch-anders-Können, würde wegfallen.
Wenn man zu klären versucht, was „Ich kann/könnte auch anders“ heißen soll, dann macht diese Formulierung m.E. nur so Sinn:
Ich kann mich jederzeit, im Lichte neuer Informationen oder Erkenntnisse, umentscheiden und meine ursprpüngliche Entscheidung revidieren.
Wenn sich neue Fakten ergeben, wenn ich neue Gegenargumente höre, die mich überzeugen, dann bin ich frei, gemäß meines aktuellen Informationsstandes und Einsichtsvermögens begründet anders (oder dennoch so wie zuvor: wenn ich die neuen Erkenntnisse für nicht zu gravierend halte) zu entscheiden.
Ich hatte vorher meine Gründe, warum ich Urlaub in Tirol machen wollte. Nun höre ich Gründe, die (in meiner Werteskala hinreichend) stark dagegen sprechen und entscheide, dann eben nicht nach Tirol zu fahren. Denn ich kann auch anders und habe die Entscheidung sorgsam abgewogen. Diese Möglichkeit gibt es jederzeit.
Mehr Freiheit ist zwar im Kompatibilismus nicht drin, aber mehr Freiheit ist auch nicht nötig, da m.E. alles was man braucht um frei zu sein hier bereits enthalten ist. Wenn Du meinst, es würde etwas fehlen, musst Du angeben, was das sein soll.
Das, was es bei Kompatibilisten immer heißt: Auf der Basis eigener Begründungen entscheiden und handeln zu können.Dr Fraggles hat geschrieben:Was heisst hier "frei sein"? Ausreichend um glücklich sein zu können, ein erfülltes Leben leben zu können, oder ausreichend um Menschen Verantwortung/Schuld zuschreiben zu können?
Dr Fraggles hat geschrieben:Ob ersteres zutrifft, dürfte eine Frage der kontigenten Bedingungen sein unter denen man sein Leben zu leben hat. Dir mag eine solche Freiheit genügen, anderen zweifelsohne nicht (mich inklusive). Ich hätte z.B. in bestimmter Hinsicht andere Bedingungen nötig gehabt, damit der Horizont meiner Handlungsfreiheit mir in gewisser Hinsicht ein befriedigendes Leben erlaubt hätte. Es ist ja nicht nur der Zugang zu Informationen der hier eine Rolle spielt (und selbst solcher steht vielen Menschen hinsichtlich der Möglichkeit ein `gutes Leben` leben zu können nicht zur Verfügung).
Das ist mir bekannt, aber m.E. liegt das daran, dass Du die kompatibilistische Position zwar glaube ich erfasst hast, aber es gelingt Dir nicht, Dein (für mich nachvollziehbares, emotionales) Unbehagen in Worte zu fassen. Ich kann das insofern verstehen, als ich dieses Unbehagen auch jahrelang verspürte, aber wenn man keine Argumente findet -ich habe damals keine mehr gefunden und vor Dir habe ich auch noch keine gelesen, die den dunklen Punkt erhellen, was zu einer wahreren, umfassenderen Freiheit denn nun unbedingt fehlt -, dann lautet die Konsequenz, das Unbehagen als unbegründet zu erkennen und hinter sich zu lassen.Dr Fraggles hat geschrieben:Oder meinst du ausreichend bezüglich moralischer Zurechenbarkeit, Schuldfähigkeit. Auch diesbezüglich bin ich anderer Ansicht. Weder erachte ich Determinismus und Freiheit/Schuldfähigkeit als vereinbar, noch solche Kompatibilität als notwendig um eine Gesellschaft funktionsfähig zu erhalten.
Jürgen Habermas hat geschrieben:Allgemein verstehe ich unter Willensfreiheit den Modus der Selbstbindung des Willens auf der Basis von einleuchtenden Gründen. Willensfreiheit charakterisiert eine Seinsweise – die Art, wie handelnde Personen im Raum der Gründe existieren und wie sie sich von kulturell überlieferten und gesellschaftlich institutionalisierten Gründen affizieren lassen. Das Sprachspiel verantwortlicher Urheberschaft eröffnet einen Horizont, innerhalb dessen sich das ganze Spektrum der Willensfreiheit zwischen „freiem Willen“ und „Willkür“ erstreckt – vom angesonennen reflektierten Gebrauch bis zur normalen oder eingewöhnten Ausübung der Willensfreiheit.
(Jürgen Habermas, Das Sprachspiel verantwortlicher Urherberschaft und das Problem der Willensfreiheit, in Kritik der Vernunft, Suhrkamp 2009, S.282f.)
Doch selbstverständlich. Um einen Fehler zu begehen, muss man zunächst verstehen können, dass es eine Fehler war.Dr Fraggles hat geschrieben:D.h. die Begründung einer "Straf"-Praxis braucht nicht mit irgendwelchen dubiosen Freiheitsbegriffen zu jonglieren um überzeugen zu können.
Nein, das ist eigentlich überhaupt kein Grund.Dr Fraggles hat geschrieben:Die primäre Aufgabe - in einer idealen Gesellschaft: die ausschliessliche - Funktion von Strafe ist der Schutz der Gesellschaft.
