Leidenschaftliches Motto

Bei technischen Problemen oder für administrative Fragen.

Beitragvon Tapuak » Do 26. Jul 2007, 17:54

Sisyphos hat geschrieben:Eher ungünstig. In Diskussionen erwehren wir uns immer wieder der Unterstellung, wir würden unser Weltbild mit religiöser Inbrunst vertreten, bzw. die Rationalität gottgleich verehren. So ein Motto wäre nur Wasser auf die Mühlen. Außerdem ist der Begriff der Tugend (was ist das eigentlich?) nicht mehr sehr zeitgemäß.

Das sehe ich ähnlich. Vor allem der Vorwurf, Wissenschaft oder Vernunft seien eben auch nur ein "Glaubensbekenntnis" und somit praktisch auch nur eine Religion, kommt fast so oft vor wie der Hitler- und Stalinverweis. Man sollte diesen sattsam bekannten (und widerlegten) Argumenten nicht noch Vorschub leisten, indem man von "Gottheiten" und "anbeten" spricht.

Zumindest meine persönliche Einstellung zur Rationalität gibt ein solches Vokabular auch relativ schlecht wieder - selbst dann, wenn man es nur "poetisch" versteht. Rationalität ist eine Einstellung oder Methode zur Gewinnung von Erkenntnissen. Keine besonders gute, aber eben die am wenigsten schlechte, die uns bekannt ist. Deswegen ziehe ich sie anderen noch schlechteren Methoden vor, aber ich bin weit davon entfernt, die bescheidenen Möglichkeiten der menschlichen Rationalität anzubeten.
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Beitragvon Max » Do 2. Aug 2007, 13:35

Falk hat geschrieben:Vor allem können auch die Supers "Tugend, Vernunft, Wahrheit" problemlos für sich reklamieren.


Das liegt wohl daran, dass diese Begriffe leere Begriffshülsen sind; man kann schlichtwegs alles in sie hineininterpretieren, oder etwas subtiler: ihnen jede beliebige Bedeutung geben.

Am leersten ist wohl der Begriff "Tugend". Er ist eine reine Wertung, ohne irgendeinen Gehalt. Der Begriff sagt, gleich welche Bedeutung man ihm beimisst, gar nichts über die Realität aus. In jedem Falle drückt er nur eines aus: Man findet dieses oder jenes positiv. Wie sich die Geschmäcker unterscheiden, ´so schwankt die Bedeutung des Begriffs "Tugend".

Das Wort "Vernunft" ist schon schwerer inhaltlich zu enthöhlen. Der Begriff hat wenigstens einigermaßen intersubjektive Bedeutung; d.h. die verschiedenen Verwendungen gehen nicht so weit auseinander wie beim Begriffe der Tugend. Dennoch bezeichnen Evangelikale ihren Schöpfungsmythos als vernünftig oder nennen ihren Schluss "reine menschliche Logik" (Zitat aus einer persönlichen Diskussion; ist wahrscheinlich keine Anspielung...), dass der gesamte Bibelinhalt wahr ist, nur weil eine Prophezeiung sich ereignet hat.

Heute in unserer postmodernen Zeit hat dann auch die Wahrheit ihre Bedeutung verloren: Alles ist relativ - so heißt es nicht selten. Man meint, die Wahrheit von Normen, aber auch von deskriptiven Aussagen hängt nur von ihrem Umfeld ab. In Afghanistan sieht die Wahrheit anders aus als hierzulande...
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Beitragvon Kival » Do 2. Aug 2007, 13:37

Normen können nicht wahr oder falsch sein. :^^:
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Beitragvon Max » Do 2. Aug 2007, 13:42

Kival hat geschrieben:Normen können nicht wahr oder falsch sein. :^^:


Stimmt, aber immerhin richtig oder falsch.
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Beitragvon Kival » Do 2. Aug 2007, 15:18

Gemessen an was?
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Beitragvon Max » Do 2. Aug 2007, 15:22

pragmatische Kriterien, Konsequenzen.
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Beitragvon HF******* » Do 2. Aug 2007, 15:24

Gemessen an dem Grad der Eignung zum Erreichen des erstrebten Ziels, das mit der Norm verfolgt wird - und den Nebenwirkungen.
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Beitragvon Kival » Fr 3. Aug 2007, 01:23

HFRudolph hat geschrieben:Gemessen an dem Grad der Eignung zum Erreichen des erstrebten Ziels, das mit der Norm verfolgt wird - und den Nebenwirkungen.


Und kann das Ziel wahr oder richtig sein?
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Beitragvon [C]Arrowman » Fr 3. Aug 2007, 06:26

Wahr ist ein Ziel nicht, aber richtig, im Kontext bestimmter Moralvorstellungen.

Im Utilitarismus ist ein Ziel immer dann richtig, wenn es einen Nutzen für den Menschen hat. Von dem Nutzenwert muss man aber die Kosten die man hat um das Ziel zu erreichen abziehen (Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel).
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Beitragvon Kival » Fr 3. Aug 2007, 16:13

[C]Arrowman hat geschrieben:Wahr ist ein Ziel nicht, aber richtig, im Kontext bestimmter Moralvorstellungen.


Aha, also ein Zirkelschluss?

Im Utilitarismus ist ein Ziel immer dann richtig, wenn es einen Nutzen für den Menschen hat. Von dem Nutzenwert muss man aber die Kosten die man hat um das Ziel zu erreichen abziehen (Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel).


