Grundeinkommen

Grundeinkommen

Beitragvon Vompf » Mi 20. Feb 2008, 20:30

Hallo Leute,

habt Ihr schon mal was vom Grundeinkommen gehört, dass in einer Partei andiskutiert aber zunächst verworfen wurde?

Ich halte das Grundeinkommen, kombiniert man es mit einem linearen Steuersatz (flat tax), für noch sozialer als die bestehende Regelung. Warum?
Das Grundeinkommen ist ein 'Bürgergeld', das jedem Steuerpflichtigen zusteht und vom Finanzamt ausbezahlt bzw auf die Steuer angerechnet wird. Die Einheitssteuer wird auf alle Einkommen ohne Berücksichtigung eines persönlichen Freibetrages erhoben.
Nehmt mal als Grundeinkommen 659,50 €/Monat pro steuerpflichtige, natürliche Person an und einen Einheitssteuersatz von 42 % (so wie jetzt der Spitzensteuersatz) und vergleicht es mit der jetzt geltenden Steuerlast.
* Es gibt keinen Unterschied? ==> Dann gehörst Du zu den gut verdienenden, die über 4300 €/Monat einfahren.
* Du hast eine deutliche Entlastung? ==> Dann gehörst Du zu der Masse der Durchschnittsverdiener.
* Du bekommst mehr Geld raus, als Du Steuern zahlst? ==> Dann gehörst Du zu den gering verdienenden ( < 1570 €/Monat brutto)

Vorteile:
* Extreme Vereinfachung des Steuerrechts.
* 'Leistung lohnt sich wieder' (Ich hasse diesen Satz, aber er trifft genau den Punkt), besonders für gering qualifizierte und damit gering verdienende.
* Gerecht: Werbungskosten bringen unabhängig vom Verdienst die gleiche steuerliche Entlastung.
* Die gesetzliche Rentenversicherung kann abgeschafft werden. (Die ALV evtl auch).
* Krankenversicherung als Kopfpauschale ist damit immer noch sozial kompensiert.

Und wer Bedenken hat, wie das finanziert werden soll: Überleg mal, was heute ein Langzeitarbeitsloser erhält: 347 € ALG 2 plus ca 300 € Wohnkostenzuschuss plus Krankenversicherung im Wert von etwa 300 €
Macht zusammen wieviel?

Ich freue mich auf eine rege Diskussion!
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon dvrvm » Do 21. Feb 2008, 00:25

Drei Einwände.
Erstens: Dass ein Normalverdiener dabei nicht draufzahlt, musst du mir erst vorrechnen. Dazu kommt, dass für ihn der Anreiz, mehr zu arbeiten, viel kleiner wird als bisher (für jeden zusätzlichen Euro, den er verdient, bekommt er nur 58c, das wäre beim heutigen System deutlich mehr.)
Zweitens: Wie geht die Finanzierungsrechnung denn auf? Wenn ein Langzeitarbeitsloser bisher ca. 1000€ kostet, heisst das, dass er so viel zum Überleben braucht, also dass die 657€ zuwenig sind. (Ansonsten wären die Sozialversicherungen zurzeit zu grosszügig.) Zusätzlich sind ja im neuen System nicht nur die Langzeitarbeitslosen Nettoprofiteure, sondern auch die Wenigverdiener, also ist erst zu berechnen, wieviel diese mehr kosten würden.
Drittens: Es ist aus rein finanzeller Sicht richtig, dass es sich mit diesem System lohnt, zu arbeiten, weil man damit kein Einkommen aufgibt. Allerdings würden sich einige in dieser Situation zweimal überlegen, ob sie lieber arbeiten gehen und verdienen oder den ganzen Tag chillen und dafür bescheidener leben. Besonders bei Schülern am Anfang ihrer Berufslaufbahn (ich kenne das deutsche System nicht wirklich, in der Schweiz kann man nach 9 Schuljahren eine Berufslehre beginnen oder ins Gymnasium gehen, falls man die Voraussetzungen erfüllt) könnte die Perspektive, einfach mal "rumzuhängen und zu kassieren" (besonders falls noch Hotel Mama die Wohnkosten erübrigt) einige Attraktivität gewinnen. Leute, die den Einstieg einmal verpassen, sind aber oft nur noch schwer in das System zurückzubringen. Ob das Problem überhaupt auftreten würde, sähe man aber wohl erst, wenn man das ganze ausprobiert...
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon Vompf » Do 21. Feb 2008, 08:46