Dr Fraggles hat geschrieben:Und anders als Agentprovokateur das sieht, lassen sich die Präventionsideen (spezial oder general, positiv oder negativ) auf jenen des Gesellschaftsschutzes zurückführen. Spezialprävention (also Besserung/Resozialisierung und Abschreckung) bzw. Generalprävention (Abschreckung und Motivierung) lassen sich als Aspekte eines Gesellschaftsschutzes interpretieren (ich würde sogar vermuten, dass Präventionsideen ohne solchen impliziten Bezug zum Gesellschaftsschutz widersinnig wären).
Eine Straftat ist ja oft auch ein Angriff auf die Gesellschaft als solche und das Strafrecht ist auch so ausgelegt. Straftaten müssen verfolgt werden, selbst wenn der von ihr Betroffene sie nicht anzeigt, aus eben diesem Grund. Im Namen des Volkes.Dr Fraggles hat geschrieben:Selbst in einer Gesellschaft mit berechnenden Menschen ("aha, ich begehe ein Verbrechen, werde als ungefährlich eingestuft und komme wieder frei") führt dies nicht zu einem Widerspruch in der Sache.
Ist das niedere Gefühl denn „nieder“.Dr Fraggles hat geschrieben:Das Problem bestünde in der Natur des Menschen (mit dem jede Strafpraxis sich abzumühen hat) und vor allem in der Möglichkeit den je betroffenen Einzelnen richtig einzuschätzen zu können (was auch kein Novum wäre: speziell bei Verwahrungen). Wer als berechnend erkannt würde, hätte dann eben mit anderen "Konsequenzen" zu rechnen. Natürlich steckt der Teufel im Detail, aber hingewiesen sei, dass das deutsche Schuldstrafrecht nicht das einzige Modell ist (siehe z.B. "Défense sociale"). Mir geht es hier nur um die Grundidee. Eine rechtsphilosophische Argumentation die jegliche Eventualitäten abdeckt, kann ich hier (und anderswo) nicht führen. Dass "niedere" Gefühle darauf beharren, dass Schuld/Strafe in einem angemessenen Verhältnis zu stehen haben und erst solche dem Vergeltungsbedürfnis genüge tun kann, trifft wohl auf die Mehrzahl der Menschen zu. Insofern wäre die Hinwendung zur Begründung (ausschliesslich) mittels des Gesellschaftsschutz-Argumentes natürlich ein Ideal.
Dr Fraggles hat geschrieben:In einem Satz: anders können, kann man nie unter den selben Bedingungen, sondern allenfalls wenn diese andere wären. Ich habe ja schon darauf verwiesen, dass solche Interpretation von "können" zu den Tricks bzw. Willkürlichkeiten der Kompatibilisten zählt um ihr Dilemma lösen zu können. Reine Semantik bringt aber gar nichts.
Der Begriff der (kontrakausalen) Willensfreiheit fällt also bereits aus logischen Gründen in sich zusammen: Einerseits soll ich – und nicht der Zufall – der Urheber meiner Handlungen sein, andererseits soll das Wollen dieser Handlung autonom (frei), d. h. von meiner individuellen Natur und damit von mir selbst unabhängig sein. Beides ist nicht zugleich möglich. (Bunge & Mahner 2004; 163)
Dr Fraggles hat geschrieben:Was heisst hier "frei sein"? Ausreichend um glücklich sein zu können, ein erfülltes Leben leben zu können, oder ausreichend um Menschen Verantwortung/Schuld zuschreiben zu können?
Dr Fraggles hat geschrieben:Weder erachte ich Determinismus und Freiheit/Schuldfähigkeit als vereinbar, [...]
Dr Fraggles hat geschrieben:Dass "niedere" Gefühle darauf beharren, dass Schuld/Strafe in einem angemessenen Verhältnis zu stehen haben und erst solche dem Vergeltungsbedürfnis genüge tun kann, trifft wohl auf die Mehrzahl der Menschen zu.
Dr Fraggles hat geschrieben:1) die Aufgabe des Schutzes der Gesellschaft würde in einer entsprechenden "Straf"-Praxis dazu führen, [...]
Dr Fraggles hat geschrieben:2) falls man damit argumentiert, dass Intuitionen schlechte Gründe seien, dann gilt (oder: sollte gelten) dies natürlich auch für die Gefühle/Instinkte welche auf Vergeltung pochen. Ob nun verständliche aber steinzeitlich anmutende menschliche Reaktionsweisen oder verständliche Intuitionen (dass Schuld/Verantwortung ein anders-handeln-können voraussetzt) mehr Gültigkeit beanspruchen kann, sei mal dahingestellt...
Vollbreit hat geschrieben:Das, was es bei Kompatibilisten immer heißt: Auf der Basis eigener Begründungen entscheiden und handeln zu können.Dr Fraggles hat geschrieben:Was heisst hier "frei sein"? Ausreichend um glücklich sein zu können, ein erfülltes Leben leben zu können, oder ausreichend um Menschen Verantwortung/Schuld zuschreiben zu können?