Na, wir kommen der Sache näher, wobei die Frage bleibt: Wer entscheidet, was einen Nutzen für die Menschen hat?
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Beitragvon Klaus » Fr 3. Aug 2007, 16:32

In erster Linie der Betreffende selbst.
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Beitragvon Kival » Fr 3. Aug 2007, 16:43

Aha, also ist die Zielsetzung wohl doch subjektiv und es gibt kein objektiv richtiges, sondern es gibt nur die Möglichkeit sich auf ein Ziel zu einigen und dann objektiv zu untersuchen, wie man am besten zu dem Ziel gelangt.

Genug Advocatus Diaboli gespielt: http://www.opensociety.de/Web1/pdf-Date ... eEthik.pdf ,-)
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Beitragvon [C]Arrowman » Fr 3. Aug 2007, 17:32

Objetivierbar ist es schon, bsp.

soll ich einen Jumbojet mit Terrors abschießen lassen oder darauf warten in welches Hochhaus er sich stürtzt. Es würde immer weniger Menschenleben kosten den Jumbo gleich über freiem Gelände abzuschießen. Simple Mathematik.
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Beitragvon Klaus » Fr 3. Aug 2007, 17:44

Hm, wir sprechen von Nutzen, nicht von Schadens-ab - oder begrenzung.
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Beitragvon Kival » Fr 3. Aug 2007, 17:48

[C]Arrowman hat geschrieben:Objetivierbar ist es schon, bsp.

soll ich einen Jumbojet mit Terrors abschießen lassen oder darauf warten in welches Hochhaus er sich stürtzt. Es würde immer weniger Menschenleben kosten den Jumbo gleich über freiem Gelände abzuschießen. Simple Mathematik.


Das hat nichts mit den Zielen zu tun: Ein Ziel wäre z. B.: "Menschenleben schützen" - wie das am besten geschieht ist objektivierbar aber nicht das Ziel selber. Du kannst Rekurs auf Interessen nehmen, aber auch dann sind es immer nur gewollte Ziele, die ihre Berechtigung alleine daraus ziehen, gewollt zu werden.

Übrigens wäre bei deinem Fall viele weitere Fragen zu erörtern, denn hier hättest Du eine Menge Zielkonflikte - die Lösung dieses Problem ist nur "aus dem Bauch" (also wieder subjektiv) oder mit weitaus weniger simpler Mathematik möglich. Insgesamt würde eine Objektivierung der Ethik eine ganze Menge an anspruchsvollem mathematischen Werkzeug verlangen.
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Beitragvon Kival » Fr 3. Aug 2007, 17:53

Klaus hat geschrieben:Hm, wir sprechen von Nutzen, nicht von Schadens-ab - oder begrenzung.


M. E. ist es eine sinnvolle Verallgemeinerung vom Terminus "Nutzen" abstand zu nehmen und von intersubjektiv konsenten Zielen zu sprechen, die man erreichen will. In Hinblick auf diese lässt sich dann berechnen, was dazu dienlich ist, diese Ziele zu erreichen; letztlich müssen aber auch die Ziele fallibel bleiben, sie wären im mathematischen Sinne mit Eigenwerten zu vergleichen; aber es bleibt dabei, das man sich auf Ziele einigen muss, das erfordert eine Entscheidung, die letztendlich nicht mehr rein rational möglich ist - man kann das neo-analytischen Utiltarismus nennen, wenn man will. =)
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Beitragvon Klaus » Fr 3. Aug 2007, 18:09

@Kival d´accord
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Beitragvon Tapuak » Fr 3. Aug 2007, 18:47

Kival hat geschrieben:aber es bleibt dabei, das man sich auf Ziele einigen muss, das erfordert eine Entscheidung, die letztendlich nicht mehr rein rational möglich ist

Das ist richtig, nur möchte ich hier noch gerne ergänzen, dass dies in anderen Bereichen auch nicht anders ist. Das der Wissenschaft inhärente Ziel der Gewinnung intersubjektiver Erkenntnisse kann man z.B. auch nicht so "begründen", dass es "objektiv richtig" wäre. In der Wissenschaft besteht also prinzipiell das selbe Problem wie in der Ethik, mit dem Unterschied, dass über die Ziele der Wissenschaft vielleicht etwas mehr Konsens besteht als über die Ziele der Ethik.

Aber auch die Ziele der Wissenschaft sind ja keineswegs unumstritten. In allen Bereichen ist der rationalen Suche nach guten Problemlösungen also ein "Ringen" um die Ziele vorgelagert, das natürlich nicht rein rational sein kann, sondern durch Gefühle, Macht usw. beeinflusst wird. Trotzdem kann man versuchen, die Festlegung von Zielen zumindest so rational wie möglich zu gestalten, und das kann man z.B. tun, indem man die Ziele auf Realisierbarkeit, Vereinbarkeit mit anderen Zielen, Verständlichkeit, Kritisierbarkeit usw. überprüft. Damit hat man einige Entscheidungskriterien zur Hand, die zumindest ein wenig Rationalität in die Zielwahl hineinbringen können.

Es ist also nach meiner Meinung wichtig, sich klar zu machen, dass die Ethik nicht zu einem insgesamt irrationalen Unterfangen wird, nur weil sie die Setzung von Zielen voraussetzt. Sie kann trotz dieser Schwierigkeit relativ rational betrieben werden, wie man am Beispiel der Wissenschaft sieht, die ja auch auf solchen Zielsetzungen basiert.
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