dvrvm hat geschrieben:Drei Einwände.
Erstens: Dass ein Normalverdiener dabei nicht draufzahlt, musst du mir erst vorrechnen. Dazu kommt, dass für ihn der Anreiz, mehr zu arbeiten, viel kleiner wird als bisher (für jeden zusätzlichen Euro, den er verdient, bekommt er nur 58c, das wäre beim heutigen System deutlich mehr.)

Korrekt ist, dass für jeden hinzuverdienten Euro nur effektiv 58 Euro-Cent bleiben. Aber wieso draufzahlen?
Beispiele (Das gilt nur für Einzelpersonen, also nicht nach Splittingtabelle), alle Zahlen in Euro:
Jahreseinkommen : Steuerlast heute : Steuerlast nach Reform
0 : 0 : -7914 "Nullverdiener, der bekommt heute ALG 2
18000 : 2313,13 : -354 "Geringverdiener"
30000 : 5807,97 : 4686 "Normalverdiener
54000 : 14766 : 14766 "Gutverdiener"
Und: Ich finde es sogar positiv, wenn der Anreiz, sich selbst für einen oder mehrere Arbeitgeber 'zu verheizen', geringer wird.

dvrvm hat geschrieben:Zweitens: Wie geht die Finanzierungsrechnung denn auf? Wenn ein Langzeitarbeitsloser bisher ca. 1000€ kostet, heisst das, dass er so viel zum Überleben braucht, also dass die 657€ zuwenig sind. (Ansonsten wären die Sozialversicherungen zurzeit zu grosszügig.) Zusätzlich sind ja im neuen System nicht nur die Langzeitarbeitslosen Nettoprofiteure, sondern auch die Wenigverdiener, also ist erst zu berechnen, wieviel diese mehr kosten würden.

Vielleicht mag es populistisch klingen und von nachmittäglichen Krawall-Talksendungen beeinflusst, aber man muss sich tatsächlich die Frage stellen, ob Langzeitarbeitslose bzw. Sozialhilfeempfänger nicht jetzt schon zuviel an Geldleistung erhalten. Das zahlen aber nicht die Sozialversicherungen, sondern der Steuerzahler (sic!), da ALG 2 eine Leistung aus dem Bundeshaushalt ist. Ausserdem ist auch nach dem neuen System noch nicht die Krankenversicherung betrachtet, das heisst, auch hier käme man auf knapp 1000€. Ich würde sogar das Kindergeld abschaffen und durch (für Kinder / Jugendliche reduziertes) Grundeinkommen ersetzen. BaFöG wird durch Grundeinkommen ersetzt.

dvrvm hat geschrieben:Drittens: Es ist aus rein finanzeller Sicht richtig, dass es sich mit diesem System lohnt, zu arbeiten, weil man damit kein Einkommen aufgibt. Allerdings würden sich einige in dieser Situation zweimal überlegen, ob sie lieber arbeiten gehen und verdienen oder den ganzen Tag chillen und dafür bescheidener leben. Besonders bei Schülern am Anfang ihrer Berufslaufbahn (ich kenne das deutsche System nicht wirklich, in der Schweiz kann man nach 9 Schuljahren eine Berufslehre beginnen oder ins Gymnasium gehen, falls man die Voraussetzungen erfüllt) könnte die Perspektive, einfach mal "rumzuhängen und zu kassieren" (besonders falls noch Hotel Mama die Wohnkosten erübrigt) einige Attraktivität gewinnen. Leute, die den Einstieg einmal verpassen, sind aber oft nur noch schwer in das System zurückzubringen. Ob das Problem überhaupt auftreten würde, sähe man aber wohl erst, wenn man das ganze ausprobiert...

