Paul Tillich: Gott existiert nicht

Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon pinkwoolf » Do 18. Okt 2007, 15:10

Diesen Ausspruch des deutschen Theologen Paul Tillich habe ich nur auf Englisch gefunden:

“God does not exist. He is being itself beyond essence and existence. Therefore, to argue that God exists is to deny him (132).”

Kann jemand diesem Ausspruch mehr Sinn abgewinnen als ich?
:gott:
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Kival » Do 18. Okt 2007, 15:11

132? Steht da vielleicht ne genauere Quellenangabe? (Hab ein wenig von Tilich...)
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Andreas Müller » Do 18. Okt 2007, 15:12

:lachtot:
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Kival » Do 18. Okt 2007, 15:16

Es meint, dass das Wesen Gottes jenseits von Existenz und Essenz liegt und jeder Versuch, seine Existenz zu beweisen, belegen, dafür zu argumentieren, stellt seiner Meinung nach eine Verleugnung der eigentlichen Natur Gottes dar. Passt doch zu Tilichs Anti-rationalistischer Haltung in Gottesfragen.
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon pinkwoolf » Do 18. Okt 2007, 15:19

Laut diesem Net-Link
http://brainofdtrain.wordpress.com/2007 ... god-exist/
zitiert aus:

The Doctrine of God: A Global Introduction (Paperback)
by Veli-Matti Karkkainen
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Kival » Do 18. Okt 2007, 15:25

Da kenn ich leider kein deutsches Original zu. Schad.
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon pinkwoolf » Do 18. Okt 2007, 15:40

Dawkins bemerkt einmal auf eine Publikumsfrage, dass er sich aus naheliegenden Gründen mehr mit Evangelikalen Christen auseinandersetzt als mit Theologen wie Paul Tillich, sonst hätte er ein anderes Buch geschrieben.

Die Frage ist doch: Wie kann man sich mit Aussagen wie
“God does not exist. He is being itself beyond essence and existence. Therefore, to argue that God exists is to deny him.”

überhaupt noch auseinandersetzen?
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Kival » Do 18. Okt 2007, 15:50

pinkwoolf hat geschrieben:Die Frage ist doch: Wie kann man sich mit Aussagen wie
“God does not exist. He is being itself beyond essence and existence. Therefore, to argue that God exists is to deny him.”

überhaupt noch auseinandersetzen?


So wie Albert mit Küng (und auch ganz am Rande Tilich): Das Elend der Theologie.

In dem Fall muss man fragen, inwiefern es irgendwelchen Sinn machen soll, von etwas, das abseits von Essenz und Existenz ist, zu sprechen, ob darüber nicht zu schweigen wäre - man kann Worthülsen auseinandernehmen, etc. pp.
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon pinkwoolf » Do 18. Okt 2007, 16:44

15 € sind mir zu teuer, aber danke für den Tip. Dein Kurzresumee bringt mich schon weiter.
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Max » Do 18. Okt 2007, 16:45

Bist du Schüler?
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon pinkwoolf » Do 18. Okt 2007, 17:07

Max hat geschrieben:Bist du Schüler?


Wie kommst du denn darauf?
Nein, ich stehe auf der anderen Seite. Aber lernen wollen wir doch alle, oder? Bis ans - gebe jenes höhere Wesen, welches wir verehren oder auch nicht - schmerzlose Ende unseres Lebens.
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Max » Do 18. Okt 2007, 18:13

Ich kam auf die Idee, weil du meintest, 15 Euro wären zu viel, als dass du sie für ein Buch ausgeben würdest.
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon pinkwoolf » Do 18. Okt 2007, 18:30

Ich lebe getrennt und muss deshalb jeden Cent zweimal umdrehen. :tomate:

Außerdem scheint es mir, es genügt, sich mit solchen gedanklichen Sackgassen ein bisschen oberflächlich zu beschäftigen. In der Tat: Worüber man nicht reden kann, darüber soll man schweigen.
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Myron » Do 18. Okt 2007, 21:19

pinkwoolf hat geschrieben:Diesen Ausspruch des deutschen Theologen Paul Tillich habe ich nur auf Englisch gefunden:

“God does not exist. He is being itself beyond essence and existence. Therefore, to argue that God exists is to deny him (132).”


"Gott existiert nicht. Er ist das Sein-Selbst jenseits von Essenz und Existenz. Deshalb: Beweisen wollen, dass Gott existiert, heißt—ihn leugnen."

("Systematische Theologie", Bd. 1 [1951], S. 239)
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Kival » Do 18. Okt 2007, 22:04

Ah... genau, ich habs leider nicht hier, könntest Du vielleicht den "Kontext" dazu zitieren?
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Myron » Fr 19. Okt 2007, 00:29

Kival hat geschrieben:Ah... genau, ich habs leider nicht hier, könntest Du vielleicht den "Kontext" dazu zitieren?