Vollbreit hat geschrieben:Dr Fraggles hat geschrieben:Ob ersteres zutrifft, dürfte eine Frage der kontigenten Bedingungen sein unter denen man sein Leben zu leben hat. Dir mag eine solche Freiheit genügen, anderen zweifelsohne nicht (mich inklusive). Ich hätte z.B. in bestimmter Hinsicht andere Bedingungen nötig gehabt, damit der Horizont meiner Handlungsfreiheit mir in gewisser Hinsicht ein befriedigendes Leben erlaubt hätte. Es ist ja nicht nur der Zugang zu Informationen der hier eine Rolle spielt (und selbst solcher steht vielen Menschen hinsichtlich der Möglichkeit ein `gutes Leben` leben zu können nicht zur Verfügung).
Unsere Freiheit ist begrenzt, durch das was empirisch gegeben ist, sicher. Aber Allmacht und Allwissen erscheinen mir unvernünftig und auch unnötig um von Freiheit zu reden. Ich kann die Freiheit haben etwas zu wollen und in bestimmten Grenzen zu entscheiden, aber wissen, dass sich nicht allem meine Wünsche erfüllen werden.
Dennoch sehe ich einen Unterscheid zwischen einem Menschen, der Entscheidungen treffen und verwirklichen kann, etwas, was sich merhfach täglich tue und einem Meteor, der das nicht kann. Zwischen Meteor und (allmächtigem und allwissendem) Gott, sehe ich genug Raum für Freiheit. Die Geltungsbedingungen sind klar, ich habe sie oben nach mal hingeschrieben.
Vollbreit hat geschrieben:Das ist mir bekannt, aber m.E. liegt das daran, dass Du die kompatibilistische Position zwar glaube ich erfasst hast, aber es gelingt Dir nicht, Dein (für mich nachvollziehbares, emotionales) Unbehagen in Worte zu fassen. Ich kann das insofern verstehen, als ich dieses Unbehagen auch jahrelang verspürte, aber wenn man keine Argumente findet -ich habe damals keine mehr gefunden und vor Dir habe ich auch noch keine gelesen, die den dunklen Punkt erhellen, was zu einer wahreren, umfassenderen Freiheit denn nun unbedingt fehlt -, dann lautet die Konsequenz, das Unbehagen als unbegründet zu erkennen und hinter sich zu lassen.Dr Fraggles hat geschrieben:Oder meinst du ausreichend bezüglich moralischer Zurechenbarkeit, Schuldfähigkeit. Auch diesbezüglich bin ich anderer Ansicht. Weder erachte ich Determinismus und Freiheit/Schuldfähigkeit als vereinbar, noch solche Kompatibilität als notwendig um eine Gesellschaft funktionsfähig zu erhalten.
Vollbreit hat geschrieben:Ich kann in dieser inkompatibilistisch gemeineten Version nur keinen wesentlichen Unterschied zur kompatibilistischen Position finden.
Die Fähigkeit zur rationalen Selbstverspflichtung ist für Habermas konstitutiv, aber das ist in einigen Versionen des Kompatibilismus m.E. gegeben.
Auch Habermas scheint ein Unbehagen gegenüber dem allzu Automatenhaften zu verspüren, das kann ich nachvollziehen. Aber die Klärung der Frage nach der Willenfreiheit kreist ja um den Punkt, ob diese unter deterministischen Bedingungen möglich ist und die Antwort lautet, m.E., dass dies der Fall ist.
Und noch einamal: Innehalten, abwägen und Grüne angeben können, die ich derzeigt als überzeugend ansehen, das reicht.
Wenn nicht: Was fehlt?
Vollbreit hat geschrieben:Doch selbstverständlich. Um einen Fehler zu begehen, muss man zunächst verstehen können, dass es eine Fehler war.Dr Fraggles hat geschrieben:D.h. die Begründung einer "Straf"-Praxis braucht nicht mit irgendwelchen dubiosen Freiheitsbegriffen zu jonglieren um überzeugen zu können.
Vollbreit hat geschrieben:Nein, das ist eigentlich überhaupt kein Grund.Dr Fraggles hat geschrieben:Die primäre Aufgabe - in einer idealen Gesellschaft: die ausschliessliche - Funktion von Strafe ist der Schutz der Gesellschaft.
Es gibt gute Gründe, jemanden mit einer hochinfektiösen Krankheit in Quarantäne zu stecken, um die Gesellschaft zu schützen, aber das ist doch keine Strafe.
Vollbreit hat geschrieben:Nehmen wir an, jemand hätte nachweislich 10 Kinder vergewaltigt. Nicht getötet, nicht über das sexuelle Maß hinaus gequält, „nur“ vergewaltigt. Nun gibt es ein Medikament, das ihn zuverlässig chemisch kastriert, so dass sicher ist, dass er nie wieder jemanden vergwaltigen kann und ebenfalls ist gesichtert, dass er nicht aggressiv gegen Kinder ist. Würdest Du es für gerechtfertigt halten, dass dieser Mensch ungestraft nach Einahme des Medikaments ganz normal in unserer Gesellschaft weiterlebt, ohne eine Strafe zu verbüßen, da es ja nur um Schutz geht?