Ich will mit dem Grundeinkommen nicht das Leben, sondern nur die Existenz der Menschen absichern. Auch in Deutschland kann man in der 9. Klasse die 'normale' Schule beenden und eine betriebliche Ausbildung beginnen (was wiederum tageweise Berufsschule bedeutet) oder arbeiten. Es kann natürlich sein, dass manche vielleicht auf eine höhere Ausbildung verzichten, da man ja auch mit geringerem Erwerbseinkommen zusammen mit dem Grundeinkommen ein gutes Auskommen hat. Aber das ganze Gequatsche vom Mindestlohn hätte sich dann erübrigt. Wer nur 1,50 Euro die Stunde bekommt, ist selbst schuld. In unserer Gesellschaft gibt es eben nicht nur Arbeiten zu erledigen, die mehr als 7,50 € die Stunde wert sind. Einen Mindestlohn einzuführen, wäre ein Eingriff in den Arbeitsmarkt, und ich meine, der Staat sollte da seine Finger am besten heraussen lassen.
Ich persönlich würde dennoch eine hohe Ausbildung und eine gut dotierte Stelle anstreben. Und ich glaube, das würden die meisten.

Lesenswert: Der Thread "Vollbeschäftigung eine unnötige Illusion? Die RICH-Ökonomie"
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon StefanK » Do 21. Feb 2008, 16:27

Ich finde die Idee von einem Grundeinkommen abwägig! Aus wissenschaftlicher Sicht, und zwar hier die Mikroökonomie - VWL, ist die Kopfsteuer die Form von Versteuerung, die den größten Wohlstand schaffen würde, weil hier für den Einzelnen die meisten Anreize geschaffen werden. Es gibt viele Studien innerhalb Europas über das Sozialwesen aus den letzten Jahrhunderten. Eine Erkenntnis kann man immer daraus ziehen: wenn zuviel Sozialleistungen gezahlt werden, dann nimmt die Anzahl an Bettlern und Arbeitsunwilligen zu. Auch alleinerziehende Frauen haben zu allen Zeiten das Sozialsystem in betrügerischer Form ausgenutzt (was man irgendwie verstehen kann). Das Sozialwesen muss immer eine Balance finden zwischen Anreiz zu eigener Arbeit zu schaffen und niemanden verhungern zu lassen. Das ganze Thema Hartz war doch ein solches. Viele Leute wollen primär Geld zum Leben, aber nicht Arbeit zum Leben. Leute haben ein Recht faul zu sein, sie haben aber kein Recht vom Staat ein Grundeinkommen zu verlangen. Sozialleistungen dürfen daher nur in ganz genau definierten Fällen gezahlt werden, wenn eine eigene Erwerbstätigkeit ausgeschlossen ist. Auch Studenten mit einem generellen Grundeinkommen auszustatten halte ich nicht für richtig, weil man einen Langzeitstundenten letztlich nicht von einem Drückeberger unterscheiden kann. Eine Ausbildung bzw. Studium sollte der Staat einem jungen Menschen zukommen lassen. Was darüber hinaus geht, dafür muss jeder selbst sorgen. Es sei denn, der Staat hat ein berechtigtes Interesse Menschen in neue Berufe umzuschulen. Freiheit heißt auch Selbstverantwortung!
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon stine » Do 21. Feb 2008, 16:49

StefanK hat geschrieben:Freiheit heißt auch Selbstverantwortung!

Das ist ein ganz wichtiger Satz!
Ich denke, dass viele Langzeitarbeitslose ihre Eigenverantwortung nicht mehr wahrnehmen wollen und/oder sogar können. Der Eigenantrieb kommt abhanden und mit staatlicher Hilfe lebt´s sich letztlich auch ganz gut. Man lernt auszukommen.
Ich kenne zwar keine Langzeitarbeitslosen persönlich, aber sobald es Fernsehberichte zum Thema gibt, stelle ich immer wieder fest, dass der Computer, der Fernseher und der volle Aschenbecher stets im Hintergrund zu sehen sind.
Hinzu kommt, dass der Witz mit dem Combilohnmodell, nämlich Hartz IV und Schwarzarbeit, gar nicht so selten zu sein scheint.

