Schach und Wissenschaft

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Schach und Wissenschaft

Beitragvon Max » Mo 26. Nov 2007, 21:51

Zur Zeit lese ich ein Buch von H.C. Opfermann, Die Spielerfolge der großen Schachdenker. Es ist ein schachgeschichtliches Werk. Der Autor beschäftigt sich darin mit dem Zeitgeist und seiner Einwirkung auf die Spielstärke und -strategie der Meister.

Hier ein Zitat aus dem Buch. Mich würde interessieren, was ihr davon haltet.

Das Schachspiel ist ein vom Menschen entwickeltes "Handwerkszeug", das ebenso wie de "Farben" sowohl der Gestaltung von Kunstwerken als auch von geistes- und naturwissenschaftlichen Schöpfungen geeignet ist. Sein Anwendungs- und Gestaltungsbereich ist zwar künstlerisch nicht ganz so variationsreich wie das Reich der Töne, Farben und Formen noch geisteswissenschaftlich so tiefgründig auslotbar wie die Mathematik, die Physik und die Chemie, doch ist es zur Hervorbringung und Gestaltung echter Kunstwerke und anderer Kulturschöpfungen durchaus gleichrangig befähigt.
Schach-Kunswerke gehören dem Reich der Sekundarkünste an. Sie sind den Theater- und Opernkunstwerken, den Ritual- und den dendrologischen Kunstwerken gleichzuachten.
Im Überschneidungsbereich zu den geistes- und naturwissenschaftlichen Kulturschöpfungen lassen sie sich den Kunstqualitäten der Concept-art und der Einbild-Photographie gleichstellen und auch in den Forschungsbereich der mathematischen und physikalisch-chemischen Fundamentaltheorien organisch eingliedern.
Überall dort, wo ein ordnender Wille mit einem ordnenden Gegenwillen diskutiert und sich in normativen Regeln, Gesetzen und Leitbildern verwirklicht, wo die Idee gegen die Entropie antritt, geschieht dem Schachspiel Gleichrangiges.


Der letzte Abschnitt ist der wichtigste. Was haltet ihr von dem Geist der Ordnungssuche, den Opfermann hier anspricht?
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Re: Schach und Wissenschaft

Beitragvon Kurt » Mo 26. Nov 2007, 22:39

Wenn du mich fragst: Der Autor hat ein sehr seltsames Verständnis entweder von Kunst oder von Schach. Meiner Ansicht nach hat Schach(spielen) gar nichts mit Ordnungssuche zu tun. Sondern es hat was mit Strategie, Kampf, Komplexität und Fragilität zu tun. Kunst kommt aber doch nicht durch den Kampf zweier Parteien zustande, sondern durch einen individuellen kreativen Schöpfungsprozess. Ich bin auch der Ansicht, dass das Schachspiel es an Variationsreichtum durchaus mit dem Reich der Farben und Töne aufnehmen kann.

Weißt du näheres über den Autor? Laut google muss er ein guter Vereinsspieler aus deiner Nähe gewesen sein, kann das sein?
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Re: Schach und Wissenschaft

Beitragvon ostfriese » Di 27. Nov 2007, 15:23

Schachpartien können sich zu Delikatessen entwickeln, aber das geschieht ungeplant.

Den Vergleich mit einem Kunstwerk würde ich eher bei einer Schachkomposition gelten lassen (Matt in soundsoviel Zügen). Einen artistischen Genuss empfinde ich auch bei manchen Mathematik-Problemen, die ebenfalls virtuos komponiert sein können. Deshalb werde ich im Dezember wieder jeden Abend an den Aufgaben des Mathematischen Adventskalenders knobeln, auch wenn's dieses Jahr nur schlechter werden kann (2006 hatte ich 23 von 24 richtig -- unter mehr als 9000 Teilnehmern waren nur sieben besser, darunter zwei Schüler, kein Lehrer und kein Thüringer :kg: )...

Aufgabenautoren werden leider nie prämiert und selten gewürdigt, dabei finden ihre Werke einen zwar kleinen, aber umso dankbareren Kreis begeisterter Anhänger. Naja, es liegt wohl in der Natur der Sache: Anspruchsvolle Denksportaufgaben sind eben eine Kunst mit Zugangsbeschränkung.
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Re: Schach und Wissenschaft

Beitragvon Max » Di 27. Nov 2007, 17:17

Diesen Satz finde ich grandios:
Überall dort, wo ein ordnender Wille mit einem ordnenden Gegenwillen diskutiert und sich in normativen Regeln, Gesetzen und Leitbildern verwirklicht, wo die Idee gegen die Entropie antritt, geschieht dem Schachspiel Gleichrangiges.
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Re: Schach und Wissenschaft

Beitragvon ostfriese » Di 27. Nov 2007, 17:40

Und wenn einer die Figuren vom Brett fegt, ist ihm kurrzeitig der ordnende Wille abhanden gekommen?

Wodurch die Idee, kollateral getroffen, der Entropie unterliegt? ;D
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Re: Schach und Wissenschaft

Beitragvon Kurt » Di 27. Nov 2007, 20:02

Max hat geschrieben:Diesen Satz finde ich grandios:
Überall dort, wo ein ordnender Wille mit einem ordnenden Gegenwillen diskutiert und sich in normativen Regeln, Gesetzen und Leitbildern verwirklicht, wo die Idee gegen die Entropie antritt, geschieht dem Schachspiel Gleichrangiges.


Also wenn ich ehrlich bin, für mich hört sich das an wie Deutschlehrergeschwurbel. Ich mag diese geschwollene Ausdrucksweise nicht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich den Sinn des Satzes verstehe, falls es einen gibt.
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Re: Schach und Wissenschaft

Beitragvon stine » Mi 28. Nov 2007, 09:20

ostfriese hat geschrieben: Mathematischen Adventskalenders


Vielen Dank, für diesen tollen Link! :up:
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