Vollbreit hat geschrieben:Dr Fraggles hat geschrieben:Und anders als Agentprovokateur das sieht, lassen sich die Präventionsideen (spezial oder general, positiv oder negativ) auf jenen des Gesellschaftsschutzes zurückführen. Spezialprävention (also Besserung/Resozialisierung und Abschreckung) bzw. Generalprävention (Abschreckung und Motivierung) lassen sich als Aspekte eines Gesellschaftsschutzes interpretieren (ich würde sogar vermuten, dass Präventionsideen ohne solchen impliziten Bezug zum Gesellschaftsschutz widersinnig wären).
Erscheint mir zu kurz gedacht, da wir das uns eigene Gerechtigkeitsempfinden mitbedenken müssen.
Vollbreit hat geschrieben:Das hat durchaus auch Einzug in die Psychothertapie gefunden. Es kann sein, dass man den Partner kränkt, ohne es zu wollen.
Streit gibt es dann, wenn man nun versucht sich zu rechtfertigen: „Das habe ich doch so gar nicht gemeint.“ Kann schon sein, aber dennoch kann es sein, dass man eben ungewollt den anderen dennoch verletzt hat. Hier geht es um das Element der Entschuldigung Wiedergutmachtung, das anerkennt, dass man dem anderen weh getan hat und fragt, was man tun kann, damit wieder alles in Ordnung ist. Wenn es gut läuft, kann der andere sagen: „Ja, da gibt es was, was du machen kannst“ und danach ist die Sache für beide vom Tisch.
Vollbreit hat geschrieben:Ich wundere mich auch, warum Du im Falle der Strafe so eine mechanistische Sicht favorisierst, die Du bei der Willensfreiheit offenbar ablehnst.
Vollbreit hat geschrieben:Ein weiteres Argument ist, dass man notorischen Straftätern aufzeigen muss, dass sie sich nicht alles erlauben können. Das ist wichtig, weil überhebliche Grandiosität und das Gefühl jeden nach Belieben manipulieren zu können fast immer in der Psyche von Straftätern zu finden ist. Strafe und Therapie schließen sich m.E. nicht aus, sondern sollten sinnvoll ergänzt werden. (Übrigens auch der Schutz vor primzipiell, pathologisch bedingt, uneinsichtigen Tätern, die es in geringer Zahl gibt.)
Vollbreit hat geschrieben:Eine Straftat ist ja oft auch ein Angriff auf die Gesellschaft als solche und das Strafrecht ist auch so ausgelegt. Straftaten müssen verfolgt werden, selbst wenn der von ihr Betroffene sie nicht anzeigt, aus eben diesem Grund. Im Namen des Volkes.Dr Fraggles hat geschrieben:Selbst in einer Gesellschaft mit berechnenden Menschen ("aha, ich begehe ein Verbrechen, werde als ungefährlich eingestuft und komme wieder frei") führt dies nicht zu einem Widerspruch in der Sache.
Vollbreit hat geschrieben:Ist das niedere Gefühl denn „nieder“.Dr Fraggles hat geschrieben:Das Problem bestünde in der Natur des Menschen (mit dem jede Strafpraxis sich abzumühen hat) und vor allem in der Möglichkeit den je betroffenen Einzelnen richtig einzuschätzen zu können (was auch kein Novum wäre: speziell bei Verwahrungen). Wer als berechnend erkannt würde, hätte dann eben mit anderen "Konsequenzen" zu rechnen. Natürlich steckt der Teufel im Detail, aber hingewiesen sei, dass das deutsche Schuldstrafrecht nicht das einzige Modell ist (siehe z.B. "Défense sociale"). Mir geht es hier nur um die Grundidee. Eine rechtsphilosophische Argumentation die jegliche Eventualitäten abdeckt, kann ich hier (und anderswo) nicht führen. Dass "niedere" Gefühle darauf beharren, dass Schuld/Strafe in einem angemessenen Verhältnis zu stehen haben und erst solche dem Vergeltungsbedürfnis genüge tun kann, trifft wohl auf die Mehrzahl der Menschen zu. Insofern wäre die Hinwendung zur Begründung (ausschliesslich) mittels des Gesellschaftsschutz-Argumentes natürlich ein Ideal.
Du hast das Gefühl, es ginge um Rache und das ist in der Tat ein eher primitiver Affekt. Wiedergutmachung, Reue (wie sollte ein Täter Reue empfinden können, wenn er einfach chemisch umprogrammiert wird?) sind komplexe Empfindungen, die wir einem psychisch normalen Menschen zusprechen.
Dass es andere Möglichkeiten der Bestrafung gibt, mag sein und es ist gewiss nicht falsch, sie sich anzuschauen, aber dann müssen eben auch Vor- und Nachteile erörtert und abgewogen werden.
Damit unterstellst Du mir – wie im Folgenden noch öfter –, dass ich vollkommen unreflektiert durchs Leben gehe, was ich nicht so empfinde.Dr Fraggles hat geschrieben:Dass du völlig determiniert bist, irritiert dich nicht? Solange du im Lebensfluss bist, d.h. deine determinierte Willensbildungspraxis nicht reflektierst, mag das nachvollziehbar sein.