Was wir brauchen sind Arbeitsplätze und zwar in allen Kategorien. Ich bin zB auch der Meinung, dass ein Hartz IV-Empfänger sich ruhig im Stadtpark oder im Supermarkt nützlich machen könnte. Per umsonst versteht sich. Das entspräche zwar einem staatlichen Lohneinkommen, aber zu Hause rumsitzen, machts auch nicht besser.

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Re: Grundeinkommen

Beitragvon Klaus » Do 21. Feb 2008, 17:06

stine hat geschrieben:Ich denke, dass viele Langzeitarbeitslose ihre Eigenverantwortung nicht mehr wahrnehmen wollen und/oder sogar können. Der Eigenantrieb kommt abhanden und mit staatlicher Hilfe lebt´s sich letztlich auch ganz gut. Man lernt auszukommen.

Das ist mal völlig daneben, zu unterstellen, dass ein Langzeitarbeitsloser, nicht mehr arbeiten will. Natürlich gibt es den Missbrauch des Sozialsystems, es gibt aber auch den Missbrauch des Kapitals, wie wir jüngst sehen. Also bitte keine Abstraktionen. Aber es redet sich natürlich immer leichter, über die, die durchs Gitter gefallen sind.
K.Tucholsky hat geschrieben:Eine der schauerlichsten Folgen der Arbeitslosigkeit ist wohl die, dass Arbeit als Gnade vergeben wird. Es ist wie im Kriege, wer die Butter hat, wird frech.

stine hat geschrieben:Ich kenne zwar keine Langzeitarbeitslosen persönlich, aber sobald es Fernsehberichte zum Thema gibt, stelle ich immer wieder fest, dass der Computer, der Fernseher und der volle Aschenbecher stets im Hintergrund zu sehen sind.

Es gibt nur wenige Medien, die zu dieser Thematik unvoreigenommen berichten.
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon stine » Do 21. Feb 2008, 19:35

Klaus hat geschrieben:Das ist mal völlig daneben, zu unterstellen, dass ein Langzeitarbeitsloser, nicht mehr arbeiten will.


...oder kann!
War meine Aussage. Ich wünschte einige von euch würden genauer lesen, wenn "stine" unter einem Post steht.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass das Missverständnis zu meinem Nickname kultiviert werden soll.
Aber wenns gefällt...

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Re: Grundeinkommen

Beitragvon Klaus » Do 21. Feb 2008, 19:40

Nein stine, ist nicht meine Absicht, entscheidend ist was du danach geschrieben hast und das relativiert "das nicht können".
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon Andreas Müller » Do 21. Feb 2008, 21:00

Ich bin dafür, es sollten aber mindestens 800 Euro Grundeinkommen sein und zwar für jeden unterschiedslos ab Geburt, zusätzlich eine allgemeine Gesundheitsfürsorge, für alle verpflichtend, Abschaffung der Privaten, Abschaffung von staatlicher Rente, Bafög, Arbeitslosigkeitsversicherung, Beibehaltung der betrieblichen Unfallversicherung, Abschaffung auch des Kindergelds. Finanzierung weniger durch Steuern (die Lohnnebenkosten könnte man drastisch senken), sondern durch eine deutliche Erhöhung der Mehrwersteuer wie etwa in Schweden.
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon pinkwoolf » Do 21. Feb 2008, 21:57

Die meisten Punkte in deinem Katalog kann ich nur voll unterstützen; aber:

Die Abschaffung des Kindergeldes erscheint zwar vernünftig angesichts des maßlosen Bevölkerungswachstums in der Welt; aber unser Problem in der BRD ist das doch eher nicht, oder? Wir brauchen doch ein oder zwei Kinder, wenn unsere Altersversorgung nicht den Bach runtergehen soll. Und diejenigen, die diese Kinder zeugen, haben verdammte Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen.

Da wäre ich eher für eine Sondersteuer für den Vatikan, der die Zeugung von acht bis fünfzehn Kindern propagiert, auch wenn dafür keinerlei materielle Basis existiert.