Auch ich hab den Schinken nicht zu Hause.
Das Zitat habe ich von GoogleBooks (übrigens sehr zu empfehlen für Literaturrecherche), und dort wird nicht der Volltext angeboten.
Aber die betreffende Seite 239 kannst Du dir ansehen:

http://tinyurl.com/2wtqwo
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Kival » Fr 19. Okt 2007, 00:39

Also ich kann da eigentlich den ganzen Text lesen - danke!
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon pinkwoolf » Fr 19. Okt 2007, 12:56

Klasse, Myron, dass du den Kontext gefunden hast.

Nun habe ich so eine Ahnung, ich verstände, was Tillich meint, oder in einer schönen englischen Wendung, got my mind around his thought. Aber worin unterscheidet sich denn die Essenz von der Existenz? Liege ich richtig, wenn ich sage: "Ein Wort besitzt Essenz, aber keine Existenz."?

Und nach Tillichs ganzer sorgfältiger Argumentation stehe ich immer noch fassungslos vor der Frage: Was will er damit sagen?
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Myron » Fr 19. Okt 2007, 13:05

pinkwoolf hat geschrieben:Nun habe ich so eine Ahnung, ich verstände, was Tillich meint, oder in einer schönen englischen Wendung, got my mind around his thought. Aber worin unterscheidet sich denn die Essenz von der Existenz? Liege ich richtig, wenn ich sage: "Ein Wort besitzt Essenz, aber keine Existenz."?


Die Unterscheidung von Essenz (Wesen) und Existenz ist die von Sosein und Dasein. Das Sosein eines Dings ist die Menge seiner wesentlichen Eigenschaften.

pinkwoolf hat geschrieben:Und nach Tillichs ganzer sorgfältiger Argumentation stehe ich immer noch fassungslos vor der Frage: Was will er damit sagen?


Der Sinn des Tillich'schen Satzes existiert nicht. Er ist das Sein-Selbst jenseits von Essenz und Existenz. Deshalb: Verstehen wollen, was Tillich sagt, heißt—ihn leugnen ...
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Re: Paul Tillich: Gott existiert nicht

Beitragvon Falk » Fr 19. Okt 2007, 13:34

Leider sieht man nicht die umliegenden Seiten, und basierend auf dieser einen, ist es kaum möglich einzuschätzen, was Tillich genau meint.

Seine Begriff erinnern freilich an die Grundbegriffe des Existentialismus. "Existenz" scheint er als Sein aufzufassen, Gott als "Grund des Seins" - worauf er sagt, daß der Grund des Seins nicht im Seienden selbst gesucht werden könne, d.h. Gott nicht mit der Kategorie "Existenz" in Verbindung gebracht werden kann. Das stimmt, allerdings ist die Annahme, daß Gott der "Grund des Seins" sei, natürlich genau auf diese Schlußfolgerung hin konstruiert, d.h. bloßes Wunschdenken. Schließlich könnte Gott genauso gut nicht der "Grund des Seins" sein.

Der Existentialismus postuliert, daß die Existenz der Essenz vorausgehe (Sartre). Der Mensch ist also zuerst, und muß sich dann entwerfen. Grob gesagt: Man existiert erst, und gibt seiner Existenz dann einen Sinn (oder mehrere). Aus traditioneller christlicher Sicht steht der Sinn der Existenz aber freilich schon fest, bevor etwas existiert, d.h. die Essenz kommt vor der Existenz. Nun nennt Tillich Gott den "Grund der Essenz und Existenz" - wenn Gott der "Grund der Essenz" ist, kann er natürlich auch nicht mit der Kategorie "Essenz" in Verbindung gebracht werden. Auch das ist richtig, allerdings wiederum bloßes Wunschdenken.

Wenn Gott also der "Grund der Essenz und Existenz" ist, dann kann man Gott weder in der Essenz noch in der Existenz suchen, sondern nur außerhalb derselben. Daher ist die Frage nach der Existenz Gottes unsinnig, und ebenso eine Identifizierung Gottes mit der Essenz, oder eine Verortung Gottes im Übergang vom einen ins andere. Das scheint mir durchaus stringent, allerdings basierend auf willkürlichen, Wunschdenken entspringenden Annahmen.

Danach behauptet Tillich noch, daß Gott auch der Methode des logischen Schließens unzugänglich sei. Leider kann ich dem halben Absatz nicht entnehmen, wie er das begründet, aber jedenfalls scheint er der Ansicht zu sein, die Gott-Hypothese dann gegen jedweden Einwand immunisiert zu haben. Ich vermute, daß er es so versucht: Wenn man nicht sinnvoll fragen kann, ob Gott existiert, ja, überhaupt nicht sagen kann, was Gott eigentlich ist, dann kann die Methode des logischen Schließens keinen Erfolg haben, weil sie dann per definitionem keinen Schlußpunkt hat. Man kann nicht auf etwas schließen, was zu allem für uns Faßbaren in keinerlei Beziehung steht.

Wohlgemerkt: Ich spekuliere bloß, und plappere hier mehr als daß ich philosophierte. Aber auf Basis dieser einen Seite geht wohl auch nicht mehr. Nächste Woche bin ich wieder an der Uni, da werde ich mal schauen, wie nah ich der Wahrheit gekommen bin. ;)
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