Nun, wie schon öfter erwähnt, glaube ich nicht an einen umfassenden Determinismus.Dr Fraggles hat geschrieben:Das zeigt sich ja daran, dass du dich als "entscheidende" Entität empfindest. Würdest du den Willensbildungsprozess als das Wahrnehmen was er ist: ein determinieter Prozess, würdest du nicht mehr von Entscheiden reden...und du müsstest zugeben, dass dir die Illusion nicht durchgehend determiniert zu sein doch wichtig ist!
Es ist, je nach Betrachtung, irrational oder willkürlich.Dr Fraggles hat geschrieben:Eine Definition der inkompatibilistischen Freiheit ist doch bekannt: unter denselben Bedingungen auch anders handeln/sich entscheiden können. Ich behaupte, dass dies verständlich ist.
Warum sollte man?Dr Fraggles hat geschrieben:Nicht wenn man die Idee von Freiheit fallen lässt.
Natürlich ist es auch das, denn „Einsicht ist der erste Weg zur Besserung“, was mehr als eine Floskel ist.Dr Fraggles hat geschrieben:Ob man einen Fehler einsieht oder nicht, ist dann nur indirekt relevant bezüglich des Strafmasses. Nur insofern das Einsehen bzw. nicht Einsehen (wie jeder andere Aspekt) relevant ist bezüglich der Gefährlichkeit einer Person müsste es gewichtet werden.
Dann sind wir ja an der Stelle einig.Dr Fraggles hat geschrieben:Natürlich gibt es Massnahmen die keinen Strafcharakter haben und dennoch dem Schutz der Gesellschaft dienen.
Hier weniger, auch als Ideal.Dr Fraggles hat geschrieben:Wie ich ja überhaupt der Straf-Begriff für besser abgeschafft halte (als Ideal).
Weil ich denken würde, dass, wenn jemand auf der Ebene nicht versteht, was er falsch gemacht hat, er auch dann noch eine Gefahr darstellt, wenn ihm genau diese eine Ebene medikamentös dicht gemacht wird, da ich begründbar vermute, dass dieser Mensch, der bestimmte Grenzen überschritten hat, dies auch auf analogen Ebenen tun könnte.Dr Fraggles hat geschrieben:Ja, sofern gesichert wäre, dass das Medikament mit 100% Sicherheit weitere Vergehen verhindert. Warum ihn strafen wenn er keine Gefahr mehr darstellt?
Nein, Du verstehst mich hier nicht, ich hatte beim letzten Mal exakt in die andere Richtung, über Rache hinaus in den Beriech von Reue, Entschuldigung, Wiedergutmachung und Verzeihen argumentiert.Dr Fraggles hat geschrieben:Aber ich verstehe dich: es ist dermassen tief in der menschlichen Natur verankert, dass Strafe unabdingbar ist (vor allem aus primitiven Rachebedürfnissen, Vergeltungsideen).
Der ominöse Schutz der Gesellschaft ist in meinen Augen kein absoluter Wert.Dr Fraggles hat geschrieben:Ja, aber immer nur indirekt bezüglich dem Schutz der Gesellschaft. Jeder Aspekt hat sein Daseinsrecht, aber nur bezüglich dieses einen Zieles. Spielt er diesbezüglich keine Rolle kann er vernachlässigt werden.
Hier geht es nicht nur um die verletzte Person, sondern darum, dass ein Angriff aurf eine Privatperson jenseits einer bestimmten Grenze, die der juristischen Straftat, immer auch eine Angriff auf die Gesellschaft und ihre verabredeten Werte bedeutet.Dr Fraggles hat geschrieben:Dein Beispiel exemplifiziert beides. Es geht der verletzten Person um die Gewissheit, dass eine solche Verletzung nicht nochmals geschieht UND um Vergeltung (was du als Widergutmachung bezeichnest).
Andersrum. Wie therapierst Du jemanden, der hochmanipulativ ist und selbstverständlich der Aussicht auf ein bisschen Psychoblabla gerne nachkommt, wenn er damit eine lange Haftstrafe verkürzen oder umgehen kann? Ein intelligenter Narzisst mit knackigen psychopathischen Anteilen führt da jeden Therapeuten an der Nase herum.Dr Fraggles hat geschrieben:Wenn Therapie möglich ist, dann wird damit die Gefährlichkeit des ehemaligen Täters (genau genommen ist er nach der Therapie nicht mehr dieselbe Person!) idealerweise aufgehoben. Ist dies so, braucht es nicht auch noch Strafe. Wozu auch?
Das wäre interessant.Dr Fraggles hat geschrieben:Mir geht es hier um etwas anderes: dass ein Strafrecht welches den Focus ausschliesslich auf den Schutz der Gesellschaft ausrichtet, nicht dazu führen würde, dass (weil Strafe nicht mehr notwendig der Straftat entsprechen müsste!) man berechnend ("man wird mich als nicht gefährlich einschätzen und dann muss ich keine Strafe verbüssen") das System täuschen, ausnützen könnte.