Und was meinst du mit staatlicher Rente? Gibt es so etwas überhaupt, außer bei beamteten Blutsaugern wie mir, der ich vom Staat angestellt bin und bei dem das Pension heißt?
Sollen wir die Rentenversicherung abschaffen, damit jeder Dödel stattdessen auf eigene Verantwortung in US-Immobilien investiert?

Wie gesagt, mit den anderen Punkten habe ich keine Probleme.
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon Andreas Müller » Do 21. Feb 2008, 22:33

Du hast übersehen, dass ich das Grundeinkommen von der Wiege bis zur Bahre befürworte -- Kinder bekommen es also auch.

Und was meinst du mit staatlicher Rente?

Die gesetzliche Rente, Basisversorgung
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon Kurt » Do 21. Feb 2008, 22:35

Andreas Müller hat geschrieben:(die Lohnnebenkosten könnte man drastisch senken)

Welche Komponenten der Lohnnebenkosten würdest du denn streichen?

Andreas Müller hat geschrieben:, sondern durch eine deutliche Erhöhung der Mehrwersteuer wie etwa in Schweden.

D.h. du würdest die Steuer erhöhen, die nicht zwischen arm und reich unterscheidet und damit die effektive Gesamtbesteuerung des Einkommens weniger stark progressiv ausfallen lassen. Damit könnte ich leben, aber ich bezweifle, dass die Effekte so sind, wie von dir erwartet/gewünscht.
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon Andreas Müller » Do 21. Feb 2008, 22:48

Welche Komponenten der Lohnnebenkosten würdest du denn streichen?

Man müsste den Arbeitgeberanteil vielleicht durch etwas anderes ersetzen, einen niedrigeren Grundeinkommensanteil oder so.

Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung könnte man streichen/mindern, Krankenversicherung allgemein (jeder muss einzahlen)

die nicht zwischen arm und reich unterscheidet

Es ist nicht ganz so einfach. Wer einen Porsche kauft statt einen VW, der zahlt auch erheblich mehr Mehrwertsteuer, nur der Prozentsatz bleibt gleich.

Es würde aber tatsächlich dazu führen, dass auch Reiche weniger zu zahlen hätten, es sei denn durch eine Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer und dergleichen, vielleicht könnte man sich auf die Einführung einer Tobinsteuer überlegen.

Was das betrifft muss man wohl realistischer sein: Reiche bezahlen ohnehin fast nichts, weil sie die Preise erhöhen oder in ein anderes Land ausweichen können, um ihre Steuerlast auszugleichen. Liechtenstein ist nicht das einzige Schlupfloch.

aber ich bezweifle, dass die Effekte so sind, wie von dir erwartet/gewünscht.

Es wäre vor allem eine gewaltige Entbürokratisierung. Auch für Unternehmen ist die Idee durch Wegfall/Minderung der Lohnnebenkosten sehr attraktiv oder sollte es eigentlich sein.
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon pinkwoolf » Do 21. Feb 2008, 22:53

Andreas Müller hat geschrieben:...von der Wiege bis zur Bahre...

Das hatte ich in der Tat übersehen. So macht es Sinn, und so erübrigt sich tatsächlich das Kindergeld wie auch die Altersrente. Wer mehr will, muss eben etwas dafür tun.
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon Kurt » Do 21. Feb 2008, 23:16

Andreas Müller hat geschrieben:
Welche Komponenten der Lohnnebenkosten würdest du denn streichen?

Man müsste den Arbeitgeberanteil vielleicht durch etwas anderes ersetzen, einen niedrigeren Grundeinkommensanteil oder so.

Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung könnte man streichen/mindern, Krankenversicherung allgemein (jeder muss einzahlen)


D.h. der Bürger muss selber mehr zahlen, es geht also ein größerer Teil vom Grundeinkommen schonmal weg.

Andreas Müller hat geschrieben:
die nicht zwischen arm und reich unterscheidet

Es ist nicht ganz so einfach. Wer einen Porsche kauft statt einen VW, der zahlt auch erheblich mehr Mehrwertsteuer, nur der Prozentsatz bleibt gleich.

