Was hat es mit der Memetik auf sich?

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Was hat es mit der Memetik auf sich?

Beitragvon Manfred Bibiza » So 5. Aug 2007, 08:03

Hi folks!

Richard Dawkins hat vor 30 Jahren in seinem brillanten Erstling den Begriff "Mem" geprägt, um damit einige merkwürdige Aspekte der kulturellen Evolution, insbesondere deren Schnelligkeit, leichter und besser erklären zu können, als dies mit der klassischen Bioevolution möglich ist (oder nur mit so manchen verkrampften Annahmen). Er hat diesen Ansatz damals nicht gründlich durchgeführt, aber seither haben andere die Idee aufgegriffen (besonders Daniel Dennett und Susan Blackmore) und zu einer schon recht tragfähigen Hypothese ausgebaut.

Ich halte diesen Ansatz, die eigenartige Entwicklung des Menschen zu einem Kulturwesen zu erklären, grundsätzlich einmal für lohnenswert, denn zumindest liefert die Idee, einen Kulturreplikator anzunehmen, einige griffige Vorstellungen für die Diskussion der kulturellen Evolution.

Allerdings bereitet mir der ontologische Status der Meme Kopfzerbrechen. Handelt es sich hier wirklich um eine neue Entdeckung oder lediglich um eine griffige Neuformulierung und Zusammenführung von Konzepten, die schon vorher in anderen (und weniger allgemeinverständlichen) Terminologien verschiedener wissenschaftlicher Richtungen angedacht wurden, zB Systemtheorie, Informationstheorie, verschiedene Sozialtheorien (psychologische, behavioristische, marxistische usw), Psychologie etc.

Was sagt und bringt euch die Memetik?
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Beitragvon Klaus » So 5. Aug 2007, 08:31

Eine Reihe von Evolutionsbiologen stehen der Mem-Hypothese sehr skeptisch wenn nicht gar ablehnend gegenüber. Dawkins mußte ja schließlich einige Aussagen aus seinem Erstlings-Werk korrigieren. Das "Kultur-Körperchen" hat sich ja genetisch bisher nicht nachweisen lassen. Ich meine kulturelle Evolution hat es gegeben und gibt es, nur lassen sich biologische-evolutionäre Phänome gar nicht oder nur sehr schwer erklären. Bunge/Mahner lehnen Mem und Memetik schlicht und ergreifend einfach ab.
Ähnliches, wie die Memetik hat die "Kulturethologie" von König beschrieben, jedoch ohne das Konstrukt des Mems.
In der Evolutionsbiologie spielt die Memetik keine Rolle, da hier andere Denkansätze, wie zum Beispiel Evo-Devo einen Schwerpunkt darstellen. Insoferen ist das Mem eine Randerscheinung im Rahmen der ET, die korrelativen Beziehungen zur Genetik sind einfach nicht bewiesen.
Das Mem ist ein Konstrukt, Brillianz ist etwas anderes.
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Klaus
 
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Beitragvon Manfred Bibiza » So 5. Aug 2007, 21:00

Hallo Klaus!
Ja, ich denke auch, daß die Memetik für die biologische Evolution des Menschen nicht von großer Bedeutung sein kann. Der Witz scheint allerdings der zu sein, daß es gar nicht darum ginge, ein Mem genetisch nachzuweisen. Ich meine, wäre das der Fall, hätten wir ja sowieso kein memetische, sondern eben eine genetische Struktur (und die ist inzwischen ja - vergleichsweise - gut bekannt). Auch ist es wahrscheinlich nicht so wichtig, wie die Evolutionsbiologie und die Evolutionsbiologen zur Memetik stehen, da sie sich (als Fachleute, nicht als Mitmenschen) mit etwas anderem beschäftigen, eben der Entstehung biologischer Organismen.
Zur Kulturethologie von König kann ich nichts sagen, da ich eben erst durch deinen Hinweis davon erfahren habe, wofür ich dir herzlich danke. Da werd' ich mich mal ein bißchen schlau machen. Dies Eine kann ich deinem Hinweis jedoch gleich entnehmen, daß die "Kulturethologie" mehrweniger das Gleiche in anderer Terminologie auszusagen scheint, was dann - wie in vielen anderen Bereichen auch - darauf hinausliefe, welche Terminologie sich als griffiger, fruchtbarer und resistenter erwiese.
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