Petitio principii.Dr Fraggles hat geschrieben:Wie etwas bereuen was anders gar nicht möglich war!?
Dr Fraggles hat geschrieben:Ich weiss: mein Standpunkt ist extrem aber ich zeichne lediglich aus was ein ernst nehmen des Determinismus impliziert.
Vollbreit hat geschrieben:Damit unterstellst Du mir – wie im Folgenden noch öfter –, dass ich vollkommen unreflektiert durchs Leben gehe, was ich nicht so empfinde.Dr Fraggles hat geschrieben:Dass du völlig determiniert bist, irritiert dich nicht? Solange du im Lebensfluss bist, d.h. deine determinierte Willensbildungspraxis nicht reflektierst, mag das nachvollziehbar sein.
Vollbreit hat geschrieben:Damit unterstellst Du mir – wie im Folgenden noch öfter –, dass ich vollkommen unreflektiert durchs Leben gehe, was ich nicht so empfinde.Dr Fraggles hat geschrieben:Dass du völlig determiniert bist, irritiert dich nicht? Solange du im Lebensfluss bist, d.h. deine determinierte Willensbildungspraxis nicht reflektierst, mag das nachvollziehbar sein.
Aber das als Dauerargument anzuführen, von dem Deine Deutung der Als-ob-Haftigkeit meines Lebens ausgeht, ist auch jenseits meiner Empfindung schlicht ein Fehlschluss.
Vollbreit hat geschrieben:Nun, wie schon öfter erwähnt, glaube ich nicht an einen umfassenden Determinismus.Dr Fraggles hat geschrieben:Das zeigt sich ja daran, dass du dich als "entscheidende" Entität empfindest. Würdest du den Willensbildungsprozess als das Wahrnehmen was er ist: ein determinieter Prozess, würdest du nicht mehr von Entscheiden reden...und du müsstest zugeben, dass dir die Illusion nicht durchgehend determiniert zu sein doch wichtig ist!
Dessen ungeachtet, finde ich das kompatibilistische Gedankenexperiment aber logisch konsistent.
In der Tat fühle ich mich einigermaßen selbstbestimmt, mit den üblichen Einschränkungen, glaube aber, dass sich das auch im kompatibilistischen Licht nicht verfärbt. Mehr als das zu wählen, was mir nach kritischer Prüfung als beste Lösung erscheint, ist ja schon als Konstrukt nicht denkbar.
Würde ich anderes wählen, als mir richtig und wichtig erscheint, wäre das irrational und mir hat bislang niemand erklären können, wo und wie Irrationalität die Freiheit vergößert. Für den angeblichen Zugewinn an Freiheit durch Zufall schließe ich mich der Einfachheit halber Agent an, bessere Argumente kenne ich auch nicht.
Vollbreit hat geschrieben:Es ist, je nach Betrachtung, irrational oder willkürlich.Dr Fraggles hat geschrieben:Eine Definition der inkompatibilistischen Freiheit ist doch bekannt: unter denselben Bedingungen auch anders handeln/sich entscheiden können. Ich behaupte, dass dies verständlich ist.
Wenn ich nach sorgsamer Abwägung aller guten Gründe zu der Auffassung komme ich sollte dringend meinen Beruf wechseln, dann erscheint es mir nicht rational, sondern eben irrational, wenn ich, so wie ich bin, in der selben Situation, in der ich die Gründe identisch gewichte, meine privaten Vorlieben und Abneigungen genauso sind wie beim letzten mal, nun zu dem Schluss kommen, dass ich den Job unter allen Umständen behalten sollte.
Ich kann nicht gegen die Todesstrafe argumentieren und in der exakt selben Situation, bei Wahrung aller Umstände (so wie ich gestrickt bin, so wie die Argumente sind und von mir bewertet werden) nun zu dem Ergebnis kommen, dass die Todesstrafe eine hervorragende Option sei.
Ich kann nicht am Traualtar meinen Herzenswunsch bebend wahr werden lassen und „Ja“ (endlich) sagen und bei der gleichen Disposition, derselben Frau in dem Moment sagen: „Och nö, doch nicht.“ Das ist reine Willkür und warum Willkür die Freiheit vergrößert ist mir nicht klar und konnte mir bisher niemand erklären.
Wenn du sagst du hätteest keine Idee davon was es heisst auch anders handeln zu können, dann bleibt mir nichts anderes übrig als dir entweder bewusste oder halbbewusste Selbstlüge zu unterstellen oder dass du mich für blöd verkaufen willst.Vollbreit hat geschrieben:Im weiteren rutschst Du wieder in eine ad hominem und zirkuläre Argumentation. Es ist so, weil es stimmt und weil es wahr ist und wer das nicht versteht, der ist eben blöd. Mehr ist das leider nicht.
Vollbreit hat geschrieben:Warum sollte man?Dr Fraggles hat geschrieben:Nicht wenn man die Idee von Freiheit fallen lässt.
Der Kompatibilismus zeigt, dass man es selbst unter maximal determinierten Bedingungen gar nicht muss, ohne inkonsistent zu werden.