Wie bei der Flat-Tax von (sagen wir) 25%. Der Clou an der Steuerprogression ist ja gerade, dass der Reiche nicht nur proportional mehr zahlt, sondern überproportional. Das wäre bei der höheren Umsatzsteuer nicht der Fall.

Andreas Müller hat geschrieben:
aber ich bezweifle, dass die Effekte so sind, wie von dir erwartet/gewünscht.

Es wäre vor allem eine gewaltige Entbürokratisierung. Auch für Unternehmen ist die Idee durch Wegfall/Minderung der Lohnnebenkosten sehr attraktiv oder sollte es eigentlich sein.


Sicherlich frisst die Bürokratie eine Menge Geld, das wir uns besser sparen sollten. Bei den Lohnnebenkosten sehe ich wenig Potential. Deine Vorschläge zielen ja eher darauf ab, die Kosten auf andere Abzuwälzen, statt sie wirklich zu senken. Der größte Teil ist Rente (das auszuzahlende Geld, egal ob Rente oder Grundeinkommen, muss irgendwann mal eingezahlt werden) und Arbeitslosenversicherung (auch das Geld muss irgendwann eingezahlt werden, egal ob es als ALG oder Grundeinkommen ausgezahlt wird). Durch die höhere Umsatzsteuer wird die Kaufkraft des Konsumenten zusätzlich weniger.

Der Weg, der zum Ziel führt, ist IMO dass erstmal die staatlichen Transferleistungen (Rente, ALG, Hartz iv, Bafög) auf ein einheitliches Niveau gebracht werden, das zum Leben reicht aber für Luxusgüter nicht. Das Niveau ist sehr sensibel, denn man muss um jeden Preis verhindern, dass sich zu viele arbeitsfähige Leute in die soziale Hängematte legen und das System zum kippen bringen. Sinnvoll wäre es, die Höhe der Summe von einer unabhängigen Expertenkommission jährlich bestimmen zu lassen.

Eine praktikable Lösung wäre vielleicht eine negative Einkommenssteuer, die Nullverdienern das volle Grundeinkommen auszahlt, Geringverdienern einen kleinen Betrag draufzahlt und Normalverdienern wie heute üblich einen progressiv steigenden Betrag abzieht. Es macht IMO keinen Sinn, allen den gleichen Grundbetrag auszuzahlen. Es muss aber an jeder Stelle der Steuerkurve gewährleistet sein, dass ein Mehrverdienst auch zu einem höheren Nettoeinkommen führt, damit der Anreiz zur Arbeit gewahrt wird. So eine Kurve ist leicht möglich.
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon Baky86 » Fr 22. Feb 2008, 00:14

Mal abgesehen davon, dass ich diesen Vorschlag für völlig unrealistisch halte, halte ich die Folgen für unabsehbar.

Was passiert wahrscheinlich gesellschaftlich, wenn der Staat eine Rundumversorgung bietet? Es gibt keinerlei Existenzdruck mehr, also wozu noch lernen?, sich anstrengen?, wozu überhaupt etwas machen? Klar werden sich einige wenige anstrengen, aber die Masse wird sich auf dieser Sozialromantik ausruhen.
Logische Folge daraus wäre eine Unternehmensfluchtwelle, wirtschaftlicher Kollaps. Dann ist dieses System erst recht nicht mehr zu finanzieren.

Das Risiko ist zu hoch, als das man so eine Sache riskieren könnte. Ganz zu schweigen von den Folgen in den Nachbarländern.


Dann lieber ein faires Steuersystem.
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon folgsam » Fr 22. Feb 2008, 00:47

Baky86 hat geschrieben:Was passiert wahrscheinlich gesellschaftlich, wenn der Staat eine Rundumversorgung bietet? Es gibt keinerlei Existenzdruck mehr, also wozu noch lernen?, sich anstrengen?, wozu überhaupt etwas machen?



Das nenne ich :

GEISTESHALTUNG DER VERRINGERTEN ERWARTUNGEN

Schade, wenn du so denkst.
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon Andreas Müller » Fr 22. Feb 2008, 03:07

D.h. der Bürger muss selber mehr zahlen, es geht also ein größerer Teil vom Grundeinkommen schonmal weg.


