Atheist oder Agnostiker?

Beitragvon Klaus » Mi 7. Feb 2007, 19:31

Der Atheismus ist eine weltanschauliche Grundeinstellung, die je nachdem, wie stark "ausgeprägt", in sich geschlossen sein kann. Damit ist er mehr als nur eine Lebenspraxis.
Ich stimme dir zu, hinsichtlich der Nichtgegenüberstellung von Beiden.
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Beitragvon ostfriese » Mi 7. Feb 2007, 20:18

Kival hat geschrieben:Wir sind uns da recht einig, ich halte es aber für einen Kategorienfehler Agnostizismus und Atheismus gegenüberzustellen. Der Atheismus ist keine Erkenntnistheorie sondern eine Lebenspraxis. Die meisten atheistischen Agnostiker handeln nämlich auch nach Occams Razor.

Jetzt bitte nichts durcheinander werfen: Allgemeiner Agnostizismus ist nicht wirklich eine erkenntnistheoretische Position, da sie niemand ernstlich vertritt, der sich nicht a priori ins Abseits jeder Diskussion stellen will.

Agnostizismus in der konkreten Frage nach der Existenz eines Gottes ist sehr wohl dem Atheismus gegenüber zu stellen, und zwar in genau der Weise, die ich oben skizziert habe. Der Atheismus ist nicht in erster Linie "Lebenspraxis", sondern im Hinblick auf die Gottesfrage die logische Folge aus einem pankritischen Rationalismus (der sich u.a. an Kriterien wie Occam's Razor orientiert).
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Beitragvon Kival » Mi 7. Feb 2007, 23:19

Das sehe ich allerdings anders. Erstens kann man den allgemeinen Agnostizismus genauso vertreten, wie man einen radikalen Konstruktivismus vertreten kann oder Anhänger des christlichen Glaubens sein kann und gleichzeitig Wissenschaftler: Das ist meist inkonsequent und widersprüchlich, aber es geht. Der Agnostizismus bedeutet meistens nur, dass jemand die Erkenntnis eines - wie auch immer gearteten Dinges an-sich - ausschließt. Es wird also nur eine "echte Erkenntnis" ausgeschlossen, lebenspraktische keineswegs.

Nun gibt es sicher auch Leute, die sich nur in der Frage des Gottesglauben als Agnostiker bezeichnen. Aber auch hier ist es eine erkenntistheoretische Aussage: Ich kann Gott nicht beweisen, ich kann ihn aber auch nicht widerlegen. Infolgedessen ist man dann entweder Atheist oder Theist. Man kann nicht keins von beiden nicht sein. Man kann eben auch nicht glauben, dass es einen Gott gibt, weil man ihn für unerkennbar hält (selbst wenn es ihn gäbe) oder nicht meint, sinnvolle Aussagen über so etwas treffen zu können. Bei Atheismus und Theismus gibt es nichts drittes, man kann nur die Atheisten und Theisten bezüglich ihrer Gewissheit und Begründung weiter differenzieren - nicht in der wesentlichen Aussage.

Meineserachtens stehen sich viel eher Agnostizismus und (pan)kritischer Rationalismus gegenüber (dabei allerdings nicht binär), als zwei Begründungen einer atheistischen Position.
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Beitragvon ostfriese » Mi 7. Feb 2007, 23:50

Kival hat geschrieben:Der Agnostizismus bedeutet meistens nur, dass jemand die Erkenntnis eines - wie auch immer gearteten Dinges an-sich - ausschließt. Es wird also nur eine "echte Erkenntnis" ausgeschlossen, lebenspraktische keineswegs.

??? Damit wäre die begriffliche Klarstellung, für die Dich HFRudolph gelobt hatte, allerdings wieder hinfällig. Man kann natürlich jede Position so lange umdefinieren, bis sie vertretbar wird. Allerdings nur um den Preis nachlassender Verständlichkeit und Kritisierbarkeit.

Dass unsere Beschreibungen der Welt nicht mit der Welt identisch sind, hat nichts mit Agnostizismus zu tun, sondern ist ein erkenntnistheoretischer Gemeinplatz, den außer naiven Realisten (Kindern z.B.) niemand bezweifelt.

(Allgemeiner) Agnostiker ist jemand, der die Möglichkeit bestreitet, sinnvolle Aussagen darüber treffen zu können, inwiefern unsere Beschreibungen die Wirklichkeit stimmig abbilden. Und diese Möglichkeit bestreitet niemand konsequent, da er andernfalls gar nicht lebensfähig wäre.
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Beitragvon Kival » Do 8. Feb 2007, 00:15

Du verstehst mich falsch. Viele, die sich selbst als Agnostiker bezeichnen, sehen das so. Ich sage doch, dass es nicht konsequent ist, aber es gibt eben Leute die das vertreten. Was ein Wort wirklich bedeutet, interessiert mich wenig, so etwas kann man gar nicht sagen. Relevant ist der Gebrauch. Und du willst mir doch nicht erzählen, dass erkenntnistheoretische Agnostiker ihre Position konsequent logisch durchdenken und daher dasselbe meinen, wie das, was du sagst, oder?

In der Diskussion mit jemanden, der sich selbst als Agnostiker im Gegensatz zum Atheismus bezeichnet, kann man weitaus sinnvoller erst einmal sagen, dass beide nicht an Gott glauben. Eine Diskussion um den Agnostizismus ist erst auf erkenntistheoretischer Ebene sinnvoll. Ich denke jedenfalls nicht, dass man eine Diskussion Atheismus _gegen_ Agnostizismus (im direkten Gegenüberstellen) sinnvoll führen kann. Und die meisten Agnostiker sagen dann nämlich, dass sie eigentlich nur von der "Unerkennbarkeit des Dinges an-sich" sprechen - dem kann man zustimmen und wenn sie das dann unbedingt als Agnostizismus verstehen wollen - was soll's. Viele Diskussionen werden über Definitionen geführt und das bringt eigentlich (fast) nie etwas.

Vielleicht bin ich heute auch einfach nur unfähig, mich zu konzentrieren - ich geh mal schlafen.
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Beitragvon ostfriese » Do 8. Feb 2007, 00:25

Ich verweise mal auf den bekannten Aufsatz von Gerhard Vollmer, ab Seite 4 unten bzw. final auf Seite 11 Mitte geht's um unseren kleinen "Streitpunkt".

Kival hat geschrieben:ich geh mal schlafen.

Ich auch. :up:
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Beitragvon HF******* » Do 8. Feb 2007, 10:44

Kival schrieb:
Eine Diskussion um den Agnostizismus ist erst auf erkenntistheoretischer Ebene sinnvoll.


Naja, es gibt eben auch Menschen, die ihren Agnostizismus nicht nur erkenntnistheoretisch verstehen, sondern z. B. sagen: Ich glaube eigentlich an Gott, habe aber erkenntnistheoretische Zweifel, also ein 99% für wahr halten. Ich kenne sogar Theologinnen, die den Begriff Agnostizismus so verwenden.

Die Begrifflichkeit hat deshalb einen unterschiedlichen - bzw. geringen - Aussagewert.

Gruß
HFRudolph
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Beitragvon Kival » Do 8. Feb 2007, 13:44

Ja, wie gesagt, der Agnostizismus ist auch in konkreter Form eine Erkenntnistheorie, die dann entweder zu Theismus führt oder Atheismus; letzteres ist allerdings häufiger. - Wie dem auch sei: Ich les mal den Text vom Vollmer weiter, ich hab den zwar vor nen paar Wochen schonmal überflogen, aber ich mach es jetzt mal ordentlich.
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