Vollbreit hat geschrieben:Natürlich ist es auch das, denn „Einsicht ist der erste Weg zur Besserung“, was mehr als eine Floskel ist.Dr Fraggles hat geschrieben:Ob man einen Fehler einsieht oder nicht, ist dann nur indirekt relevant bezüglich des Strafmasses. Nur insofern das Einsehen bzw. nicht Einsehen (wie jeder andere Aspekt) relevant ist bezüglich der Gefährlichkeit einer Person müsste es gewichtet werden.
Um beim nächsten Mal einen Fehler nicht mehr zu begehen, muss ich doch erst mal verstehen, dass ich einen begangen habe und worin der nun besteht.
Wir bestrafen doch weder Hunde und Narren noch kleine Kinder, weil ihnen eben gerade diese Möglichkeit zur Einsicht fehlt.
Vollbreit hat geschrieben:Dann sind wir ja an der Stelle einig.Dr Fraggles hat geschrieben:Natürlich gibt es Massnahmen die keinen Strafcharakter haben und dennoch dem Schutz der Gesellschaft dienen.
Vollbreit hat geschrieben:Weil ich denken würde, dass, wenn jemand auf der Ebene nicht versteht, was er falsch gemacht hat, er auch dann noch eine Gefahr darstellt, wenn ihm genau diese eine Ebene medikamentös dicht gemacht wird, da ich begründbar vermute, dass dieser Mensch, der bestimmte Grenzen überschritten hat, dies auch auf analogen Ebenen tun könnte. Und ich kann mir derzeit kein Medikament vorstellen, dass die Empathiefähigkeit anknipst.Dr Fraggles hat geschrieben:Ja, sofern gesichert wäre, dass das Medikament mit 100% Sicherheit weitere Vergehen verhindert. Warum ihn strafen wenn er keine Gefahr mehr darstellt?
Ja, die edlen Gefühle...nur was rein deterministisch geschieht kann doch schwerlich edel sein, oder? Warum sollte ein auf deterministischem Wege zustande gekommene Entschuldigung wertvoll sein? Doch nur wenn man es ausserhalb eines solchen Kontextes interpretiert. Zudem betrachte ich Reue etc. als sublimierte Formen/Abwandlungen von basaleren Gefühlen und Instinkten. Wiedergutmachung ist nichts anderes als Vergeltung auf sublimierten Ebene. Verzeihen wenn denn so edel würde zudem eigentlich meiner Position in die Hände spielen: wer verzeiht, entbindet den anderen von Schuld und Strafe. Aber gerade Verzeihen ist auch dermassen unverträglich mit dem Determinismus, dass ich einfach nur staunen kann, wie du einerseits den Determinismus (mit einer Portion Zufall gewürzt) als wahr behauptest und zugleich in der Lage bist das Edle und Würdevolle zu behaupten. Erstaunlich, Wenn nur mir das gelingen würde (gelingt mir nur in unreflektierten Momenten wo mir das Bewusstsein des Determinismus gänzlich abhanden kommt).Vollbreit hat geschrieben:Nein, Du verstehst mich hier nicht, ich hatte beim letzten Mal exakt in die andere Richtung, über Rache hinaus in den Beriech von Reue, Entschuldigung, Wiedergutmachung und Verzeihen argumentiert. Du hast mich mit der Deutung „Spaß an der Rache“ also vollkommen falsch verstanden.Dr Fraggles hat geschrieben:Aber ich verstehe dich: es ist dermassen tief in der menschlichen Natur verankert, dass Strafe unabdingbar ist (vor allem aus primitiven Rachebedürfnissen, Vergeltungsideen).
Vollbreit hat geschrieben:Der ominöse Schutz der Gesellschaft ist in meinen Augen kein absoluter Wert.Dr Fraggles hat geschrieben:Ja, aber immer nur indirekt bezüglich dem Schutz der Gesellschaft. Jeder Aspekt hat sein Daseinsrecht, aber nur bezüglich dieses einen Zieles. Spielt er diesbezüglich keine Rolle kann er vernachlässigt werden.
Er würde, isoliert gesehen, einen paranoiden Überwachsungsstaat rechtfertigen, den ich als nicht wünschenswert und gerechtfertigt ansehe.
Vollbreit hat geschrieben:Hier geht es nicht nur um die verletzte Person, sondern darum, dass ein Angriff aurf eine Privatperson jenseits einer bestimmten Grenze, die der juristischen Straftat, immer auch eine Angriff auf die Gesellschaft und ihre verabredeten Werte bedeutet.Dr Fraggles hat geschrieben:Dein Beispiel exemplifiziert beides. Es geht der verletzten Person um die Gewissheit, dass eine solche Verletzung nicht nochmals geschieht UND um Vergeltung (was du als Widergutmachung bezeichnest).
Vergeltung und Wiedergutmachung entsprechen einander nicht. Vergeltung ist der Wunsch des Opfer, das Verlangen nach Wiedergutmachung ist im besten Fall ein Wunsch des Täters und eine Konsequenz aus gefühlter Reue.