Nein, wieso? Jeder zahlt Mehrwertsteuer, auch der Unternehmer. Und seine Brötchen wird er sich nicht in Thailand kaufen.

Die Krankenversicherung kann man nicht ins Grundeinkommen einbinden, weil sie ja gerade darauf basiert, dass einige Leute mehr brauchen als andere, zum Beispiel der Krebspatient im Vergleich zum normalen Gelegenheitspatienten.

arbeitsfähige Leute in die soziale Hängematte legen


Du weißt einfach nicht, ob sie das tun würden. Niemand weiß das. Genau darum brauchen wir Modellversuche. Ich bin mir aber doch recht sicher, dass sich kaum jemand, außer Künstlern vielleicht, mit dem Grundeinkommen zufrieden geben wird. Viel ist es ja nicht gerade, man kann schon gut davon leben, aber Luxus ist nicht drin. Arbeitslosigkeit ist kein erstrebenswerter Zustand.

Das Grundeinkommen ist sehr einfach aufgebaut, sehr transparent, und sozial gerecht. Was man nicht vergessen darf: Nicht nur der faule Hängemattenlieger bekommt Grundeinkommen, der arbeitswütige Großunternehmer bekommt genau den selben Betrag!
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon emporda » Fr 22. Feb 2008, 05:11

folgsam hat geschrieben:
Baky86 hat geschrieben:Was passiert wahrscheinlich gesellschaftlich, wenn der Staat eine Rundumversorgung bietet? Es gibt keinerlei Existenzdruck mehr, also wozu noch lernen?, sich anstrengen?, wozu überhaupt etwas machen?


Das nenne ich : GEISTESHALTUNG DER VERRINGERTEN ERWARTUNGEN

Schade, wenn du so denkst.

Nachdem 70 Jahre Sozialismus voll in die Hose gegangen sind und nahezu jegliches Projekt aus dieser Richtung scheiterte, fangen gewisse Gutmenschen schon wieder von vorne an. Keine dieser Wahnwitzideen hat bisher schlüssig hachgewiesen, wie die paradiesischen Zustände zu finanzieren wären, man kann nur verteilen was verdient wurde. Mit Geldscheinen drucken klappt das nicht, Zimbabwe hat damit im letzten Jahr 66000 % Inflation geschafft, im Jahr zuvor waren es nur 6000 %. Das ist wie Deutschland 1923, als man für einen Kuchen bestehend aus 10 Stücken etwa 10.000 Anteilsscheine vergeben hat.

Zur menschlichen Natur und seinem Sozialgefüge gehört untrennbar Arbeit, Fleiß, Ehrgeiz, Streben, Erfolg und daraus das Gefühl der Zufriedenheit. Mit faulen und fetten Figuren in der Hängematte gibt es nur Streit, Aufruhr und ganz sicher Untergang im Chaos.
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Re: Grundeinkommen

Beitragvon stine » Fr 22. Feb 2008, 07:54

Menschlich ist Arbeit per se nicht. Man sieht das daran, dass, wer genug hat auch lieber segeln und golfen geht, als zu arbeiten.
Ich glaube nicht, dass ein Grundeinkommen, welches natürlich auch einen Inflationsausgleich beinhalten müßte, die Menschen zu fleißigen Arbeitern macht. Man sieht ja heute schon, wie viele Menschen sich ganz gut ohne Arbeit zurechtfinden.

Meiner Meinung nach wäre es sinnvoller, die Lohnsteuer auf 25- oder 30% zu begrenzen, aber OHNE Ausnahmen. Kein Jahresausgleich und keine Rückforderungen. Wer viel verdient zahlt mehr und wer weniger verdient zahlt weniger. Und 25% entspricht auch dem Wahlsteuersatz der Schlupflochstaaten wie Monaco und Österreich, da könnten dann Leute wie Becker oder Beckenbauer wieder dort leben, wo sie ihren Wohnsitz haben.

Und die Staatskassen wären voll - es reichte (ua) wieder für ein vernünftiges Schulsystem.

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