Vollbreit hat geschrieben:Andersrum. Wie therapierst Du jemanden, der hochmanipulativ ist und selbstverständlich der Aussicht auf ein bisschen Psychoblabla gerne nachkommt, wenn er damit eine lange Haftstrafe verkürzen oder umgehen kann? Ein intelligenter Narzisst mit knackigen psychopathischen Anteilen führt da jeden Therapeuten an der Nase herum.Dr Fraggles hat geschrieben:Wenn Therapie möglich ist, dann wird damit die Gefährlichkeit des ehemaligen Täters (genau genommen ist er nach der Therapie nicht mehr dieselbe Person!) idealerweise aufgehoben. Ist dies so, braucht es nicht auch noch Strafe. Wozu auch?
Therapie von Menschen auf dieser Ebene der Pathologie hat immer auch stark mit Grenzsetzungen zu tun (das hat auch therapeutischen Gründe) und gesetzte Grenzen sind nur dann effektiv, wenn bei ihrer Überschreitung auch Konsequenzen folgen.
Was meinst du denn, wir sehr den sogenannten Intensivtäter, der mit 18 schon 100 Einbrüche und 50 Körperverlezungen und 70 BTM-Delikte begangen hat, die Rede von der Empathie interessiert?
Vollbreit hat geschrieben:Das wäre interessant.Dr Fraggles hat geschrieben:Mir geht es hier um etwas anderes: dass ein Strafrecht welches den Focus ausschliesslich auf den Schutz der Gesellschaft ausrichtet, nicht dazu führen würde, dass (weil Strafe nicht mehr notwendig der Straftat entsprechen müsste!) man berechnend ("man wird mich als nicht gefährlich einschätzen und dann muss ich keine Strafe verbüssen") das System täuschen, ausnützen könnte.
Und warum wäre das Deiner Meinung nach nicht der Fall?
Vollbreit hat geschrieben:Petitio principii.Dr Fraggles hat geschrieben:Wie etwas bereuen was anders gar nicht möglich war!?
Das kann man Dir nicht jedes Mal erklären.
Vollbreit hat geschrieben:Dr Fraggles hat geschrieben:Ich weiss: mein Standpunkt ist extrem aber ich zeichne lediglich aus was ein ernst nehmen des Determinismus impliziert.
Das Extreme ist nicht das Problem.
Dein Beitrag ist großenteils ein Sammelsurium an Fehlschlüssen und unzureichend oder gänzlich unbegründeten Behauptungen.
Sehr viel ad hominem, einige zirkuläre Schlüsse und etwas, was Deiner Meinung nach jeder einsehen muss, ohne dass Du begründen kannst, warum und wieso.
ice hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Damit unterstellst Du mir – wie im Folgenden noch öfter –, dass ich vollkommen unreflektiert durchs Leben gehe, was ich nicht so empfinde.Dr Fraggles hat geschrieben:Dass du völlig determiniert bist, irritiert dich nicht? Solange du im Lebensfluss bist, d.h. deine determinierte Willensbildungspraxis nicht reflektierst, mag das nachvollziehbar sein.
Ich nehme an, dass Dr Fraggles natürlich nicht meint, dass du vollkommen unreflektiert durchs Leben gehst (ich denke eher das Gegenteil von dir)- sondern er meint, soweit ich das verstehe, dass du den Determinismus vielleicht nicht zu Ende denkst. Wer das macht, ist eben irritiert. Ich kann das gut nachvollziehen, weil ich schon viel darüber nachgedacht habe.
Der springende Punkt ist der, dass, wenn (fast) alles determiniert ist, Nachdenken, Inne-halten und Reflektieren vor dem Entscheiden auch sehr wahrscheinlich determiniert sind, weil es Gründe/Ursachen geben muss, die zu solchen kognitiven Tätigkeiten führen. Diese Gründe/Ursachen sind uns zu einem kleinen Teil bewusst - der große Rest läuft unbewusst ab und ist uns meist nicht zugänglich. Diese bewussten Teile sind der Grund, warum wir meinen, dass wir frei entscheiden können - und das auch ständig im Alltag tun. So wie ich zB hier ganz bewusst und frei einen Beitrag schreibe. Aber die wirklichen Gründe/Ursachen für dieses Schreiben verlieren sich im Dunkeln der Vergangenheit, sobald ich anfange darüber nachzudenken. Das meint Dr Fraggles wahrscheinlich mit Lebensfluss bzw. Willensbildungspraxis. Wir leben meistens unreflektiert dahin, wollen dies oder das, entscheiden und handeln wie wir eben wollen. Das funktioniert auch soweit ganz gut im Alltag. Sobald man aber anfängt, diesen Lebensfluss zu reflektieren und die These untersucht, wie es wäre, wenn alles determiniert ist, dann schlittert man unweigerlich in eine existentielle Irritation, weil Selbstverständlichkeiten wie Freiheit und Verantwortung plötzlich hinterfragt werden.
Ich kann das, wie gesagt, gut nachvollziehen und verstehen. Trotzdem neige ich zum Kompatibilismus, weil er lebenspraktischer ist - nicht unbedingt weil er mich theoretisch/philosophisch überzeugt.
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